Bundesministerium für Justiz

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ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-342/18-2007

22.8.2007

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

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Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I); Stellungnahme

Bezug: Zl BMJ-L590.004/0001-II 3/2007

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

1. Zu den Artikeln I und III bis V des im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurfs bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.

 

2. Zu den im Art II des im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurfs geplanten Änderungen des Strafgesetzbuches gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

Zu § 288:

1. Gemäß § 18 Abs 2 des Strafprozessreformgesetzes obliegt die Kriminalpolizei den Sicherheitsbehörden, deren Organisation und örtliche Zuständigkeit sich nach den Vorschriften des Sicherheitspolizeigesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung richten. Die den Sicherheitsbehörden im Strafprozessreformgesetz übertragenen Aufgaben und Befugnisse stehen auch den ihnen beigegebenen, zugeteilten oder unterstellten


Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage eines Strafprozessreformgesetzes (BlgNR 25, XXII GP) betonen im Zusammenhang mit § 18, dass „soweit in einer Bestimmung ohne weitere Differenzierung eine bestimmte Befugnis der „Kriminalpolizei“ zur Aufgabenerfüllung übertragen wird, damit sowohl die Behörde ermächtigt [wird], ihren Organen die Durchführung aufzutragen, als auch das einzelne kriminalpolizeiliche Organ ermächtigt [wird], diese Befugnis von sich aus auszuüben.“ Damit wird den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes selbständiges, nicht von einer bestimmten Behörde abgeleitetes Imperium eingeräumt; die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden im Rahmen der Kriminalpolizei selbst zur Behörde. Im geplanten Abs 4 wird der bereits im § 18 des Strafprozessreformgesetzes grundgelegte Systembruch für einen Teilbereich des materiellen Strafrechts weiter fortgeschrieben. Gemäß dem geplanten Abs 4 handelt tatbildlich, wer „vor der Kriminalpolizei“ – und somit entweder vor Organen der öffentlichen Sicherheit oder vor einer Sicherheitsbehörde (§ 18 des Strafprozessreformgesetzes) – falsch aussagt. Die Gleichstellung einer Falschaussage vor den Sicherheitsbehörden mit einer Falschaussage vor deren (Exekutiv-)Organen in strafrechtlicher Hinsicht wird entschieden abgelehnt. Die bisher bestehende Unterscheidung zwischen Beteiligten, die von Organen der öffentlichen Sicherheit und Zeugen, die vor Gericht einvernommen werden, sollte weiterhin beibehalten werden. Zur Anpassung des materiellen Strafrechts an die Bestimmungen des Strafprozessreformgesetzes ist es ausreichend, die Tatbestandsumschreibung im Abs 1 durch eine ausdrückliche Anführung der Staatsanwaltschaft und der Sicherheitsbehörden zu ergänzen.      

