Stellungnahme des ÖAMTC
zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das
Einführungs­gesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das
All­gemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 und das
Zustellgesetz geändert werden

(Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2007)

GZ: BKA-600.127/0011-V/A/1/2007

 

A) Grundsätzliches:

Vorweg sei angemerkt, dass mit der vorliegenden Novelle zum AVG zwar erforderliche redaktionelle Anpassungen für das Verwaltungsverfahren vorge­nommen wurden. Es dürfte aber noch eine Reihe von Defiziten, insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden Verfahrensführung, geben. Etwa fehlen Umsetzungen des EU-Vertrages über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, kundgemacht mit BGBl. III/ Nr. 65/2005 vom 11.5.2005. Konkret fehlen etwa Vorschriften zur Umsetzung des Art 5 des Abkommens, wonach Urkunden bzw Dokumente, die für den Empfänger von Bedeutung sind, in dessen Sprache zu übersetzen sind, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

Der ÖAMTC sieht einen Handlungsbedarf hinsichtlich der Sprachproblematik (Übersetzung) aber nicht bloß im grenzüberschreitenden Verfahren sondern auch für zahlreiche innerstaat­lich zu führende Verfahren – dies im Übrigen schon aus Gründen der Vermeidung der Diskri­minierung von EU-Bürgern vor dem Gesetz.

Der ÖAMTC weist überdies darauf hin, dass die derzeitigen Zustellbestimmungen zu massi­ven Defiziten bei der Führung von Verwaltungsstrafverfahren gegen Personen mit ordent­li­chem Wohnsitz im Ausland führen: So ist es etwa in den wenigsten Fällen möglich, ein Schrift­stück zeitgerecht und nachweislich zuzustellen, weil keine zwischen­staatlichen Abkommen mit dem Wohnsitzstaat des Beschuldigten bestehen. Daher wird schon die Zustellung im materiellen Strafverfahren scheitern, sodass die nun­mehr mittels Rahmen­beschlusses auf EU-Ebene eingeführte grenzüber­schreitende Vollstreckung von Geldstrafen ins Leere geht.

Der ÖAMTC verlangt daher, dass die grundlegenden Voraussetzungen für die Füh­rung von grenzüberschreitenden Verwaltungsverfahren und Verwaltungs­straf­ver­fahren geschaffen werden.

Beim kürzlich in Wien abgehaltenen ersten österreichischen ZVR-Verkehrsrechtstag am 21.September  2007 wurden von Priv. Doz. Dr. Wolfgang Wessely die Schwachstellen der Verfahrens­führung, insbes im Bereich der Zustellung, erörtert. Diese Defizite im „Unterbau“ sollten umgehend bereinigt werden, um die Basis für die – rechtspolitisch durchaus wünschenswerte – grenzüber­schreitende Vollstreckung zu schaffen. In diesem Sinne mag vielleicht auch das Europäische Zustellübereinkommen aus dem Jahr 1983 eine Grundlage bilden, um statt der derzeit üblichen (in großer Zahl notwendigen, aber nicht bestehenden) bilateralen Verein­barungen ein einheitliches System der grenzüberschreitenden Zustellung sicherzustellen. Insbesondere in jenen Fällen, in denen (wie etwa bei Serbien) nicht einmal bilaterale Abkommen über die grenz­überschreitende Zustellung bestehen, wird auch der Opportunitätsgrundsatz des § 21 (insbes des Abs 1a) VStG zu beachten sein (und würde damit uU die Führung eines weiteren aussichtslosen Verfahrens völlig entfallen), vor allem in Hin­blick auf das offenkundige Miss­verhältnis zwischen Aufwand und Erfolgswahr­scheinlichkeit der Vollzugsmaßnahme.

Der ÖAMTC erinnert aber abschließend auch ganz allgemein daran, dass etwa im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nur eine Gesamtreform helfen kann, bestehen­de Mängel und Wer­tungs­widersprüche auszugleichen. Hierzu verweist der ÖAMTC auf seine bereits mehrfach vorgelegten Vorschläge, insbes in der Stellungnahme zum Verwaltungsreformgesetz 2001 und zur Verwaltungsverfahrensnovelle 2006. Hier sei darauf hingewiesen, dass diese Stellungnahmen dem BKA als authentischer Text im Anhang vorgelegt werden bzw jederzeit kurzfristig bei den Autoren der Stellungnahme angefordert werden können.

 

 

B) Besonderer Teil:

Art. 2, AVG, VStG:

Zu § 13 (Anbringen):

In Absatz 2 wird die Möglichkeit des Anbringens mittels e-mail udgl für zulässig erklärt. An sich ist diese ausdrückliche Erlaubnis durchwegs zu begrüßen. Es sollte aber die Veröffent­lichung von Beschränkungen in Abs 2 und Abs 5 nicht bloß pauschal „im Internet“ erfolgen, sondern an dieser Stelle sollte eine genaue Adresse oder zumindest eine Domain für derartige Mitteilungen angegeben sein.

Aus Anlass dieser Stellungnahme sei auch daran erinnert, dass der ÖAMTC schon vor Jahren vorgeschlagen hat, eine „offizielle virtuelle Amtstafel“ zu schaffen, die auch für Mitteilungen des beschränkten elektronischen Parteienverkehrs genutzt werden kann.

Die Streichung der letzten beiden Sätze des Abs 5 muss mit Nachdruck abgelehnt werden! Gerade die Einbringung von Schriftstücken per Fax erfolgt nicht selten außerhalb der Amtsstunden. Es stellt keine besondere technische und organisatorische Herausforderung dar, Empfangsgeräte einsatzbereit zu halten. Die Streichung der Bestimmungen hätte zur Folge, dass Anbringen auch in den bisher völlig unproblematischen Fällen, in denen die Geräte einsatzbereit waren und klaglos funktionierten, nicht berücksichtigt werden müssten und die Gefahr besteht, dass diese als nicht zeitgerecht einlangend betrachtet werden.

 

Art. 3, Änderung des Zustellgesetzes:

Z 16, Zu § 10 (Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten):

Diese schon bisher bestehende Bestimmung wird nach Auffassung des ÖAMTC in vielen Fällen exzessiv bzw überschießend gehandhabt, indem etwa Personen mit Wohnsitz in einem Vertragsstaat (zB Deutschland) trotz eines aufrechten Rechtshilfe- und Vollstreckungs­ab­kommens aufge­tragen wird, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Diese Praxis findet einerseits im Gesetzeswortlaut („kann“) keine Deckung, ist aber anderer­seits vor allem mit erheblichen Nachteilen verbunden: So wird oft die Frist zur Stellungnahme (vor allem in Hinblick auf die Post­läufe) dramatisch verkürzt. Die rechtlichen Möglichkeiten des Zustel­lungs­­­bevoll­mächtigten sind überdies sehr gering und nur mit einer „Post­stelle“ vergleichbar. Außerdem wird der Beschuldigte mit vermeidbaren Kosten belastet, da insbes Rechtsanwälte derartige Dienstleistungen nicht kostenlos erbringen.

Daher sollte noch klarer festgehalten werden, dass in dem Fall, dass ein Zustellungs­ab­kommen zwischen dem Sitzstaat des Beschuldigten und dem verfahrensführenden Staat be­steht, der Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten zu unterbleiben hat.

Auf der anderen Seite sollte dem Zustellungsbevollmächtigten ermöglicht werden, die Über­sendung relevanter Aktenstücke an die Partei des Verfahrens zu veranlassen, ohne ihn dabei in die Position eines Parteienvertreters zu versetzen. Bei einfachen Verfahren wird ohnehin meist die Weiterleitung eines Ersuchens um Über­sendung des gesamten Akten­standes zweck­mäßig sein. Bei umfangreicheren Verfahren wird aber eine gewisse Vorauswahl – etwa eben durch den Zustellungs­bevollmächtigten – auch zu einer Entlastung der Behörde beitragen können. Insbesondere im Falle elektronischer Aktenführung sollte die Übermittlung entsprechender Daten sehr einfach und kostengünstig möglich sein.

 

Z 37, § 21 (Entfall des zweiten Zustellversuches):

Der ÖAMTC kann zwar die Argumente für den Entfall des zweiten Zustellversuches nach­vollziehen, ist aber doch davon überzeugt, dass die bisherige Regelung im Wesentlichen beibehalten werden sollte. Vor allem in Hinblick auf zunehmende Teilzeit-Arbeits­verhält­nisse, den steigenden Anteil von Personen im Pensionsalter oder auch Studenten (die allesamt mitunter nur tageweise außer Haus sind) regt der ÖAMTC an, den zweiten Zustellversuch nur in jenen Fällen entfallen zu lassen, in denen – aufgrund dem Zusteller bekannter dauernder Berufstätigkeit des Empfängers - offensichtlich zu erwarten ist, dass ein weiterer Zustell­versuch an der Abgabestelle scheitern wird.

Jedenfalls sollte aber unbeschadet dessen durch geeignete Maßnahmen sicher gestellt werden, dass ein Zustellschein tatsächlich in der (künftig so bezeichneten) Abgabeeinrichtung hinter­lassen wird. Die Bestimmung des § 17 Abs 4 ZustG, wonach selbst bei Entfernung des Zustell­scheines die Hinterlegung wirksam ist, erscheint vor allem in Hinblick auf die neuen Hauspostfächer, aus denen Papiere leicht entwendet werden können, höchst unbefriedigend. Demnach sollte zur besseren Dokumentation des Zustellvorganges zumindest eine Durchschrift des Zustellscheines als Nachweis der Hinter­lassung an der Abgabestelle (gemeinsam mit dem Rückschein) – bei sonstiger Unwirksamkeit der Zustellung - zum Akt genommen werden müssen.

Die hier angesprochene Problematik zeigt, dass die Zustellung nach wie vor eine der großen „Schwachstellen“ im Verwaltungsverfahren bildet, die mit besonderer Aufmerksamkeit saniert werden sollte. Insbesondere wären Fehler bei der Zustellung sehr oft hinreichende Argumente für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Niemals vorgefundene Zustellscheine stellen demnach die häufigsten Fälle unverschuldeter Fristversäumnisse dar. In diesen Fällen sollte die Partei in eine bessere verfahrensrechtliche Stellung versetzt werden.

Sollte sich der Gesetzgeber doch für die Streichung des zweiten Zustellversuches entscheiden, so sollte – auch in Hinblick auf die Schließung zahlreicher Postämter - zumindest der Forderung des ÖAMTC auf Erweiterung der Rechtsmittelfristen auf 4 Wochen entsprochen werden.

 

C) Weitere Vorschläge:

§ 17 AVG (Akteneinsicht):

Die Bestimmung zwingt (künftige) Parteien zur Einlassung ins ordentliche Verfahren. Dies  ist vor allem im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes problematisch, als zahlreiche Verfahren erheblich abgekürzt oder gar vermieden werden könnten, wenn den Parteien eines – aktuellen noch nicht formell eingeleiteten - Verfahrens frühzeitig Akteneinsicht gewährt würde. Zu denken wäre etwa an die Einsicht in Radarfotos im Stadium der Anonymverfügung, um die Einleitung eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens hintanzuhalten.

Gerade im Verkehrsbereich werden oft Verwaltungsstrafverfahren bloß deshalb geführt, weil sich die Partei des (künftigen) Verfahrens nicht mehr an den Vorfall erinnert und daher im Zweifel die Einleitung des ordentlichen Verfahrens abwarten muss, um die Entscheidung zu treffen, ob die Strafe gezahlt wird oder ein Rechtsmittel ergriffen wird. Virulent wurde die Thematik auch im Zusammenhang mit der Unfallmeldung, zuletzt durch VwGH 2005/02/0233 (ZVR 2007/7, S. 28)

 

Mag. Martin Hoffer           
Dr. Hugo Haupfleisch       
ÖAMTC-Rechtsdienste
im September 2007

 

Beilagen: wie erwähnt


Stellungnahme des ÖAMTC

zum Entwurf eines

Verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2006

GZ: BKA-600.127/0004-V/1/2006

 

 

A. Allgemeines:

Das vorliegende Konvolut an Novellierungsvorschlägen hat – wie wir annehmen - nicht nur den ÖAMTC sondern wohl auch andere Organisationen an die Grenzen der Kapazität ge­bracht. Wiewohl anzuerkennen ist, dass die Entwurfsverfasser unter erheblichem („politisch bedingtem“) Zeitdruck arbeiten mussten, um ein derart umfangreiches Werk versendungs­fertig zu machen, stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Notwendigkeit der Novelle in diesem Umfang zum jetzigen Zeitpunkt:

Im Herbst 2006 findet bekanntermaßen in Graz der 16. Österreichische Juristentag statt, der sich dem Thema "Subjektive Rechte und Verwaltungsrecht" widmen wird. Zahlreiche Bestimmungen, die mit der vorliegenden Novelle geändert oder berührt werden, oder die (siehe Punkt C) nach den Vorstellungen des ÖAMTC eigentlich geändert werden sollten, werden wohl auch Gegenstand der Beratungen des Juristentages sein.

