Stellungnahme des AMS Österreich im Rahmen eines Begutachtungsverfahrens zu einem Entwurf des BMSK betreffend einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung (bMS)

 

In der vorliegenden Begutachtung durch das AMS muss teilweise auf Grund fehlenden Datenmaterials bzw. auf Grund nicht ausreichend spezifizierter gesetzlicher Vorgaben zur Beurteilung der Auswirkungen der bMS von ersten Annahmen ausgegangen werden, die im Folgenden näher begründet werden.

 

Aus dem Entwurf in der vorliegenden Fassung ergeben sich aus der Sicht des AMS Probleme der folgenden Art:

 

1)     Regelungen, die aus Sicht des AMS noch zu präzisieren sind

2)     Notwendige ergänzende Regelungen

3)     Aus inhaltlichen Gründen aus der Sicht des AMS problematische Regelungen

4)     Mehraufwand für das AMS

 

1)     Regelungen, die aus Sicht des AMS noch zu präzisieren sind:

 

1.1. Selbständige Antragslegitimation versus Bedarfsgemeinschaft:

Nach der derzeitigen Regelung bleibt völlig unklar, wer nun eigenständig berechtigt ist, einen Antrag auf bMS zu stellen und wer gezwungen ist, sich der Antragstellung eines anderen Berechtigten in der Bedarfsgemeinschaft zu unterwerfen. Neben der gemeinsamen Beantragung für die Bedarfsgemeinschaft wird das Recht auf eine eigenständige Antragstellung auf bMS grundsätzlich zumindest jeder erwachsenen Person zugestanden. Ausgeschlossen soll auch dies jedoch sein, wenn die bMS „nur als Zusatzleistung zu einer an eine bestimmte Person geknüpfte Grundleistung beansprucht werden kann“. Als Beispiele dafür werden in den Erläuterungen die Ausgleichszulage zu einer von bestimmten Versicherungszeiten abhängigen Pension oder der Familien-zuschlag zum Arbeitslosengeld/zur Notstandshilfe genannt. Allerdings ist nicht geklärt, wie nun nach dieser Regelung tatsächlich vorzugehen ist.

Zumindest für den Bereich der Entgegennahme von Anträgen durch das AMS sind klare und eindeutige gesetzliche Regelungen zu schaffen, die festlegen, wem die Antragsberechtigung zukommt – dies insbesondere auch im Falle eines Leistungs-bezuges mehrerer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft oder auch in Streitfällen. Weiters ist zu klären, wie vorzugehen ist, wenn eine offensichtlich nicht antrags-berechtigte Person einen Antrag abgibt. Da das AMS nicht zur Zurückweisung berechtigt ist, wird davon ausgegangen, dass in derartigen Fällen eine sofortige Weiterleitung dieses Antrages an die Landesbehörde zu verfügen ist.

 

1.2. Antragstellung beim AMS versus Bezirksverwaltungsbehörde:

Absatz 2 Ziffer 2 des Artikels 7 verpflichtet das AMS zur Entgegennahme von Anträgen auf Leistungen der bMS. Leider wurde hier verabsäumt, eindeutig klar zu stellen, dass diese Vorgangsweise nur für diejenigen Personen gilt, die auch Leistungen des Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen bzw. beim AMS arbeitsuchend vorgemerkt sind. Weiters ersucht das AMS um die eindeutige Klarstellung, dass Personen, die in Beschäftigung stehen bzw. am Arbeitsmarkt nicht verfügbar sind (§ 7 AlVG) und daher keine Leistungen des AMS in Anspruch nehmen, sich im Falle einer eigenständigen Antragstellung ausschließlich an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde wenden müssen. Darüber hinaus sollte die Antragstellung auf bMS auch von arbeitsfähigen Personen wahlweise direkt bei der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden können. Jedenfalls geht das AMS bei Artikel 14 davon aus, dass bei der Beurteilung des nötigen Einsatzes der Arbeitskraft die Bestimmungen der §§ 7 und 9 AlVG (Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt und Arbeitswilligkeit bzw. Zumutbarkeit) anzuwenden sind und dass die in Abs. 3 der Bestimmung ausgenommenen Personen für den bMS-Bezug weder einer Vormerkung beim AMS bedürfen, noch ein Recht auf Information und Antragstellung beim AMS haben.

