Institut für Strafrecht und Kriminologie

Mag. Lisa Pühringer

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Punktuelle Stellungnahme zu § 250 Abs 3

im Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Justiz betreffend das Strafprozessreformbegleitgesetz I

 

Die Fortsetzung der verstärkten Berücksichtigung des Opferschutzes in der Begleitgesetzgebung der StPO ist nachdrücklich zu begrüßen.

Nach Durchsicht des Entwurfs des Strafprozessreformbegleitgesetz I und der dazugehörigen Erläuterungen meine ich aber, dass es dem Anliegen des Opferschutzes nicht unbedingt dienlich ist, durch eine zu weit gehende Regelung, konkret die geplante Bestimmung des § 250 Abs 3 StPO idF des Entw, das Spannungsverhältnis zu maßgebenden Verfahrensgrundsätzen und zu den Rechten des Beschuldigten unnötig zu belasten.

Die in § 250 Abs 3 vorgeschlagene Regelung gewährt Opfern iSd § 65 Z 1 lit a und b StPO das Recht auf schonende Einvernahme in der HV, wenn sie dies beantragen. Die Ausdehnung der schonenden Vernehmung über den von § 165 StPO derzeit erfassten Personenkreis ist an sich sehr zu begrüßen, da die unmittelbare Konfrontation mit dem Täter für Gewaltopfer oder nahe Angehörige, die Zeugen der Tat waren, die zum Tod des Opfers geführt hat, eine enorme psychische Belastung darstellen kann. Diese Opfer waren bisher von der Möglichkeit einer schonenden Vernehmung fast gänzlich ausgeschlossen. Trotzdem erscheint mir die in § 250 Abs 3 normierte generelle Verweisung auf Opfer gem § 65 Z 1 lit a und b als zu weit gehend. Es gilt dabei den sehr umfangreichen Personenkreis zu bedenken, der von dieser Bestimmung erfasst ist.

Betrachtet man die Bestimmung des § 65 Z 1 lit a und die dazu gehörenden Erläuterungen, so sind von dieser Regelung alle Delikte des Besonderen Teils umfasst, die Gewalteinwirkung, gefährliche Drohung oder die Beeinträchtigung der sexuellen Integrität zum Inhalt haben. Von lit b werden neben Vorsatzdelikten auch die Fahrlässigkeitsdelikte erfasst.

Da es in Bezug auf die Position des Opfers auch den Rahmenbeschluss des Rates vom 15.3.2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI) zu beachten gibt, möchte ich auf diesen kurz eingehen. Einschlägig ist Art 8 Abs 4 des Rahmenbeschluss, der festhält, dass Opfern, insbesondere den am meisten gefährdeten, die vor den Folgen ihrer Zeugenaussage in der öffentlichen Gerichtsverhandlung geschützt werden müssen, im Wege gerichtlicher Entscheidungen gestattet werden kann, unter Einsatz geeigneter Mittel, die mit den Grundprinzipien ihrer jeweiligen Rechtsordnung vereinbar sind, unter Bedingungen auszusagen, unter denen dieses Ziel erreicht werden kann. Bei dieser Bestimmung sind insbesondere zwei Elemente von Bedeutung: die Hervorhebung der am meisten gefährdeten Opfer und der Hinweis auf das Bestehen eines Schützbedürfnis für das jeweilige Opfer.

Soll diese Bestimmung in Österreich ordnungsgemäß umgesetzt werden, so erscheint es daher ausreichend, die schonende Vernehmung in der HV für einen im Gesetz näher definierten Personenkreis vorzusehen, der auf diese Elemente abstellt.

Eine noch weitergehende Einschränkung von Verfahrensrechten des Beschuldigten wäre bedenklich, da die in der HV normalerweise stattfindende unmittelbare Konfrontation von Beschuldigten und Opfer auch zur Wahrheitsfindung beiträgt. Daher sollte die Konfrontation der Verfahrensbeteiligten nur bei Vorliegen eines entsprechenden Schutzbedürfnisses vermieden werden.

Dies würde wohl auch der Durchsetzung und Akzeptanz dieser Bestimmung zum Vorteil gereichen.

 

 

Wien am 03.08.07

 

Mag. Lisa Pühringer