Der ÖAMTC verlangt seit Jahren eine tiefgreifende Reform des Verwaltungsstrafgesetzes. Juristen des ÖAMTC haben immer wieder in Artikeln in der Zeitschrift für Verkehrsrecht auf bürgerfreundlichen Änderungsbedarf hingewiesen - bisher allerdings nur mit geringem Erfolg. Wir halten es daher nicht für zweckmäßig, vor dem Sommer eine Teilnovelle der Ver­fahrensgesetze dem Parlament zur Beschlussfassung vorzulegen; vielmehr sollte der vor­liegende Entwurf den Beginn einer breiten Diskussion zur umfassenden Reform dieser Gesetze bilden. Dabei halten wir die Einbeziehung von Wissenschaft und Praxis (so zB im Rahmen des Österr. Juristentages) für unverzichtbar. Wir sind auch gerne bereit, einen Ver­treter in eine zu bildende Arbeitsgruppe zur grundlegenden Überarbeitung dieser Gesetze zu entsenden.

Der ÖAMTC wird zu einer Reihe von inhaltlichen Änderungen kritische Bemerkungen vor­bringen, da wir aus unserer langjährigen Erfahrung aus der Mit­glieder­beratung immer wieder Verbesserungspotentiale der Ver­wal­tungs­­­verfahrens­gesetze feststellen können.

Positiv ist jedenfalls anzumerken, dass im Bereich des AVG die Rechtsmittelfristen auf vier Wochen verlängert werden sollen. Damit ist aber wohl auch eines der bisher stärksten Argumente gegen eine Ver­längerung dieser Fristen im VStG weggefallen. Daher sollten auch im VStG die Fristen für die Bezahlung einer Organstrafverfügung sowie zur Einbringung eines Einspruches und einer Berufung auf 4 Wochen verlängert werden. Die Frist zur Ein­zahlung einer Anonymverfügung sollte 6 Wochen betragen.

Klar abzulehnen sind im Ergebnis die Änderungen rund um den sogenannten Opportunitäts­grundsatz bzw rund und um die Berechtigung, mit Ermahnung vorzugehen. Der ÖAMTC muss seiner Befürchtung Ausdruck geben, dass die vorgesehenen Änderungen dazu beitragen werden, dass der ohnehin schon bisweilen eher zweifelhafte Ruf eines „österreichischen Ver­waltungsstrafwesen als Inkassosystem“ noch zunimmt.

Besonders hingewiesen sei auf die Anmerkungen zu dringend gebotenen legistischen Maß­nahmen im Zuge der in Kürze notwendigen Umsetzungen mehrerer EU-Regelungen, die sich auf die Verfahrensgesetze auswirken werden:

So gilt es etwa, den EU-Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegen­seitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen bis März 2007 in nationales Recht umzusetzen. Von primärem Interesse für den ÖAMTC ist in diesem Gesetzesvorhaben jedoch die Vollstreckung von Verkehrsstrafen. Ein ausreichender Rechtsschutz ist für den ÖAMTC jedoch unverzichtbare Voraussetzung für eine Vollstreckung der Strafen durch österreichische Behörden, vor allem solange der entsprechende EU-Rahmenbeschluss, dessen Ziel es ist, Mindestverfahrensrechte europaweit zu garantieren, nicht in Kraft ist (EU-Rahmenbeschlus­ses über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren in der Europäischen Union, CNS 2004/0113)

Schließlich sei auf einige weitere Vorschläge des ÖAMTC im Teil C) hingewiesen, mit denen das Verwaltungsverfahren und auch das Verfahren vor dem VwGH bürgerfreundlicher gestaltet werden sollte. Der ÖAMTC hofft, dass diese Vorschlage auch im Zuge des oben angesprochenen Juristentages erörtert werden und in absehbarer Zeit Eingang in die Gesetz­gebung finden.

 

 

B) Besonderer Teil:

1. Art 1 Änderung des B-VG:

Zu Z 12, Änderung des Art 59b:

Es erscheint zwar in Hinblick auf die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Behörde“, „Organ“ und „Organwalter“ nachvollziehbar, sodass der hier beabsichtigten Änderung auf die Behördenbezeichnung „Landeshauptmann“ an sich zuzustimmen wäre. Zur Vermeidung einer ent­behr­lichen politischen Grundsatz-Diskussion über „Gender-Mainstreaming in der Ver­fassung“ udgl. regt der ÖAMTC trotzdem an, diesen – zugegebenermaßen unscharfen - Begriff beizu­behalten.

 

2. Art 2 EGVG:

Zu Z 15, Änderung des Art. II (Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze):

In Hinblick auf die Änderung des Art. 129a Abs 1 Z 1 B-VG (Z 17 der B-VG-Änderung im Zuge dieser Novelle) sollte auch hier der Begriff „Verwaltungsstrafsachen“ gewählt werden.

 

3. Art 3 AVG:

Zu Z 10 Neufassung des § 13 (Anbringen):

1. Zu Abs 1b und 2 (Einbringungsstelle „Internet“):

Die „offene“ Wortwahl „sind ... im Internet kundzumachen“ in Abs 1b und Abs 2 ist zu unbe­stimmt. Es sollte eine bestimmte Internet-Adresse angegeben werden.

 

2. Zu Abs 3 (Mangelbehebung):

Seit der AVG-Novelle 1998 sind Behörden verpflichtet, bei gewissen Mängeln von Anbrin­gen (zB Fehlen eines begründeten Berufungsantrages) der Partei mit Frist­setzung die Mög­lichkeit zur Mängelbehebung zu geben. Dieser Rechtsanspruch ist jedoch bei inhaltlichen Fehlern nicht sichergestellt, sodass zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens eine ent­sprechende gesetzliche Ergänzung vorzunehmen wäre. Wird etwa derzeit im Rahmen einer Lenkerauskunft gem § 103 Abs 2 KFG die genaue Adresse des verantwortlichen Lenkers irrtümlich nicht ange­führt, obwohl der Auskunftspflichtige durchaus bereit und gewillt war diese bekannt zu geben, führt dies zur gleichen Bestrafung wie die Verweigerung der Ant­wort. In solchen und ähnlichen Fällen wäre eine Zurückstellung zur Mangelbehebung äußerst sachgerecht und würde für die Behörden kaum nennenswerten Aufwand bedeuten. Derzeit haben betroffene Kraftfahrer immer wieder den Eindruck, dass einzelne Behörden derartige Möglichkeiten zu - als schikanös empfundene - Bestrafungen geradezu ausnützen.


Zu Z 18 Neuformulierung des § 18 (Erledigungen):

Abs 1 in der neuen Fassung ist noch unverbindlicher formuliert als in der bisherigen:

Schon der alte Text, nämlich: „... hat sich ... so viel als möglich ... zu bedienen“ war nicht gerade als „verbindlich“ formuliert.

Doch der vorgeschlagene neue Text im Sinne von „..hat sich ... von Rücksichten auf mög­lichste Zweckmäßigkeit... leiten zu lassen“ übertrifft diese Unverbindlichkeit noch erheblich.

Unbeschadet des Wunsches nach verbindlicherer Fassung wäre wichtig, dass –schon in den Materiengesetzen – konkreter vorgeschrieben wird, in welcher Form Erledigungen bestimmter Anträge zu erfolgen haben.

 

Zu Z 20 Änderung des § 22 (Zustellungen):

Die Wortwahl „Besteht ein Bedürfnis nach einem Nachweis der Zustellung“ erscheint in An­betracht der erheblichen Rechtsfolgen der Beurteilung eines solchen „Bedürfnisses“ zu unbe­stimmt, sodass die bisherige Formulierung „wichtige Gründe ...“ schon deshalb bestehen bleiben sollte, als Formulierungsänderungen nur bei Erforderlichkeit vorgenommen werden sollten. Eine solche Erforderlichkeit konnte der ÖAMTC nicht erblicken.

Der vorgeschlagene Text erscheint grammatikalisch nicht leicht verständlich. Vorgeschlagen wird, den Text sinngemäß folgendermaßen zu fassen: „..., dass eine Partei ihre Stellung als Partei insoweit verliert, als sie nicht spätestens ....“

 

Zu Z 40 Änderung von § 57 Abs 2, 63 Abs 5 und 64a Abs 2 (Rechtsmittelfristen):

Ausdrücklich begrüßt wird die Absicht, die Rechtsmittelfristen im AVG-Verfahren auf vier Wochen zu verlängern. An dieser Stelle sei aber auf die Forderung im Teil C) hingewiesen, wonach eine gleichartige Verlängerung auch im Bereich des VStG (Einspruch, Berufung) verlangt wird.


4. Art 4 Änderung des VStG:

Zu Z 5 Änderung bzw Einfügung von § 4 und § 4a (Vorsatz und Fahrlässigkeit):

Mit der Festlegung von traditionellen Verschuldensstufen, die dem (gerichtlichen) Strafrecht nachgebildet sind, wird das auf einem weitgehend einheitlichen Schuld­begriff aufbauende System des traditionellen Verwaltungsstrafrechtes verlassen.

Wiewohl es an sich zu begrüßen sein mag, dass der Gesetzgeber unterschiedliche Stufen der subjektiven Tatseite vorsehen möchte, bleibt die Frage, welche Aus­wirkung Feststellungen der Strafbehörde über die Stufe des Verschuldens nach sich zieht. Da weiterhin keine Ab­stufungen der Sanktionen im System des VStG vorgesehen sind, bleibt es bei der sogenannten „Blankettstrafnorm“, die auf die jeweiligen Materiengesetze verweist. So lange auch dort keine Abstufungen der Sanktion nach dem Verschuldensausmaß vorgesehen sind, wird wohl wenig mit einer solchen Festlegung gewonnen werden. Der ÖAMTC hält daher diese Neu­regelung für entbehrlich.

 

Zu Z 10 Neufassung von § 8 und § 8a (Strafbarkeit des Versuches):

Das Abgehen von der generell nicht bestehenden Strafbarkeit des Versuches und der Wechsel zu einer grundsätzlichen Strafbarkeit des Versuches erscheint – ohne dass zugleich flankie­rende Maßnahmen in einschlägigen Materiengesetzen gesetzt werden – sehr bedenklich und muss daher abgelehnt werden: Es droht die Gefahr, dass Übertretungen, die nach den Mate­riengesetzen mangels Erwähnung der Strafbarkeit des Versuches nicht unter Strafe stehen, durch die allgemein gehaltene Norm des § 8 Abs 1 für strafbar erklärt werden. Daher schlägt der ÖAMTC vor, ausschließlich in den (dafür geeigneten) Materiengesetzen im Bedarfsfall Änderungen vorzunehmen.

 

Zu Z 12 (§ 9 Abs. 3a) und Z 13 (§ 9 Abs. 4):

Die ausdrückliche Berechtigung zur Benennung eines Stellvertreters für den  verwaltungs­rechtlich Verantwortlichen wird aus Praktikabilitätsgründen begrüßt.

 

Zu Z 17 §§ 18a und 18b (Abschöpfung der Bereicherung):

Die Einführung einer solchen Ermächtigung entspricht im Grundsatz den Vorstellun­gen des ÖAMTC, auch andere Sanktionen als bloße Geldstrafen zu verhängen um damit zielgerichtete Präventionsarbeit zu leisten.

 

Zu Z 18 Änderung des § 21 (Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat):

Die Begründung für die Absicht zur Umstrukturierung des § 21 erscheint zwar in Hinblick auf die rechtsdogmatischen Ausführungen in den Erl nachvollziehbar. Die Absicht ist aber in der Gesamtbetrachtung höchst fragwürdig und muss vom ÖAMTC entschieden abgelehnt werden:

Wenn auch – wie die Erl sagen - „konsequenter Weise“ die Ermahnung entfallen soll, so be­wirkt die vorgesehene Änderung dennoch – gemessen an der ständigen Verwaltungspraxis - eine Verschlechterung der Rechtslage für den Beschuldigten. Bisher war es immerhin mög­lich, bei Vorliegen von ausschließlich subjektiv zu bewertenden Aspekten von der Verhän­gung einer Geldstrafe abzusehen, wenn sowohl Verschulden als auch die Folgen der Tat gering waren und keine Bestrafung indiziert erschien, um den Betroffenen von der Begehung eines Wiederholungsdeliktes (einer Übertretung gleicher Art) abzuhalten.

Die vorgeschlagene Regelung behält zwar die Vorgabe bei, dass die beiden oben genannten Voraussetzungen vorliegen müssen,  ergänzt den „Strafaus­schließungs­grund“ aber um den generalpräventiven Aspekt und schwächt auch den Spielraum im individuellen Bereich ab: Das Absehen von der Strafe wäre demnach nur noch dann möglich, wenn eine Verhängung nicht geboten ist, um den Täter (besser eigentlich: den Beschuldigten) von der Begehung von irgendwelchen strafbaren Handlungen ab­zu­halten, ohne Rücksicht auf die Art der Übertretung und auch auf die Zuständigkeit der erkennenden Behörde, und andererseits auch keine Not­wendigkeit besteht, die Allgemeinheit von der Begehung von Straftaten (jeder Art) abzu­schrecken. Die Lebenserfahrung zeigt, dass eine solche idealistische Absicht überzogen wäre und im Ergebnis daher nach dem Wortlaut der vorgeschlagenen Bestimmung immer die Bestrafung geboten wäre. Insbesondere als Rechtmittelerledigung käme somit eine Er­mahnung überhaupt nicht mehr in Betracht. Dies wäre rechtspolitisch äußerst unerwünscht und würde vermutlich als .

