BUNDESMINISTERIUM FÜR EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN

VÖLKERRECHTSBÜRO

Federal Ministry for European and International Affairs

Ministère Fédéral des Affaires Européennes et Internationales

A-1014 Wien, Minoritenplatz 8

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E-MAIL

 

GZ:

BMeiA-AT.8.15.02/0228-I.2c/2007

Datum:

7. September 2007

Seiten:

4

An:

v@bka.gv.at

Kopie:

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Von:

Bot. Dr. H. Tichy

SB:

Dr. Loidl/ Ges. Mag. Theuermann

DW:

3991

 

BETREFF:    Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird; Stellungnahme des BMeiA

 

 

Zum Schreiben vom 23. Juli 2007

 

Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMeiA) begrüßt die im Entwurf der Expertengruppe vorgeschlagenen verfassungsrechtlichen Vereinfachungen im Bereich der Staatsverträge und nimmt im Einzelnen wie folgt Stellung:

 

Zu Art. 1: Änderung des B-VG:

 

Zu Pkt. 13 (Art. 21 Abs. 3 B-VG):

 

Nach Auffassung des BMeiA sollte Art. 21 Abs. 3, wie in den Erläuterungen zu Pkt. 13 ausgeführt, angepasst, nicht aber ersatzlos gestrichen werden. Der vollständige Entfall der Verfassungsbestimmung über die Diensthoheit der obersten Organe erscheint nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Ministerverantwortlichkeit bedenklich.

 

Zu Pkt. 14 (Art. 23f Abs. 1 B-VG):

 

Nach Auffassung des BMeiA sollten in der vorgeschlagenen Änderung des Art. 23f Abs. 1 B-VG („Auf Beschlüsse des Europäischen Rates über eine gemeinsame Verteidigung der Europäischen Union ist Art. 50 Abs. 4 sinngemäß anzuwenden.“) die Worte „der Europäischen Union“ entfallen, da sowohl Art. 17 Abs. 1 EUV als auch – als Hinweis auf den voraussichtlichen Inhalt des EU-Reformvertrags in Anlehnung an Art. I-16 Abs. 1 Vertrag und Art. I-41 Abs. 2 über eine Verfassung für Europa Art. 11 Abs. 1 UAbs. 1 NEU sowie 27 Abs. 2 UAbs. 1 NEU EUV nur von einer gemeinsamen Verteidigung (nicht „der Europäischen Union“) sprechen.

 

Zu Pkt. 16 (insbesondere Art. 50 Abs. 3).

 

Nach dem Entwurf soll der neue Art. 50 Abs. 3 B-VG lauten: „(3) Auf Beschlüsse des Nationalrates nach Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 Z 3 ist Art. 42 Abs. 1 bis 4 sinngemäß

anzuwenden.“

 

Hiezu heiß es in den Erläuterungen: „Durch den Entfall des Verweises auf Art. 44 Abs. 1 und 2 in Art. 50 Abs. 3 B-VG sowie des zweiten Halbsatzes des Art. 50 Abs. 3 B-VG wird zum Ausdruck gebracht, dass die Änderung bzw. Erlassung von Verfassungsrecht durch Staatsverträge nicht mehr erfolgen kann. Es soll in Hinkunft somit nicht mehr möglich sein, Verfassungsrecht durch einen Staatsvertrag zu ändern oder zu ergänzen.

 

Vom vorliegenden Vorschlag unberührt bleibt die Möglichkeit, staatsvertragliche Bestimmungen durch eine bundesverfassungsgesetzliche Bestimmung in Verfassungsrang zu heben.“

 

Trotz der vorgeschlagenen Änderung des Art. 9 Abs. 2 B-VG wird es auch in Zukunft staatsvertragliche Bestimmungen geben, die in Verfassungsrang gehoben werden müssen, da auch der erweiterte Art. 9 Abs. 2 B-VG nicht alle einschlägigen Situationen erfasst. Die hiefür in den Erläuterungen vorgesehene Methode vom Staatsvertrag getrennter bundesverfassungsgesetzlicher Bestimmungen erscheint jedoch wesentlich komplizierter und unübersichtlicher als die bisherige Vorgangsweise mit verfassungsändernden Staatsverträgen und verfassungsändernden Bestimmungen in Staatsverträgen, weshalb sich das BMeiA für die Beibehaltung dieser Vorgangsweise ausspricht.

 

Zu Fragen des Rechtsschutzes:

 

Das BMeiA merkt an, dass im vorliegenden Entwurf zu Fragen des Rechtsschutzes Vorschläge zur Reform des Menschenrechtsbeirats als Voraussetzung für die Ratifikation des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl. Nr. 492/1987 idgF, fehlen. Die Ansiedlung des neu zu errichtenden Präventivorgans aufgrund des Fakultativprotokolls im Bereich der Volksanwaltschaft ist im Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode vorgesehen. Die Bundesregierung wurde mit der von allen im Parlament vertretenen Parteien unterstützten Entschließung 165/E (XXII. Gesetzgebungsperiode) vom 7. Dezember 2005 aufgefordert, ehestmöglich die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine rasche Ratifikation des Fakultativprotokolls zu schaffen. Das BMeiA geht davon aus, dass dieses Vorhaben Teil der weiteren Beratungen zur Grundrechtsreform sein wird.