2. Im Unterschied zum § 288 Abs 1 StGB fällt auf, dass das im Abs 1 enthaltene Tatbestandselement der „förmlichen Vernehmung (als Zeuge)“ im Abs 4 nicht mehr enthalten ist. Nach Leukauf – Steiminger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, 1979, Rz 15 zu § 288, schließt eine verfahrensrechtlich unkorrekte Vernehmung die Strafbarkeit nach § 288 Abs 1 nicht aus, sofern es sich nur insgesamt um eine förmliche Vernehmung handelt. Diese Förmlichkeiten müssen auch in einer solchen Weise nach außen in Erscheinung treten, dass damit auch Rückschlüsse auf die besondere verfahrensrechtliche Stellung des Vernommenen als Zeuge möglich sind und sich der auf der subjektiven Tatseite erforderliche (zumindest) bedingte Vorsatz auch auf die Tatbestandselemente „Zeuge“ bzw „förmliche Vernehmung“ beziehen kann. Das Fehlen dieses Tatbestandselements im geplanten Abs 4 bewirkt, dass nunmehr auch Aussagen des Vernommenen im Rahmen einer formlosen, informellen Befragung oder Erkundigung durch Organe des Sicherheitsdienstes (über deren Ergebnis nicht einmal eine Niederschrift, sondern nur ein Aktenvermerk angelegt wird) von der Strafbarkeit nach Abs 4 erfasst werden. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, als auch bereits bisher die Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften im Rahmen einer förmlichen Vernehmung, wie etwa die Unterlassung der Belehrung über das Entschlagungsrecht, keinen Einfluss auf die Strafbarkeit einer falschen Zeugenaussage hat, sofern der Vernommene auf Grund äußerer Förmlichkeiten erkennen kann, dass er als Zeuge einvernommen wird. Damit fehlen aber für den Vernommenen jegliche äußeren Anhaltspunkte für seine Stellung im Ermittlungsverfahren als Auskunftsperson (Erkundigung) oder als Zeuge (Vernehmung), die auch insofern für die Beurteilung der subjektiven Tatseite und letztlich der Strafbarkeit seines Verhaltens von Bedeutung sind. Der im Abs 4 verwendete Begriff des Zeugen ist nicht geeignet, in sinnvoller Weise die Grenzen der Strafbarkeit einer Falschaussage vor der Kriminalpolizei festzulegen.      

Im Ergebnis erfasst der geplante Abs 4 daher jede prozessdienliche Mitteilung einer Wahrnehmung; der in den zitierten Erläuterungen zu den §§ 151 und 152 des Strafprozessreformgesetzes dargestellte Unterschied zwischen einem Zeugen und einer Auskunftsperson bzw zwischen einer (förmlichen) Vernehmung und einer Erkundigung wird für den Bereich des Strafrechts aufgegeben. Dieser Befund wird auch durch die Verwendung des Wortes „Ermittlungsverfahren“ bestätigt, der auch jenes Verfahrensstadium umfasst, in dem „häufig noch keine förmlichen Vernehmungen, sondern bloß informelle Befragungen möglich [sind]“ (vgl dazu die Erläuterungen zu § 151 des Strafprozessreformgesetzes).

Die im Abs 4 geplante weitreichende Ausdehnung der Strafbarkeit einer falschen Zeugenaussage hat auch weitreichende praktische Konsequenzen: Die Bereitschaft, als Auskunftsperson in einem Ermittlungsverfahren mitzuwirken, wird sinken; ein Ausweichen auf die Bestimmungen der §§ 155 bis 158 des Strafprozessreformgesetzes schon in einem frühen Stadium des Ermittlungsverfahrens ist vor dem Hintergrund des geplanten Abs 4 wahrscheinlich.         

3.) Die geplante Strafdrohung des Abs 4 bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Strafdrohung des Abs 1 und jener des § 289: Das Ziel der Anpassung des materiellen Strafrechts an die Bestimmungen des Strafprozessreformgesetzes spricht wohl für die im Abs 4 geplante Strafdrohung. Andererseits wird damit im Verhältnis zur Strafdrohung des § 289 einer Falschaussage vor der Kriminalpolizei ein höherer Unrechtsgehalt beigemessen als einer Falschaussage vor einem Unabhängigen Verwaltungssenat oder vor einer Grundverkehrskommission. Diese Differenzierung ist nicht nachvollziehbar.

Letztlich ist es auch inkonsequent, nur die Falschaussage vor Organen der öffentlichen Sicherheit im Dienst der Strafrechtspflege (Kriminalpolizei) zu pönalisieren, nicht jedoch auch eine Falschaussage vor eben diesen Organen im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens.  

 


Gleichschriften dieser Stellungnahme ergehen ue an die Verbindungsstelle der Bundesländer, an die übrigen Ämter der Landesregierungen, an das Präsidium des Nationalrates und an das Präsidium des Bundesrates.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Herbert Prucher

Landesamtsdirektor-Stellvertreter

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Bezirkshauptmannschaft Hallein zu do Zl 302-101/138/12-2007 

 

zur gefl Kenntnis.