In vielen Fällen sogenannter „Bagatellübertretungen“ schießt eine Bestrafung völlig über das Ziel. An dieser Stelle sei auf unsere Anmerkungen zu § 25 im Zusammenhang mit dem Opportunitätsgrundsatz verwiesen.

Statt neue weitere Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 21 VStG und damit im Ergebnis echte Hürden zu schaffen, sollten - einem echten Opportunitätsgrundsatz entspre­chend – die Voraussetzungen verringert werden: Bei geringen Tatfolgen oder geringfügigem Verschulden sollte eine Ermahnung ausgesprochen werden dürfen. Damit wird die Voll­ziehung in die Lage versetzt, sich auf wesentliche Übertretungen zu konzentrieren und damit – etwa im Verkehrsbereich – nachhaltig und glaubwürdig für mehr Verkehrssicherheit zu wirken.

 

Zu Z 19 Neufassung des § 22 (Zusammentreffen von strafbaren Handlungen):

Statt das Kumulationsprinzip bloß in neue Worte zu kleiden sollte der bereits mehrfach (zuletzt mit der RV zur VStG Nov 1990, BlGNR 17. GP) unternommene Versuch einer Ein­schränkung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren endlich legistisch umge­setzt werden. Den meisten Kraftfahrern etwa ist die Strafenkumulierung weitgehend unver­ständlich. Dies ist auch der Grund, warum wegen der kumulierten und oft sehr schematisch additiv erfolgenden Verhängung von Geldstrafen oft an sich vermeidbare Rechtsmittel ergrif­fen werden. Die Einführung des Absorptionsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren hätte daher auch Verwaltungskosten reduzierende Wirkung.          

Zu Z 21 Änderung des § 25 (Legalitäts- und Opportunitätsgrundsatz):

1. Umsetzung des Opportunitätsprinzips:

Auch zu dieser Bestimmung ist vorweg auszuführen, dass die dogmatische Zu­ord­nung zu § 25 an sich nachvollziehbar ist. Im Ergebnis verschlechtert aber auch hier die formelle Neu­gestaltung des „Opportunitätsgrundsatzes“ die Position des Beschul­digten:

Wenn nunmehr § 25 Abs 1a verlangt, dass jeder einer Verwaltungsbehörde zuge­kommene Verdacht einer Verwaltungsübertretung zur Anzeige an die zuständige Behörde verpflichtet und damit den bisherigen Ermessensspielraum, ob überhaupt Anzeige erstattet wird, aufhebt, so müsste man im Gegenzug erwarten, dass die somit zur Durchführung eines Verfahrens verpflichtete Behörde einen erweiterten Spielraum zum Absehen von der weiteren Verfolgung erhält. Doch das Gegenteil ist der Fall: Einerseits wurde wie bereits erwähnt die Ermächti­gung nach § 21, von der Strafe abzusehen, verringert; andererseits kennt auch § 25 Abs 1b nur sehr restriktiv zu handhabende Voraussetzungen, die zum Absehen von der Verfolgung be­rechtigten würden.

Warum der neue § 25 Abs 1b von „Verfolgung“, die „alte“ Bestimmung des § 21 Abs 1a aber von „Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens“ spricht, bleibt für den ÖAMTC unklar. 

Der ÖAMTC hat sich schon Jahrzehnte lang für die Schaffung bzw die Verstärkung des Opportunitätsgrundsatzes im österreichischen Verwaltungsstrafrecht, sinngemäß nach deut­schem Vorbild, eingesetzt. Das Ziel war naturgemäß nicht in erster Linie die Schonung von Rechtsbrechern sondern die Ermöglichung einer Konzentration der Exekutive und der Voll­zugsbehörden auf das Wesentliche. Bei wirklich verfolgenswerten Übertretungen sollte die verfolgende Behörde alles unternehmen (können), um eine faire und angemessene Bestra­fung auszusprechen, frei von unnötiger Belastung durch Strafverfahren wegen Marginal­übertretun­gen. Seitdem aber – insbesondere durch die Einführung der „Section Control“ - noch mehr Massenverfahren wegen geringfügiger  Geschwindigkeits­über­schrei­tungen - zu beob­achten sind, läuft die Entwicklung in die völlig entgegengesetzte Richtung. Die Textierung der damals neuen Absätze 1a und 1b des § 21 ließen zwar keine großen Erwartungen aufkeimen, doch bestand Hoffnung, dass die Neuregelungen des bisherigen § 21 zu einer Entspannung bei Bagatellübertretungen führen werden. Umso bedauerlicher ist es festzustellen, dass die Rechtsprechung des VwGH die Bestimmungen so auslegt, dass ihnen praktisch kein Anwen­dungsbereich mehr zukommt und im Ergebnis keine Änderung gegenüber dem „alten“ § 21 eingetreten ist. Die Verwaltungspraxis hat somit die - zaghaft gebliebenen - Intentionen des Gesetzgebers, der einem Vorschlag des ÖAMTC gefolgt war, geradezu ausgeschaltet.

 

2. Verschiebung der Ermächtigung zur Abmahnung von § 21 in § 25 Abs 1b:

Auf den ersten Blick erscheint die Verschiebung der Ermächtigung zum Absehen von der Erstattung einer Anzeige oder der Verhängung einer Organstrafverfügung unpro­ble­matisch.

Allerdings verlangt § 25 andere Voraussetzungen für dieses Vorgehen als der bis­herige § 21: Während bisher geringe Folgen der Tat und geringes Verschulden (und gewisse spezialprä­ventive Erwägungen) vorliegen mussten, berechtigt nun nur noch das ungünstige Verhältnis zwischen der Erfolgsaussicht der Verfolgung oder des hierfür erforderlichen Aufwandes zum Grad der verletzten öffentlichen Interessen zum Absehen von der Verhängung eines Organ­mandates.

Hier sei ein Beispiel zur Illustration angeführt:

Wird ein Kraftfahrer aufgrund einer wahrgenommenen Verkehrsübertretung ange­halten und leistet er diesem Anhaltegebot auch Folge, so konnte bisher unstrittig eine Organstraf­verfü­gung unter den Voraussetzungen des § 50 VStG ausgehändigt werden. Würde die neue Be­stimmung wie beabsichtigt beschlossen, wäre schon die erste der beiden verlangten Voraus­setzungen für das Absehen von der Verfolgung nicht erfüllt: Die Verfolgung ist eben nicht mehr aussichtslos bzw ist der Aufwand nicht mehr erheblich, da ja der Beschuldigte bereits angehalten hat und seine Personalien zur weiteren Amtshandlung und damit auch zur Verfol­gung zur Verfügung stehen.

Daher wird die gewählte Formulierung abgelehnt, die zum de facto Entfall der bisher be­stehenden Möglichkeit, im Fall der Voraussetzungen des (diesbezüglich auch weitgehend weiter geltenden) § 21 Abs 1, von der Ausstellung einer Organstrafverfügung abzusehen, führt. Mit einer solchen Bestimmung würde der ohnehin bereits in der Öffentlichkeit stark bestehende Eindruck, die Gesetze, insbesondere die zur Vollziehung durch Verwaltungs­behörden bestimmten, seien nur zum "Kassieren" geschaffen, massiv verstärkt.

Unbeschadet dieser inhaltlichen Ausführungen sollte der Schreibfehler im letzten Satz korri­giert werden: Statt „abzusehen“ sollte es wohl „absehen“ heißen.

 

Zu Z 30 Änderung des § 49a (Anonymstrafverfügung):

Die Tatsache, dass die Absicht besteht, auch die verspätete Einzahlung von Straf­beträ­gen aus Anonymverfügungen weiterhin anzu­nehmen, wenn noch keine weitere Verfolgungs­handlung gesetzt wurde, wird zwar naturgemäß begrüßt. Die nunmehr vorgeschlagene Antragspflicht wird aber mit den folgenden Überlegungen abgelehnt: Hat die Behörde Grund zur Annahme, dass eine Zahlung bereits eingegangen ist oder sein müsste (etwa durch Vorlage eines Ein­zahlungs­beleges durch den Beschul­digten), so spricht doch wohl nichts dagegen, dieses „Beschei­nigen“ eines An­spruches einem Antrag gleichzuhalten und das Begehren von Amts wegen wahr­zu­nehmen und nicht einen formellen Antrag abzuwarten.

Vielmehr sollte die bereits von zahlreichen Behören erfolgreich geübte Praxis, nach Ablauf der Zahlungsfrist noch etwa 10 Tage zuzuwarten, um auch allfälligen Verzögerungen bei der Überweisung Rechnung zu tragen, auf eine formelle Rechtsgrundlage gestellt werden.

Die Erfahrungen des ÖAMTC in Fällen zu spät auf dem Konto der Behörde eingelangter Beträge aus Organstrafverfügungen oder Anonymverfügungen zeigen schon bisher, dass viele Beschuldigte überfordert sind und nicht verstehen, warum sie nochmals den ganzen Betrag einzahlen und den Rest auf umständliche Art und Weise zurückfordern sollen.

Ein Satz in der Begründung der Strafverfügung würde über die Anrechnung Klarheit schaffen, vor allem auch darüber, dass allfällige Kosten für die Einbringung eines Einspruches vom gesam­ten Strafbetrag und nicht bloß von der Differenz berechnet werden.

Es ist aufgrund der Tatsache, dass Anonymverfügungen nicht mit Zustellnachweis zugestellt werden, nicht möglich, nachzuvollziehen, wann der Adressat die Anonymverfügung erhalten hat. Paart sich diese Unsicherheit mit kurzzeitiger Ortsabwesenheit, dauert es oft bis zu zwei Wochen, bis der Adressat von der Anonymverfügung Kenntnis erlangt. Ganz allgemein sollte aber immer ein Zahlungszeitraum von vier Wochen zur Verfügung stehen. Der ÖAMTC ruft daher mit Nachdruck seine Forderung in Erinnerung, die Frist zur Zahlung von Anonymstraf­verfügungen von derzeit vier auf mindestens sechs Wochen zu verlängern.

Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sollte, wie bereits mehrfach verlangt, ein Anspruch auf Ausstellung einer Anonymstrafverfügung bestehen.

Derzeit sieht das Verwaltungsstrafsystem vor, dass zwar durch Verordnung Strafsätze fest­gesetzt werden dürfen, niemand aber davon ausgehen kann, in jedem Fall mit Anonym­ver­fügung sanktioniert zu werden. Das zieht aber die skurrile Konsequenz nach sich, dass in der Öffentlichkeit keine seriösen Angaben über „drohende“ Strafsanktionen getätigt werden können. Es kann – auch bei relativ geringfügigen Überschreitungen - nicht ausgeschlossen werden, dass statt der Zusendung einer Anonymverfügung ein ordentliches Verwaltungsstraf­verfahren eingeleitet wird.

Das aber bedeutet, dass zur Präventivarbeit nicht die (überdies länderweise unter­schiedlichen) Anonymverfügungssätze genannt werden können sondern der – zugegebenermaßen – groß­zügig dimensionierte Strafrahmen der StVO oder des KFG bzw FSG (und anderer wie IG-L udgl). Diese Strafrahmen sind aber großteils so ausgelegt, dass der „normale“ Verkehrssünder nicht zu befürchten braucht, dass von ihnen Gebrauch gemacht wird. Die unvermeidbaren Folgen sind entweder die bewusste Nennung unrichtiger „ungefährer Orientierungssätze“ oder die - zwar richtige aber leicht als „absurd“ zu erkennende - Nennung der sehr hohen Straf­rahmen. Die general­präventive Wirkung beider denkbaren Aussagen ist jedenfalls schwach. Ein klares Bekenntnis zum Anspruch auf Ausstellung einer Anonymverfügung (verbunden mit Rechtsansprüchen auf Korrektur, wenn dies einmal nicht erfolgt) würde jedenfalls sowohl die Präventionsarbeit erheblich erleichtern als auch die Glaubwürdigkeit der Rechtsordnung insgesamt stärken.

In diesem Zusammenhang (insbes Chance zur generalpräventiven Wirkung) sei deutlich auf die im Teil C) formulierten Vorschläge zur Ausführungen zur Schaffung eines „Regelbußen­systems“ hin­ge­wiesen.

