Bundeskanzleramt

Expertengruppe Staats- und

Verwaltungsreform

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1014 Wien

 


 

 

 

Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom                                Unser Zeichen, BearbeiterIn                     Klappe (DW)                              Fax (DW)                            Datum

23.07.2007                      MagDj/Fr                  469/262            100262         17.09.2007

 

 

Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

Der Österreichische Gewerkschaftsbund dankt für die Übermittlung des oben angeführten Entwurfes und nimmt hierzu wie folgt Stellung:

 

Gemäß Artikel 120a (2) des vorliegenden Entwurfes sind durch Gesetz zur Sicherung der Vertretung der Interessen der gewerblichen Wirtschaft, der ArbeitnehmerInnen und der Land- und Forstwirtschaft durch Gesetz Selbstverwaltungskörper einzurichten. Auf Grund dieser geplanten Bestimmung wird die Arbeiter-, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer verfassungsrechtlich abgesichert, was vom ÖGB außerordentlich begrüßt wird. Zu kritisieren ist jedoch, dass eine entsprechende verfassungsrechtliche Bestimmung für die Selbstverwaltung der Sozialversicherung fehlt. Die Verfassungskonformität der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung wird vom Verfassungsgerichtshof anerkannt, jedoch von einem Teil der Lehre – darunter auch namhafte VertreterInnen – nach wie vor bestritten. Der ÖGB vertritt die Meinung, dass die geplante B-VG-Novelle zum Anlass genommen werden sollte, diesen Streit in der Rechtswissenschaft zu beenden und nicht zu prolongieren, indem die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung durch eine entsprechende verfassungsrechtliche Bestimmung außer Streit gestellt wird.

 

Ein weiteres Problem stellt sich auf Grund des geplanten Art. 20 (2). Demnach können durch Gesetz Organe zur sachverständigen Prüfung, zur Kontrolle der Wahrung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, mit Schieds-, Vermittlungs- und Interessenvertretungsaufgaben, zur Sicherung des Wettbewerbs, zur Durchführung und Leitung von Wahlen oder soweit dies nach Maßgabe des Rechtes der Europäischen Union geboten ist von der Bindung an Weisungen der ihnen vorgesetzten Organen freigestellt werden. Organe, die keine der oben angeführten Aufgaben erfüllen, bedürfen einer verfassungsrechtlichen Weisungsfreistellung. Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung ist für keine der in Art. 20 (2) aufgezählten Angelegenheiten zuständig. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die systemimmanente Weisungsfreistellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung in Hinkunft argumentierbar ist. Aus Sicht des ÖGB spricht daher auch die Problematik im Zusammenhang mit dem geplanten Art. 20 (2) dafür, dass die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung in der B-VG- Novelle ausdrücklich verfassungsrechtlich abgesichert werden sollte.

 

Die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung entspricht demokratiepolitischen Zielsetzungen und hat von ihrem Prinzip her die Fähigkeit, rascher und effizienter, als dies staatliche Behörden könnten, die Bedürfnisse der Versicherten zu erkennen und für einen wirtschaftlichen und kostengünstigen Einsatz der Mittel zu sorgen. All diese Vorteile der Selbstverwaltung sollten der Bevölkerung in Österreich auch in Hinkunft zu Gute kommen. Auch aus diesem Grund tritt der ÖGB dafür ein, dass die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung mittels einer Bestimmung in der B-VG Novelle verfassungsrechtlich abgesichert wird.

 

Der ÖGB ersucht um Berücksichtigung seiner Stellungnahme.

 

 

 

 

 

Rudolf Hundstorfer                                                                                    Dr. Richard Leutner

Präsident                                                                                                   Leitender Sekretär