 

 

 

1.3. Behördliche Funktionen des AMS bei der bMS:

Es wird darauf hingewiesen, dass nach unserer Interpretation des Vereinbarungsentwurfes das AMS im Bereich der Mindestsicherung nicht als Behörde handelt. Dem AMS kommt nicht einmal eine verfahrensleitende Funktion zu (z.B. Erteilung von Verbesserungsaufträgen). Dieser Umstand sollte unseres Erachtens explizit in die Vereinbarung aufgenommen werden. Falls anders gewünscht, müssten die hoheitlichen Befugnisse des AMS in der Umsetzung der bMS explizit geregelt werden. Eine bloße Verwaltungsvereinbarung zwischen Land und Landesorganisation des AMS reicht dafür unserer Meinung nach nicht.

 

1.4. Informationspflicht des AMS:

In einem ersten Schritt soll das Arbeitsmarktservice allen Personen, die Leistungen des Arbeitsmarktservice in Anspruch nehmen, die erforderliche Information über die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung anbieten. Die Abgrenzung dieses Personenkreises wird gesetzlich eindeutig klar zu definieren sein (siehe Punkt 1.2). Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass es sich bei den durch das AMS angebotenen Informationen nur um solche allgemeiner Natur handeln kann und nicht um eine detaillierte vorweg genommene Anspruchsbeurteilung im Einzelfall. Für darüber hinausgehende Auskünfte und Beratungen muss die betreffende Person an die zuständige Landesstelle verwiesen werden können. Fraglich bleibt ebenso, ob die Bestimmung dahingehend zu interpretieren ist, dass gleichsam über sämtliche Bereiche der bisherigen „offenen Sozialhilfe“ informiert werden muss, oder im Wesentlichen nur über die Grundsätze der Mindeststandards nach Artikel 10. Das AMS ersucht um eine Klarstellung in letzterem Sinn.

 

1.5. Vollständigkeitsprüfung:

Unzureichend geregelt ist unserer Meinung nach auch das Prozedere nach Artikel 7 Ziffer 3, wonach die Anträge auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen und unverzüglich an die im jeweiligen Land zuständige Stelle zur Prüfung der Voraussetzungen weiterzuleiten sind. Der Regelung kann nicht entnommen werden, was unter „Vollständigkeit“ zu verstehen ist und somit mit welchem Detaillierungsgrad die Einholung verschiedenster Unterlagen durch das AMS aktiv betrieben werden muss. Wenn schon nicht in der Vereinbarung definitiv bestimmt werden kann, wann eine Antragstellung vollständig ist, plädiert das AMS dafür, die Sozialhilfebehörden zu verpflichten, dem AMS Checklisten zur Verfügung zu stellen, anhand derer die Vollständigkeit überprüft werden kann. Weiters bleibt gänzlich offen, wie lange zugewartet werden kann oder muss, wenn Bestandteile zur Vollständigkeit nicht beigebracht werden, bevor letztlich jedenfalls eine Weiterleitung der Anträge erfolgt. Hier sind Fristen zu schaffen, nach deren Verstreichen auch „unvollständige“ Anträge jedenfalls an die Landesbehörden weiterzuleiten sind. Da dem AMS wie unter Punkt 1.3. ausgeführt keine behördlichen Funktionen in Umsetzung der bMS zukommen, sind Urgenzen im Sinne verbindlicher Verbesserungsaufträge ausschließlich von der Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmen. Eine derartige Bestimmung, die zur Weiterleitung vor Vollständigkeit berechtigt, sollte es auch für Antragstellungen geben, bei denen für das AMS offensichtlich oder zumindest äußerst wahrscheinlich ist, dass der Antrag jedenfalls abzulehnen sein wird.

