Zentralausschuss beim Bundesministerium für Justiz für die
nicht dem Exekutivdienst zugeordneten Bediensteten des
Planstellenbereichs Justizanstalten und die Beamten der Bewährungshilfe
1016 Wien, Hansenstr.4-6/3.OG za_ja_nebbwh@justiz.gv.at
An das
Bundesministerium für Justiz
Postfach 63
1016 W i e n
Wien, am 20.3.2008
Betrifft: Stellungnahme zum Entwurf eines Justizbetreuungsagenturgesetzes
Zahl: BMJ-B10.080/0001-I 3/2008
„Strafvollzug ist ein auf Kontinuität angelegtes soziales Geschehen. Hier können die handelnden Personen nicht so ausgewechselt werden wie es der Marktlage entspricht“. (Anton Bachl, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands)
„Auf seine Mitarbeiter sollte der Staat auch setzen, und dies nicht nur, wenn es um die Bewachung der Gefangenen und um hoheitliche Aufgaben geht, sondern auch, wenn der Resozialisierungsauftrag erfüllt wird. In einem modernen Strafvollzug lassen sich diese beiden Bereiche ohnehin nicht voneinander trennen“. (Beate Merk, Staatsministerin der Justiz, Bayern)
Ausgangssituation:
Dem Zentralausschuss beim Bundesministerium für Justiz für die nicht dem Exekutivdienst zugeordneten Bediensteten des Planstellenbereichs Justizanstalten und die Beamten der Bewährungshilfe wurden am 5.9.2007 die Ergebnisse des Projektes „Vorbereitung der Errichtung einer Betreuungsgesellschaft“ präsentiert.
Obwohl der Plan zur Errichtung einer Betreuungsgesellschaft und insbesondere zum Abbau von Planstellen im Bereich der Betreuungsdienste beim ZA auf Ablehnung stieß, wurden zu einzelnen Punkten Einwendungen bzw. Konkretisierungsvorschläge gemacht. Scheinbar „bereits vereinbarte“ Änderungen haben im Entwurf bisher keinen Niederschlag gefunden.
Die Bediensteten der betroffenen Fachbereiche fassten ihre Argumente in einer Resolution zusammen, die von 90 % der Betreuungsfachdienste, dem ZA der Justizwachbediensteten, den Mitgliedern der Bundesleitung der Justizwachegewerkschaft und der Mehrheit der AnstaltsleiterInnen unterzeichnet wurde.
Bei der Übergabe der Resolution sagte die Frau Bundesministerin zu, keine Planstellen abzubauen. Die Justizbetreuungsagentur soll in erster Linie nur dazu errichtet werden, die Versorgung der geplanten Außenstelle „Linz/Asten“ und des Neubaus „Justizanstalt Wien-Erdberg“ mit Betreuungspersonal sicher zu stellen.
Auf Vorschlag des Zentralausschusses und mit Zustimmung des BMJ findet am 17.4.08 eine Informationsveranstaltung statt. Da die Ergebnisse der Expertenveranstaltung im Rahmen der vorgegebenen Begutachtungsfrist nicht mehr berücksichtigt werden können, wird der Zentralausschuss diese zusammenzufassen und dem Bundesministerium übermitteln.
Grundsätzliches:
Die „externe“ Anstellung von Betreuungspersonal über eine „Justizbetreuungsagentur“ ist eine „kosmetische Maßnahme“ für den Stellenplan des Justizministeriums bzw. des Bundes. Weder die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgaben nach dem Strafvollzugsgesetz und der Vollzugsordnung, noch die Kosten - können ausgelagert werden.
Im vorliegenden Entwurf wird der Einsatz der Bediensteten der Betreuungsagentur im Strafvollzug und in den Justizanstalten nicht eingeschränkt. Die zugesagte Beschränkung auf die Außenstelle Asten und den Neubau der Justizanstalt Wien-Erdberg ist im Gesetzestext nicht verankert. In den Erläuterungen wird diesbezüglich sogar von einem „ersten Schritt“ gesprochen. Der Gesetzestext ermöglicht, dass in Zukunft das gesamte Betreuungspersonal des Strafvollzuges von der Justizbetreuungsagentur bereit gestellt werden könnte.
In den letzten 30 Jahren haben sich PsychologInnen und SozialarbeiterInnen, unter oft schwierigen Bedingungen, um eine gleichwertige Anerkennung ihres Tätigkeitsfeldes im Strafvollzug bemüht. Diese mittlerweile gelungene „Integration“ ist gefährdet, wenn die Fachdienste nicht mehr selbstverständlicher Teil einer Justizanstalt sind und „nach und nach“ ausgelagert werden würden. Dem Strafvollzug, seinen Insassen und seinem Personal, würde sowohl die ausgleichende Einwirkung integrierter Fachdienste verloren gehen, wie auch deren Know-how für strukturelle Verbesserungen.
Der Entwurf sieht vor, dass nur die Leitung und der Exekutivdienst von Bundesbediensteten (BeamtInnen oder VB) wahrgenommen werden soll. Unter Leitung ist ausschließlich die Anstaltsleitung zu verstehen. Die Betreuung von Strafgefangenen würde somit nicht mehr zu den eigenen Kernbereichen des Strafvollzuges zählen. Warum der Exekutivdienst in einem Gesetzesentwurf für eine Betreuungsagentur angeführt ist, erscheint unklar.