 

Zu Z 31 Änderung des § 50, (Organstrafverfügungen):

Hier sei nur angeführt, dass zur Berücksichtigung der Zahlung von Organstraf­ver­fügun­gen sinngemäß die gleichen Überlegungen wie zu Z. 30 anzustellen sind. Zu berücksichtigen wird aber sein, dass auf die meisten nicht (rechtzeitig) eingezahlten Organstrafverfügungen Ano­nym­verfügungen folgen.         
Gerade hier wird deutlich, dass das vorgeschlagene Antrags­prinzip unzweckmäßig ist, weil mangels eines ordentlichen Verfahrens niemand „Partei“ eines Ver­fahrens ist und daher der Antrag Gegenstand eines eigenständigen (AVG-) Verfahrens wäre. Eine formlose Mitteilung bzw die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage – evtl verbunden mit einer Anweisung an die Behörden – Mitteilungen über erfolgte Ein­zahlungen zügig an die zur Bearbeitung zuständige Stelle weiterzuleiten, sollte wohl hinreichen.

Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen sollte überdies ein Anspruch auf Aus­stellung einer Organstrafverfügung bestehen.

Hier gilt sinngemäß die gleiche Begründung wie zum geforderten Anspruch auf Ausstellung einer Anonymverfügung. Erweitert wird die Argumentation aber auch noch um den Aspekt, dass eine unmittelbar an Ort und Stelle verhängte Strafe - sei sie auch niedriger als die in einem allfälligen späteren Verfahren verhängte –schon unmittelbar nach der Wahrnehmung des rechtswidrigen Verhaltens und der Beanstandung zu einer Verhaltensänderung führen kann und der Täter nicht erst Wochen oder gar Monate nach der Übertretung mit den Konse­quenzen für die Übertretung konfrontiert wird. Pädagogisch wirksames Agieren der Polizei muss im Vordergrund stehen anstelle der Hereinbringung möglichst hoher Strafbeträge - ver­bunden mit wesentlich höherem Verwaltungsaufwand der Behörden.

 


 

Zu Z 41 Änderung des § 54b Abs 1a (Aufschub und Unterbrechung des Vollzuges):

Die Bestimmung sieht vor, dass von der Zustellung eines Mahnschreibens abge­sehen werden kann. Hier bleibt unklar, woraus die Behörde zu erkennen vermag, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist. Der ÖAMTC schlägt daher vor, diesen Passus zu streichen.

 

Zu Z 42 Einfügung des § 54b Abs 1a (Mahngebühr):

Es erscheint zwar verständlich und begrüßenswert, gesetzlich eine Zahlungsfrist und Folgen für den Zahlungsverzug festzulegen. Die Festsetzung einer einheitlichen und bereits bei „erster“ Mahnung fälligen Mahngebühr in Höhe von 5 Euro erscheint doch deutlich über­zogen, sodass eine erste Mahnung (wie bisher) kostenfrei, dafür aber ohne aufwendiges Zu­stellverfahren zugesandt werden sollte. In dieser ersten Mahnung sollte auf die Kosten­pflicht bei weiterem Zahlungsverzug hingewiesen werden. Erst eine mit Zustellnachweis versehene Mahnung kann uE eine eigenständige Kostenzahlungsverpflichtung begründen; andernfalls erscheint die Eintreibung dieser Kosten unmöglich, da der Bestrafte wohl erfolgreich vorbrin­gen kann, er habe nie eine Mahnung erhalten.

 

Zu Z 43 Änderung des § 54b Abs 3 (Bewilligung von Aufschub oder Ratenzahlung):

Im Grunde erscheint eine Fälligstellung bei Zahlungsverzug sinnvoll und zweckmäßig. Es wird aber daran erinnert, dass auch in diesem Fall nur dann die Rechtsfolgen eintreten dürften, wenn dies dem Bestraften nachweislich zur Kenntnis gebracht wurde, also durch Zu­stellung mit Zustellnachweis.

 

Zu Z 47 Änderung des § 64 Abs 2 (Kostenbeitrag im Rechtsmittelverfahren):

Wiewohl anzuerkennen ist, dass seit 1991 keine „Indexanpassung“ des Kostenbeitrages erfolgt ist, so liegt doch eine Anhebung auf mehr als das Dreifache weit über der seither zu beobachtenden Inflationsrate, nämlich ca 35 %. Mit anderen Worten: Der beabsichtigte Er­höhungsbetrag ist beinahe zehn mal so hoch wie er nach dem VPI sein dürfte.

Für den ÖAMTC erscheint diese Erhöhung etwas zu großzügig dimensioniert. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass so manche potentielle Rechtsmittelwerber diese Kostenbeiträge als „Präventivgebühr“ empfinden.

 

5. Zu Art 5 Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes:

Gegen die Inhalte des Entwurfes besteht an sich kein Einwand.           
Es wird aber auf die im Teil C) angeführten Ergänzungsvorschläge verwiesen.

 

6. Zu Art 7 Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes:

Zu Z 53 § 49 Abs 2 VwGG (Kostenersatz):

Die durch die entsprechende Festsetzung der Pauschalsätze war es bisher nur in Ausnahme­fällen möglich, die tatsächlich durch die verpflichtende anwaltliche Vertretung anfallenden Kosten abzudecken. Viele Beschwerdeführer wurden wohl durch das Risiko, die Differenz der Kosten selbst tragen zu müssen, von der Einbringung einer Beschwerde abgehalten. Die nunmehr vorgeschlagene Änderung mag zwar geeignet sein, die finanziellen Nachteile zu reduzieren, allerdings naturgemäß nur dann, wenn der Verordnungsgeber von seiner nunmehr erweiterten Ermächtigung Gebrauch macht.

Der ÖAMTC hält es daher für sinnvoller und sachgerechter, eine Regelung zu schaffen, wonach immer die tatsächlich angefallenen Kosten zu ersetzen sind. In manchen Fällen werden diese über, in vielen Fällen aber auch unter den bisherigen Pauschalsätzen liegen, sodass eine Aufwandsneutralität durchaus realistisch erscheint.

 

 

C) Ergänzungsvorschläge:

1. Zu Art 2 EGVG:

Art IX Abs 4 EGVG (Schwarzfahren auf Mautstraßen als EGVG-Tatbestand):

Dem ÖAMTC sind auf Grund von Mitgliederbeschwerden Fälle bekannt, in denen eine An­haltung eines Kfz, das vorher die Autobahn ohne Vignette benutzt hatte, außerhalb einer mautpflichti­gen Autobahn erfolgte und aus diesem Grund die Exekutive keine Zahlung einer Ersatz­maut angeboten hat. Statt dessen wurde sofort ein Verwaltungs­strafverfahren wegen fehlender Autobahnvignette mit der wesentlich höheren Mindeststrafe eingeleitet.

Somit liegt die Vermutung nahe, dass das an sich dem Art IX Abs 4 EGVG nach­gebildete Regime des § 13 BStFG nicht sein Ziel erreicht, weil auch behörd­licherseits mit dem Ver­bot argumentiert wurde, mangels „Betretung“ beim Befahren einer mautpflichtigen Strecke sei keine Ersatzmautzahlung anzubieten gewesen.

Unser Vorschlag geht nun in die Richtung, das erfolglose Anbieten der Ersatzmaut­zahlung – entsprechend dem Straftarif („erhöhtes Beförderungsentgelt“) bei öffent­lichen Massen­verkehrsmitteln – zur Tatbestandsvoraussetzung für die Einleitung eines Verwaltungs­strafver­fahrens zu machen.

Etwa wäre zur Lösung dieses Problems vorstellbar, dem Art IX Abs 4 EGVG einen Abs 4a anzufügen, wonach nicht bloß die Tat nach Abs 1 Z 2 „Schwarzfahren mit öffentlichen Ver­kehrsmitteln“, sondern auch die Mauthinterziehung bei der Benützung öffentlich zu­gänglicher Mautstraßen und die Benützung von gebühren­pflichtigen Parkplätzen analog zu den in Abs 4 genannten Voraussetzungen straf­los bleiben soll.

Ein entsprechender alternativer Vorschlag zur Anpassung des § 13 BStFG wurde dem BMVIT übermittelt. Wir regen in diesem Sinne ein koordiniertes Vorgehen der beiden betei­ligten Ressorts an, um eine Umsetzung dieses Zieles zu ermöglichen, das sich wohl weder organisatorisch noch fiskalisch in relevantem Umfang auswirken wird. eine Beibe­haltung der jetzigen Rechtslage wird hingegen als unbillig empfunden.

 

2. Zu Art 3 AVG:

1. Zu  § 13a (Belehrungs- und Manuduktionspflicht):

Die Pflicht der Behörde, nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene rechtsun­kun­dige Parteien über ihre Rechte zu informieren, müsste massiv erweitert und deren Nichtein­haltung sanktioniert werden. Ein faires Verfahrensrecht würde zB auch vor­sehen, dass in einem Bescheid, mit dem ein Rechtsmittel wegen Ver­spätung zurückge­wiesen wird, auch ein Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Wiederein­setzung (mit ausreichender Frist!) enthalten sein muss. Die wenigen ansatzweisen Ver­besserungen im Rahmen der Ver­waltungsformularverordnung sind nur ein erster Schritt in eine bürger­freundliche Richtung.   

Im Entwurf des EU-Rahmenbeschlusses über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren in der Europäischen Union (CNS 2004/0113) sind Mindeststandards für bestimmte Verfahrens­garantien vorgesehen - darunter auch die Information der Verdächtigen über ihre wesentlichen Rechte, die Bereitstellung von Dolmetscher sowie die Veranlassung von Übersetzungen,....  Leider wird derzeit an dem vorhin genannten Rahmenbeschluss auf EU-Ebene nicht weiter­gearbeitet - aus unserer Sicht ist es jedoch unerlässlich, dass den österreichischen Rechts­unterworfenen bereits jetzt schon diese Mindestverfahrensrechte garantiert werden.


2. Zu § 17 (Akteneinsicht, Bekanntgabe von Beweismitteln):

Noch immer ist es gesetzlich nicht sichergestellt, dass einem Unfallbeteiligten auf kurzem Wege seitens der Exekutive bzw der Behörde jene Daten zur Verfügung gestellt werden, die für eine Schadensbearbeitung nötig sind (Name des Lenkers und Zulassungsbe­sitzers, Kenn­zeichen, Versicherungsgesellschaft). Die Einrichtung einer Zentralstelle für Unfalldaten ist aber ausdrücklich in der 5.Kfz-Haftpflichtversicherungsrichtlinie (RL/2005/14/EG, EU-ABl L 149 vom 11.6.2005), die bis spätestens 11.6.2007 in nationales Recht umzusetzen ist, vor­gesehen. Nach Ansicht des ÖAMTC muss daher eine solche Zentralstelle raschest möglich in Österreich eingerichtet werden, da es vor allem nach Verkehrsunfällen mit Personenschaden nach wie vor vom „Goodwill“ der Exekutivbeamten bzw Behördenvertreter abhängt, ob Beteiligten Einsicht in Unfallprotokolle gewährt wird; die Interessen der Geschädigten an einer raschen Schadensabwicklung müssen unseres Erachtens im Vordergrund stehen, moderne Informations­übermittlungssysteme (e-mail, Online-Aktenführung) können den behördlichen Aufwand sicher auf ein Minimum reduzieren.      

Weiters würde für viele Verwaltungsbehörden eine wesentliche Entlastung dann eintreten, wenn ein mutmaßlicher Übertreter einer Verkehrsvorschrift die Möglichkeit hätte, bereits nach Erlassung einer Anonymverfügung in den Akt bzw belastendes Beweismaterial (zB Radarfotos) Einsicht zu nehmen. Im Interesse der Verfahrens­ökonomie, aber auch im Interesse der am Verfahren beteiligten Bürger, überdies aber auch aus pädagogischen Gründen sollten (hier sei auch auf die Stellungnahme des Clubs zur Novelle zur Verwaltungs­formularverordnung hingewiesen) alle relevanten Beweismittel (zB Ge­schwindigkeitsmes­sung mit Radargerät Multinova etc) bereits in der Anonymverfügung bzw Strafverfügung zitiert werden bzw - soweit technisch möglich, vor allem bei Verwen­dung von Digitalkameras - dieser angeschlossen werden. Jedenfalls wären die gesetz­lichen Kriterien des § 44a VStG über den Inhalt von (Straf-)bescheiden entsprechend zu ergänzen (An­führen aller relevanten Beweis­mittel), dies hätte sicherlich einen deutlichen Rückgang der Rechts­mittel­verfahren zur Folge. Was einige Bezirkshauptmannschaften (zB in Oberösterreich) schon vor Jahren prakti­zierten (nämlich Fotokopien von Radarfotos mit dem Strafbescheid mitzusenden), muss im Zeitalter der Digitalisierung zur österreichweiten Selbstverständlichkeit werden.            
 


3. Zu § 19 (Ladungen):

Die ÖAMTC-Beratungsjuristen müssen des öfteren feststellen, dass Bürger den Eindruck haben, dass im Zuge von Verwaltungsstrafverfahren behördliche La­dungen zwecks persönli­cher Vor­sprache bei der Behörde nur deshalb erfolgen, um den Bürger, der es „gewagt“ hat, seine Rechte im Zuge eines Rechts­mittelverfahrens zu wahren, mit einer ”Quasi-Strafe” in Form von Zeitverlust zu sanktionieren. Daher sollte im AVG das Grundprinzip der schrift­lichen Stellungnahme (zB zum Ergebnis des Beweisverfahrens) verankert und eine Ladung zum persönlichen Erscheinen vor der Behörde nur für zu begründende Ausnahmefälle vorge­sehen oder als freigestellte Alternative angeboten werden.  