 

1.6. Grenzen der Leistungspflicht des AMS:

Der gesamte Abschnitt 3 der vorliegenden Vereinbarung richtet sich nur an die Länder. Sowohl im Rahmen der Informationsverpflichtung und allenfalls auch nach Maßgabe des in Materiengesetzen umzusetzenden Artikel 16 der Vereinbarung (Zugang zu Leistungen) ist es jedoch keineswegs klar, in welchem Umfang auch das AMS diese Regelungen z.B. über Höhe der Mindeststandards, Berücksichtigung der Leistungen Dritter, über Einsatz der Arbeitskraft oder den Zugang zu den Leistungen und das Verfahren kennen, umsetzten oder allenfalls sogar anwenden muss. Das AMS geht jedenfalls davon aus, dass sich die Tätigkeit des AMS – neben den arbeitsmarktbezogenen Dienstleistungen - ausschließlich auf die Erteilung von Grundinformationen zur bMS, die Antragsausgabe sowie die Rücknahme und Weiterleitung an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde erstreckt und dass weitergehende Beratungen zur bMS durch die Bezirksverwaltungsbehörden durchzuführen sind. Zur Sicherheit sollte jedoch klar geregelt werden, ab welchem Detaillierungsgrad der vom AMS verlangten Auskünfte der Kunde bzw. die Kundin direkt an die Bezirksverwaltungsbehörde verwiesen werden darf.

 

2) Notwendige ergänzende Reglungen:

 

2.1. Datenaustausch:

Da eine Datenübermittlung zwischen Bund und Ländern in Aussicht genommen wird, wird darauf hingewiesen, dass entsprechende Regelungen in den betreffenden Bundesgesetzen oder aber in der Vereinbarung selber vorzusehen sind. Um allfällige spätere Unklarheiten zu vermeiden, ist es nötig einen exakt ausgearbeiteten Datenkatalog in die jeweiligen Gesetze zu übernehmen, der anführt, welche Daten – insbesondere über Dauer, Art und Höhe von Leistungsbezügen, Dauer der Vormerkzeiten bereffend Arbeitsuche oder verhängte Sanktionen - in welchem Umfang und Detaillierungsgrad tatsächlich in diesem Rahmen automationsunterstützt übermittelt werden können. Soweit es das AMS betrifft, können solche Ermächtigungen bzw. Verpflichtungen zur Übermittlung von Daten aus verfassungsrechtlichen Gründen nur vom Bundesgesetzgeber, nicht aber vom Landesgesetzgeber kommen.

 

2.2. Clearingstellen zur Abklärung der Arbeitsfähigkeit:

Die der Schaffung der Clearingstellen zugrunde liegende Grundidee wird seitens des AMS begrüßt. Es fehlt jedoch derzeit eine exakte Aufgabenbeschreibung der Clearingstellen und – was noch schwerer wiegt - jegliche Regelung über die Kostentragung. Die dem Vereinbarungsentwurf zugrunde liegende Vorstellung, diese Fragen würden durch Verwaltungsübereinkommen zwischen den AMS-Landesorganisationen und den Bundesländern gelöst, birgt die Gefahr einer einseitigen Lösung  zu Lasten des AMS und damit der Versichertengemeinschaft. Da das AMS nach § 8 AlVG explizit zur Überprüfung der Arbeitsfähigkeit Arbeitsloser verpflichtet ist, führt die Verpflichtung zur Einrichtung von Clearingstellen ohne nähere Spezifizierung im Endeffekt dazu, dass die Länder zwar bei der Überprüfung der Arbeitsfähigkeit zur Entlastung ihrer Budgets mitreden dürfen, aber nicht mit zahlen müssen. Das AMS ersucht um eine entsprechende Finanzierungsbestimmung.

