Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 731-1/07                                                            Wien, 8. Juni 2007

Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem ein Bundesgesetz über

die Festlegung von Qualitäts- und

Sicherheitsstandards für die Ge-

winnung, Verarbeitung, Lagerung

und Verteilung von menschlichen

Zellen und Geweben zur Verwen-

dung beim Menschen (Gewebe-

sicherheitsgesetz-GSG) erlassen wird,

und das Arzneimittelgesetz, das

Fortpflanzungsmedizingesetz, das

Gesundheits- und Ernährungssicher-

heitsgesetz und das Bundesgesetz

über Krankenanstalten und Kuran-

stalten geändert werden;

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMGFJ-92400/0016-I/B/2007

 

 

 

An das

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und

Jugend

 

Zu dem mit Schreiben vom 23. April 2007 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

I. Zum Datenschutz:

 

In datenschutzrechtlicher Hinsicht werden massive Bedenken geltend gemacht:

 

Im Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2004/23/EG (Gewebe-Richtlinie) wird ausdrücklich angeführt, dass die Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) für alle personenbezogenen Daten gilt, die in Anwendung der vorliegenden Richtlinie verarbeitet werden. Ebenso wird auf das grundsätzliche Verbot der Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten hinge­wie­sen und darauf, dass nur begrenzte Ausnahmen von diesem Verbot vorgesehen sind. Überdies muss der für die Verarbeitung Verantwortliche die geeigneten tech­nischen und organisatorischen Maßnahmen durchführen, die für den Schutz gegen die zufällige oder unrechtmäßige Zerstörung, den zufälligen Verlust, die unberech­tigte Änderung, die unberechtigte Weitergabe oder den unberechtigten Zugang sowie gegen jede andere Form der unrechtmäßigen Verarbeitung personenbezogener Da­ten erforderlich sind.

 

Artikel 14 der Richtlinie 2004/23/EG enthält Anordnungen zum Datenschutz und zur Vertraulichkeit. Diesen entsprechend ist unter anderem sicherzustellen, dass erho­bene Daten einschließlich genetischer Informationen, zu denen Dritte Zugang ha­ben, anonymisiert werden, so dass Spender und Empfänger nicht mehr identifizierbar sind. Diesbezüglich sind Vorkehrungen für die Datensicherheit, zur Sicherstellung der Richtigkeit der Daten und zum Schutz vor unbefugter Weitergabe der Daten zu treffen. Ferner sind Maßnahmen zu treffen, welche sicherstellen, dass die Identität des Empfängers dem Spender oder seiner Familie und umgekehrt nicht bekannt gegeben wird.

 

Artikel 13 der Richtlinie 2004/23/EG regelt die Einwilligung und die Aufklärung des Spen­ders. Die entsprechend dem Anhang dem Spender zu erteilenden Informa­tionen beinhalten unter anderem folgende Punkte:

 

- Aufzeichnung und Schutz von Spenderdaten,

- Ärztliche Schweigepflicht,

- Anwendbare Schutzmaßnahmen, die dem Schutz des Spenders dienen.

 

Weder im vorliegenden Gesetzesentwurf (Gewerbesicherheitsgesetz) noch in den diesbezüglichen Verordnungsentwürfen (Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, mit der nähere Regelungen für den Betrieb von Gewebebanken getroffen werden - GewBV, Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen zur Festlegung von Standards für die Gewinnung von zur Verwendung beim Menschen bestimmter menschlicher Zellen und Geweben - GewEV, Gewebevigilanz-Verordnung 2007 - GewVVO 2007) sind Regelungen enthalten, die diesen Anforderungen entsprechen und den erforderlichen Schutz der verarbeiteten personenbezogenen, sensiblen Daten gewährleisten würden.

 

Gerade bei der Verwendung von menschlichem Gewebe und Zellen fallen im hohen Ausmaß Informationen (insbesondere über Spender/in und Empfänger/in) an, die auf de­ren Gesundheit schließen lassen, daher als sensible Daten im Sinne des § 4 Z 2 des Datenschutzgesetzes 2000 - DSG 2000 zu qualifizieren sind, und deren Verwendung nur unter den Bedingungen des § 9 DSG 2000 zulässig ist.

