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REPUBLIK ÖSTERREICH BERUFUNGSKOMMISSION BEIM BUNDESKANZLERAMT
Vorsitzender Hofrat Dr. Heinrich Zens |
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Stellungnahme des Vorsitzenden der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt
zum Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechts-bereinigungsgesetz erlassen wird.
Die Stellungnahme beschränkt sich auf die Anlage 1, der zufolge u.a. die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (Pkt A.17) in das vorgesehene Verwaltungsgericht des Bundes eingegliedert werden soll.
Das Konzept des vorliegenden Entwurfes geht davon aus, dass im Bereich der Verwaltung generell ein eingliedriger Instanzenzug eingerichtet werden soll und daher sämtliche als Rechtsmittelbehörden eingerichteten Kollegialbehörden nach Art. 133 Z 4 B-VG aufgelöst und ihre Zuständigkeiten auf Verwaltungsgerichte übertragen werden sollen. Konsequenterweise enthalten die Erläuterungen auch keine Erwägungen zur Frage, ob Gründe der Sachlichkeit oder Zweckmäßigkeit in Einzelfällen nicht für die Beibehaltung des status quo sprechen. Für die im Entwurf vorgeschlagene Lösung (soweit sie die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt betrifft) wird somit ausschließlich ins Treffen geführt, dass eine einmal getroffene Systementscheidung konsequent und ohne Ausnahmeregelungen umgesetzt werden soll. Dieses Argument erscheint jedoch rechtspolitisch dann nicht stichhaltig, wenn eine (dem Grundsatz nach nicht zu kritisierende) Systementscheidung in einzelnen Bereichen unbefriedigende Ergebnisse zu zeitigen droht. Dies ist in Ansehung der geplanten Übertragung der Zuständigkeiten der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt auf das Verwaltungsgericht jedoch der Fall, weil eine solche aus nachstehenden Gründen weder sachdienlich noch zweckmäßig erscheint:
Die Einrichtung der Berufungskommission als Art. 133 Z 4 Behörde durch das Besoldungsreform-Gesetz 1994, BGBl. Nr. 550 und ihre Betrauung mit Angelegenheiten der Versetzung und Verwendungsänderung wird in den Bezug habenden Gesetzesmaterialien (1577 BlgNR 18. GP, 159) wie folgt begründet:
"Eine rasche Entscheidungsfindung bei vom Dienstgeber beabsichtigten Mobilitätsmaßnahmen unter voller Wahrung der Rechtsschutzinteressen der davon betroffenen Dienstnehmer liegt im beiderseitigen Interesse sowohl des Dienstnehmers als auch des Dienstgebers."
Eine entsprechende Motivation ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zur 1. BDG-Novelle 1997 BGBl. I Nr. 61, mit der der Berufungskommission Zuständigkeiten im Bereich des Disziplinarrechtes übertragen wurden (vgl. 631 Blg NR 20. GP, 59).
Die Einrichtung der Berufungskommission bzw. die Übertragung von Zuständigkeiten im Disziplinarbereich an diese war wesentlich dadurch motiviert, dass die zuvor herrschende Situation, wonach die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund seiner insbesondere durch einen starken Anstieg der Beschwerdefälle im Bereich des Fremdenrechtes bedingten Überlastung oft erst nach geraumer Zeit ergangen ist, als unbefriedigend empfunden wurde. Dies war im Bereich der Versetzungen und Verwendungsänderungen im Falle einer Bescheidaufhebung deshalb besonders problematisch, weil jene Arbeitsplätze, von denen die Beschwerdeführer durch einen später vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheid abberufen worden waren, zwischenzeitig auf Dauer an andere Beamte vergeben, bzw. als Folge von Organisationsänderungen bereits aufgelöst worden waren. Im Bereich des Disziplinarrechtes hatte die Aufhebung von Einleitungs- oder Verhandlungsbeschlüssen zur Konsequenz, dass das gesamte zwischenzeitig durchgeführte Disziplinarverfahren wiederum obsolet wurde. Eine besondere Beschleunigung des Verfahrens bei gleichzeitiger Wahrung der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung war in diesen ihrem Wesen nach besonders dringlichen Materien daher geboten.
Diesen Anforderungen ist die Berufungskommission in jeder Hinsicht gerecht geworden. Wie die statistischen Daten zeigen, können von ihr nahezu alle Verfahren innerhalb der dreimonatigen Entscheidungsfrist des § 41 Abs. 5 BDG 1979 abgeschlossen werden.
Die richterlichen Mitglieder der Berufungskommission (derzeit drei Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes und zwei Mitglieder des Obersten Gerichtshofes) gewährleisten aber auch die erforderliche hohe inhaltliche Qualität der Entscheidungen (welche allein die Ausschaltung der Anrufbarkeit des Verwaltungsgerichtshofes zu rechtfertigen vermag), wobei auch die Interessen des Dienstgebers und der Dienstnehmer durch die Besetzung des Senates mit einem Dienstgeber- sowie einem Dienstnehmervertreter ausgewogen Berücksichtigung finden. Dies lässt sich statistisch auch damit belegen, dass Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B-VG sehr selten erhoben werden und gegebenenfalls nur in einer vernachlässigbaren Anzahl für den Beschwerdeführer erfolgreich waren.
Zum status quo kann daher generell gesagt werden, dass eine bestandskräftige Berufungsentscheidung innerhalb einer Frist von drei Monaten vorliegt.