 

2.3. Zusatzbelastung der Arbeitslosenversicherung durch „Trampolineffekt“

Eine zusätzliche und dauerhafte Belastung der Arbeitslosenversicherung ist dadurch zu erwarten, dass bMS Bezieher/innen, die noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder in Folge Notstandshilfe haben, durch Beschäftigungen in sozialökonomischen Betrieben oder in gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten anspruchsbegründende Zeiten für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erwerben. Es ergibt sich dadurch der so genannte „Trampolineffekt“ - durch den beschriebenen befristeten Maßnahmeneinsatz im Bereich des zweiten Arbeitsmarktes erwerben diese zusätzlichen Personen einen Leistungsanspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Sollte eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt aufgrund der Schwierigkeiten nicht gelingen, erzeugen diese Maßnahmen damit eine Verschiebung der Kostenlast von den Ländern hin zur Arbeitslosenversicherung bzw. dem Bund. Aufgrund dieses Trampolineffektes ist es umso mehr geboten, dass im Interesse der Gemeinschaft der Arbeitslosenversicherten in der Vereinbarung eine diesem Mehraufwand entsprechende Beteiligung der Gebietskörperschaften an den Kosten der Integrationsmaßnahmen für bMS-Bezieher/innen vorgesehen wird.

 

3)     Aus inhaltlichen Gründen aus der Sicht des AMS  problematische Regelungen

 

3.1. Bevorzugung von Bezieher/innen der bMS:

Der Entwurf geht davon aus, dass eine besondere Konzentration der arbeits-marktpolitischen Anstrengungen auf Bezieher/innen von Leistungen der bMS erfolgt. Dies würde eine direkte und undifferenzierte Benachteiligung anderer langzeitarbeits-loser Personen darstellen, die Versicherungsleistungen aus der Arbeitslosenver-sicherung berechtigt beziehen. Dies lehnt das AMS ab und plädiert für den Grundsatz, bei gleicher Problemlage die gleiche Hilfe anzubieten unabhängig von der Frage, welche Transferleistung die Kund/innen beziehen.

 

3.2. Örtliche Zuständigkeit:

Weiters ist derzeit die Regelung problematisch, nach der sich die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstellen des AMS nach einem Wohnsitz bzw. dem ständigen Aufenthalt einer Person richtet und sich andererseits die bMS dezidiert nach dem Hauptwohnsitz oder dem ständigen Aufenthalt richtet. Es wird somit Fallkonstellationen geben, wo sich die örtlichen Zuständigkeiten der AMS-Geschäftsstellen und der Sozialhilfebehörden überschneiden. Um solche Konstellationen zu vermeiden, wäre eine zusätzliche Zuständigkeitsregel wünschenswert, der zu Folge für Leistungs-bezieher/innen in der AlV in Bezug auf die bMS jene Sozialhilfebehörde zuständig ist, in deren Sprengel die für den AlV-Bezug zuständige AMS-Geschäftsstelle ihren Sitz hat.

 

3.3. Geplante Weiterentwicklung des One-Stop-Shops beim AMS:

Im Hinblick auf die in den Erläuterungen des vorliegenden Entwurfs, nach denen weitere Ausbauoptionen des One-Stop-Shops zukünftig Teil einer inhaltlichen Evaluierung der Auswirkungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung sein könnte, wird von den Eigentümervertretern im Verwaltungsrat des AMS darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die positive Entwicklung des AMS seit der Ausgliederung aus der Bundesverwaltung im Jahr 1994 darin liegt, dass das AMS sämtliche Zuständigkeiten und Aufgaben die nicht unmittelbaren Arbeitsmarktbezug haben, abgegeben hat (so z.B. Insolvenzentgeltsicherung, Karenzgeld, Sonderunterstützung, …) und sich auf seine Kernkompetenz Vermittlung (Existenzsicherung während der Vermittlung), Qualifikation und Arbeitsmarktinformation beschränkt. Eine zusätzliche zukünftige Ausweitung der Aufgaben des AMS im Sinne der Erläuterungen würde das einheitliche Unternehmensziel und diese für den Erfolg des AMS notwendigen Voraussetzungen gefährden.

