Anschrift:

 

An das
Präsidium des Nationalrates
Parlament
begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

                                       

VA 6100/6-V/1/07 - KJ                                                          Wien, am 25. Juli 2007

 

Sachbearb.:                                                                  Tel.: (01)51 505-243 od. 0800 223 223-243

Dr. Heidi Pacher                                                                               Fax: (01)51 505-150

 

Betr.:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das
Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

Stellungnahme der Volksanwaltschaft
zu GZ BMGJF-524600/0001-II/3/2007

Die Volksanwaltschaft übermittelt in der Anlage eine Gleichschrift der Stellungnahme zum gegenständlichen Gesetzesentwurf.

Für den Vorsitzenden:

 

MR Dr. BINDER-KRIEGLSTEIN  e.h.

 


 

 

 

Anschrift:

 

An das
Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend
Stubenbastei 5
1010 Wien

                        Der Vorsitzende

VA 6100/6-V/1/07 - KJ                                                        Wien, am 25. Juli 2007

 

Sachbearb.:                                                                  Tel.: (01)51 505-243 od. 0800 223 223-125

Mag. Heimo Tröster                                                                        Fax: (01)51 505-150

 

Betr.:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird; Stellungnahme der Volksanwaltschaft zu GZ BMGJF-524600/0001-II/3/2007

Sehr geehrte Damen und Herren!

Aus Anlass der Begutachtung zum Entwurf zur 8. Novelle des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) geht die Volksanwaltschaft im Folgenden sowohl auf die zur Diskussion gestellten Änderungen als auch auf weitere Anregungen zur Novellierung des geltenden Rechts ein.

1.    Zu Ziffer 1 und 2 des Entwurfes (Novellierung des § 2 KBGG):

In der Bestimmung des § 2 KBGG sind die Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von Kinderbetreuungsgeld näher konkretisiert. Aus Sicht der Volksanwaltschaft besteht in diesem Kontext in einigen Punkten Reform- bzw. Novellierungsbedarf:

a.   In § 2 Abs. 1 Z 1 KBGG kommt es zu damit zu einer grundsätzlichen Verschlechterung, da nunmehr der tatsächliche Bezug der Familienbeihilfe für das Entstehen eines Anspruches auf Kinderbetreuungsgeld ausschlaggebend ist. Bislang hat dafür der Anspruch auf die Familienbeihilfe oder eine gleichwertige ausländische Leistung genügt.

In § 2 Abs. 1 Z 4 KBGG ist die Rede davon, dass der das Kinderbetreuungsgeld beanspruchende Elternteil sowie das anspruchsauslösende Kind den „Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet“ haben müssen. Diese Regelung hat ausschließlich drittstaatsangehörige Anspruchswerber im Auge; für EU- bzw. EWR-BürgerInnen ist sie – ohne dass dies aus der Textierung deutlich wird – nämlich gar nicht anwendbar. Es gelten hier vielmehr die europarechtlichen Koordinationsregeln der Verordnung (EWG) 1408/71. Demnach gilt für EU- und EWR-BürgerInnen das in Art. 73 der Verordnung (EWG) 1408/71 verankerte Beschäftigungslandprinzip, was dazu führt, dass im Fall einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit einer/eines EU- bzw. EWR- Bürgerin/Bürgers in Österreich grundsätzlich auch dann Kinderbetreuungsgeld gebührt, wenn der den Anspruch geltend machende Elternteil bzw. das Kind nicht in Österreich, sondern in einem anderen EU- bzw. EWR Staat wohnt.

Die Volksanwaltschaft hat in diesem Kontext anlässlich des Prüfverfahrens zu VA BD35-JF/06 die Erfahrung gemacht, dass die in § 2 Abs. 1 Z 4 Kinderbetreuungsgeldgesetz enthaltene Formulierung in der Praxis aber ohne Beachtnahme auf zwingende europarechtliche Vorgaben ausgelegt wird, was dann dazu führt, dass auch den direkt auf Grund der Verordnung (EWG) 1408/71 anspruchsberechtigten Personen die gebührende Geldleistung nach dem Kinderbetreuungsgeldgesetz verweigert wird. Es liegt die Vermutung nahe, dass EU- bzw. EWR-BürgerInnen unter Bezugnahme auf jene Formulierung im Gesetzestext auch fallweise unrichtige Auskünfte erteilt werden.

b.   Die Volksanwaltschaft regt daher im Interesse der Rechtssicherheit an, in § 2 Abs. 1 Z 4 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes einen ausdrücklichen Verweis auf die Koordinierungsregelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 aufzunehmen. Ein bloßer Verweis wäre im Übrigen auch im Hinblick auf das europarechtliche Transformationsverbot von EG-Verordnungen unbedenklich (Schuster, EG-Recht, 27 mwN; Öhlinger – Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht, 3. Aufl, 66).

