An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

1017  Wien

per Mail: begutachtungsverfahren@gv.at

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ihr Ansprechpartner:          Mag. Steger/Ellmer                                                                                             Radstadt, 2007-11-26

Durchwahl:                              

E-Mail:                                  josef.steger@radstadt.raiffeisen.at

 

 

 

Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf BMF-040402/0008-III/5/2007, insbesondere zu § 25 Abs 13 BWG (Liquiditätsreserve) und

§ 28a Abs 3 und 4 („Fit and Proper Test“)

                                              

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Bevor wir inhaltlich zum Begutachtungsentwurf Stellung nehmen, erlauben wir uns, auf Folgendes hinzuweisen.

 

1) Aufgrund des § 25 Abs 13 BWG in der geltenden Fassung sind in Österreich bestimmte Kreditinstitute verpflichtet, bei ihrem „Zentralinstitut“ eine Liquiditätsreserve bis zu 14% aller Euro-Einlagen zu halten. Wegen der aus § 25 Abs 13 BWG resultierenden Benachteiligung der Primärbanken, erhob der Förderungsverein 2001 Beschwerde bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Die Kommission erklärte am 19.10.2004 in einer Presseaussendung: „ [...] Nach Ansicht der Kommission stellt eine Bestimmung des österreichischen Bankgesetzes, nach der Primärbanken, die mit einem gemeinsamen Zentralinstitut verbunden sind, einen Teil ihrer Liquidität bei diesem halten müssen, eine unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar.

 

Wegen des Verstoßes gegen die Verpflichtung nach Artikel 56 Absatz 1 EG, hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 20.6.2006 Klage gegen die Republik Österreich eingereicht. Das Verfahren ist beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anhängig (Rechtssache C-270/06).

 

2) Bezug nehmend auf die Stellungnahme zur Finanzmarktaufsichtsreform 2007 der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Bundessparte Bank und Versicherung, vom 24.10.2007 zum vorliegenden Änderungsentwurf teilen wir mit, dass bei den im Vorfeld abgegebenen Stellungnahmen der Fachverbände nicht von einvernehmlichen Stellungnahmen ausgegangen werden kann und folge dessen auch von der Wirtschaftskammer Österreich in der Stellungnahme vom 24.10.2007 nicht von Stellungnahmen „im Einvernehmen mit allen Verbänden“ gesprochen werden kann.

 

§ 25 Abs 13 BWG ist ersatzlos zu streichen. Auch die vorgeschlagene Fassung der Bestimmung widerspricht dem Gemeinschaftsrecht und steht den Interessen der Primärbanken diametral entgegen.

 

 

 

Begründung in Stichworten:

Die in Frage stehende Vorschrift des BWG ist weder aus den in Artikel 58 EG genannten Gründen, noch aus Gründen des Verbraucherschutzes oder aus anderen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausführliche Begründung:

 1) Die vorgeschlagene Fassung des § 25 Abs 13 BWG (Liquiditätsreserve bzw. Li-Reserve) unterscheidet sich von der bisherigen Fassung in 2 Punkten. Die Ausnahme für „große“ Kreditinstitute wurde fallen gelassen. Damit müssen nun alle einem Zentralinstitut angeschlossenen Kreditinstitute die gesetzlichen Liquiditätsreserveregelungen anwenden. Die zweite Neuerung betrifft die Möglichkeit solcher einem Zentralinstitut angeschlossenen Kreditinstitute, den Liquiditätsausgleich nicht nur beim Zentralinstitut durchführen zu lassen, sondern ein anderes Kreditinstitut in einem EU-Mitgliedsstaat zu wählen. Näher ausgeführt sind nun im Gesetz die Beziehungen zwischen den einzelnen Kreditinstituten und dem Zentral- oder sonstigen Institut im Bezug auf die Li-Reserve. Dem gegenüber bleibt das Ausmaß der zu haltenden Li-Reserve unverändert.

2) In den Erläuternden Bemerkungen (EB) zum Entwurf wird ausgeführt, dass die Änderung institutionelle Alternativen für das Halten liquider Mittel ermöglichen soll. Eine Absage wird einem System der gegenseitigen Verpflichtung zur Hilfeleistung mit der Begründung erteilt, dass ein solches System im Abstimmungsmodus zu komplex wäre bzw. die Führung eines Rechtsstreites bei Bedarf einer Liquiditätshilfe kontraproduktiv sei, weshalb es innerhalb eines Liquiditätsverbundes immer nur ein Institut geben dürfe, bei dem die liquiden Mittel zu halten sind. Die EB weisen auch darauf hin, dass dem Stabilitätserfordernis auch dadurch Rechung getragen werden kann, dass das Halten und die Bereitstellung liquider Mittel von den Kreditinstituten selbst organisiert wird. Von einem opt-out

einer individuellen Primärbank ist aber im Gesetzestext nicht die Rede. Jedes Kreditinstitut, das einem Zentralinstitut angeschlossen ist, hat – anders als sonstige Kreditinstitute – an einem System des gemeinsamen Liquiditätsausgleichs teilzunehmen. Es ist daher nicht so, dass ein einzelnes Kreditinstitut im Sektor beschließen kann, keinem Li-Reservesystem anzugehören. Andererseits schreibt das Gesetz nicht vor, dass sich alle Primärbanken eines Bundeslandes bei demselben Kreditinstitut anschließen müssen.