 

 

Zu Art. 2: Bundesverfassungsbereinigungsgesetz

 

Zu § 7 Abs. 1 Z 78:

 

Dem BMeiA ist nicht ersichtlich, warum die in § 7 Abs. 1 Z 78 1. BVRBG angeführte Bestimmung ("Drittletzter Absatz des Notenwechsels über die vertraglichen Beziehungen zwischen Österreich und der Russischen Föderation, BGBl. Nr. 257/1994") eine solche ist, deren Verfassungsrang (laut Erläuterungen) schon nach geltender Verfassungsrechtslage entbehrlich ist. Die Bestimmung lautet: "Die in diesem Notenwechsel vorgenommene Einteilung der Verträge in Gruppen lässt die innerstaatlichen Zuständigkeiten der beiden Seiten zur Änderung und zur Beendigung der Geltung der völkerrechtlichen Verträge unberührt." und sollte bewirken, dass Regierungsübereinkommen dadurch, dass ihre Weitergeltung in einen Art. 50 B-VG unterliegenden Staatsvertrag geregelt wird, nicht Gesetzesrang erhalten. 

 

 

Zu den Erläuterungen:

 

Zu Z 3 der Erläuterungen zu Z 14 (Art. 23f Abs. 1 letzter Satz), Z 15 (Art. 23f Abs. 3) und Z 16 (Art. 50):

 

Z 3 enthält folgenden Hinweis zur vorläufigen Anwendung von Staatsverträgen: „Staatsverträge können dann vorläufig angewendet werden, wenn keine individuellen Rechte und Pflichten betroffen sind bzw. wenn die vertraglichen Verpflichtungen

bestehenden Gesetzen entsprechen.“

 

Das BMeiA begrüßt diesen Hinweis, hält es aber für notwendig sicherzustellen, dass er zur derzeitigen österreichischen Praxis bei der vorläufigen Anwendung von Staatsverträgen gemäß Art. 50 hinzutritt und diese nicht einschränkt, weil insbesondere bei gemischten Abkommen im Rahmen der EU, die zahlreiche und manchmal lange Ratifikationsverfahren erforderlich machen, häufig großer Wert auf eine vorläufige Anwendung gelegt wird. Die derzeitige Praxis besteht darin, eine vorläufige Anwendung durch Österreich dann zu notifizieren, wenn das parlamentarische Genehmigungsverfahren in Österreich abgeschlossen ist, was meist einige Zeit vor dem Abschluss der Ratifikationsverfahren aller anderen Staaten und Organisationen und damit dem objektiven Inkrafttreten des Abkommens der Fall ist. Diese Praxis sollte nicht auf die im oz. Hinweis angesprochenen Fälle eingeschränkt werden.

 

Es wird daher angeregt, den oz. Hinweis wie folgt zu ergänzen: „... oder wenn das parlamentarische Genehmigungsverfahren in Österreich bereits abgeschlossen wurde.“

 

Z 3 enthält weiters noch folgenden Hinweis zu den Sprachfassungen von Staatsverträgen: „Zur Frage, in welchen Sprachfassungen multinationale Staatsverträge dem Nationalrat vorgelegt werden müssen, wird darauf hingewiesen, dass es Gegenstand einer Regelung des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 sein kann, festzulegen, dass die Übermittlung der deutschen Sprachfassung eines Staatsvertrages ausreichend ist und somit nicht sämtliche Sprachfassungen übermittelt werden müssen. Für den Fall, dass die deutsche Sprachfassung keine authentische Sprachfassung ist, kann vorgesehen werden, dass zusätzlich zur deutschen Übersetzung zumindest eine authentische Sprachfassung zu übermitteln ist. Davon unberührt bliebe, dass für die Kundmachung alle authentischen Sprachfassungen zur Verfügung stehen (und etwa zur Einsicht aufliegen) müssen.“

 

Das BMeiA begrüßt auch diesen Hinweis, der eine Problematik betrifft, die das Ressort bereits an den Österreich-Konvent herangetragen hat. Es stimmt dem Lösungsansatz zu und hofft, angesichts der technischen Probleme und Verzögerungen, die das derzeitige Erfordernis der Beschaffung aller authentischen Sprachfassungen (im EU Rahmen derzeit 22 bzw. 23) mit sich bringt, auf eine rasche Novellierung des Geschäftsordnungsgesetzes im angesprochenen Sinn. Problematisch erscheint allerdings das fortbestehende Erfordernis der Kundmachung, wenn auch u.U. Sonderkundmachung durch Auflage zur Einsichtnahme, aller authentischen Sprachfassungen, weil auch dies einen großen Aufwand bedeutet, der in keinem Verhältnis zum kaum je in Anspruch genommenen Nutzen für die Normadressaten besteht.

 

Es wird daher angeregt, den letzten Satz des oz. Hinweises zu streichen und ihn durch folgenden Satz zu ersetzen: „Außerdem kann im Bundesgesetzblattgesetz festgelegt werden, dass die Kundmachung eines Staatsvertrags in nur einer authentischen Sprachfassung ausreicht, der – falls keine deutsche authentische Sprachfassung besteht – jedenfalls eine  deutsche Übersetzung anzuschließen ist.“

 

 

Für die Bundesministerin:

H. Tichy m.p.