 

4)     Mehraufwand für das AMS:

 

Die bereits im Regierungsprogramm für die Erhöhung der Nettoersatzraten in der Arbeitslosenversicherung veranschlagten Mehrausgaben (rund EUR 80 Mio.) sind im Folgenden nicht mitkalkuliert. Die angegebenen Mehrkosten beziehen sich nur auf die Aufwände für die aktive Betreuung und Förderung der bMS-Bezieher/innen. Diese Mehraufwände ergeben sich aus

-         dem Erfordernis der Schulung des vorhandenen Personals für die Erfüllung der dem AMS durch die Vereinbarung zusätzlich erwachsenden Aufgaben

-         dem Erfordernis von zusätzlichem Personal

-         dem erhöhten Bedarf an Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik

 

4.1. Generelle Anmerkungen:

Der vorliegende Begutachtungsentwurf sieht vor, dass arbeitsfähige Menschen ihren Antrag auf bMS beim AMS abgeben können und dort auch informiert werden. Das weitere Verfahren, Änderungsdienst, die inhaltliche Prüfung und Auszahlungen werden dann jedoch von Landesbehörden vollzogen. Demnach muss das Wissen über die – länderspezifisch leicht unterschiedlichen - Regelungen der bMS zukünftig – wenn auch mit verschiedenen Detaillierungsgraden - sowohl bei den Landesbehörden als auch beim AMS – vorhanden sein. Erstinformation, Antragsausgabe und Antragsabgabe für die Kundinnen und Kunden beim AMS, Rückfragen, Beschwerden, weitere Betreuung aber bei Landesstellen. Welcher Nutzen aus dieser „Doppelzuständigkeit“ den betroffenen Menschen erwachsen soll, ist dem AMS nicht ersichtlich. Für das AMS ergibt sich daraus jedoch nicht nur technisch ein enormer Aufwand und intensiver Abstimmungsbedarf mit den Ländern, sondern auch ein erheblicher Schulungsbedarf für mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

 

4.2. Deutlich mehr arbeitsuchende Personen

Die Vereinbarung enthält den Grundsatz, dass für Empfänger/innen der bMS Maßnahmen anzubieten sind, die “zu einer weitest möglichen und dauerhaften (Wieder-) Eingliederung in das Erwerbsleben“ dienen. Das AMS begrüßt und unterstützt das Vorhaben Armut durch intensive Bemühungen zur Wiedereingliederung am Arbeitsmarkt zu bekämpfen. Dies muss sinnvoll ausschließlich im Rahmen der bestehenden Richtlinien zur Arbeitsmarktförderung passieren. Das AMS weist jedoch darauf hin, dass durch eine solche Aktivierungsstrategie die Anzahl der als arbeitslos gemeldeten Personen deutlich ansteigen kann. Gerade NGOs argumentieren regelmäßig, dass die so genannte non-take-up Rate der Sozialhilfe durch die neuen Regelungen zur bMS verringert wird. In die Krankenversicherung sollen laut den Erläuterungen rund 19.000 Personen neu miteinbezogen werden. Obwohl die Schätzung einer so genannten „Dunkelziffer“ überaus schwierig ist, geht das AMS davon aus, dass rund 25.000 arbeitsuchende Personen neu vorzumerken sind, bei denen bisher kein Bezug zum Arbeitsmarkt gegeben war.