 

Daher sind zum Schutz dieser sensiblen personenbezogenen Daten jedenfalls konkrete Regelungen zur möglichst sparsamen Datenerfassung (vgl. §§ 1 Abs. 2, 6 Abs. 1 Z 3 DSG 2000), zur restriktiven Verwendung (§ 6 Abs. 1 Z 2 DSG 2000), zur umfassenden Information der Betroffenen (§ 24 DSG 2000) sowie technische und organisatorische - Datensicherheitsmaßnahmen (§§ 14,15 DSG 2000) unumgänglich.

 

Ohne derartige Regelungen besteht überdies die Gefahr, dass die an der Verwen­dung von menschlichen Zellen und Geweben beteiligten Stellen, die datenschutz­rechtlich erforderlichen Maßnahmen unterschiedlich handhaben, was unweigerlich zu einem ungleichen Schutzniveau für die Betroffenen führt.

 

Daher wird der vorliegende Gesetzesentwurf bis zur Ergänzung der notwendigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen abgelehnt. Das gleiche gilt für die drei auf diesem Entwurf beruhenden Verordnungen.

 

II. Zu den sonstigen Bestimmungen:

 

Zu § 2:

 

Obwohl im Entwurf ständig die Bezeichnung „Einrichtung“ verwendet wird (z. B. §§ 3, 5, 17, 29, 31), findet sich keine - etwa dem § 2 Abs. 4 des Entwurfes einer Gewebevigilanz-Verordnung 2007 vergleichbare - Definition (vgl. Art. 3 lit. o Gewebe-Richtlinie).

 

Das gleiche gilt auch für die Bezeichnung „Anwender“. Eine Definition dafür findet sich erst in § 2 Abs. 7 des Entwurfes einer Gewebevigilanz-Verordnung 2007.

 

Auch die Entwürfe einer Verordnung für Gewebebanken (GewBV) und einer Verordnung für Entnahmeeinrichtungen (GewEV) verweisen auf die Begriffsbestimmungen des § 2 GSG. In beiden Entwürfen werden ebenfalls „Einrichtung“ und „Anwender“ verwendet.

 

Zu § 2 Abs. 1 Z 5:

 

Die Haut fällt im Entwurf ausdrücklich nicht unter den Organbegriff. Aus der Gewebe-Richtlinie ist aber nicht zu erkennen (trotz der Ausführungen in den Erläuterungen zum Entwurf), dass die Haut vom Organbegriff ausgenommen ist. Es ist aber aus Gründen der Einheitlichkeit und Rechtssicherheit wünschenswert, dass die Definitionen im Entwurf und in der Gewebe-Richtlinie gleichlautend sind.

 

Zu § 2 Abs. 1 Z 12:

 

In der Definition des „schwerwiegenden Zwischenfalles“ erscheint die zusätzliche Anführung der Worte „sowie Verwendung“ entbehrlich. Sie sind auch nicht in der gleichen Definition in § 2 Abs. 2 des Entwurfes einer Gewebevigilanz-Verordnung 2007 und auch nicht in der Definition des „schwerwiegenden Zwischenfalles“ in Artikel 3 lit. m Gewebe-Richtlinie enthalten.

 

Zu § 4 Abs. 3:

 

Nach dieser Bestimmung ist die Einwilligung der Spenderin / des Spenders in die Gewebeentnahme zu datieren und von ihr / ihm zu unterschreiben. Sollte sie / er „dazu“ nicht mehr in der Lage sein, muss die Einwilligung vor einer Zeugin / einem Zeugen abgegeben werden. Diese Bestimmung ist insoferne zu konkretisieren, als damit gemeint ist, dass die Spenderin / der Spender zwar zu einer schriftlichen Einwilligung nicht mehr in der Lage ist, wohl aber generell zur Abgabe einer Einwilligung.

 

Zu § 4 Abs. 5:

 

Hier fehlt eine ausdrückliche Regelung über die Art und Weise der Einwilligung bei Entnahme von Gewebe von verstorbenen SpenderInnen (ausdrücklicher Ausschluss der Spenderin / des Spenders? Zustimmung von Angehörigen?).

