An das

Bundeskanzleramt

Expertengruppe Staats- und Verwaltungsreform

Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher

Salzburg, am 20.9.2007

 

Begutachtung zum Entwurf der Expertenkommission im Bundeskanzleramt für ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

Sehr geehrter Herr Univ.-Prof. Dr. Lienbacher!

 

Beiliegend übermitteln wir die Stellungnahme unseres Vereines zu oben genanntem Entwurf für eine Reform der Bundesverfassung.

 

Mit freundliche Grüßen

 

Helping Hands Salzburg

Sybille Wierer (Obfrau)

Mag. Thomas Loos (Schriftführer)

elektronisch gefertigt

 

Beil.: erw.

Helping Hands Salzburg

Verein für fremdenrechtliche Beratung,

Integration und antirassistische Projekte

Kaigasse 28

5020 Salzburg

ZVR Zahl: 175399428

 

Salzburg, am 20.9.2007

 

 

 

 

Begutachtung zum Entwurf der Expertenkommission im Bundeskanzleramt für ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird

 

 

Referent:        Mag. Thomas Loos

 

Art. 52a Abs. 1 und 2:

Eine Verstärkung der Kontrolle des Weisungsrechtes des Justizministers gegenüber den Staatsanwaltschaften ist grundsätzlich begrüßenswert, um politisch motivierte Interventionen durch den Justizminister als weisungsbefugte Oberbehörde der Staatsanwaltschaften möglichst hintanzuhalten. Wünschenswert wäre allerdings sich zu einer gänzlichen Abschaffung des Weisungsrechtes des Justizministers durchzuringen und als Oberbehörde die Einrichtung eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes vorzusehen (vgl. Bericht des Österreich-Konvents, Teil 4A, Textvorschläge, S 292).

 

Art. 81c Abs. 2:

Der Vorschlag, wonach Tätigkeiten an der Universität und Studierendenvertretungen nicht mehr österreichischen Staatsbürgern vorbehalten sind wird ausdrücklich begrüßt.

 

Art 129ff:

·          Die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz ist begrüßenswert. Es ist dabei positiv, dass nicht etwa mehrere Spezialgerichte (etwa Asylgericht), wie vielfach gefordert, eingeführt werden sollen, sondern dass der Rechtsschutz in einer einheitlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit zusammengeführt werden soll. Dies dient sowohl der Einheitlichkeit der Rechtssprechung und Rechtsordnung als auch einem hohen wissenschaftlichen Niveau der Rechtspraxis. Dass für jeden Juristen in der Praxis eine gewisse Spezialisierung und die Aneignung von Spezialwissen notwendig ist steht außer Frage. Allerdings ist dem derzeit (nicht nur in der Rechtswissenschaft) anhaltenden Trend in Richtung ausschließlich „praxisorientierten Spezialwissens“ entgegen zu treten, da dieser dazu führt, dass Grundlagenwissen und Zusammenhänge außer Acht gelassen werden, die es aber eigentlich zu beachten gilt. Es mag verschiedene Rechtsgebiete geben, jedoch sind alle Gebiete der Rechtsordnung miteinander verzahnt und beruhen auf einer gemeinsamen Grundlage. Dies spricht für die vorgeschlagene Einrichtung einheitlicher Verwaltungsgerichte und gegen die Einführung von Spezialgerichten.

 

Im Übrigen wären durch die Einrichtung speziell eines Asylgerichts oder Fremdenrechtsgerichts auf diese Gerichte konzentrierte Versuche politischer Einflussnahme zu befürchten. Dies kann durch allgemeine Verwaltungsgerichte, bei denen für die interne Geschäftsverteilung schlussendlich das Gericht selbst zuständig ist, verhindert werden.