Nach Ansicht des Zentralausschusses müssen folgende Funktionen von Bundesbediensten wahrgenommen werden: Leitung der Psychologischen Dienste und der Sozialen Dienste und Pflegedienstleitung (und deren StellvertreterInnen).
Die fachspezifischen Kernaufgaben und hoheitliche Aufgaben sollten definiert werden und im Sinne der Rechtssicherheit von der Wahrnehmung durch Bedienstete der JBA ausgeschlossen sein.
Im Gesetzestext, aber auch in den Erläuterungen, wird die Frage der Kooperation und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gruppen von Bediensteten („externe“ – Bundesbedienstete) nicht thematisiert. Durch die Trennung der Anweisungsstränge (Agentur/Anstaltsleitung, Verhältnis zur Mittel und Oberbehörde) erscheint es dringend notwendig, die Dienst- und Fachaufsicht klar zu regeln.
Welche Qualitätsstandards gewahrt werden sollen, bzw. welche anzustreben sind - ist nicht oder nur vage angeführt (z.B. bei der Grundausbildung/Ausbildung und Fortbildung). Der ZA schlägt vor, dass die Strafvollzugsakademie die Einhaltung der Ausbildungs- und Qualitätsstandards regelmäßig überprüft.
Während die Bedeutung der Fachdienste für die Führung und Organisation des Strafvollzuges ständig gestiegen ist, würden die Exponenten dieser Berufe in Ihrer Stellung geschwächt. Die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für die Bediensteten der Betreuungsfachdienste würden innerhalb des Strafvollzuges drastisch eingeschränkt. Statt neben der Justizwache gleichwertige Aufstiegsmöglichkeiten für Angehörige der Fachdienste innerhalb der gesamten Hierarchie zu ermöglichen (Durchlässigkeit), grenzt man diese Bediensteten damit aus.
Im Besonderen sind Aufstiegschancen für Frauen davon berührt, da bei den Psychologischen Diensten, den Sozialen Diensten und im Bereich der Krankenpflege der Frauenanteil sehr hoch ist.
Die Mitwirkung der Anstaltsleitung bei der Einstellung von Bediensteten scheint ebenfalls nicht mehr gegeben.
Insgesamt sind mittel- bis langfristig negative Auswirkungen auf die Qualität des Strafvollzugs und auf das Gesamtgefüge Gefängnis zu erwarten, nicht zuletzt durch einen hohen Koordinations- und Integrationsbedarf und auf Grund der ungleichen Stellung von Bediensteten in dienstrechtlicher und besoldungsrechtlicher Hinsicht.
Im Detail werden folgende Änderungen vorgeschlagen:
§1 (1) sollte folgendermaßen ergänzt werden: sofern die Wahrnehmung dieser Aufgaben durch BeamtInnen und Vertragsbedienstete des Bundes nicht oder nicht zur Gänze gegeben ist. Vor der Reduktion des Stellenplans zum Zwecke einer Übertragung an die JBA, ist die Zustimmung des Zentralausschusses einzuholen.
§2 (2) Änderung: Zu dieser Aufgabe zählt insbesondere die Bereitstellung von Personal für die
1. psychotherapeutische Versorgung;
2. soziale Betreuung der Insassen von Justizanstalten als Ergänzung in den Bereichen Entlassungsvollzug, Ausgleich von Defiziten in Ausbildung und Persönlichkeitsbildung;
3. psychologische Betreuung von Insassen von Justizanstalten
4. arbeitstherapeutische Betreuung der Insassen;
5.
medizinische Versorgung von Insassen.
§2 (2a) Formulierung eines neuen Absatzes: Die Erledigung vollzugsrelevanter Kern-bereiche bleibt den BeamtInnen und Vertragsbediensteten des Bundes vorbehalten.
§2 (3) Änderung: Die Leitung der Psychologischen Dienste und deren Stellvertretung, die Leitung der Sozialen Dienste und deren Stellvertretung sowie die Leitung der Pflegedienste werden von BeamtInnen und Vertragsbediensteten des Bundes wahrgenommen.
§2 (5) sollte entfallen: Eine Generalermächtigung ist nicht sinnvoll und notwendig.
§ (8) Änderung: Die Justizbetreuungsagentur ist verpflichtet, für die erforderliche Ausbildung des eingesetzten Personals zu sorgen. Es gelten die Anstellungsvoraussetzungen wie bei einer Bundesanstellung und dieselben Fortbildungsansprüche. Zu diesem Zweck können Veranstaltungen der Strafvollzugsakademie in Anspruch genommen werden.
Der Zentralausschuss beim Bundesministerium für Justiz für die nicht dem Exekutivdienst zugeordneten Bediensteten des Planstellenbereichs Justiz-anstalten und die Beamten der Bewährungshilfe lehnt den vorliegenden Entwurf eines Justizbetreuungsagenturgesetzes ab.
Neben der Bewachung der Gefangenen, die zweifelsfrei als hoheitliche Aufgabe des Staates betrachtet wird, hat der Strafvollzug auch die Aufgabe der Resozialisierung. Mit der beabsichtigten Übertragung der Betreuungsaufgaben an eine externe Justizbetreuungsgesellschaft scheint sich nun ein Paradigmenwechsel zu vollziehen, in dem der Bund diese Verantwortung delegiert. Wir halten diese Entwicklung für problematisch.
Für den Zentralausschuss:
Helmut Pfeiffer, Vorsitzender Johanna Lehner, stellv. Vorsitzende