 

Der Anhang zur Gewebe-Richtlinie sieht vor, dass bei verstorbenen SpenderInnen die Erteilung sämtlicher Informationen und die Einholung aller erforderlichen Einwilligungen und Genehmigungen in Übereinstimmung mit den in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften erfolgen müssen.

 

Zu § 4 Abs. 7:

 

Trotz Einhaltung aller Qualitäts- und Sicherheitsstandards kann niemals mit hundertprozentiger Sicherheit garantiert werden, dass Humansubstanzen frei vom Risiko einer Krankheitsübertragung sind. Dies ist nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht absehbar und die Gewebebanken sind zum Teil in einem als experimentell zu bezeichnenden Bereich tätig. Es wird daher eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für die Gewebebanken angeregt, z. B. nach dem Vorbild des Produkthaftungsgesetzes.

 

Zu § 5 Abs. 4 und zu § 16 Abs. 4:

 

Bestimmte Teile der  Dokumentation sind zehn Jahre und andere Teile der Dokumen­tation (jene, die die Rückverfolgbarkeit betreffen) 30 Jahre aufzubewahren. Warum unterschiedliche Fristen gewählt wurden, ist den Erläuterungen nicht zu entnehmen.

 

Eine einheitliche Aufbewahrungsfrist ist anzustreben.

 

Zu § 7:

 

Die §§ 7, 29 bis 33, 39 und 49 sind zu aktualisieren. Das Wort „Bundesminister“ ist durch „Bundesministerin“ zu ersetzen / ergänzen. In den drei gleichzeitig ausgesendeten Verordnungsentwürfen heißt es jeweils „Verordnung der Bundesministerin [...]“.

 

Zu § 18 Abs. 3:

 

Eine partielle Ausnahme von § 26 DSG 2000 ist abzulehnen, da der vorliegende Gesetzesentwurf insgesamt den Anforderungen des Datenschutzgesetzes 2000 nicht entspricht.

 

Zu § 28:

 

Die milden Bestimmungen über die „Entziehung des Zertifikats und der Bewilligung“ stehen im Widerspruch zum hohen Qualitätsstandard des Entwurfes in Hinblick auf die Sicherheit der PatientInnen.

 

Sie ermöglichen es der Inhaberin / dem Inhaber einer Bewilligung oder eines Zertifikats innerhalb von fünf Jahren zumindest zweimal gegen die in § 35 angegebenen Verwaltungsstrafbestimmungen zu verstoßen. Die für die Gewebebank „verantwortliche Person“ könnte sogar dreimal aufgrund von Verstößen gegen das Bundesgesetz bestraft worden sein, ehe die Berechtigung zur Ausübung der Tätigkeit dauernd oder auf Zeit entzogen würde.

 

Eine strengere Regelung scheint angebracht.

 

Zu § 33:

 

Diese Bestimmung ist aus der Sicht des Datenschutzes ungeeignet, ein Register einzurichten, da dieses mit der vorliegenden Bestimmung in keiner Weise determiniert wird.

 

Zu § 34:

 

Da dieser Regelung jegliche Zweckbindung fehlt und auch unklar bleibt, welche Datenarten von den Übermittlungen betroffen sein sollen, ist diese Bestimmung als
Übermittlungsgrundlage ungeeignet. Zudem wird auch in keiner Weise auf das Gesundheitstelematikgesetz Bezug genommen.

 

Zu § 37 Abs. 1:

 

Es ist zu beachten, dass öffentliche Krankenanstalten einen Versorgungsauftrag haben. Die sich aus dem Entwurf ergebenden umfangreichen Restrukturierungsmaßnahmen sowie Schulungsnotwendigkeiten dürfen diesen Versorgungsauftrag nicht gefährden.

Für eine Meldung gemäß § 19 bzw. für einen Antrag gemäß § 22 ist daher unbedingt eine Verlängerung der 6-Monats-Frist auf zumindest 12 Monate erforderlich, wenn die Gewebebank in einer öffentlichen Krankenanstalt betrieben wird.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Maga Andrea Mader

                                                                              Obermagistratsrätin

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 15

(MA 15-II-2-3538+5317/2007)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen