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für Kärnten
PRÄSIDIUM
9020 Klagenfurt
Tel. 0463 54 350*0 Fax 29
DVR. NR: 0686212
Klagenfurt, am 12. September 2007
An das
Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst
Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform
Ballhausplatz 2
1014 Wien
per e-Mail: v@bka.gv.at
Zahl: Sen.Präs.-1280-72/2007
Betrifft: Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das
Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes
Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird;
Begutachtung, Stellungnahme
Zu: Zahl: BKA-603.363/0018-V/A/1/2007
Sehr geehrte Damen und Herren
Zu dem mit
Schreiben vom 23. Juli 2007, Zahl: BKA-603.363/0018-V/A/1/2007,
übermittelten Entwurf wird folgende Stellungnahme abgegeben:
Die im Entwurf vorgesehene Einrichtung einer umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit wird ausdrücklich begrüßt und die diesbezüglich vorgeschlagenen Regelungen insgesamt positiv beurteilt.
Zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs, welche die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten zum Gegenstand haben, ist Folgendes auszuführen:
Zu Z 36:
Zu Art. 130 Abs. 1 Z 3:
Im Falle der
Verletzung der Entscheidungsfrist durch eine Verwaltungsbehörde sollte dem
Verwaltungsgericht - allenfalls durch einfachgesetzliche Regelung - analog
zur Bestimmung des § 36 Abs. 2 VwGG, die Möglichkeit
eingeräumt werden, der säumigen Behörde eine Nachfrist zur
Nachholung der Entscheidung zu setzen. Vornehmlich in Angelegenheiten des
eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden und der Selbstverwaltungskörper ist
zu erwarten, dass das Verwaltungsgericht verstärkt mit
Beschwerden und Devolutionsanträgen befasst wird.
Zu Art. 130 Abs. 3:
Die erweiterte Möglichkeit der Zurückverweisung von Beschwerden an die Verwaltungsbehörden wird sehr begrüßt. Die Erfahrungen zeigen, dass Verfahren vor den Verwaltungsbehörden teilweise derart mangelhaft geführt werden, dass nahezu die gesamte Sachverhaltsermittlung durch die Rechtsmittelinstanz zu erfolgen hat und dadurch erheblicher Aufwand entsteht.
Zu Art. 130 Abs. 5 Z 2:
Es sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass sich das Wort „ihren“ auf die Verwaltungsbehörde und nicht auf die Verwaltungsgerichte bezieht.
Zu Art. 131 Abs. 2 Z 1:
Durch die Formulierung „... in einer Angelegenheit, die unmittelbar von Bundesbehörden versehen wird (Art. 102 Abs. 2)“ wird die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes nicht eindeutig umschrieben.
Art. 102 Abs. 2
B-VG zählt jene Angelegenheiten auf, die unmittelbar von Bundesbehörden
versehen werden können. Ob all diese Angelegenheiten auch unmittelbar von
Bundesbehörden versehen werden und was insbesondere für jene Angelegenheiten
aus Art. 102 Abs. 2 B-VG zu gelten hat, in denen der Bund gemäß Art.
102 Abs. 3 B-VG den Landeshauptmann mit der Vollziehung des Bundes beauftragt
hat, geht aus der vorgeschlagenen Formulierung nicht klar hervor. So wird nicht
deutlich gemacht, ob es auf die tatsächliche Vollziehung durch eigene
Bundesbehörden
ankommt oder darauf, ob die verfassungsrechtliche Möglichkeit besteht, die
Angelegenheit unmittelbar durch eine eigene Bundesbehörde zu vollziehen.
Zu Art. 133:
Variante 1 und Variante 2:
Der Variante 1 wird der Vorzug gegeben. Für diese Variante sprechen verfahrensökonomische Gründe.
Das in der Variante
2 vorgeschlagene Revisionsmodell könnte zu Verfahrensverzögerungen
führen, da es in vielen Fällen dennoch zu einer Bekämpfung der
Nichtzulassung der Revision käme. Eine negative Revisionsentscheidung
eines Verwaltungsgerichtes würde die Parteien erfahrungsgemäß
nicht davon abhalten, den
Verwaltungsgerichtshof anzurufen. Entscheidungen, die der Rechtsprechung der
Höchstgerichte entsprechen, werden häufig ungeachtet des Hinweises
auf die
einschlägige Judikatur bei den Gerichtshöfen des öffentlichen
Rechts bekämpft.
Es sollte vielmehr ein erweitertes Ablehnungsrecht des VwGH angedacht werden.