 

4. Zu § 67h (Zurückverweisungsrecht des UVS):

Stellt sich im Zuge des Verfahrens vor dem UVS heraus, dass ein Verwaltungs­verfahren oder Verwaltungsstrafverfahren mangelhaft geführt wurde, etwa weil Beweisanträgen nicht hin­reichend entsprochen wurde, sollte der UVS nicht bloß die Möglichkeit (bzw Pflicht) haben, selbst zu entscheiden sondern sollte alternativ den Akt an die erkennende Behörde 1. Instanz zurückverweisen können. Die Konsequenz dieser Rechts­lage wäre, dass die Behörden moti­viert wären, nicht bloß „Automatenjustiz“ zu praktizieren sondern sich auch Einwänden der Parteien zu stellen. Schließlich müssten die Behörden damit rechnen, den Akt nochmals bear­beiten zu müssen, wenn ein durch sorgfältigere Erhebungen (zB Zeugenvernehmungen oder Berücksichtigung des Rechtsmittelvorbringens im Bescheid) vermeidbarer Verfahrensmangel festgestellt wird.

Auch hier sei ein - kon­kret belegbares - Beispiel vorgelegt: Es erscheint wohl höchst un­zweck­­mäßig, ein Verwaltungs­straf­verfahren wegen einer angeblich begangenen Verkehrs­übertretung durch die ganze 1. Instanz zu führen, um dann „erstmals“ vor dem UVS zu erken­nen, dass das in der Zulassungsdatei eingetragene Kraftfahrzeug mit den Daten des Meldungs­legers nicht übereinstimmt, obwohl genau dieser Umstand seitens der Rechtsmittel­werberin bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung vorgebracht worden war.

 

5. Zu § 71 (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand):

Die seit vielen Jahren geltenden und nach der Judikatur des VwGH äußerst streng aus­gelegten Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lassen den Betroffenen nur wenig Chancen. Demgegenüber hat die Behörde innerhalb der Verfol­gungsverjährungsfrist von einem halben Jahr jederzeit die Möglichkeit, eine fehlerhafte Strafverfügung aufzuheben und durch eine richtiggestellte zu ersetzen. Ein faires Ver­fahrensrecht sollte daher den Bürger in die Lage versetzen, eine Wieder­einsetzung durch Glaubhaftmachung der Hinde­rungsgründe zu erlangen, ohne sich in abstrusen Beweisvorbringen über den Grad des Ver­schuldens sowie die „Unvorhersehbarkeit“ und „Unabwendbarkeit“ er­gehen zu müssen. Das Ziel behördlichen Tätigwerdens sollte nicht im formellen Ab­schluss (Zurückweisung wegen Verspätung), sondern in einer bürgergerechten  materiellen Erledigung einer Angelegenheit liegen.    
Etwa könnte das wesentlich formfreiere - zivilrechtliche - Widerspruchsrecht nach Ver­säumungs­endbeschlüssen in Besitzstörungsverfahren als geeignetes Vorbild dienen: bei Ver­säumen der Prozesshandlung (zB wegen Zustellmängeln) wird einfach seitens des „Ver­urteilten“ Widerspruch erhoben, das Verfahren tritt in den vorigen Stand zurück. Da die Zahl von Verwaltungs­strafverfahren im Vergleich zu Besitzstörungsklagen erheblich größer ist, die Interessenlage aber ähnlich liegt, wird eine Lösung im Sinne eines relativ einfachen Wider­spruches auch im Verwaltungsstrafbereich vorgeschlagen.      

3. Zu Art 4 Änderung des VStG:

 

Schaffung eines bundeseinheitlichen Strafgeldkataloges


Bekannter Maßen wird die Öffentlichkeit immer wieder mit Aussagen über angeblich im Europavergleich sehr niedrige Verkehrs­strafen verunsichert. Wie bereits bei den Anmerkun­gen zum Entwurf der vorgeschlagenen Änderungen im Teil B) angemerkt verhindern unein­heitliche Strafsätze insbes im Bereich der Anonymverfügungen klare und bundesweit generalpräventiv wirksame Aussagen über drohende Sanktionen. Auch im Bereich der ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren ist in dieser Frage eine einheitliche Linie nicht klar erkennbar.

Der – auch in der Zeitschrift für Verkehrsrecht, Sonderheft aus Anlass des Jubiläums „50 Jahre ZVR“ im Jänner 2006 – veröffentlichte Vorschlag des ÖAMTC geht daher dahin einen – etwa nach deutschem Vorbild geschaffenen - mit den Bundesländern abgestimmten, nach der Schwere der Übertretungen gestaffelten Strafkatalog zu schaffen und damit verbindliche „Regelbußen“ vorzusehen.

Die Behörden sollten an derartige Regel-Strafsätze nur insoferne gebunden sein, als eben Regelfälle vorliegen, also die Übertretung der allgemein üblichen Begehungsweise entspricht. Abweichungen nach oben oder unten sind zu begründen, für die Höhe der Strafe selbst hin­gegen wäre keine gesonderte Begründung erforderlich.

In manchen Fällen wie beispielsweise Mit­verschulden eines anderen Kraftfahrers, besonders langjährige unbeanstandete Fahrpraxis, Verstoß gegen eine neue, weitgehend noch unbe­kannte Vorschrift oder nur schwer erkennbare Verkehrszeichen oder auch fehlendes Ein­kommen wäre ein Abweichen nach unten angebracht, das zB – im Sinne des § 20 VStG – mit 50 % nach unten gedeckelt werden könnte.  
Auch eine Überschreitung derartiger Regel-Strafsätze nach oben sollte möglich sein, wenn zB einschlägige Vorstrafen oder völlige Uneinsichtigkeit vorliegen oder wenn der Täter be­sonders rücksichtslos gehandelt hat oder eine Gefährdung oder die Verursachung größeren Sachschadens hinzutritt. Bei den Erschwerungsgründen wäre etwa eine Deckelung nach oben mit maximal 150 % der Regelstrafe denkbar.        
Im Zuge dieser Reform sollten auch die bisherigen unterschiedlichen Organmandats- und Anonymverfügungskataloge der einzelnen Bundesländer zusammengefasst werden.

 

4. Zu Art 5 Änderung des VVG:

Der ÖAMTC erinnert, dass es zur rechtzeitigen Umsetzung des Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (2005/214/JI Rat 24.2.2005, ABl L 76, 22.3.2005) dringend, also zeitgerecht vor dem 22. März 2007 notwendig ist, die ent­sprechenden nationalen Umsetzungs­bestimmungen auch im Verwaltungs­verfahrens­recht zu schaffen.

Wichtig dabei ist es darauf zu achten, dass es zu keiner Diskriminierung von EWR-Bürgern kommt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Junktimierung mit dem geplanten Rahmenbeschluss Verfahrensgarantien (Entwurf eines Rahmenbeschlusses über bestimmte Verfahrensrechte in Strafverfahren in der EU (CNS 2004/0113)). Da in den Anwendungsbereich des Rahmenbeschlusses Geldstrafen auch die Voll­stre­ckung von Verkehrsstrafen inkludiert wurde, muss jeder „Täter“, dem ein straf­bares Verhalten vorgeworfen wird, auch die Möglichkeit haben, sich ange­messen zu ver­teidigen. Es ist für den ÖAMTC völlig klar, dass die im Rahmenbeschluss definierten Verfahrensgarantien auch auf „minor offences“ Anwendung finden sollen und das österreichische Verwaltungsstraf­verfahren nach Verkehrsübertretungen die gleichen Rechte zu gelten haben wie in gerichtlichen Verfahren. Im Sinne eines bürgerfreundlichen Europas ist es wichtig sicherzustellen, dass die bestimmten Verfahrensrechte, die mit dem Rahmen­beschluss Verfahrensgarantien europaweit sichergestellt werden sollten, auch im Verwaltungsstrafverfahren und unabhängig von einer Mindeststrafgrenze gelten.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion über ein Zusatz­ab­kommen zur konkreten Administration.

In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass die Begutachtungsfrist für eine Änderung des EU-JZG, mit dem der Rahmenbeschluss zum Teil, nämlich hinsichtlich der Vollstreckung von gerichtlichen Geldstrafen, umgesetzt werden soll, soeben geendet hat. Der ÖAMTC musste im Rahmen seiner Begutachtung diverse Defizite hinsichtlich des Rechtsschutzes der betroffenen Kraftfahrer feststellen - ein ausreichender Rechtsschutz ist für den ÖAMTC jedoch unverzichtbare Voraussetzung für eine Vollstreckung der Strafen durch österreichische Behörden. Mit großem Interesse sieht daher der ÖAMTC auch aus diesem Grund dem Begutachtungsverfahren zur Novellierung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes entgegen.

 

5. Zu Art 6 Änderung des ZustG:

Änderung des § 10 (Namhaftmachen eines Zustellungsbevollmächtigten)

Diese Bestimmung mag sich in jenen Fällen bewähren, in denen eine Zustellung im Ausland (außerhalb der EU) anders gar nicht oder nur sehr schwer möglich ist. Innerhalb der EU bestehen - abgesehen vom seit Jahren bestens funktionierenden direkten Schriftverkehr mit im Ausland lebenden Personen - weitgehende Amtshilfepflichten, die die Behörden bzw Gerichte zur Zustellung auch im Ausland erstellter Schriftstücke verpflichten. Spätestens mit der Umsetzung des schon mehrfach erwähnten „EU-Rahmenbeschlusses zur Vollstreckung von Geldstrafen“ mit März 2007 sollte überhaupt kein Bedarf nach Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten innerhalb der EU bestehen.

Da der Leiter der ÖAMTC-Rechtsdienste seit vielen Jahren als Zustellbevollmächtigter für ADAC-Vertrauensanwälte, die deutsche Kraftfahrer vor österr. Verwaltungsbehörden vertreten, fungiert, müssen wir leider immer wieder feststellen, dass Aufforderungen gem § 10 ZustellG offenbar grundlos, um nicht zu sagen schikanös, erfolgen. Der einzige Effekt, der für den Betroffenen durch einen solchen - unnötigen - Umweg erzielt wird, ist die Verkürzung der Rechtsmittelfrist - sollte dahinter gar eine Absicht stecken? Wir halten diese Bestimmung schlichtweg mit dem Recht und den Zielsetzungen der europäischen Union für unvereinbar!

 

Änderung des § 17 Abs 3 (Zustellung bei länger dauernder Ortsabwesenheit)

Durch die Rechtsprechung hat sich eine Auslegung des § 17 Abs 3 ZustG „einge­bürgert“, die im wahrsten Sinne des Wortes als „Aushöhlung des Rechtsstaates“ zu betrachten ist:

Wird während – etwa urlaubsbedingter – Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle diesem ein Schriftstück hinterlegt, so gilt die Zustellung schon als am ersten Tag der Hinterlegung als erfolgt. Dies ist zwar nur dann der Fall, wenn der Empfänger (sinngemäß) so zeitgerecht an die Abgabestelle zurückkehrt, dass er noch auf das Schriftstück reagieren kann. Ein Mindestzeitraum, der zwischen der Rückkehr an die Abgabestelle und dem Ende der (zB) Rechtsmittelfrist liegt, fehlt allerdings.

Dieser Satz hat damit zur Folge – und damit findet sich die Rechtsprechung aus­drücklich ab - dass eine mitunter dramatische Verkürzung der Rechtsmittelfristen erfolgt. Diese Rechtsfolge ist aus Sicht der Bürgerrechte nicht zu akzeptieren!

Dem Empfänger eines Schriftstückes ist erfahrungsgemäß schon schwer klar zu machen, dass – selbst bei grundsätzlicher Anwesenheit an der Abgabestelle aber berufs­bedingter vorübergehender Abwesenheit für einen oder wenige Tage – die Zustellung schon mit dem Beginn der Hinterlegungsfrist und nicht erst mit der tat­säch­lichen Abholung erfolgt ist. Umso unmöglicher ist es, dem urlaubenden Empfän­ger zu erklären, dass er – so er nur „genügend Zeit zur Reaktion“ zu Verfügung hat – schon lange Zeit vor seiner Rückkehr aus dem Urlaub ein Schriftstück „erhalten“ hat und er daher – und sei es nur mit einem „leeren Einspruch“ - sofort reagieren muss, um seine Rechte im Verfahren zu wahren. Abgesehen davon schweigt sogar die Rechtsprechung selbst konsequent zu der Frage, wie viele Tage nun tatsächlich „aus­reichend“ sein sollten. Zumindest der Verdacht eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG drängt sich auf! Auch die Menschenrechte (Recht auf gesetzlichen Richter) scheinen akut beeinträchtigt.