 

 

4.3. Erhöhter Bedarf an Mitteln der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Die derzeitige Schwerpunktsetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Sozialpartner und der Bundesregierung sieht zur Bekämpfung des aktuellen Fachkräftemangels verstärkt Fachkräfteausbildungen (von Personen die „jobready“ sind) vor. Diese Priorisierung führte in den vergangenen Jahren zu einem Rückgang des Mittelniveaus für besonders schwierige Zielgruppen wie z.B. langzeitarbeitslose Personen. Durch die Einführung der bMS ist jedoch verstärkt mit dem Auftreten genau dieser Personengruppen auch dann zu rechnen, wenn auf deren im Entwurf vorgesehene bevorzugte Behandlung gegenüber anderen AMS-Kund/innen (Punkt 3.1) verzichtet wird. Deshalb sind für eine erfolgreiche Integration dieser Zielgruppe in den Arbeitsmarkt zusätzliche finanzielle Mittel unbedingt notwendig. Der Ausbau von sozial-ökonomischen Beschäftigungs-projekten, der so genannten „aufsuchenden Arbeitsvermittlung“, der gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung sowie die Zusammenarbeit mit Gemeinden und sozialen Einrichtungen sind nur einige der auszubauenden Maßnahmen. Unter der Annahme, dass durch die bMS rund 25.000 zusätzliche Personen durch das AMS als Arbeitsuchende zu betreuen sind, muss man von einem benötigten Zusatzbudget in der Höhe von rund 90 Millionen Euro pro Jahr an Fördermitteln ausgehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade dieser Personenkreis deutlich erhöhten Förderbedarf hat und damit eine erfolgreiche Wiedereingliederung sehr teuer kommt.

 

4.4. Zusätzlicher Personalbedarf für das AMS:

Das AMS geht davon aus, dass alle Kosten die zusätzlich – z.B. in den Bereichen Personal und IT Einsatz - durch die Administration der bMS entstehen, erstattet werden.

Um die benötigten Personalressourcen zu beziffern, wird auf Grund der vorliegenden Regelung die Annahme getroffen, dass sich die Tätigkeit des AMS ausschließlich auf das zur Verfügung stellen von Grundinformationen zur bMS, die Antragsausgabe sowie dessen Rücknahme und Weiterleitung an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde erstreckt. In Bezug auf die Antragsrücknahme wird davon ausgegangen, dass die Prüfung der Vollständigkeit der erforderlichen Beilagen anhand einer dem AMS von den Ländern zur Verfügung gestellten Checkliste erfolgen kann. Eine inhaltliche Prüfung findet nicht statt; auch sind Urgenzen fehlender Unterlagen im Einzelfall von der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmen. Die weitere Betreuung der bMS im Rahmen eines Änderungsdienstes durch das AMS wird ausgeschlossen.

Das AMS geht davon aus, dass die Grundinformationen über die bMS grundsätzlich allen Personen zur Verfügung zu stellen sind, deren Leistungsbezug unter dem monatlichen Richtsatz inklusive Sonderzahlungsanteil liegt. Zur besseren Abschätzung des zusätzlichen Personalaufwandes werden nun folgende Gruppen unterschieden:

In Frage kommen auf Grundlage der Leistungsbezieherdaten 2007 jedenfalls diejenigen rund 180.000 Personen, die auf Basis der Notstandshilfe einen Bezug unter dieser Betragsgrenze empfangen haben, wobei hier keine Anrechnung eines Partnereinkommens oder eines eigenen Einkommens vorzunehmen war. Als Ausschlussgrund für einen bMS Bezug kommt bei diesen Personen im Wesentlichen nur mehr vorhandenes Vermögen über den zulässigen Grenzen in Betracht. Es ist daher in fast allen diesen Fällen von einem Beratungsbedarf auszugehen, wobei die Annahme getroffen wird, dass für eine solch detaillierte Information bzw. in den meisten Fällen auch Antragstellung samt Vollständig-keitsprüfung bei Antragsrückgabe sowie Weiterleitung im Schnitt rund 30 Minuten zu veranschlagen sind. Dieser Wert lässt sich im Wesentlichen von der Dauer bei Antragstellungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung ableiten, wodurch sich ein zusätzlicher Personalbedarf für diese Personengruppe von 60 Planstellen ergibt.