Der Hinweis in den Erläuterungen zu Art. 133 Abs. 2 des Entwurfs, wonach dieser inhaltlich dem geltenden Art. 131 Abs. 3 B-VG entspricht, ist nicht zutreffend.
Nach Art. 131 Abs. 3 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof „die Behandlung einer Beschwerde ..... ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt …...., in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn nur eine geringe Geldstrafe verhängt wurde.“
Hingegen genügt nach der in Variante 1 vorgeschlagenen Regelung als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Ablehnung, wenn in einer Verwaltungsstrafsache nur eine geringe Geldstrafe verhängt wurde.
Zu Art. 134 Abs. 1, 2, und 4:
Es wird angeregt,
den Klammerausdruck (Senatspräsidenten und Richtern) im
Art. 134 Abs. 1 zu streichen; in eventu nur in den für den
Verwaltungsgerichtshof
geltenden Abs. 4 nach den Worten „sonstigen Mitgliedern“
einzufügen.
Sollte der Klammerausdruck („Senatspräsidenten und Richtern“) als Verpflichtung des Landesgesetzgebers gedeutet werden und damit eine Auswirkung auf die Organisation der Landesverwaltungsgerichte haben, ist anzumerken, dass sich in der Praxis das System der Rotation des „Kammervorsitzes“ bzw. „Senatsvorsitzes“ sehr bewährt hat und dem zuständigen Organisationsgesetzgeber bei der Umsetzung ein Handlungsspielraum offen gelassen werden sollte.
Die vorgeschlagene
Regelung im Art. 134 Abs. 2, dass als Ernennungsvoraussetzung für Mitglieder
der Verwaltungsgerichte der Länder ein abgeschlossenes
Studium genügen soll, wird entschieden abgelehnt.
Für eine richterliche Tätigkeit an einem Verwaltungsgericht sollte ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften unabdingbare Voraussetzung sein. Ein Wegfall dieser Voraussetzung hätte Auswirkungen auf die Qualität der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung sollte jedenfalls ein „Juristenmonopol“ bleiben.
Das Erfordernis der Rechtskundigkeit war bisher für Mitglieder der Unabhängigen Verwaltungssenate verfassungsrechtlich verankert und sollte davon nicht abgegangen werden. Eine Durchbrechung des bislang bewährten Systems wird daher keinesfalls befürwortet.
Die Mitglieder der Verwaltungsgerichte sind mit voller Kognitionsbefugnis in Rechts- und Tatsachenfragen ausgestattet. Für die Lösung komplexer Rechtsfragen sind Kenntnisse erforderlich, die derzeit nur im rechtswissenschaftlichen Studium erworben werden. Für die Beurteilung von Fachfragen können hingegen Sachverständige herangezogen werden und ist auch die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der Rechtsprechung vorgesehen.
Es würde den Mitgliedern des Landesverwaltungsgerichtes oder des Bundesverwaltungsgerichtes zudem die Berufslaufbahn zu den Höchstgerichten verwehrt sein, da sie die Ernennungsvoraussetzung des abgeschlossenen Studiums der Rechtswissenschaften zum Richter des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes nicht erfüllen. Das Absehen vom Erfordernis des rechtswissenschaftlichen Studiums würde auch dazu führen, dass die Durchlässigkeit der Richterlaufbahnen zwischen den einzelnen Sparten der Gerichtsbarkeit nicht in gleichem Maße vorliegt.
Im Art. 134 Abs.
4 ist das sog. „Drittelregelung“ für die Richter der
ordentlichen
Gerichtsbarkeit und die „Länderklausel“ nicht mehr enthalten.
Es wird daher angeregt, eine Länderquote in die Regelung aufzunehmen und
verfassungsrechtlich vorzusehen, dass ein bestimmter Anteil der Mitglieder des
Verwaltungsgerichtshofes die Befähigung zum Richteramt haben muss, da in
Zukunft neben dem Justizrichter auch der Verwaltungsrichter auf Bundes- und
Landesebene tätig sein wird. Es wäre wünschenswert, dass
zumindest der überwiegende Teil der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes
die Befähigung zum Verwaltungsrichter oder Justizrichter aufweist.
Zu Art. 134 Abs. 5:
Die
Unvereinbarkeitsbestimmung sollte ausgeweitet werden. Mitglieder eines
Gemeinderates – wie derzeit im K-UVSG festgelegt – oder eines
sonstigen allgemeinen Vertretungskörpers sollten den Verwaltungsgerichten
nicht angehören. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass Angelegenheiten
aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde in die künftige
Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte fallen sollen.