Der ÖAMTC verlangt daher, den Begriff der „Ortsabwesenheit“ und die daraus resul­tierenden Rechtsfolgen so einheitlich aber auch so weit zu fassen, dass zumindest alle „dauernden“ (also nicht bloß vorübergehenden) Ortsabwesenheiten davon erfasst sind.

Kann also der Empfänger „glaubhaft machen“, dass er nach erfolgter Hinterlegung zwar innerhalb der Hinterlegungsfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt ist, von der erfolgten Hinterlegung Kenntnis erlangt hat und das Schriftstück auch tatsächlich behoben hat aber eine Verkürzung der Stellungnahmefrist drohen, sollte dieser Sachverhalt jedenfalls die Folgen des § 17 Abs 3 letzter Satz nach sich ziehen, sodass ihm im Ergebnis die volle Reaktionszeit erst ab dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag zur Verfügung steht.

Zumindest aber – dies müsste unverzüglich bis zu einer gesetzlichen Regelung mit Erlass im Sinne der Rechtssicherheit festgeschrieben werden – sollte dem Empfän­ger im Ergebnis mindestens eine ganze Woche für eine qualifizierte Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung stehen und andernfalls die Zustellung erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag als bewirkt anzusehen sein. (im Sinne einer im oben dargestellten Sinne dringend erforderlichen Interpretationsregel zu § 17 Abs 3 letzter Satz).

 

6. Zu Art 7 Änderung des VwGG:

1. Zu § 33a (Ablehnung):

Diese Bestimmung wird bedauerlicher Weise seitens des VwGH in restriktiver Weise dazu verwendet, die Behandlung zahlreicher Beschwerden ungeprüft abzulehnen: Die Voraussetzungen zur Zurückweisung liegen oft rein materiellrechtlich gar nicht vor, wenn etwa der Beschwerdeführer zwar in einer Sache Beschwerde führt, in der eine bisherige Rechtsprechung des VwGH fehlt oder in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde, auf diesen Umstand aber in seiner Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich Bezug nimmt. Der Beschwerdeführer hat diesfalls keine Chance, die Ablehnung anzufechten. Es sollte daher eine Regelung gefunden werden, nach der etwa Ausführungen über die Berechtigung zum Einbringen der Beschwerde zwingender Inhalt eines Beschwerdeschriftsatzes zu sein haben und ein Fehlen dieser Ausführungen zu einem Verbesserungsauftrag führen sollte.

 

2. Zu § 34 (Zurückweisung):

Sinngemäß ähnlich wird nach Meinung des ÖAMTC die Bestimmung des § 34 dazu herangezogen, leicht mangelhafte Beschwerden zurückzuweisen, etwa wenn offenkundige Schreibfehler bei der Benennung des verletzten Rechtes unterlaufen sind.

Unterlässt der Beschwerdeführer die Benennung des verletzten Rechtes völlig, ist ihm die Beschwerde aufgrund geltender Rechtslage zur Verbesserung zurückzustellen, irrt sich hingegen der Beschwerdeführer (zB bei Verwendung von Textbausteinen) und führt ein – wenn auch offenkundig nicht verletztes – unrichtiges Recht an, wird die Beschwerde in ständiger Praxis zurückgewiesen.

Hier sollte ebenfalls eine Zurückstellung zur Verbesserung erfolgen, da auch Rechtsanwälte - gerade im Computerzeitalter – nicht davor gefeit sind, Formalfehler zu begehen, die den Gerichtshöfen des öffentliches Rechtes schon bei ganz oberflächlicher Betrachtung der Beschwerde auffallen müssten.

 

Mag. Martin Hoffer         
Dr. Hugo Haupfleisch

Mag. Verena Hirtler        
ÖAMTC-Rechtsdienste, Wien, 5. April 2006


Stellungnahme des ÖAMTC

zum Entwurf eines

Verwaltungsreformgesetzes 2001

 

 

 

A) ALLGEMEINES:

 

Überprüfung von Staatsaufgaben

 

Prinzipiell begrüßt der ÖAMTC die Ansätze des Gesetzgebers, Abläufe und Einzel­vor­gänge in der Verwaltung zu vereinfachen bzw. zu optimieren. Offenkundig aber system­immanent ist das prinzipielle Festhalten des Entwurfes an bestehenden Struk­turen.

 

Trotz der Fülle von Änderungen vermisst der ÖAMTC nämlich konkrete Ansätze für eine generelle bürgerfreundliche Reform des Verwaltungsrechtes. Zum einem wollen wir auf die Zielsetzungen der großen österreichischen Verwaltungsreform („Reformdialog für Österreich“) hin­weisen, ins­besondere das umfangreiche Arbeitspapier der „Aufgaben­reformkommission“ unter der Leitung von Herrn Univ. Prof. Dr. Raschauer. Danach ist in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung zu überprüfen, ob behördliche Tätigkeiten noch erforderlich sind bzw ob sich der Staat nicht auf seine Gewährleistungs­funktion zurückziehen kann.

 

Die vorliegenden Reformvorschläge erscheinen vor diesem Hintergrund noch immer ziemlich singulär und viel zu stark vom vorrangigen Ziel, massive Einsparungen zu erzie­len, geprägt.

 

Der ÖAMTC verleiht daher seiner Erwartung Ausdruck, dass die zahlreichen Ergebnisse aus der Reformkommission in ein weiteres in nächster Zeit folgendes Reformvorhaben einzuarbeiten sind. Der jetzige Entwurf kann nur ein erster Schritt sein. In Hinblick darauf warnen wir auch davor, in Einzelfragen nun voreilige Systembrüche zu riskieren oder Einzellösungen anzustreben. Etwa sollten das Zustellrecht und die Frage des „Anbrin­gens“ nach AVG bzw. VStG kompatibel und systemkonform gestaltet, unter Berücksich­tigung der modernen Kommunikationssystem als eigenes Projekt durchdiskutiert und in einem geschlossenen Normenkomplex geregelt werden (siehe Teil B).

 

Die Idee des One-Stop-Shop-Prinzips ist im Wesentlichen erfreulich, doch verleitet diese vereinfachende Bezeichnung einer Zielvorstellung zu der Annahme, dass nunmehr nur noch ein einzelnes Einstiegsportal in die große Fülle behördlichen Handelns besteht. Hier wird auf die Ausführungen unter Punkt B) verwiesen.

 

 

 

Einbeziehung von Bürgerinteressen und -vertretern

 

Ausdrücklich begrüßt wird vom ÖAMTC die Methode anlässlich legistischer Maßnahmen mehrere Lösungsansätze anzubieten, wie dies bei der Reform der Handlungen des UVS geschah. Fraglich bleibt nur, wie die Ergebnisse der Umfrage verwertet werden:

Eine rein arithmetische Abstimmung und das Zählen der Pro- und Contra-Stimmen je Variante wären aber wohl nicht zureichend. Unumgänglich ist daher nach Ansicht des ÖAMTC die Bildung einer Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Vertretern der be­troffenen Bürger, die die Stellungnahmen verarbeitet und eine bürgergerechte Reform des Verwaltungsverfahrensrechtes vorbereitet; der ÖAMTC bietet hiezu gerne seine Mit­arbeit an. Wir erinnern daran, dass in der oben erwähnten Aufgabenreformkommission die wesentlichen Impulse von Vertretern der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kon­sumenten gesetzt wurden.

 

Besonders bemerkenswert ist die Absicht, die von Seiten des ÖAMTC mehrmals vorge­schlagene Verstärkung des Opportunitätsgrundsatzes im Verwaltungsstrafrecht um­zusetzen. Dem Club ist es als Vertretung der wohl quantitativ am stärksten mit Verwal­tungsstrafverfahren konfrontierten Bevölkerungsgruppe, nämlich der Kraftfahrer, immer ein Anliegen gewesen, den beim Rechtsunterworfenen entstehenden Eindruck unnötiger und schikanöser Vollziehung zu vermeiden. Daher bietet ein Opportunitäts­prinzip die Möglichkeit für die Behörde bzw. Überwachungsorgane, durch eine sach­gerechte Voll­ziehung der Bestimmungen an der Akzeptanz der Rechtsordnung mitzu­wirken.

 

Die Ermöglichung der Akteneinsicht via Internet sollte nicht bloß wieder (etwa wie die Zahlung von Strafen mit Kreditkarte) von Behördenseite als unverbindliche Empfehlung betrachtet, sondern mit Substanz gefüllt werden. Anstelle einer (kostenaufwändigen) be­hördlichen Auskunft aus der Zulassungsdatei (gem KFG) könnte zB eine Einsichtsmög­lichkeit via Internet geschaffen werden.

 

Bürgerfreundliche Gesamtreform

 

Der ÖAMTC hat sich in den letzten 20 Jahren massiv für eine Reform der Verwaltungs­verfahrensgesetze, insbesondere des Verwaltungsstrafgesetzes eingesetzt. Zuletzt haben wir unsere Vorschläge für mehr Verfahrensfairness im Rahmen unserer Stellungnahmen zur AVG-Novelle 1998 sowie zum Entwurf der Verwaltungs­formularVO 2000 deponiert. Trotzdem muss festgestellt werden, dass wesentlich grund­legendere Reformen notwendig wären, um Verfahrensgesetze zu schaffen, die auch die Interessen der Bürger und nicht nur die der Behörden voll berücksichtigen. Dabei hat es in den letzten Jahren mehrfach auch seitens des zuständigen Ministeriums - unter Einbe­ziehung von Vorschlägen des ÖAMTC - Entwürfe für bürgerfreundliche Bestimmungen gegeben, die leider am büro­kratischen Widerstand einzelner Behördenvertreter und Politi­ker gescheitert sind.

 

 

 

 

Die vom ÖAMTC unter Punkt C) formulierten Novellierungsvorschläge berücksichtigen nicht nur wichtige Anliegen der Staatsbürger, sondern sind zu einem großen Teil - bei konsequenter Umsetzung durch die Behörden - geeignet, Verwaltungskosten zu senken und damit auch den Ausgabenrahmen von Bund und Ländern zu verringern.

 

Schließlich soll auch auf die wiederholt vom ÖAMTC deponierte Forderung nach einem bundeseinheitlichen, differenzierten und verbindlichen Strafenkatalog für Verkehrsüber­tretungen (s dazu im Teil B) unseren Vorschlag nach einem Regelbußenkatalog) hin­ge­wiesen werden. Einer fast 13 Jahre zurückliegenden dementsprechenden Ent­schließung des Nationalrates sind die zuständigen Ministerien leider bis heute nicht nach­gekommen.

 

Vermeidung von Doppelverfahren

 

Ein weiterer Punkt möglicher Systemabstimmungen liegt etwa im Ziel der Vermeidung von Parallel- oder Doppelverfahren. Es sei in diesem Zusammenhang an die in vielen Fällen unbefriedigende parallele Erledigung von Verwaltungsstrafsachen und Verfahren zur Ent­ziehung der Lenkberechtigung oder der Kostenvorschreibung gem AVG nach behörd­lichen Abschleppaktionen erinnert.

Deshalb fordert der ÖAMTC im Kompetenzbereich des BMVIT die Bereitschaft zu struk­turellen Änderungen, die aktuellen Entwürfe für eine 21. KFG- bzw. 5. FSG-Novelle lassen - bisher - jeden Ansatz für eine Verwaltungsreform, vergleichbar dem vorliegen­den Entwurf, vermissen.

 

Legisvakanz

 

Im Hinblick auf den Zeitbedarf für eine sachgerechte Behandlung dieser wichtigen Ge­setzesmaterie im Nationalrat sowie die erforderliche Zustimmung von neuen Länder­parlamenten erscheint der vorgeschlagene Inkrafttretenstermin für wesentliche Teile mit 1.1.2002 nicht vertretbar. Wir schlagen jedenfalls eine mindestens halbjährige Legis­vakanz ab Veröffentlichung im BGBl vor, um den Behörden eine ausreichende Vorbe­reitung zu ermöglichen.

 

Resümee

 

Der Vertreter des ÖAMTC formulierte am 25.6.2001 in der Hofburg anlässlich des „Reformdialogs für Österreich“ die klare Zielvorgabe wie folgt:

Geben wir geschulten und motivierten Mitarbeitern mit modernen Verfahrensgesetzen das richtige Werkzeug für eine bürgergerechte Verwaltung in die Hand.

 

 

 

 

 

 

B) BESONDERER TEIL:

 

Fragen betreffend Strafrahmen:

Zur Frage betreffend Erhöhung der Strafsätze für Anonymverfügungen und Strafver­fügungen sei - neben dem anschließenden Vorschlag ein System von Regelbußen ein­zuführen - Folgendes ausgeführt:

 

1.      Anhebung der Obergrenze für Anonymverfügungen:       
Die bloß schematische Anhebung der Obergrenze für Anonymverfügungen erlaubt nicht die in der Anfrage genannte Erweiterung des Kreises der durch diese Ver­fahrensarten begünstigten Rechtsunterworfenen. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die Verdreifachung (!) der Obergrenze für Anonymverfügungen von den Ländern zur Verdreifachung der in den jeweiligen Anonymverfügungskatalogen enthaltenen Straf­sätze führen wird. Am entschiedenen Widerstand des ÖAMTC scheiterte bekanntlich ein analoger Plan anlässlich der parlamentarischen Beratungen zur AVG/VStG-Novelle 1998.  

