BUNDESMINISTERIUM FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN

VÖLKERRECHTSBÜRO

 

„RKG neu“ – Stellungnahme zur geplanten Änderung des Rotkreuzschutzgesetz bzw geplanten Neufassung als Rotkreuzgesetz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

einleitend bringen wir unser Bedauern darüber zum Ausdruck, dass dem Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs (ASBÖ), der zweitgrößten Österreichischen (in manchen Regionen Österreichs größten) Rettungsorganisation, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur geplanten Novellierung des Gesetzes über seinen Mitbewerber „Österreichisches Rotes Kreuz“ gegeben wurde. Da auch die übrigen österreichischen Rettungs- oder sonstigen Hilfsorganisationen bisher keine Stellungnahmen abgegeben haben, gehen wir davon aus, dass keiner der Mitbewerber des Österreichischen Roten Kreuzes, egal aus welchem seiner zahlreichen Tätigkeitsbereiche, zu einer Stellungnahme eingeladen wurde, sondern ebenso wie wir - lediglich zufällig - von der geplanten Novellierung erfahren – oder eben nicht.

 

Das halten wir für gleichermaßen bedenklich wie den Zeitpunkt (Urlaubszeit) und die Dauer der Stellungnahmefrist, die nach herrschender Lehre typischerweise acht (und nicht, wie im vorliegenden Fall knapp vier) Wochen betragen sollte (Schick in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, Art 41/1 B-VG Rz 26).

 

Entsprechend erlauben wir uns, jetzt – in offener Acht-Wochen Frist – Stellung zu nehmen und dabei zuallererst anzuregen, den in den vielfältigen Tätigkeitsbereichen des Roten Kreuz tätigen Hilfsorganisationen ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, vor allem auch, weil ein besonderer Zeitdruck – etwa durch Ablauf einer Umsetzungsfrist – nicht erkennbar ist. Um letztlich breite Zustimmung zur geplanten Novelle zu finden, wäre die Einholung von Stellungnahmen der jedenfalls betroffenen Mitbewerber wünschenswert.

 

 

I Zentrale Kritik am Entwurf

 

Selbstverständlich begrüßt der Arbeiter-Samariter-Bund Österreichs (ASBÖ) die Übernahme der jeweils aktuellsten völkerrechtlichen Normen in den österreichischen Rechtsbestand. Es ist aus unserer Sicht allerdings unzulässig, unter diesem Titel einer österreichischen Rettungs- bzw Hilfsorganisation Vorrechte einzuräumen, die mit den völkerrechtlichen Vorgaben gar nicht in Zusammenhang stehen, wie in der Folge dargestellt wird.

 

Das bestehende Rotkreuzschutzgesetz hat im Wesentlichen zwei Zielrichtungen:

 

§      den Schutz des Status des RK, damit dieses ungehindert (bzw mit notwendiger Unterstützung der Behörden) seine „Konventionsaufgaben“ erledigen kann, und

§      der besondere Schutz des Zeichens („Rotes Kreuz“), das international und historisch unzweifelhaft besondere Bedeutung hat.

Das Zeichen „Rotes Kreuz“ ist, wie im Allgemeinen Teil der Erläuterungen ausführlich dargestellt wird, Veränderungen unterworfen (Stichwort: Roter Halbmond, Roter Kristall). Diese gilt es umzusetzen. Dazu – aber eben nur dazu – hat sich die Österreichische Bundesregierung 1999 kommittet. Änderungen im Konventions-Tätigkeitsbereich, die eine Aufnahme des Jugendrotkreuz in den Schutzbereich eines RKG rechtfertigen würden, sind jedoch nicht erkennbar. Eine Ausweitung des Anwendungsbereichs eines mit der Umsetzung völkerrechtlicher Normen begründeten Gesetzes etwa auf das Jugendrotkreuz ist daher in keiner Weise sachlich gerechtfertigt und abzulehnen.