 

·          Entgegen dem Vorschlag sollte der derzeitigen Regelung des Art. 134 Abs. 3 B-VG folgend eine zwingende Durchmischung bei der Besetzung der Verwaltungsgerichte vorgesehen werden. Gerade eine zwingende Beteiligung von Personen, die die Befähigung zur Ausübung des Richteramts in der ordentlichen Gerichtsbarkeit besitzen kann auf Grund erfahrungsgemäß größerer persönlicher Unabhängigkeit von der Verwaltung eine politisch unabhängige Entscheidung eher gewährleisten. Andererseits ist die Beteiligung von Personen aus der Verwaltung wünschenswert, um die jedenfalls zur Entscheidung notwendige Fachkenntnis der Verwaltungspraxis einzubringen. Die Durchmischung dient daher der Qualitätssicherung der Entscheidungen und sollte – so wie derzeit – verfassungsrechtlich abgesichert werden.

 

·          Gänzlich unbegreiflich ist, wieso Richter der Verwaltungsgerichte kein Studium der Rechtswissenschaften abschließen müssten. Die Einführung der Verwaltungsgerichte sollte doch eigentlich dazu führen, dass sich die Qualität der Entscheidungen gegenüber der derzeitigen Situation verbessert. Die notwendige Qualität der Verwaltungsgerichtsbarkeit kann nur dann gewährleistet sein, wenn sie von Organwaltern ausgeübt wird, die in der Tätigkeit, die sie ausüben – nämlich Rechtsprechung – auch ausgebildet sind und eine solche Ausbildung wird ausschließlich durch das Studium der Rechtswissenschaften gewährleistet. Die volle Beherrschung der juristischen Methodik und Dogmatik ist unabdingbare Voraussetzung rechtsprechender Tätigkeit. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass die Verwaltungsgerichte erster Instanz im Hinblick auf die Einschränkung der Beschwerde an den VwGH sozusagen die rechtliche „Hauptkontrolle“ der Verwaltung übernehmen und eine dementsprechend angemessen hohe Entscheidungsqualität gegeben sein muss.

 

Angemerkt sei hier ausdrücklich, dass langjährige Praxis ein rechtswissenschaftliches Studium keinesfalls ersetzen kann. Zur Problematik sei hier etwa beispielsweise im Fremdenrecht das Erfordernis ausreichenden Unterhaltes für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gewährt. Hier kann das entscheidende Organ plötzlich mit einer zivilrechtlichen Vorfrage (Unterhaltsanspruch) kombiniert mit Fragen des internationalen Privatrechtes konfrontiert sein (vgl. etwa VwGH 99/19/0228). Die derzeitige Rechtspraxis der Behörden zeigt vielfach, dass solche Rechtszusammenhänge, die sich aus der grundlegenden Konstruktion der Rechtsordnung ergeben (hiefür ist keinerlei Fachwissen notwendig), von vorne herein unrichtig gelöst werden. Grund dafür ist das Fehlen ausreichend rechtswissenschaftlich ausgebildeter Sachbearbeiter, die die allgemeinen juristischen Grundlagen beherrschen.

 

Das Erfordernis des Studiums der Rechtswissenschaften muss daher – wie bisher auch – verfassungsrechtlich zwingend vorgesehen werden, um eine hohe Qualität der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewährleisten.

 

·          Zum vorgeschlagenen Art. 133 B-VG wird Variante 2 bevorzugt. Das System der Zulassungsrevision hat sich im ordentlichen Zivilverfahren bewährt und kann ins verwaltungsgerichtliche Verfahren übernommen werden. Durch die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde kann ein Abschneiden des Rechtsweges durch die Verwaltungsgerichte erster Instanz verhindert werden, gleichzeitig wird ein Beschwerdeführer zu zielgerichteter Argumentation gezwungen, aber auch der Verwaltungsgerichtshof zu einer Entscheidung verpflichtet. Bei Variante 1 besteht wegen des Ablehnungsrechtes hingegen die Gefahr, dass voreilig auch nicht aussichtslose Beschwerden durch den VwGH abgelehnt werden.

 

Art. 139:

Die Einführung der Gesetzesbeschwerde wird als akzeptabler Kompromiss begrüßt, wenngleich die Einführung einer umfassenden Verfassungsbeschwerde an den VfGH wünschenswert wäre.