An der derzeitigen Obergrenze für Anonymverfügungen dürfte nur dann gerüttelt werden, wenn durch einen bundeseinheitlichen, verbindlichen und nach Delikts­arten differenzierten Strafenkatalog sichergestellt wird, dass auch bisher nicht in den Deliktskatalogen enthaltene weitere Massendelikte „anonymverfügungsfähig“ werden. Nur dadurch könnten die Vorteile dieser Verfahrensarten - wie von den EB gewünscht - für Bürger und Verwaltung in größerem Umfang nutzbar gemacht werden. Die Abstimmung mit einem ebensolchen Organmandatskatalog mit Rechts­anspruch des Betroffenen (vgl unsere Vorschläge zu C/10) versteht sich von selbst.      
Aus den angeführten Gründen lehnt der ÖAMTC daher eine Anhebung der Obergren­zen für Anonymverfügungen entschieden ab.   

2.      Anhebung der Obergrenze für die Strafverfügung           
Die Anhebung der Obergrenze der Strafverfügung könnte tatsächlich eine Ent­spannung im Sinne der beabsichtigten Ziele darstellen. Jedenfalls könnten zukünftig Delikte, die bisher zwingend mit Straferkenntnis entschieden wurden, infolge der Erhebung eines Einspruches innerhalb des Wirkungsbereiches der Behörde verblei­ben und nicht den UVS belasten. Der ÖAMTC regt in diesem Sinne ferner an, die Ein­richtung der Berufungsvorentscheidung, der prinzipiell eine ähnliche Wirkung zu­kommt und die sich bekanntlich im Finanzverfahren seit vielen Jahren bewährt hat, mehr praktischen Anwendungsbereich zu verleihen.        

3.      Regelbußen statt Strafrahmen mit großem Spielraum      
Unabhängig von der Frage der Obergrenzen für Anonymverfügungskataloge und der Anpassung der Strafverfügungen würde sich unserer Meinung nach generell die Schaffung von Regelbußen anstelle von viel zu weit gesteckten Strafrahmen anbie­ten. Angelehnt an das deutsche Vorbild könnte zB für die häufigen Verkehrsdelikte ein bundeseinheitlicher, differenzierter und verbindlicher Strafenkatalog festgelegt werden. Unter Regelbußen sind jene Strafsätze zu verstehen, die bei „normaler“ Ver­wirklichung des Tatbildes zu verhängen sind. Von diesen kann aber von der Behörde im Einzelfall nach oben oder unten bei Vorliegen entsprechender besonderer mildern­der oder erschwerender Umstände abgewichen werden. Bei Abweichung wäre diese naturgemäß eingehend zu begründen.

 

 

Zu Art 1 AVG:

 

Zugang zur Behörde über Internet-Portale:

Das One-Stop-Shop Prinzip legt - im Zusammenwirken u.a. mit help.gv.at - nahe, über Internet mit der Behörde kommunizieren zu können. Der ÖAMTC erinnert daran, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung nach wie vor über keinen Internet-Zugang ver­fügt und - auch wenn ein solcher vorhanden wäre - gar nicht in der Lage wäre, tatsächlich online-Kontakte zur Behörde zu pflegen. Um vor diesem Hintergrund eine „Zweiklassen­gesellschaft“ (entstehend aus Internet-Benutzern und „Netzlosen“) zu vermeiden, sollten Einrichtungen, die ohnehin online mit der Behörde in Kontakt stehen oder Behörden­funktionen innehaben, die Möglichkeit bekommen, derartige Kontakte zwischen Bürger und Behörde zum Zweck der Antrag­stellung zu bieten. Etwa wäre hier sowohl daran zu denken, die privaten Kfz-Zulassungsstellen oder die Kfz-Prüfstellen zu ermächtigen, der­artige Anbringen weiterzuleiten als auch den Gemeinden, Selbstverwaltungskörpern und Interessenvertretungen (Kammern, Gewerkschaften, Kraftfahrerorganisationen etc.) der­artige Rechte einzuräumen.

 

Zu Z 3 (§17 Abs 1) elektronische Akteneinsicht:

Zur elektronischen Akteneinsicht ist zu bemerken, dass diese zwar verständlicherweise nur als „Kann-Bestimmung“ geregelt werden kann. Sobald die Möglichkeiten bestehen, wird ein gewisses Recht des Bürgers, auch tatsächlich elektronisch Einsicht zu erhalten, erwartet werden können.

Auf der inhaltlichen Seite erwartet der ÖAMTC, dass es dem Betroffenen zumindest möglich ist, aufgrund der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und Daten zu ent­scheiden, ob er sich in ein Verfahren einlassen will bzw. ein bereits eingeleitetes fort­setzen möchte. Auf unsere grundlegenden ergänzenden Vorschläge zur Problematik der Akteneinsicht im Punkt C/2 wollen wir ausdrücklich hinweisen.

 

Zu Z 7 (§ 67a Abs 1) Zusammensetzung des UVS:

Wesentlich ist wohl, das Prinzip des Unabhängigen Verwaltungssenates als „Senat“ bei­zubehalten und aus dem UVS keinen UVR zu machen. Dementsprechend dürfte jede de facto-Abwertung des Senates zu einer Behörde mit nur noch im Ausnahmefall als Senat zusammentretenden Einzelreferenten nicht mehr in Einklang mit den in der Bundesver­fassung verankerten Zielen stehen.

In den Verfahren, die - obzwar „AVG-Verfahren“, aber dennoch mit pönalem Charakter (Entziehung der Lenkberechtigung, Abschleppkosten gem § 89a StVO) - sollte jedenfalls die für VStG-Verfahren ausdrücklich vorgesehene Ausnahme übernommen werden.

 

Zu Z 8 (§ 67g Abs 2) Befristung der Einsichtnahme:

Es erscheint unklar, ab welchem Zeitpunkt keine Einsicht mehr zulässig sein soll. Eine Dreijahresfrist dürfte jedenfalls frühestens mit der Erledigung des Aktes zu laufen be­ginnen.

 

Zu Z 9 (§ 67h) Rechtsmittelentscheidung des UVS:

Im Hinblick auf maximale Qualität der Rechtsprechung, auf möglichst effiziente Ver­fahrensführung und gewisse Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns - jede Instanz sollte möglichst homogen agieren und nicht wahlweise meritorisch oder kassatorisch (mit und ohne Bindung für die Vorinstanzen) entscheiden - erscheint uns Variante B2 am ehesten den Intentionen zu entsprechen. Wir erinnern aber an die unter A) erwähnte grundsätz­liche Anregung zu dieser Art von Alternativfragen im Begutachtungsverfahren.

Die Absicht, in Verwaltungsstrafverfahren § 67h nicht zur Anwen­dung zu bringen, scheint aus Sicht des ÖAMTC problematisch (s zu Art 2 Z 2).

 

 

Zu Art 2 VStG:

 

Zu Z 1 (§ 21 Abs 1a und 1b) Verstärkung des Opportunitätsprinzips:

Die Ausdehnung des Opportunitätsprinzips ist im Hinblick auf die Verbesserung der Mög­lichkeiten, sich behördlicherseits auf das Wesentliche zu konzentrieren, nachhaltig zu begrüßen (siehe auch A) Allgemeines). Um sicherzustellen, dass die Behörden diese Verfahrensgrundsätze auch rasch und richtig umsetzen, sollten in den EB einige Exemplare für Beispiele für die Anwendbarkeit (ev auch unter Verwendung diesbezüg­licher deutscher Judikatur) ausgeführt werden.          

Zu Z 2 (§ 24) Nichtanwendung im VStG:

Dem letzten Satz der EB zu Art 1 Z 9 (§ 67h AVG), Variante B2 (Seite 27), ist nach Er­fahrungen des ÖAMTC vollinhaltlich beizupflichten: So manche Verwaltungsstrafbehörden schließen (vielleicht auch wegen Arbeitsüberlastung) ein mangelhaft durchführtes Ver­fahren oft mittels Straferkenntnis ab, um weitere Beweiserhebungen ganz einfach auf den UVS zu überwälzen. Deshalb ist nicht einzusehen, weshalb § 67h AVG in der vorge­schlagenen Fassung B2 nicht auch im VStG zur Anwendung gelangen soll.

 

Zu Z 3 (§ 51c) Wertgrenzen für Kammerzuständigkeit:

Soll die Kammerzuständigkeit nicht zur Farce werden und - MRK-widrig - das Tribunal der UVS durch UVR ersetzt werden (s unsere Ausführungen zur Art 1 Z 7, § 67a Abs 1 AVG), ist eine Anhebung der Wertgrenzen auf 2000,- Euro nicht akzeptabel. Als Kompromiss - bei allem Verständnis für das Bestreben der UVS auf Arbeitsentlastung - schlagen wir eine Wertgrenze von 1.000,- Euro, verbunden mit einer an § 33a VwGG angelehnten Möglichkeit vor, seitens des Berufungswerbers die Entscheidung durch einen UVS bei Rechtsfragen grundlegender Bedeutung zu beantragen; hierüber hätte der UVS selbst zu entscheiden.

 

 

Zu Art 3 Zustellgesetz:

 

Zu Z 2 (§ 17 Abs 3 und 3a) Zustellung bei Ortsabwesenheit:

Die bisherige Regelung des § 17 Abs 3 ist - im Lichte der mittlerweile ständigen Judikatur des VwGH - unbefriedigend. Für denjenigen, dem etwa ein Schriftstück während seiner Ortsabwesenheit hinterlegt wurde, gilt, dass bei ausreichender Zeit, auf das Schreiben reagieren zu können, dieses bereits mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt gilt. Der ÖAMTC hält eine solche Spruchpraxis, sei sie auch von einem Höchstgericht gefestigt, insoferne für gesetzwidrig, also die ohnehin schon knapp bemessenen Rechts­mittelfristen in ungebührlicher Weise dramatisch verkürzt werden können.

 

Hingegen wird vielfach angenommen, dass § 17 Abs 3 letzter Satz ZustG für alle Fälle der nicht bloß kurzzeitigen Ortsabwesenheit heranzuziehen ist. Da sogar Behörden derzeit bisweilen diesem Irrtum unterliegen, erscheint besonders dringender Handlungsbedarf für eine bürgerfreundliche Klarstellung gegeben.

 

Diese Bestimmung sollte dringendst in die Richtung geändert werden, dass Zustellungen grundsätzlich erst mit dem an die Rückkehr zur Abgabestelle folgenden Tag wirksam werden dürfen. Bekanntermaßen ist es schon jetzt sehr schwierig, dem Empfänger eines Schriftstückes begreiflich zu machen, dass  das Schriftstück nicht erst mit der Behebung, sondern schon mit der Hinterlegung als zugestellt gilt.

 

Auf die Problematik von rechtserheblichen Wirkungen bei der (immer zuverlässigen?) Hinterlassung von Hinterlegungsanzeigen durch Mitarbeiter der „privaten“ Post-AG sei ergänzend hingewiesen (s hiezu auch unsere Vorschläge zur Erleichterung der Wieder­einsetzung unter Punkt C/6).

 

Zustellungen durch Bereithaltung bei Internet-Providern etc. (§ 17 Abs 3):

Auf die zu § 17 Abs 3 formulierten Ausführungen sollte auch bei der Neu­einführung eines § 17 Abs 3a Rücksicht genommen werden.

 

Überhaupt halten wir zur gesetzlichen Regelung der Zustellvorgänge über Internet udgl. durch „Bereithaltung“ eine fundierte Diskussion unter Einbeziehung von Experten aus der Telekommunikationsbranche und von Praxisnutzern derartiger Dienste für erforderlich. Ohne Beiziehung von Experten kann wohl keine seriöse Regelung geschaffen werden, die sich nicht bloß an den derzeit kommerziell angebotenen Telekommunikationsdiensten orientiert und daher von extremer Kurzlebigkeit und Widersprüchlichkeit bedroht ist, sondern eine gewisse Systematik enthält, die von größerer Dauer sein kann.

 

Der ÖAMTC rät daher von der voreiligen Schaffung diverser „Kann-Bestimmungen“ ab, die nicht die nötige Rechtssicherheit gewährleisten können und überdies sicher nicht alle möglichen zweckmäßigen Formen behördlichen und privaten elektronischen Geschäfts­verkehrs berücksichtigen.

 

Zu Z 20 KFG:
Anfangs sei auf die auch teilweise im Punkt „Allgemeines“ zitierte Stellungnahme des ÖAMTC zur 21. Novelle des Kraftfahrgesetzes (http://www.oeamtc.at/recht) hinge­wiesen, in der ebenfalls eine Gesamtüberarbeitung und Strukturbereinigung im Hinblick auf eine Verwaltungsreform vorgeschlagen wurde.