Die Volksanwaltschaft ist weiters der Auffassung, dass auch die aus § 2 Abs. 1 Z 5 lit.c. KBGG resultierende Schlechterstellung subsidiär schutzberechtigter Personen im Verhältnis zu anerkannten Asylanten im Sinne des Asylgesetzes 2005 bzw. der Genfer Konvention auf europarechtliche Bedenken stößt und zudem jedenfalls eine gesetzliche Härte darstellt. Konkret ist hier auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004, Amtsblatt L 304/2002 vom 30. September 2004, welche bis 10. Oktober 2006 vollständig ins innerstaatliches Recht umgesetzt hätte werden müssen, zu verweisen. Art. 28 der zitierten Richtlinie sieht die Gewährung von Sozialhilfeleistungen sowohl an Flüchtlingen als auch an subsidiär Schutzberechtigte vor. Der Begriff der Sozialhilfeleistungen ist in diesem Kontext europarechtlich autonom auszulegen; ein bloß innerstaatliches Begriffsverständnis ist dabei nicht maßgeblich. Gemäß Abs. 2 des zitierten Artikels haben die Mitgliedstaaten zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Sozialhilfeleistungen für subsidiär Schutzberechtigte auf so genannte „Kernleistungen“ zu beschränken. Beschränkungen von Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Elternschaft (sic!) sind jedoch unzulässig, zumal diese expressis verbis Kernleistungen darstellen. Das ergibt sich aus Sicht der Volksanwaltschaft eindeutig aus dem Erwägungsgrund Nr. 34 der Präambel iVm Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG.

c.   Insofern wäre nach Beurteilung der Volksanwaltschaft eine Gleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten mit anerkannten Asylanten geboten; weshalb diese Maßnahme im Zuge der Beschlussfassung der 8. Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz ausdrücklich auch angeregt wird.

2.   Ergänzende Anregungen zur Novellierung des § 4 Abs. 2 KBGG:

Die geltende Bestimmung des § 4 Abs. 2 KBGG sieht vor, dass Kinderbetreuungsgeld rückwirkend für höchstens 6 Monate beantragt werden kann. Die Volksanwaltschaft hat jedoch in ihrem 30. Tätigkeitsbereicht an den National- und Bundesrat dargelegt, dass die derzeit geltende Bestimmung des § 4 Abs. 2 KBGG dennoch nicht alle Härtefälle verhindern kann (Kapitel 5.1.5.2. des 30. Tätigkeitsberichtes).

Insbesondere bei Geburten, die mit erheblichen medizinischen Komplikationen sowie aufwendigen - teilweise intensivmedizinischen – Folgebehandlungen von Babys und daraus resultierenden überdurchschnittlichen psychischen Belastungen der Eltern verbunden waren, zeigte sich, dass die Bewältigung von Behördengängen in der Praxis zurück gestellt wird, bis sich die Situation entspannt. Bringen Eltern aber erst nach Ablauf der 6-Monatsfrist einen Antrag auf Kinderbetreuungsgeld ein, kommt es auf Basis der geltenden Rechtslage zu entsprechenden Leistungslücken (Prüfverfahren zu VA BD 946-SV/06).

d.   Das Recht auf rückwirkende Auszahlung von Familienbeihilfe aufgrund bescheinigter Ansprüche endet nach der geltenden Rechtslage auch erst in fünf Jahren gerechnet vom Ende des Kalendermonats, für den die Familienbeihilfe gebührt hat. Die Volksanwaltschaft regt auch vor diesem Hintergrund mit Nachdruck an, das in § 4 und § 9 Abs. 2 (hinsichtlich des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld) normierte Antragsprinzip durch die Verankerung einer entsprechenden Härteklausel noch zusätzlich zu entschärfen.