 

Dies gilt aber nicht nur für das Jugendrotkreuz. Das Österreichische Rote Kreuz selbst nennt folgende Tätigkeitsbereiche (Quelle: http://www.roteskreuz.at/3.html)

 

§      Humanitäres Völkerrecht

§      Blutspendedienst

§      Aus- und Weiterbildung

§      Rettungs- und Krankentransportdienst

§      Katastrophen- sowie Entwicklungshilfe

§      Suchdienst

§      Gesundheits- und Soziale Dienste

§      Österreichisches Jugendrotkreuz

 

In erkennbarem Zusammenhang mit dem – hier umzusetzenden – Völkerrecht stehen lediglich zwei der acht Betriebsbereiche, nämlich das „humanitäre Völkerrecht“ und der Suchdienst. Nur darauf kann sich eine im Völkerrecht begründete Sonderstellung beziehen. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes ist daher ausnahmslos auf diese Aufgaben zu beschränken.

 

In diese Richtung verstehen wir auch die Stellungnahme der Österreichischen Wirtschaftskammer, die richtigerweise anregt, die Bezug habenden völkerrechtlichen Normen zumindest demonstrativ darzulegen, um so sicherzugehen, dass dem ÖRK nur in diesem Zusammenhang eine entsprechende Sonderstellung zukommt. Wir regen noch weitergehend an, im besonderen Teil der Erläuterungen zum RKG die zu jeder einzelnen Bestimmung jeweils Bezug habende/n völkerrechtliche/n Norm(en)  ausdrücklich zu nennen. So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass ein bevorrechteter Aufgabenbereich des ÖRK dieses Vorrecht auch auf Grund einer völkerrechtlichen Bestimmung hat. Wo eine solche Bestimmung nicht zu finden ist, werden Streichungen notwendig.

 

Allgemein geben wir zu bedenken, dass jede Regelung im hier behandelten Entwurf, die nicht der Umsetzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung der Republik Österreich dient, eine Privilegierung des Roten Kreuzes gegenüber anderen im gleichen Bereich tätigen Organisationen darstellt, die im Hinblick auf das bundesverfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung nicht sachlich zu rechtfertigen ist.

 

 

 

II Stellungnahme zu einzelnen Bestimmungen

 

Ad § 1 Name

 

Der Wunsch nach dem Schutz des Namens ist verständlich. Es bleibt aber fraglich, ob eine Sonderregelung überhaupt erforderlich ist: Aus unserer Sicht böte der vorhandene österreichische Rechtsbestand – Verweise auf deutsche Rechtsprobleme mögen hier interessant sein, entscheidungsrelevant sind sie nicht – bereits hinreichenden Schutz des Namens bzw der Firma. Diese Bestimmung ist, weil nicht erforderlich, zu streichen.

 

Ad § 2 Aufgaben

 

§ 2 Abs 1 Diese Bestimmung ist besonders kritisch zu sehen; öffnet Sie einer Vermengung von Konventionsaufgaben und Außerkonventionsaufgaben des ÖRK Tür und Tor. Während die Ergänzung um das Protokoll 1977 zu begrüßen ist, ist der generelle Verweis auf „die Satzung des ÖRK“ strikt abzulehnen. Der in der Satzung des ÖRK definierte Aufgabenbereich des privatrechtlichen Vereins ÖRK geht weit über den Konventionsbereich hinaus. Wie will man rechtfertigen, dass damit beispielsweise auch dem wohl gewerblich geführten und vermutlich ertragreichen Betrieb der Blutspendezentrale eine Sonderstellung zukommt und die Österreichischen Behörden das ÖRK auch dabei (Abs 3) unterstützen müssen. Eine solche Bestimmung wäre wettbewerbsverzerrend und sachlich nicht gerechtfertigt. Überdies überträgt eine derart gefasste Verweisung dem Verein „Österreichisches Rotes Kreuz“ im Wesentlichen die Dispositionsbefugnis über den Geltungsbereich des RKG. Nähme des Rote Kreuz nämlich weitere  Aufgaben in seine Satzung auf, mag dies vielleicht im Innenverhältnis Auswirkungen haben, von einer absoluten Nichtigkeit einer derartigen Satzungsänderung wäre aber nicht auszugehen, weshalb die Behörden auch in einem solchen Fall unterstützend tätig werden müssten. Hier liegt folglich eine nicht zulässige dynamische Verweisung vor. § 2 Abs 1 des Entwurfs ist also diesbezüglich viel zu weitgehend. Wenn überhaupt, müsste der Aufgabenbereich des ÖRK im Rahmen dieses Gesetzes auf den „Konventionsrelevanten Bereich seiner Satzung“ (§ 2 Abs 1 lS) eingeschränkt werden und im Sinne der klaren Artikulation des Willens des Gesetzgebers eine Liste mit diesen Aufgaben in den Gesetzestext oder die Materialien aufgenommen werden.

