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REPUBLIK ÖSTERREICH

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DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.331/0002-DSR/2008

An das

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Per Mail: infra7@bmvit.gv.at

Alfred.Ruzicka@bmvit.gv.at

 

 

 

 

Betrifft: Novelle zum Fernsprechentgeltzuschussgesetz 2000;  

               Stellungnahme des Datenschutzrates

 

Der Datenschutzrat hat in seiner 181. Sitzung am 5.Mai 2008 mehrheitlich mit einer Gegenstimme beschlossen, zu der im Betreff genannten Thematik folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Ganz allgemein bemerkt der Datenschutzrat, dass in der Betrauung der GIS Gebühren Info Service GmbH mit dem Vollzug des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes ein grundsätzliches Problem zu erblicken ist. Die weitaus überwiegende Aufgabe der GIS Gebühren Info Service GmbH liegt in der Einhebung der Fernseh- und Rundfunkgebühren. Das damit verbundene Interesse an möglichst umfassenden Daten über Privathausalte bedingt im Falle der Verfügbarkeit von Daten aus der Vollziehung des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes ein nicht unerhebliches Missbrauchspotential, uzw. im Sinne einer Weiterverwendung von Daten aus letzterer Aufgabe für die Hauptaufgabe der GIS. Vor diesem Hintergrund, aber auch aus grundsätzlichen staatsorganisatorischen Erwägungen empfiehlt der DSR, zu prüfen, ob mit der Vollziehung des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes nicht staatliche Behörden im engeren Sinne, wie etwa die Bundessozialämter, betraut werden könnten.

 

 

Davon abgesehen macht der Datenschutzrat auf eine weitere, im gegebenen Fall auftauchende Grundproblematik aufmerksam, die sich daraus ergibt, dass Antragstellern nach dem Entwurf gewissermaßen ein Dispositionsrecht über die Daten anderer im Haushalt lebender Personen eingeräumt werden soll. Dies äußert sich etwa darin, dass es dem Antragsteller obliegen soll, Namens- und Geburtsdaten seiner Mitbewohner zu erheben und zu melden. Der DSR ist der Auffassung, dass der Lebenssachverhalt „Beantragung eines Fernsprechentgeltzuschusses“ gerade angesichts der Anschluss-Individualisierung infolge der Nutzung der Mobiltelefonie nicht ohne weiters dem Lebenssachverhalt „Fernsehgebührenbefreiung“ vergleichbar ist. Das Abstellen auf eine im Übrigen schwer zu fassende „Haushaltssituation“ mit der damit einhergehenden Erhebung von Daten Dritter erscheint insofern grundsätzlich hinterfragungswürdig.

 

Der Datenschutzrat regt daher dringend an, von dieser Vorgangsweise Abstand zu nehmen.

Der Datenschutzrat hält diesbezüglich nachdrücklich fest, dass er sich aus den obengenannten Erwägungen gegen den gegenständlichen Entwurf ausspricht.

 

 

Dessen ungeachtet nimmt der DSR zum vorliegenden Text wie folgt Stellung:

Zu Art. 2 (Änderungen des Fernsprechentgeltzuschussgesetzes):

Zu § 4:

Das Regelungskonzept des § 4, in welchem es im Wesentlichen um die Plausibilitätskontrolle von Anträgen auf Zuschussleistungen zum Fernsprechentgelt geht, ist nicht ausreichend schlüssig und teilweise datenschutzrechtlich bedenklich.