3) Aus Pkt 2. ergibt sich, dass sich das System der Li-Reserve für die sektoralen Banken dem Grunde nach nicht geändert hat. Es besteht weiterhin eine Verpflichtung zur Haltung von – nicht unerheblichen – flüssigen Mitteln bei Dritten. Vorweg sei klar gestellt, dass nach den EB die Anpassung der Bestimmung die Bedenken der Kommission in Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit ausräumen soll und es wird in diesem Zusammenhang zur Rechtfertigung der weiterhin bestehenden Verpflichtung zur Reservehaltung liquider Mittel auf Art 113 Abs 3 lit n der RL 2006/48/EG verwiesen. Der Verweis entpuppt sich als inhaltlich wertlos: Art 113 Abs 3 lit n der RL 2006/48/EG entspricht (mit einer unwesentlichen Ausnahme) exakt der Vorgängerbestimmung in der RL 2000/12/EG, nämlich Art 48 Abs 7 lit n. Diese Bestimmung regelt jedoch die Solvabilität und ermöglicht es den Mitgliedsstaaten, Forderungen von Kreditinstituten gegen regionale oder nationale (bzw. nach der neuen RL) Zentralkreditinstitute im Rahmen einer Li-Reserve, von den Solvabilitätsberechnungen auszunehmen. Diese Bestimmungen sagen aber nichts darüber aus, ob eine Li-Reservehaltung in der Form des § 25 Abs 13 BWG zwingend vorzuschreiben ist. Die Solvabilitätsbestimmungen würden daher auch bei einem freiwilligen Li-Reservesystem zur Anwendung kommen. Sie setzen daher ein verpflichtendes Li-Reserve-System wie in § 25 Abs 13 BWG gerade nicht voraus. Mit anderen Worten: Aus der neuen Richtlinie 2006/48/EG ergibt sich keine Rechtfertigung für § 25 Abs 13 BWG, die nicht bereits in den alten Gemeinschaftsrichtlinien enthalten gewesen wäre. Die Kommission hat sich jedenfalls wegen der Erwähnung eines Li-Reserve-Verbundes in Art 48 Abs 7 lit n RL 2000/12/EG nicht von ihrer Klage gegen die Republik Österreich abbringen lassen.

4) Die neue Regelung in § 25 Abs 13 BWG räumt die inhaltlichen Bedenken der Kommission zur Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art 58 EG nicht aus.

a. In einem ersten Schritt unterstellen wir, dass die Primärbanken zwar ein auch im Ausland gelegenes Institut mit der Li-Reservehaltung betrauen dürfen, dies jedoch nur kollektiv tun dürfen. Konkret, nur wenn alle Primärbanken im Raiffeisenverbund eine ausländische Bank wählen (oder sich statutarisch dazu verpflichten), erfüllen sie § 25 Abs 13 BWG nF. Die Möglichkeit der kollektiven Veranlagung im Ausland erfüllt zwar die Forderung der Kommission nach der Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Anlage der Mittel insgesamt, rechtfertigt aber nach Ansicht der Kommission nicht den Zwang der individuellen Primärbank, ihre Mittel zur Liquiditätssicherung dort anzulegen, wo dies sektoral festgelegt wurde. Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt nämlich die individuelle Bank und nicht etwa nur einen Sektor insgesamt. Die Kommission hat ausdrücklich festgehalten, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Insolvenz einzelner Primärbanken zwingend eine Kettenreaktion nach sich ziehen, und einen Ansturm auf die Spareinlagen anderer Primärbanken des Sektors verursachen würde. Sie verweist hier auf vergleichbare Systeme in anderen Mitgliedsstaaten, die ohne gesetzliche Zwangseinlage auskommen und seit vielen Jahrzehnten stabil funktionieren, ohne dass es dort zu serienmäßigen Bankzusammenbrüchen gekommen wäre. Aus der Sicht der einzelnen Primärbank bleibt daher trotz der Neuregelung die Kapitalverkehrsfreiheit unzulässig beschränkt. Daraus folgt, dass eine kollektive (alle einem Zentralinstitut angeschlossenen Kreditinstitute erfassende) Verpflichtung zur Haltung einer Li-Reserve bei einer bestimmten Bank im Inland oder Ausland die Kapitalverkehrsfreiheit der individuellen Bank unzulässig einschränkt.