 

Der derzeitige Entwurfstext für eine Reform der Zuständigkeiten im Fahrschulwesen erscheint noch sehr lückenhaft und nicht geeignet, eine Gesamtreform der Behörden­zuständigkeit beim Fahrschulwesen zu bewirken:

Würde nur § 112 in der vorliegenden Form geändert, hätte dies zur Folge, dass zwar für die Erteilung der Betriebsbewilligung einer Fahrschule und für die Genehmigung ihrer Räume und Fahrzeuge die Bezirkshauptmannschaft zuständig wäre, für alle anderen Angelegenheiten, etwa auch die Entziehung der durch die BH erteilten Betriebsbewilli­gung, hingegen der Landeshauptmann.

Daher wird hier angeregt,  eine Gesamtreform innerhalb einer KFG-Novelle (besser einer dortigen Gesamtreform) vorzubereiten, die nicht zwingend im Rahmen dieser Verwal­tungsreformregelung erfolgen müsste, um deren Zeitplan nicht zu verzögern.

 

 

C) Weitere Novellierungsvorschläge des ÖAMTC:

 

1.      Behebung von Mängeln (§ 13 Abs 3 AVG)   
Seit der AVG-Novelle 1998 sind Behörden verpflichtet, bei gewissen Mängeln von Anbringen (zB Fehlen eines begründeten Berufungsantrages) der Partei mit Frist­setzung die Möglichkeit zur Mängelbehebung zu geben. Dieser Rechtsanspruch ist jedoch bei inhaltlichen Fehlern (zB wird im Rahmen einer Lenkerauskunft gem § 103 Abs 2 KFG die genaue Adresse des verantwortlichen Lenkers irrtümlich nicht ange­führt, führt dies zur gleichen Bestrafung wie die Verweigerung der Antwort) nicht sichergestellt, sodass zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens eine entsprechende gesetzliche Ergänzung vorzunehmen wäre.

2.      Akteneinsicht (§ 17 AVG), Bekanntgabe von Beweismitteln        
Noch immer ist es gesetzlich nicht sichergestellt, dass einem Unfallbeteiligten auf kurzem Wege seitens der Exekutive bzw der Behörde jene Daten zur Verfügung gestellt werden, die für eine Schadensbearbeitung nötig sind (Name des Lenkers und Zulassungsbe­sitzers, Kennzeichen, Versicherungsgesellschaft). Nach Ansicht des ÖAMTC ist daher die Empfehlung der EG-Kommission vom 8.1.1981 (81/76/EWG) zur „Beschleunigung der Regelung von Schadensfällen im Rahmen der Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge“ in Österreich noch immer nicht vollinhaltlich

umgesetzt worden. Vor allem nach Verkehrs­unfällen mit Personenschaden hängt es nach wie vor vom „Goodwill“ der Exekutiv­beamten bzw Behördenvertreter ab, ob Beteiligten Einsicht in Unfallprotokolle gewährt wird; die Interessen der Geschädigten an einer raschen Schadensabwicklung müssen unseres Erachtens im Vordergrund stehen, moderne Informations­übermittlungssysteme (e-mail, Telefax) können den behördlichen Aufwand sicher auf ein Minimum reduzieren.    
Weiters würde für viele Verwaltungsbehörden eine wesentliche Entlastung dann eintreten, wenn ein mutmaßlicher Übertreter einer Verkehrsvorschrift die Möglichkeit hätte, bereits nach Erlassung einer Anonymverfügung in den Akt bzw belastendes Beweismaterial (zB Radarfotos) Einsicht zu nehmen. Im Interesse der Verfahrensökonomie, aber auch im Interesse der am Verfahren beteiligten Bürger, überdies aber auch aus pädagogischen Gründen sollten (hier sei auch auf die Stellungnahme des Clubs zur jüngsten Novelle zur Verwaltungsformularverordnung hingewiesen) alle relevanten Beweismittel (zB Ge­schwindigkeitsmessung mit Radargerät Multinova etc) bereits in der Anonymverfügung bzw Strafverfügung zitiert werden bzw - soweit technisch möglich, vor allem bei Verwen­dung von Digitalkameras - dieser angeschlossen werden. Jedenfalls wären die gesetz­lichen Kriterien über den Inhalt von (Straf-)bescheiden entsprechend zu ergänzen (An­führen aller relevanten Beweismittel), dies hätte sicherlich einen deutlichen Rückgang der Rechtsmittelverfahren zur Folge.       
 

3.      Ladungen (§ 19 AVG)   
Die ÖAMTC-Beratungsjuristen werden leider des öfteren den Eindruck nicht los, dass im Zuge von Verwaltungsstrafverfahren behördliche Ladungen zwecks persönlicher Vor­sprache bei der Behörde nur deshalb erfolgen, um den Bürger, der es „gewagt“ hat, seine Rechte im Zuge eines Rechtsmittelverfahrens zu wahren, mit einer ”Quasi-Strafe” in Form von Zeitverlust zu sanktionieren. Daher sollte im AVG das Grundprinzip der schriftlichen Stellungnahme (zB zum Ergebnis des Beweisverfahrens) verankert und eine Ladung zum persönlichen Erscheinen vor der Behörde nur für begründete Ausnahmefälle vorgesehen werden. 

4.      Belehrungs- und Manuduktionspflicht (§ 13 a AVG)          
Die Pflicht der Behörde, nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertretene rechtsun­kundige Parteien über ihre Rechte zu informieren, müsste massiv erweitert und deren Nichteinhaltung sanktioniert werden. Ein faires Verfahrensrecht würde zB auch vor­sehen, dass in einem Bescheid, mit dem ein Rechtsmittel wegen Verspätung zurückge­wiesen wird, auch ein Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Wiederein­setzung (mit ausreichender Frist!) enthalten sein muss. Die diesbezüglichen Ver­besserungen im Rahmen der Verwaltungsformularverordnung sind erfreulicher Schritt in eine bürgerfreundliche Richtung.          


5.      Verlängerung der Berufungsfrist auf einen Monat: (§ 63 Abs 5 AVG)     
Die Verlängerung der Berufungsfrist im Verwaltungsverfahren und -strafverfahren von 14 Tagen auf einen Monat wird erneut (s Entwurf AVG-Nov 1998) nachdrücklich gefordert. Auf die einheitliche Regelung der Rechtsmittelfristen (ein Monat) im Finanz(straf)-Ver­fahren wird hingewiesen.           
Eine darauf aufbauende Anpassung der Einspruchsfrist gegen Strafverfügungen (§ 49 VStG) wäre zu erwägen.     

6.      Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: (§ 71 AVG)         
Die seit vielen Jahren geltenden und nach der Judikatur des VwGH äußerst streng aus­gelegten Bestimmungen über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lassen den Betroffenen nur wenig Chancen. Demgegenüber hat die Behörde innerhalb der Verfol­gungsverjährungsfrist von einem halben Jahr jederzeit die Möglichkeit, eine fehlerhafte Strafverfügung aufzuheben und durch eine richtiggestellte zu ersetzen. Ein faires Ver­fahrensrecht sollte daher den Bürger in die Lage versetzen, eine Wieder­einsetzung durch Glaubhaftmachung der Hinderungsgründe zu erlangen, ohne sich in abstrusen Beweisvorbringen über „Unvorhersehbarkeit“ und „Unabwendbarkeit“ er­gehen zu müssen. Das Ziel behördlichen Tätigwerdens sollte nicht im formellen Ab­schluss (Zurückweisung wegen Verspätung), sondern in einer bürgergerechten  materiellen Erledigung einer Angelegenheit liegen.      

Etwa könnte das wesentlich formfreiere - zivilrechtliche - Widerspruchsrecht nach Ver­säumungs­endbeschlüssen in Besitzstörungsverfahren als geeignetes Vorbild dienen: bei Versäumen der Prozesshandlung (zB wegen Zustellmängeln) wird einfach seitens des „Verurteilten“ Widerspruch erhoben, das Verfahren tritt in den vorigen Stand zurück. Bei der großen Zahl von Verwaltungs­strafverfahren mit entsprechend geringfügigen Sanktionen (geringere als bei Besitzstörungsklagen) ist daher eine derartige Lösung jedenfalls sachgerecht.       

7.      Einschränkung des Kumulationsprinzips (§ 22 VStG)       
Der bereits mehrfach (zuletzt RV VStG 1990 BlGNR 17. GP) unternommene Versuch einer Einschränkung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren sollte endlich weiter verfolgt werden. Den meisten Autofahrern ist die Strafenkumulierung weitgehend unverständlich, und es werden wegen der kumulierten Verhängung von Geldstrafen nach Ansicht des ÖAMTC oft vermeidbare Rechtsmittel ergriffen. Die Einführung des Absorptionsprinzips im Verwaltungsstrafverfahren hätte daher auch Verwaltungskosten reduzierende Wirkung.  

8.      Rechtsfolgen einer nicht rechtzeitigen Zahlung von Strafbeträgen      
(§ 49a, § 50 Abs 6 VStG)           
Durch die AVG-Novelle 1998 wurde die rechtsstaatlich äußerst bedenkliche Verpflichtung zur Einzahlung mittels Originalbeleges (widrigenfalls die Einleitung des ordentlichen Ver­fahrens drohte) endlich eliminiert. Trotzdem werden wir den Eindruck nicht los, dass die seither gesetzlich verankerte Lösung vom Prinzip der ”Maschinengerechtigkeit” und nicht der Menschengerechtigkeit geprägt ist (s auch die Ausführungen von Thienel in der ZVR 2000, 233: Neuerungen im Verwaltungsstrafverfahren). Im modernen Computer-Online-Banking-Zeitalter muss es technisch möglich sein, fristgerechte Zahlung dann anzu­nehmen, wenn der Zahlungsauftrag innerhalb der Zahlungsfrist erteilt wurde, auf den Zeitpunkt des Einlangens des Betrages bei der Behörde hat der Betroffene so gut wie nie eine Einflussmöglichkeit.

9.      Zahlungsfrist bei Anonymverfügungen (§ 49a VStG)         
Die Kritik des ÖAMTC am derzeitigen noch immer stark behördenorientierten Regelungs­kreis zeigt sich im Besonderen bei den Zahlungsfristen für Anonymverfügungen. Da die Zustellung in der Regel erst ein bis zwei Wochen nach Ausstellung der Anonymverfügung erwirkt werden kann, sollte entweder die Vierwochenfrist mit der Zustellung an den Betroffenen beginnen oder die Zahlungsfrist generell auf sechs Wochen ab Ausstellung verlängert werden. Das Ende der Zahlungsfrist sollte in diesem Fall auf der Anonymver­fügung ausgedruckt sein.

10.  Rechtsanspruch auf Organmandat und Anonymverfügung (§ 49a, § 50 VStG)
Die Determinanten, weshalb es zu einer Anonymverfügung kommen soll, sind im
§ 49a Abs 2 VStG vollständig und ausreichend enthalten. Für weitere Ermessensdetermi­nanten ist kein Raum, sodass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes „kann” den Anschein der Einräumung von Ermessen erweckt, obwohl bei richtigem Verständnis (insbesondere der Ziffer 2) ein Spielraum nicht mehr gegeben sein kann.         
Im weiteren Verfahren sollte eine höhere Strafe als die mit der Anonymverfügung ver­hängte nicht mehr ausgesprochen werden dürfen. Da durch die Anwendung des Mittels der Anonymverfügung bereits feststeht, dass „sowohl das Ausmaß der mit der Tat ver­bundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Straf­drohung dient, als auch die nachteiligen Folgen, welche die Tat sonst nach sich gezogen hat, keine Bedachtnahme auf die Person des Täters erfordern”, kann auch die spätere Ermittlung des Täters keine höhere Bestrafung zulassen. Eine andere Auffassung läge die Meinung nahe, dass die höhere Strafe ihren Grund nur darin hat, dass die Erledigung nicht in der einfacheren Form der Anonymverfügung gelungen ist.     
     
Dieselbe Argumentation trifft auch auf die Verhängung von Organstrafverfügungen zu. Im weiteren Verfahren sollte daher keine höhere Strafe verhängt werden dürfen, als der mit der Organstrafverfügung einzuhebende Höchstbetrag. Der in diesem Sinne vom Bun­deskanzleramt vor rund 16 Jahren ergangene Erlass wird von den Behörden nach wie vor weitgehend ignoriert und sollte endlich auch gesetzlich abgesichert werden.         



Die Einführung eines Rechtsanspruches auf Organmandat und Anonymverfügung würde nicht nur das Verhältnis zwischen Bürger und Exekutive verbessern (viele Anzei­gen von Falschparkern anstelle von Organmandatserlagscheinen werden oft als reine Schikane empfunden), sondern auch zu einem spürbaren Einsparungseffekt in der Ver­waltung führen! Eine entsprechende Regelung wurde im Nationalrat bereits anlässlich der Einführung der Anonymverfügung ins Auge gefasst.    

 



Mag. Martin Hoffer

Dr. Hugo Haupfleisch

ÖAMTC-Rechtsdienste                                                                   Wien, im August 2001