Weitere rund 388.000 Personen haben laut den Leistungsbezieherdaten 2007 einen ebenfalls unter der Betragsgrenze liegenden Bezug von Leistungen auf Basis der Arbeitslosenversicherung. Angenommen wird hier, dass rund die Hälfte dieser Personen sich für einen bMS Bezug auf Grund vorhandenen Vermögens oder auf Grund einer anderwertigen Versorgung – z.B. durch einen besser verdienenden Ehepartner - nicht interessieren wird oder diesen von sich aus auf Grund des vorhandenen Informationsmaterials oder einer nur sehr kurz dauernden Arbeitslosigkeit ausschließt.

Bei den verbleibenden 194.000 Personen wird angenommen, dass sich die Tätigkeit des AMS in rund der Hälfte der Fälle in der reinen Informations-vermittlung erschöpfen wird, wobei ein Zeitaufwand von rund 10 Minuten pro Fall zu veranschlagen ist. In den restlichen Fällen ist von einer Information mit anschließender Antragstellung auszugehen, wofür wiederum ein Zeitaufwand von 30 Minuten veranschlagt wird. Auf Basis dieser Annahmen errechnet sich insgesamt ein Personalaufwand von 44 Planstellen.

Völlig im Dunklen liegt die Anzahl derjenigen Personen, die derzeit zwar Sozialhilfe beziehen, aber derzeit weder im AlV-Leistungsbezug noch in der Vormerkung zur Arbeitsuche stehen, die jedoch bei Wirksamwerden der Regelungen zur bMS auch der Verpflichtung unterliegen, ihre Arbeitskraft einzusetzen. Zu diesem Themenbereich konnten dem AMS von den Ländern bisher noch keine konkreten Daten zur Verfügung gestellt werden. Gleiches gilt für die Anzahl der Personen, die bisher unter die non-take-up Rate gefallen sind. Das AMS geht hier als Untergrenze jedenfalls von 25.000 betroffenen Personen im Jahr aus. Für diese Personen braucht es ebenfalls einen „Antragstermin“ für die bMS von 30 min und in der Folge arbeitsmarktpolitische Betreuung. Werden als Vergleichsgruppe langzeitbeschäftigungslose Personen angenommen, so zeigt sich, dass im Laufe eines Jahres jedenfalls 7 Betreuungstermine im Ausmaß von durchschnittlich 30 Minuten benötigt werden. Dies ergibt pro Jahr und Person einen Gesamtbetreuungsaufwand von 270 Minuten. Hochgerechnet bedeutet dies bei einem Zugang von 25.000 Personen einen Mehraufwand von rund 77 Planstellen.

 

Insgesamt ergibt sich somit ein Personalmehraufwand für das AMS im Ausmaß von 181 Planstellen. Inklusive aller Sachkosten bedeutet das einen Mehraufwand von jährlich mindestens 13 Mio. EUR.

 

4.5. Mehraufwand AMS gesamt:

Aus den Punkten 3.3 und 3.4 ergibt sich ein Mehraufwand für das AMS aus der Mindestsicherung in Höhe von EUR 103 Mio. jährlich. Die Mehrkosten für verbesserte Leistungen der Arbeitslosenversicherung sind dabei wie gesagt noch nicht mit gerechnet. Diese mit eingerechnet kommt man wohl schon in die Nähe von EUR 200 Mio. jährlich.

 

5) Schlussbemerkung:

 

Aufgrund der Fülle von Details, die aus Sicht des AMS noch zuklären sind, empfiehlt das AMS dem BMSK dringend, in direkte Verhandlungen mit dem AMS – gegebenenfalls unter Beiziehung von Vertretern der Länder und des BMWA sowie der Sozialpartner – einzutreten. Sollte das nicht bald geschehen, ist der Inkrafttretenstermin für die bMS per 1.7.2009 nicht zu halten.