Bei Umsetzung des Entwurfes, also der Übertragung der diesbezüglichen Zuständigkeiten an die Verwaltungsgerichte, würde folgender Rechtszug offen stehen:
Entscheidung der Verwaltungsbehörde
Beschwerde an das Verwaltungsgericht; dagegen
Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und – sei es parallel oder sukzessiv –
Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof
Schließlich könnte im Anschluss an die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes der Verfassungsgerichtshof in der Angelegenheit (erstmals oder nochmals) mit einer so genannten „Gesetzesbeschwerde“ angerufen werden.
Dass dies gegenüber dem derzeitigen Zustand zu einer wesentlichen Verlängerung der Verfahrensdauer führen würde, liegt auf der Hand. Die Ursachen sind mannigfach:
1./ Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Ressourcen der zuständigen Verwaltungsgerichte diesen die Einhaltung der derzeit für die Berufungskommission geltenden dreimonatigen Entscheidungsfrist ermöglichen werden. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach dem derzeit vorliegenden Entwurf dem Bund als Dienstgeber der Bundesbeamten kein Einfluss auf die Ausstattung der zuständigen Gerichte mit diesen Ressourcen zukommen dürfte. Dies folgt daraus, dass das Dienstrecht der Bundesbeamten in dem in Art. 131 Abs. 2 B-VG in der Entwurfsfassung verwiesenen Art. 102 Abs. 2 leg.cit. nicht genannt ist, sodass das Gesetzesvorhaben im Fall seiner Umsetzung eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder für die genannte Materie begründen dürfte.
2./ Es ist anzunehmen, dass es (im Vergleich zur - zu vernachlässigenden - Zahl der Aufhebungen von Entscheidungen der Berufungskommission durch den Verfassungsgerichtshof) vermehrt zu Aufhebungen der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in diesen Angelegenheiten kommen wird. Dies folgt aus der nun wiederum vorgesehenen „Feinprüfung“ der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte durch den Verwaltungsgerichtshof. Schließlich sollte in diesem Zusammenhang aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass sich die voraussichtlich zur Entscheidung in den genannten Materien zuständigen Fachsenate der Verwaltungsgerichte von den Senaten der Berufungskommission insbesondere dadurch unterscheiden werden, dass als Vorsitzende an die Stelle von (auf die zu vollziehende Materie spezialisierten und entsprechend erfahrenen) Mitgliedern von Höchstgerichten Mitglieder erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte, die nicht einmal über einen Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums verfügen müssen, treten werden. Es ist daher zweifelhaft, ob der Qualitätsstandard der Entscheidungen der Berufungskommission in allen Fällen durch die Verwaltungsgerichte gehalten werden kann.
3./ Jedenfalls wird aber auch wieder die Verfahrensdauer vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts (welche wohl in den meisten Fällen im Wege der Sukzessivbeschwerde nacheinander tätig werden) in den genannten Materien eine bedeutende Rolle spielen.
Es wird – selbst bei Gelingen der Reform im Sinne einer optimalen Verkürzung der Verfahrensdauer in allen drei Gerichtsebenen (zu den für eine effiziente Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Adaptierungen des Entwurfes vgl. im Übrigen die Stellungnahme des Präsidiums des Verwaltungsgerichtshofes, veröffentlicht unter http://www.vwgh.gv.at) - mit einer definitiven Entscheidung innerhalb eines Jahres wohl keinesfalls zu rechnen sein. Dies führt jedoch zum Wiederauftreten genau jener Probleme, die den Verfassungsgesetzgeber seinerzeit zur Einrichtung der Berufungskommission bewogen haben.
Aus diesen Erwägungen wird – im Hinblick auf die besondere Dringlichkeit der von ihr zu behandelnden Angelegenheiten – angeregt, die Berufungskommission beim Bundeskanzleramt als Ausnahme in ihrer bisherigen Form aufrechtzuerhalten.
Die legistische Umsetzung könnte in der Weise erfolgen, dass die Anführung der Berufungskommission beim Bundeskanzleramt als aufzulösende Behörde nach Art. 20 Abs. 2 B-VG in der Anlage 1 der Novelle unterbleibt und § 41a BDG 1979 – entsprechend adaptiert – gleichzeitig mit der geplanten Novelle insgesamt als Verfassungsbestimmung neu erlassen wird. Die Adaptierung hätte einerseits vorzusehen, dass gegen die Entscheidungen der Berufungskommission die Verwaltungsgerichte nicht angerufen werden können, wohl aber - in sinngemäßer Anwendung des Art. 144 Abs. 1 und 2 (nicht jedoch 3) B-VG - der Verfassungsgerichtshof. Damit wäre auch ein Ablehnungsrecht dieses Gerichtshofes im genannten Rechtsbereich sichergestellt, sodass eine besondere Belastung desselben durch die Beibehaltung der Berufungskommission nicht zu befürchten wäre.
Sollte das Begutachtungsverfahren aber ergeben, dass sich die – ausnahmsweise – Beibehaltung auch anderer, bisher nach Art. 133 Z. 4 B-VG eingerichteter Behörden als zweckmäßig erweist (vgl. hiezu etwa die Stellungnahme des Präsidenten des Obersten Patent- und Markensenates zum vorliegenden Gesetzesentwurf), so wird angeregt, die Berufungskommission in die dann wohl im B-VG zu treffenden (dem bisherigen Art. 133 Z. 4 B-VG inhaltlich entsprechenden) Regelungen für diese beizubehaltenden Behörden mit einzubeziehen.
Wien, am 11. September 2007
der Vorsitzende der
Berufungskommission beim Bundeskanzleramt
Dr. Heinrich Zens eh.