3.   Anregungen zur Novellierung des § 5 KBGG sowie der Ziffer 8 des Entwurfes
(§ 5a KBGG)
:

e.   Die Volksanwaltschaft regt an, die in § 5 Abs. 1 iVm Abs. 2 KBGG verankerte längstmögliche Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes (bis zur Vollendung des 36. Lebensmonates des Kindes) nicht nur dann vorzusehen, wenn sich beide Elternteile den Anspruch teilen, sondern auch auf Fallkonstellationen auszudehnen, in denen eine Anspruchsteilung - etwa in Folge des plötzlichen Todes eines Elternteiles oder bei AlleinerzieherInnen - faktisch nicht möglich ist. Diese legistische Empfehlung hat die Volksanwaltschaft bereits im 29. Tätigkeitsbericht an den National- und Bundesrat betreffend das Jahr 2005 unterbreitet (Kapital 11.1.4.1.3 des 29. Tätigkeitsberichtes) und verweist daher auf die diesbezüglichen Ausführungen.

Ergänzend sei aber darauf hingewiesen, dass aus dem aktuellen Armutsbericht (Statistik Austria 2006, Ergebnisse aus EU-SILC 2004) hervor geht, dass Ein-Eltern-Familien zu den am stärksten armutsgefährdeten Personen in Österreich gehören. Während ca. 13% der Gesamtbevölkerung unter der Armutsschwelle leben (= weniger als € 848,--), sind es in allein erziehenden Haushalten aber 24% der Betroffenen. Unter prekären finanziellen Verhältnissen haben daher gerade immer auch Kinder, die an sich das gleiche Recht auf Betreuungszeit haben sollten, wie Kinder die beide Elternteile zur Verfügung haben, zu leiden.

f.    Der Entwurf zu § 5a Abs.3 KBGG beschränkt aber auch die Inanspruchnahme des höheren Kinderbetreuungsgeldes als Kurzleistung bei AlleinerzieherInnen auf 15 Monate, während in Haushalten in denen eine Anspruchsteilung zwischen den Elternteilen Platz greift, das erhöhte Kinderbetreuungsgeld 18 Monate beziehen können. Eine wichtige Verbesserung könnte dann aber wenigstens bei der Anpassung der Höhe des Zuschusses vorgenommen werden. Die Zuschusshöhe wurde im Entwurf nämlich nicht angeglichen, sodass vor allem AlleinerzieherInnen weiterhin nur einen Zuschuss von 6,06 € pro Tag bekommen, obwohl sie diesen bei der verkürzten Varianten auch nur mehr maximal 15 Monate in Anspruch nehmen können.

g.   Einer ergänzenden Regelung bedürfte es ferner auch hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes, der bis zum Ende der arbeitsrechtlichen Karenz verlängert werden sollte, wenn der Bezug von Kinderbetreuungsgeld früher enden sollte. Dieses Problem wird für viele bei Inanspruchnahme der flexibilisierten Variante stellen, da der Krankenversicherungsschutz mit dem Bezug des Kinderbetreuungsgeldes endet. Davon sind gerade wieder AlleinerzieherInnen besonders betroffen, weil sie weder für sich noch das Kleinkind in den Genuss einer kostenlosen Mitversicherung kommen und sich auf eigene Kosten selbst versichern müssten, wenn die Karenz länger dauert. Sinnvoll wäre zumindest eine eingehende sozialrechtliche Beratung und Belehrung, welche erfolgen müsste, sobald jemand bei Antragstellung auf Kinderbetreuungsgeld erklärt, von der Flexibilisierung Gebrauch machen zu wollen ohne selbst alle Folgen dieser Wahlfreiheit auch abschätzen zu können.

h.   Eine für die Volksanwaltschaft nicht nachvollziehbare Schlechterstellung von Mehrlingskindern bzw. deren Eltern, wenn auch diese die flexibilisierte Kurzvariante in Anspruch nehmen wollen, enthält der gegenständliche Entwurf in § 5a Abs. 4 KBGG. Mit dieser Regelung wird auf den geltenden § 3a KBGG verwiesen, der seinerseits (wie bisher) den Mehrkindzuschlag mit 50% von € 14,53 festsetzt. Nach einer Zwillingsgeburt gebühren bei 30 Monaten Bezugsdauer für beide Kinder rund € 19.580, -- an Kinderbetreuungsgeld, während bei Inanspruchnahme der "Kurzlösung" über 15 Monate nur rund € 15.220,-- ausbezahlt werden könnten. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zur Zielsetzung, Leistungsansprüche bei kürzeren Bezugszeiten entsprechend zu erhöhen. In diesem Sinne müsste auch der Mehrkindzuschlag angepasst werden.