 

Wie sich in der Folge zeigt (zB § 2 Abs 3) wäre eine gesetzliche Definition der  Konventionsaufgaben des ÖRK wünschenswert.


§ 2 Abs 2
Unter Hinweis auf die Stellungnahme des BKA-Verfassungsdienstes, wo klargestellt wird, dass es sich bei § 2 Abs 2 nur um Vereinbarungen im Bereich der privatwirtschaftlichen Verwaltung handeln kann, fragt sich nicht nur, welche Aufgaben hier letztlich gemeint sein könnten. Vor dem Hintergrund, dass es zahllose Hilfsorganisationen gibt, die die österreichischen Behörden im humanitären Bereich unterstützen, ist eine solche – letztlich  inhaltsleere – Bestimmung wie die gegenständliche aber generell abzulehnen: Da „leere Regelungen“ vom Gesetzgeber grundsätzlich vermieden werden sollen, wäre eine Streichung der Bestimmung begrüßenswert. Für den Fall, dass man sich dazu entschließt, diese Bestimmung zu belassen, muss sie aber, um verfassungskonform zu sein, auf den Konventionsrelevanten humanitären Bereich eingeschränkt werden. Nur damit könnte vermieden werden, dass eine sachlich nicht gerechtfertigte Sonderstellung des ÖRK gegenüber allen übrigen Hilfsorganisationen, die im humanitären Bereich tätig sind, geschaffen – und damit die Angreifbarkeit des ganzen Gesetzes – geschaffen wird.

 

Der in den Erläuterungen gemachte Hinweis auf das RK-Mustergesetz hätte aus unserer Sicht im Vorliegenden nur dann Relevanz, wenn auch dieses vom Österreichischen Parlament verabschiedet worden wäre.

 

§ 2 Abs 3 Dies gilt gleichermaßen und insbesondere für Abs 3: Diese Muss-Bestimmung („haben ... zu unterstützen“) kann nur im Konventionsbereich gelten. Zur Erreichung von Verfassungskonformität (Gleichbehandlung mit den übrigen Hilfsorganisationen) muss diese Bestimmung gestrichen oder um die Formulierung „bei der Erfüllung seiner Konventionsaufgaben“ (diese gemäß § 1 definiert) ergänzt werden.

 

§ 2 Abs 4 Selbst wenn man zugesteht, dass unter Umständen der Datenschutz vor im Völkerrecht begründeten humanitären Aufgaben zurücksteht, so wäre doch die Ergänzung einer Formulierung wie „unter möglichster Schonung der Rechte der Betroffenen“ oder ähnliches wünschenswert.

