Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

                        Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte

                                

                                                           Der Vorsitzende

 

Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte

        

               Der Präsident

 

ZVR: 576439352

 

 

 

 

 

 

 

Stellungnahme

 

der Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

sowie der

Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte

 

 

Betreff:  Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen werden soll (Entwurf der Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform im Bundeskanzleramt) / Artikel 52a

 

 

    Die vorgeschlagene Ausweitung des Artikel 52a BV-G auf die Kontrolle der Ausübung des Aufsichts- und Weisungsrechts im Bereich der Staatsanwaltschaften wird aus nachstehenden Erwägungen entschieden abgelehnt:

     

     Allgemeines:

     Die Abkehr von der Inquisition und das damit verbundene Bekenntnis zur Trennung von Ankläger und Richter schlägt sich in der Bundes-Verfassung dem Prinzip nach in Art 90 Abs 2 nieder, der den im Strafverfahren geltenden Anklageprozess normiert. Diese Anklagerolle wird von den Staatsanwaltschaften wahrgenommen; der Berufsstand der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte war und ist personell und funktional ein Teil der dritten Staatsgewalt.

 

    Entwicklung:

   Die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte hat den immer schon justiziellen Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft kontinuierlich und dramatisch erweitert.

     In den 1980er-Jahren sind Diversionsregelungen des Drogenstrafrechtes, des Jugendstrafrechtes sowie die diversionsnahe Regelung des § 42 StGB der Staatsanwaltschaft zugewachsen; prozessuale Zwangsmaßnahmen sind zunehmend obligatorisch an einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft gebunden (StrÄG 1993). Mit 1.1.2000 wurde die Diversionsregelung ins allgemeine Strafrecht eingeführt. Mit der Aufgabe des Untersuchungsrichtersystems und der Einführung der Leitungsbefugnis des Staatsanwaltes im Ermittlungsverfahren wird ein neues tragendes Grundkonzept zur erweiterten Funktion der Staatsanwaltschaft geschaffen.

     Diese Entwicklung hat eine Vorstellung des Gesetzgebers als Basis, die dem einhelligen Berufsbild, der justiziellen Prägung des Standes und dessen Selbstverständnis entspricht, nämlich der als zweiten Säule in der dritten Staatsgewalt.

     Im § 19 des StPRG 2004 kommt dies klar zum Ausdruck, ebenso in §§ 1 und 3 StAG 1986, das im Parlament stimmeneinhellig beschlossen wurde und den Staatsanwalt unmissverständlich als Organ der Strafrechtspflege bezeichnet.

0   Im Vortrag der Regierungsvorlage zum StPRG 2004 an den Ministerrat heißt es „.... Staatsanwaltschaft als Garantin der justizförmigen Aufbereitung des Prozessstoffes...“.

 

     Laufender Diskurs:

     Auch der Österreichkonvent erkannte das Erfordernis nach bundes-verfassungsrechtlicher Verankerung der Bestands- und Funktionsgarantie der Staatsanwaltschaften als richtergleichwertige Agenden vollziehende Organe der Strafrechtspflege und schlug  vor, den Artikel 90 B-VG um einen Absatz 3 zu erweitern:

     „Die öffentliche Anklage sowie die justizielle Strafverfolgung obliegen den Staatsanwaltschaften. Durch Bundesgesetz ist die Stellung der Staatsanwälte als Organe der Justiz zu gewährleisten.“

     Gleichzeitig sollte in der Überschrift des Abschnittes B des dritten Hauptstückes der Bundesverfassung das Wort „Gerichtsbarkeit“ durch „Justiz“ ersetzt werden.

     In diesem Zusammenhang erscheint auch die Aufnahme der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (wie die Richterinnen und Richter) in Art 86 und 88 B-VG (Ernennungsvorgänge und Pensionierung) ebenso dringend geboten wie die Ergänzung des Art 86 B-VG um einen dritter Absatz, der bereits Inhalt des einfachgesetzlichen § 12 StAG ist und den Kern des staatsanwaltlichen Selbstverständnisses darstellt: „Zum Staatsanwalt kann nur ernannt werden, wer die Voraussetzungen zum Richteramt hat“.