4.   Zu Ziffer 21 des Entwurfes (§ 31 Abs. 4 KBGG):

In den letzten Tagen ist Verwirrung um die Rechtsgrundlagen von Rückforderungen des Kinderbetreuungsgeldes bei Überschreitungen der Zuverdienstgrenze entstanden; davon Betroffene haben angekündigt, bei der Volksanwaltschaft auch formell Beschwerde einzulegen.

 

§ 31 Abs. 4 KBGG ermächtigte den Sozialminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister durch Verordnung die „Kriterien für Härtefälle“ sowie „Art und Weise der Rückforderung“ festzulegen und ordnete an, dass eine Verpflichtung zum Rückersatz für Zeiträume unzulässig ist, die mehr als fünf Jahre zurückliegen. Auf Basis dieser Ermächtigung wurde die Härtefallverordnung, BGBl. II Nr. 405/2001, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 91/2004, erlassen, die zwei an sich verschiedene Konstellationen erfasst: Neben den auch im Gesetz genannten, an den individuellen Lebensumständen zu beurteilenden Fällen wurden als Härtefälle auch alle Situationen definiert, in denen die Zuverdienstgrenze unvorhersehbar um nicht mehr als 15% überstiegen wird. Für diese Fallgruppe sieht die derzeit geltenden Härtefall-Verordnung einen generellen und gänzlichen Rückforderungsverzicht vor, ohne dass dabei auf individuelle Umstände abgestellt werden müsste. Dieser Härtefall- Verordnung soll nun durch den gegenständlichen Entwurf die gesetzliche Grundlage entzogen werden. Stattdessen sollen die Krankenversicherungsträger unter Zugrundelegung der §§ 60 bis 62 des Bundeshaushaltsgesetzes erheben, wann von einer Rückforderung Abstand genommen oder Ratenzahlungen vereinbart werden können. In diesem Zusammenhang begrüßt die Volksanwaltschaft zwar, dass der gegenständliche Entwurf in § 8 a KBGG die Höhe der Rückforderung auf den über der Zuverdienstgrenze liegende Teil begrenzt; bisher musste bei deren Überschreiten das für das gesamte Kalenderjahr bezogene Kinderbetreuungsgeld zurückgezahlt werden.

 

i.    Dennoch wird empfohlen in sozialer Rechtsanwendung eine "generalisierende Härteklausel" in Erwägung zu ziehen. Der administrative Verwaltungsaufwand, welcher mit den der Rückforderung zugrunde liegenden Entscheidungen zwangsläufig verbunden ist, wird sich andernfalls aller Voraussicht nach erhöhen, weil von den Krankenversicherungsträgern im Rahmen der Ermessensübung in jedem Einzelfall auch das Vorliegen von Härten, die einer Rückforderung entgegen stehen, gesondert erhoben und verifiziert werden muss.

5.   Zur Ziffer 29 des Entwurfes (§ 49 Abs. 13 und 14 KBGG):

j.    Die Bestimmungen hinsichtlich der Flexibilisierung sollen mit 1.1. 2008 in Kraft treten. Besonders bedauerlich und Betroffenen auch nur schwer vermittelbar wird das Fehlen jeglicher Übergangsregelungen sein. Von der Flexibilisierung und der damit verbundenen Möglichkeit früher in das Berufsleben zurückkehren zu können ohne das Kinderbetreuungsgeld zu verlieren, werden auch Personen Gebrauch machen wollen, die ein Kind heuer bekommen haben oder noch vor dem 31.12.2007 bekommen werden. 

Eine Ausfertigung der Stellungnahme wird per E-Mail an das Präsidium des Nationalrates übermittelt.

Der Vorsitzende:

Volksanwalt Dr. Peter KOSTELKA