Problematisch scheint zunächst die gewählte „Zustimmungslösung“ in Abs. 3 und 4. Nach Abs. 3 soll die GIS Gebühren Info Service GmbH unter der Bedingung, dass der Antragsteller und sämtliche in seinem Haushalt lebenden Personen dem schriftlich zugestimmt haben, berechtigt sein, die bei der Antragstellung anzugebenden Namen, Vornamen und Geburtsdaten „im Wege des ZMR auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, wobei die Anschrift als Auswahlkriterium vorgesehen werden kann.“ Nicht geregelt werden allerdings allfällige Alternativen zur Zustimmung (Einholung einer Bestätigung durch den Antragsteller/die Betroffenen bei der zuständigen Behörde) bzw. die Konsequenzen einer allfälligen Verweigerung einer Zustimmung auch nur einer einzigen im Haushalt lebenden Person. Gilt im Falle einer Zustimmungsverweigerung der Antrag auf Zuschussleistungen als verwaltungsverfahrensrechtlich „unzulässig“, als „unvollständig“ und im Zuge einer Aufforderung zur Verbesserung als „ergänzungsbedürftig“ oder werden dann eben nur die Daten der übrigen, dh. der zustimmenden Haushaltsbewohner mittels ZMR überprüft? Die analoge Problematik stellt sich im Fall des Abs. 4 im Hinblick auf die Überprüfung der Einkommensverhältnisse. Sollte bspw. eine Verweigerung der Zustimmung durch einen im Haushalt lebenden Mitbewohner zur Konsequenz führen, dass der Antrag nicht inhaltlich bearbeitet wird oder abgelehnt wird (was im Normtext klarzustellen wäre), dann wäre zu bezweifeln, dass hier überhaupt von einer Zustimmung iSd § 4 Z 14 DSG 2000 gesprochen werden kann. Den Erläuterungen nach zu schließen ist eine solche in Abs. 3 und 4 gemeint. Sie setzt jedoch eine „ohne Zwang abgegebene Willenserklärung“ des Betroffenen in „Kenntnis der Sachlage für den konkreten Fall“ voraus und ist im Übrigen jederzeit widerrufbar.

Auch stellt sich die Frage der Gewährleistung der ausreichenden Transparenz gegenüber den Betroffenen. Aus den Erläuterungen zu Art. 2 Z 5 ergibt sich nämlich, dass die „Zustimmung“ der Betroffenen durch Unterschrift auf dem in § 4 Abs. 1 angesprochenen, für die Antragstellung zu verwendenden „aufgelegten Formular“ zu erfolgen hat. Damit den Erfordernissen des § 4 Z 14 DSG 2000 („Kenntnis der Sachlage“) ausreichend Rechnung getragen wird, wäre eine entsprechende optisch-textliche Gestaltung des bezüglichen Formulars vorzunehmen. Um dies sicherzustellen, könnte dieser Gedanke (klarer Hinweis im Formular für Betroffene, welche Konsequenz die Unterschrift hat und was mit ihren Daten passiert) direkt in § 4 Abs. 1 angesprochen werden.

Problematisch scheint auch die Reichweite der für die GIS Gebühren Info Service GmbH vorgesehene Abfragebefugnis nach § 4 Abs. 3. Abgesehen von der – in Bezug auf den technischen Charakter des angedachten Abfragemodus – ungenauen Textierung (gemeint ist wohl eine Online-Abfrage, die aus Transparenzgründen deutlich angesprochen werden sollte) bestehen hier gravierende Bedenken aus Sicht des § 1 Abs. 2 DSG 2000. Eine Online-Verknüpfungsanfrage anhand der Adresse ermöglicht dem Abfragenden potentiell einen unmittelbaren Einblick in den Kernbereich der Privatsphäre von Menschen (Welcher Mann lebt mit welcher Frau zusammen? Wer lebt alleine? etc). Die Eröffnung jeder weiteren Verknüpfungsanfrage stellt sich als Datenübermittlung und somit als Eingriff in das Grundrecht der im ZMR gespeicherten Betroffenen iSd § 1 Abs. 2 DSG 2000 dar. Demnach ist die gesetzlich verankerte Verwendung personenbezogener Daten im Hinblick auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) auf das Notwendige zu beschränken und dürfen auch zulässige Beschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden dürfen. Derzeit sind Online-Verknüpfungsanfragen den Sicherheitsbehörden für Zwecke der Sicherheitspolizei und der Strafrechtspflege vorbehalten. Auch ist zu bedenken, dass selbst die Einräumung der Online-Verknüpfungsanfrage für die GIS Gebühren Info Service GmbH keine Gewähr für die Verhinderung von Missbräuchen darstellt. Zu denken ist einmal an Mitbewohner, die zwar Einkommen beziehen, jedoch gar nicht gemeldet sind. Weiters ist weder ausgeschlossen noch in der Praxis überprüfbar, ob Zuschussbezieher ihren bezuschussten Anschluss nicht Dritten, die selbst nicht zuschussberechtigt sind, überlassen. Es bestehen sohin schon auf der Ebene der Eignung des vorgesehenen Instruments Zweifel.