Zu Art. 135 Abs. 1:
Im ersten Satz sollte das Wort „Einzelrichter“ durch das Wort „Einzelmitglied“ ersetzt werden.
Nach dem zweiten
Satz des Art. 135 Abs. 1 kann der Bundesgesetzgeber im
Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung die Mitwirkung von Laienrichtern an
der Rechtsprechung der Landesverwaltungsgerichte anordnen, wofür
jedenfalls ein
Zustimmungserfordernis der Länder vorgesehen werden sollte. Es besteht
kein Einwand gegen die Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern an der
Rechtsprechung, wenn dies in einfachgesetzlich bestimmten Angelegenheiten
vorgesehen ist. Das Zustimmungsrecht der Länder sollte jedoch dann, wenn
ein Bundesgesetz in den Zuständigkeitsbereich des
Landesverwaltungsgerichtes eingreift, festgelegt werden.
Im Abs. 2 sollte
festgelegt werden, dass es dem jeweiligen Verwaltungsgericht überlassen
sein soll, ob die Geschäfte von der Vollversammlung oder von einem aus der
Mitte der Vollversammlung zu wählenden Ausschuss auf das
Verwaltungsgericht
verteilt werden. Dem Geschäftsverteilungsausschuss sollten neben dem
Präsidenten mindestens vier weitere Mitglieder angehören, um eine auf
eine breite Basis gestellte
Geschäftsverteilung zu erzielen.
Zu Art. 136:
Im Abs. 2 erster
Satz ist das Wort „einheitlich“ entbehrlich. Es sollte klargestellt
werden, dass das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte und das
Verfahrensrecht des Verwaltungsgerichtshofes durch jeweils ein Bundesgesetz
geregelt werden soll.
Zu Z 60 (Art. 151 Abs. 37):
In den Erläuternden
Bemerkungen liegt ein offenkundiger Schreibfehler vor und
wären die Z 9 und Z 7 durch die Z 8 und Z 6 zu ersetzen.
Zu Z 4 und 5:
Vorweg wird auf die
Notwendigkeit ausreichend langer Übergangsfristen für die
Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte und für die Übertragung der
Zuständigkeiten hingewiesen.
Nicht geklärt ist, nach welchen Verfahrensbestimmungen die anhängigen Rechtssachen, die auf die Verwaltungsgerichte übergehen, weitergeführt und erledigt werden sollen.
Wünschenswert
wäre es, wenn die bisherigen Berufungsinstanzen die bereits bei ihnen
anhängigen Fälle noch zu erledigen hätten oder alternativ dazu ein
zeitlich
gestaffelter Übergang von Zuständigkeiten in verschiedenen Materien
an die Verwaltungsgerichte festgelegt werden könnte.
Offen bleibt, nach welchen Verfahrensbestimmungen jene Rechtssachen, die von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts entschieden wurden und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurden, fortgeführt oder abgeschlossen werden sollen.
Zu Z 8:
Die Übergangsbestimmung, wonach Personen, die Mitglieder eines Unabhängigen Verwaltungssenates oder einer in Anlage 2 lit. A genannten weisungsfrei gestellten Behörde sind und die sich um die Ernennung zum Mitglied desjenigen Verwaltungsgerichtes bewerben, auf das die Zuständigkeit der betreffenden Behörde übergeht, Rechtsanspruch auf Ernennung zum Mitglied dieses Verwaltungsgerichtes haben, wird begrüßt.
Die
Unabhängigen Verwaltungssenate haben sich als Rechtsschutzeinrichtung
bewährt und ist die Überleitung der Mitglieder in die
Verwaltungsgerichtsbarkeit nur konsequent. Dadurch können langjährige
Erfahrungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechtes und des Verfahrensrechtes in
die Verwaltungsgerichtsbarkeit eingebracht werden und wird dadurch eine
Kontinuität in der Rechtsprechung gewährleistet. Eine rasche
Akzeptanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird dadurch ebenfalls erreicht werden
können.
Der
überwiegende Teil der Senatsmitglieder ist bereits unbefristet bestellt
und hat sich in dieser Funktion bewährt. Sollte dennoch die Ernennung
einer Person zum Mitglied des Verwaltungsgerichtes abgelehnt werden und die
ablehnende Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, so
ist die dienstrechtliche
Stellung dieser Person während der Dauer des anhängigen Verfahrens in
der vorgeschlagenen Regelung nicht geklärt.
Für den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten
Dr. Christine VAUTI eh
Ergeht nachrichtlich an:
das Präsidium des Nationalrates
e-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at
F.d.R.d.A.