    (Dies ist ein Gedanke, der auch im Europäischen Kontext als Basis für mögliche Weiterentwicklungen herangezogen wird, indem zur Schaffung eines Europäischen Staatsanwaltes vorgeschlagen wird, den EG-Vertrag um folgende Formulierung zu erweitern: „Der Europäische Staatsanwalt wird unter Persönlichkeiten ausgewählt, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten, und in ihrem Staat die für die Ausübung höchster richterlicher Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.“)

 

  Im aktuellen Regierungsprogramm wurde koalitionärer Konsens dahingehend erzielt, dass die Position der Staatsanwälte - „durch eine Förderung der Durchlässigkeit zwischen Richtern und Staatsanwalt und verfassungsrechtliche Absicherung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft als Teil der Justiz“ - gefördert werden soll.

    

     Inhaltliches:

     1) Der Regelungsort des Artikel 52a B-VG ist mit dem Selbstverständnis der Staatsanwältinnen und Staatsanwälten als Justizorgan nicht vereinbar; überdies geht es bei nachrichtendienstlichen Aktivitäten um die Kontrolle generalklauselartig determinierter, proaktiver staatlicher Tätigkeiten, an denen besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht. Dies trifft auf die Tätigkeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in keiner Weise zu: Diese sind in Reaktion auf klar erkennbare Straftaten tätig, durch ein Tatbildstrafrecht und detailreiche Verfahrensvorschriften einer fein ausgearbeiteten Legalität verpflichtet, die laufend dokumentiert und in einem System von checks and balances mit dem Gericht einer laufenden Kontrolle unterworfen ist. Überdies ist durch (ab 1.1.2008 erweiterte) Parteienrechte eine zusätzliche Kontrolle gewährleistet.

     2) Ein justizielles Verständnis von Kontrolle beinhaltet immer Transparenz und Publizität in Richtung (Parteien-)Öffentlichkeit. Die Gewährleistung von Transparenz durch einen geheimen Untersuchungsausschuss ist ein Widerspruch in sich.

     3) Aus den Protokollen und Unterlagen des Ausschusses 9 im Österreichkonvent ist erkennbar, dass eine ex-post Kontrolle des ministeriellen Weisungsrechtes angedacht war, nicht jedoch eine des internen Weisungsrechtes innerhalb der Hierarchie der staatsanwaltlichen Behörden. Diese Einschränkungen sind im Vorschlag nicht erkennbar. Die Beschränkung um Akteneinsicht in laufenden Verfahren ist kein auch nur annähernd ausreichendes Instrument, das notwendige private und öffentliche Geheimhaltungsinteresse zu sichern.

     4) Durch den erweiterten Aufgabenbereich der StaatsanwältInnen (hier insbesondere Diversion und § 42 StGB) nähert sich die Konsensfindung bei staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen der Beratungssituation in der Senatsgerichtsbarkeit. Jede ex-post geführte Diskussion über in Beratungssituationen vorgebrachte Argumente entwertet die erledigende Entscheidung selbst. Indirekt geht es somit auch um die Unabhängigkeit der Gerichte. Mittelbar wird durch Gerichtsentscheidung auch eine Kontrolle über das Weisungsrecht geübt. Nachfolgende politisch motivierte Diskussionen können die Akzeptanz der Gerichtsentscheidung selbst gefährden.

    5) In dem Dilemma, dass die Weisungshierarchie bei der Staatsanwaltschaft als Instrument zur juristischen Qualitätssicherung geübt wird, dies auf Grund der politischen Weisungsspitze Minister jedoch in der Öffentlichkeit als Instrument zur Machtausübung verstanden wird, ist der Vorschlag geradezu als „Signal in die Gegenrichtung“, nämlich als Stärkung der politischen Kontrolle zu verstehen.

 

 

     Die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bedauert ausdrücklich, nicht zur Stellungnahme eingeladen worden zu sein.

 

 

Wien, am 17.9.07

 

Dr. Klaus Schröder                      Dr. Wolfgang Swoboda

   Vorsitzender                              Präsident