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass effektive Garantien und Datensicherheitsmaßnahmen zur Missbrauchsvermeidung fehlen und nicht einmal die auf § 16a Abs. 6 MeldeG basierende Meldegesetz-Durchführungsverordnung zur Anwendung kommt. Der einzige effektive Weg, Missbräuche festzustellen, bestünde in der Auswertung der Protokolldaten, die beim Betreiber des ZMR (Bundesministerium für Inneres) anfallen, uzw. dergestalt, dass periodisch und systematisch eine relevante Zahl an Verknüpfungsanfragen durch Mitarbeiter der GIS Gebühren Info Service GmbH auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft würde. Dazu müssten die Protokolldaten mit Aktenvorgängen der GIS Gebühren Info Service GmbH abgeglichen werden, um festzustellen, ob den Abfragen tatsächlich konkrete Fälle zugrunde lagen. Davon abgesehen, dass derartige Auswertungen – sollen sie effektiv sein - erfahrungsgemäß mit Personalkosten verbunden sind, wäre ein Zusammenwirken der protokollführenden Stelle (dh des Betreibers des ZMR) und der GIS Gebühren Info Service GmbH erforderlich. Eine Verpflichtung zur Kooperation dieser Stellen besteht derzeit aber nicht. Zudem müsste gewährleistet sein, dass jeder Zugriff einem bestimmten Mitarbeiter der GIS Gebühren Info Service GmbH zugerechnet werden kann. Ohne entsprechende zusätzliche gesetzlich vorzusehende Garantien scheinen die mit der Einräumung einer Verknüpfungsanfrage aufgezeigten Risiken nicht auf ein dem Betroffenen zumutbares Maß begrenzbar.

Aus den genannten Gründen bestehen aus ho. Sicht beträchtliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des vorgesehenen Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz.

§ 4 Abs. 4 des gegenständlichen Entwurfs ist überdies in sich widersprüchlich bzw. schwer verständlich. Dies deshalb, da zunächst für die Datenabfrage auf die Zustimmung der Betroffenen abgestellt wird und dann jedoch – davon unabhängig – Überprüfungen nur zulässig sein sollen, wenn „im Einzelfall berechtigte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit“ von Angaben des Antragstellers bestehen. Dürfen nun in letzterem Falle unabhängig von der Zustimmung Anfragen an die Finanzbehörden erteilt werden oder ist die Zustimmung jedenfalls erforderlich und darf die damit erworbene Abfragebefugnis nur sehr eingeschränkt genutzt werden? Eine entsprechende Überarbeitung erscheint vor dem Hintergrund der aufgezeigten Auslegungsprobleme angezeigt.

Zu § 4 Abs. 6 leg cit. ist anzumerken, dass das Vorliegen eines Zuschussgrundes im Sinne des § 3 Abs. 2 und 3, dh insbesondere eines Sachverhaltes mit Bezug zu Sozialversicherungsleistungen, ohnehin vom Antragsteller (durch Vorlage entsprechender Dokumente) nachzuweisen ist. Insofern wäre wohl näher zu begründen, wozu konkret die vorgesehene Auskunftserteilung durch die Sozialversicherungsträger notwendig sein soll. Hinsichtlich einer allenfalls angedachten Übermittlung sensibler Daten durch die Sozialversicherungsträger wäre anzumerken, dass eine derartige Auskunftserteilung nur in einem wichtigen öffentlichen Interesse zulässig wäre. Diesfalls wäre eine derartige Datenverwendung im Gesetz zu präzisieren und wären auch geeignete Garantien zum Schutz der Geheimhaltungsinteressen Betroffener vorzusehen. Wesentlich scheint auch, aus einer Verpflichtung zur Rechtshilfe im Einzelfall nicht auf allfällige Rechte der GIS Gebühren Info Service GmbH auf einen selbständigen Zugriff auf Daten der Sozialversicherungsträger – etwa im Online-Wege –  zu schließen.

Schließlich wird zur Vermeidung von Rechtsunklarheiten die Normierung einer zulässigen Höchstspeicherdauer für die von der GIS Gebühren Info Service GmbH erhobenen Daten angeregt.

 

7. Mai 2008

Für den Datenschutzrat

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

 

Elektronisch gefertigt