 

Art 148k ff:

·          Die Rechtspraxis zeigt, dass Missstände in der ordentlichen Gerichtsbarkeit existieren, die durch die derzeit bestehenden Kontrollmechanismen nicht ausreichend oder auch überhaupt  nicht aufgegriffen werden. Es erscheint daher jedenfalls notwendig eine zusätzliche Einrichtung zu schaffen, die als Anlaufstelle der Bürger dienen kann, um Missstände zu beseitigen.

 

Richtig ist allerdings, dass die Möglichkeit politischer Einflussnahme auf die Rechtsprechung hintangehalten werden muss. Hiezu ist einerseits anzumerken, dass nach dem vorliegenden Entwurf keine zusätzliche Entscheidungsinstanz außerhalb der Gerichtsbarkeit geschaffen wird. Selbst wenn der Justizanwalt von einem der dort genannten Rechte Gebrauch macht (etwa Fristsetzungs- oder Ablehnungsantrag) führt dies nur zu einer Entscheidung des hiefür ohnehin vorgesehenen richterlichen Organes, das auch im Falle eines Parteiantrages zuständig wäre. Andererseits scheint durch das Recht Fristsetzungsanträge und Ablehnungsanträge zu stellen doch eine gewisse Gefahr der Einflussnahme auf laufende Verfahren gegeben. So müsste sich etwa der Justizanwalt in einem streitigen Zivilverfahren zwangsläufig auf die Seite einer Partei stellen, will er einen Ablehnungsantrag stellen.

 

·          Auch ist die vorgeschlagene Fassung widersprüchlich. Einerseits soll der Justizanwalt nur zuständig sein, wenn kein Rechtsmittel zur Verfügung steht, andererseits aber Fristsetzungs- und Ablehnungsanträge stellen können, die aber nach Rechtskraft einer Entscheidung rein logisch gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

 

·          In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass der Entwurf nicht verfassungsrechtlich definiert, was ein Fristsetzungsantrag ist, sondern offenbar von der geltenden einfachgesetzlichen Regelung des § 91 GOG ausgeht. Sollte § 91 GOG durch den einfachen Gesetzgeber einmal geändert werden, wäre dieser automatisch mit Auslegungsschwierigkeiten des verfassungsrechtlichen Begriffes „Fristsetzungsantrag“ konfrontiert, es wäre also insbesondere nicht klar in wie weit der einfache Gesetzgeber von der derzeit geltenden Regelung überhaupt abweichen dürfte, dies jedenfalls dann, wenn man den verfassungsrechtlichen Begriff „Fristsetzungsantrag“ im Sinne der Versteinerungstheorie interpretiert. Soll daher einem Justizanwalt verfassungsrechtlich die Möglichkeit eines Fristsetzungsantrages eingeräumt werden, so wäre es sinnvoll diesen Begriff verfassungsrechtlich inhaltlich zu definieren.

 

·          Alternativ wäre es besser, die auch im Regierungsübereinkommen vorgesehene justizinterne Beschwerdestelle einzurichten. Diese genießt eine weitergehende Akzeptanz, insbesondere auch in der Richterschaft, unterliegt weniger äußerer Einflussnahme und erweckt auch weniger den Anschein der Einflussnahme. Allerdings muss diese jedenfalls schon so beschaffen sein, dass eine effektive Kontrolle der Justiz im Hinblick auf Missstände gewährleistet ist, sodass die Rechte dieser Institution in gewisser Weise durchaus ähnlich sein sollten, wie die des vorgeschlagenen Justizanwaltes. Die Möglichkeit eines Eingriffes in laufende Verfahren durch das Stellen von Anträgen, die ohnehin auch Parteien stellen können (wie etwa Fristsetzungs- und Ablehnungsanträge) sollte allerdings nicht gegeben sein.

 

Abschließend ist noch zu bemängeln, dass der vorliegende Entwurf keine entsprechende Missstandskontrolle der Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechtes vorsieht. Eine entsprechende Einrichtung wäre ebenso für diese Gerichte vorzusehen

 

Helping Hands Salzburg, Mag. Thomas Loos