 

Ad § 3 Schulung, Jugendrotkreuz

 

Diese Bestimmung ist besonders kritisch zu sehen. Weder bieten – soweit für uns ersichtlich – Konventionsbestimmungen für eine Sonderstellung des Jugendrotkreuzes einen Ansatzpunkt, noch ist die Verbreitung des „RK-Gedankengutes“ als in den Konventionen gedeckt zu rechtfertigen. Somit wird hier dem ÖRK bzw JRK eine bevorzugte Stellung eingeräumt, ohne dass hierdurch eine entsprechende völkerrechtliche Verpflichtung erfüllt würde. Eine solche Bevorzugung gegenüber anderen Rechtsträgern ist sachlich nicht zu rechtfertigen; dies gerade vor dem Hintergrund, dass das ÖRK im Bereich der schulischen Bildung heute schon eine bedenkliche de facto Monopolstellung innehat. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Zugang zu Kindern und Jugendlichen den Hilfsorganisationen die künftigen ehrenamtlichen Mitarbeiter sichert, sollte der Gesetzgeber dieser Wettbewerbsverzerrung nicht weiter unterstützen, noch dazu wenn das Völkerrecht, soweit für uns überblickbar, keinen Ansatz dafür bildet.

 

Aus unserer Sicht ist diese Bestimmung dringend ersatzlos zu streichen.

 

Ad § 4 Verschwiegenheit

 

Abgesehen davon, dass die gesetzliche Anordnung von Verschwiegenheit wohl kaum vom Völkerrecht gefordert werden kann oder wird, ist es üblich und praktisch, mit Haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern zivilrechtliche Verschwiegenheitsvereinbarungen zu treffen. Eine gesetzliche Regelung ist daher nicht erforderlich. Wenn der Gesetzgeber doch eine solche Verpflichtung vorsehen will, so sollte es doch nicht im Wege einer lex imperfecta geschehen (keine Rechtsfolgen).

 

Aus unserer Sicht ist diese Bestimmung ersatzlos zu streichen.

 

Ad 5 Zeichen

 

§ 5 Abs 1 Hier gilt das zu § 1 Gesagte.

 

§ 5 Abs 2 Die Führung des Bundeswappens ist nach § 4 WappenG einem sehr kleinen Kreis von hoheitlichen Organen vorbehalten; Körperschaften öffentlichen Rechts, juristischen und natürlichen Personen kann es ua per Gesetz „verliehen“ werden. Dies ist bisher nur bei aus der (Bundes- bzw Landes-) Verwaltung ausgegliederten, nunmehrigen privaten Rechtsträgern oder bei Kammern oder ähnlichen Vertretungsträgern geschehen. Die gesetzliche Zuerkennung ist daher abzulehnen (oder aber auf andere Rettungs- und Hilfsorganisationen auszudehnen). Aus unserer Sicht ist diese Bestimmung ersatzlos zu streichen (oder auf andere Rettungsorganisationen auszudehnen).

 

Ad 6 Bewaffnete Konflikte

 

§ 6 Abs 1 und Abs 2 Abgesehen davon, dass eine Teilnahme des neutralen Österreich an einem bewaffneten Konflikt aus heutiger Sicht schwer vorstellbar und mit der Bundesverfassung nicht in Einklang zu bringen ist, muss die Möglichkeit, Sanitätsdienste für das Bundesheer zu erbringen, allen rettungs- und sanitätsdienstlichen Organisationen offen stehen. Die Bestimmung sollte um eine diesbezügliche Klarstellung ergänzt werden.

 

Ad 8 Zeichen

Ad 9 Strafen

 

§ 8 stellt den eigentlichen Kern der umzusetzenden Völkerrechtsnormen dar. Letztlich sollte das RKG nur aus dieser und der Strafbestimmung des § 9 bestehen.

 

Ad 10 Gebührenbefreiung

 

Hier wird auf die Stellungnahme des BMF verwiesen.

 

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Wir hoffen, dass die Anregungen unserer Stellungnahme Eingang in die weitere Meinungsbildung finden werden. Für Rücksprachen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Reinhard Hundsmüller

Bundessekretär