b. Der Wortlaut des § 25 Abs 13 BWG nF ist aber auch einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung dahingehend zugänglich, dass jede Primärbank selbst entscheiden kann, welche Bank sie mit ihrer Liquiditätssicherung beauftragt. Das entspricht zwar möglicherweise möglicherweise nicht dem Sinn von § 25 Abs 13 BWG nF, das von „den übrigen am Liquiditätsverbund teilnehmenden Kreditinstituten“, von „der Versorgung der angeschlossenen Kreditinstitute mit Liquidität im Bedarfsfall“ bzw. von der „Willensbildung, insbesondere die Beschlusserfordernisse, bei den entsprechenden Entscheidungen“ spricht, wäre aber vom Wortlaut der Bestimmung (gerade noch) gedeckt. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass jede Primärbank mit einer anderen Bank eine Vereinbarung abschließen kann, wonach diese Bank dafür Sorge tragen muss, dass im Fall der Illiquidität Mittel zur Verfügung gestellt werden. Diese Leseart würde die Forderungen der Kommission im Bezug auf die Kapitalverkehrsfreiheit wohl erfüllen, weil dann jede Primärbank ihre Gelder überall im Gemeinschaftsgebiet dort anlegen darf, wo sie die höchsten Renditen, etc. erhält. Diese Interpretation führt aber zum verfassungswidrigen Ergebnis, dass eine bestimmte Art von Banken, nämlich solche, die an ein Zentralinstitut angeschlossen sind, zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen, alle Banken treffenden, Verpflichtungen zur Haltung einer ausreichenden Liquidität Mittel bei dritten Banken anlegen müssten. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg 13.471/1993 die besondere Liquiditätsverpflichtung von sektoralen Banken damit gerechtfertigt, dass durch verbandsmäßig organisierte Solidaritäts-, Risikoausgleichs- und Rückversicherungsverbände der örtlichen Raiffeisenbanken mit ihren regionalen Zentralinstituten die Haftung für allfällige Zahlungsprobleme der Mitglieder gesichert werden soll, wobei die Zentralinstitute nicht unerhebliche Leistungen erbringen. Wenn nun keine Verpflichtung zum sektoral einheitlichen Liquiditätsausgleich mehr vorliegt, besteht aber zwischen der einzelnen Primärbank und einer sonstigen (sektorfreien) Bank in Bezug auf die Liquiditätssicherung kein Unterschied mehr, der ein Sonderopfer der Primärbank im Sinne einer zusätzlichen Einlageverpflichtung bei einem frei gewählten Institut rechtfertigen würde. Festzuhalten ist im Sinne der Kommission, dass allein das Faktum der Zugehörigkeit zu einem Sektor die zusätzliche Li-Reservenverpflichtung nicht rechtfertigt, weil – wie erwähnt -  keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Insolvenz einzelner Primärbanken zwingend eine Kettenreaktion nach sich ziehen, und einen Ansturm auf die Spareinlagen anderer Primärbanken des Sektors verursachen würde.

5) Fazit: Die vorgeschlagene Fassung des § 25 Abs 13 BWG trägt den Bedenken der Kommission nicht in verfassungskonformer Auslegung Rechnung, weil Art 58 EG der individuellen Bank das Recht zur Veranlagung der Mittel, die der Gesetzgeber zur Liquiditätssicherung für erforderlich hält, im gesamten Gemeinschaftsgebiet gewährleistet. In einer gemeinschaftskonformen Auslegung verletzt sie das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht (und damit auch das Eigentums- und Erwerbsausübungsrecht), weil sie eine nicht gerechtfertigte Sonderbelastung für Sektorbanken anordnet.

 

§ 28a Abs 3 und 4 BWG („Fit and Proper Test“) muss auf die Besonderheiten der genossenschaftlichen Rechtsform (Selbstverwaltung) Rücksicht nehmen:

Der Regelungsvorschlag für einen „Fit und Proper Test“ § 28a Abs 3 und 4 BWG berücksichtigt die Besonderheit der Rechtsform Genossenschaft (Selbstverwaltung) nicht oder zu wenig. Die Mitglieder des Aufsichtsrates (ehrenamtlichen Vorstandes) werden aus dem Kreis der Mitglieder gewählt. Aufsichtsrat und Vorstand sind Kollegialorgane, der Vorsitzende Gleicher unter Gleichen. Anlassfälle sollen nicht dazu führen, bewährte Systeme auszuhöhlen oder in Frage zu stellen. Seit Bestehen der Genossenschaftsbanken leisten ehrenamtliche Funktionäre (Aufsichtsräte wie Vorstände) für diese Unternehmen unschätzbare Arbeit.

Fachliche Anforderungen an Aufsichtsräte und ehrenamtliche Vorstände sind so zu stellen, dass der Generalversammlung als oberstem Organ der Genossenschaft das Recht auf Selbstbestimmung und eine Wahlmöglichkeit unter mehreren Kandidaten erhalten bleibt.

 

 

Wir ersuchen Sie um Berücksichtigung unserer Argumente und verbleiben

 

mit freundlichen Grüßen

 

Raiffeisenbank Radstadt-Untertauern-Filzmoos-Forstau

reg.Gen.m.b.H.

 

 

Mag. Josef Steger eh.                  Peter Ellmer eh.

 

 

 

 

 

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