REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

 

Geschäftszahl:

BKA-600.722/0017-V/A/5/2006

An das

Bundesministerium für

Verkehr, Innovation und Technologie

 

st4@bmvit.gv.at

 

Sachbearbeiter:

Herr MMag Dr Patrick SEGALLA

Frau Dr. Rosi POSNIK[1]

Pers. e-mail:

patrick.segalla@bka.gv.at

Telefon:

01/53115/2353

Ihr Zeichen
vom:

BMVIT-170.031/0007-II/ST4/2006
06.12.2006

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl an:

v@bka.gv.at

 

 

 

BetrifftEntwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (28. KFG-Novelle)

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) samt einer für die Erzeugung der Rechtstexte vorgesehenen Word 97-Dokumentvorlage und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zu Z 2 (§ 11 Abs. 9):

Die Verpflichtung des Beprobten, die Kosten der Beprobung zu tragen, ist als Eigentumseingriff zu qualifizieren. Dieser Eigentumseingriff ist jedenfalls nur gerechtfertigt, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismäßig ist, was insbesondere dann der Fall sein dürfte, wenn im Zuge der Beprobung tatsächlich eine Verletzung gesetzlicher Vorschriften festgestellt wird. In anderen Fällen wäre zu prüfen, ob durch die Tätigkeit (des Betriebs eines Kraftfahrzeuges, des Kraftstofftransports, etc.) eine spezifische Gefahr eröffnet wird, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, den Beprobten auch die Kosten der Überwachung seiner Tätigkeit aufzuerlegen (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 17.326/2004 zur Finanzierung der KommAustria sowie VfSlg. 16.641/2002 zur Finanzierung der Finanzmarktaufsicht).

In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung wird davon ausgegangen, dass die Kontrollen und Probeentnahmen bei allen „in Verkehr Bringern“ erfolgen. Diese Annahme spiegelt sich allerdings im Gesetzeswortlaut nicht wider; vielmehr legt dieser nahe, dass auch bei privaten Kraftfahrzeugeigentümern Probeentnahmen vorgenommen werden können.

Die Zulässigkeit einer Gebührenauferlegung auch bei der Beprobung privater Kraftfahrzeugeigentümer, die aus dem Betrieb ihres Kraftfahrzeuges keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen, könnte jedoch verfassungsrechtlich problematisch sein. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nach der geltenden Rechtslage vorgesehen ist, dass die Behörde über die Kosten „abzusprechen hat“, woraus sich theoretisch auch die Möglichkeit ergeben dürfte, die Kosten ausnahmsweise nicht dem Beprobten aufzuerlegen. Dies dürfte nach  der in Aussicht genommenen neuen Rechtslage nicht mehr möglich sein.

Hinsichtlich der Festlegung der Höhe der Kosten der Beprobung durch Verordnung ist anzumerken, dass sich die Höhe wegen des Wortlauts der Bestimmung an den tatsächlichen Kosten der Beprobung zu orientieren haben wird und diese wegen des vom Verfassungsgerichtshof bei Gebühren in stRsp angenommenen Äquivalenzgrundsatzes (vgl. nur Mayer, B-VG3, Anm. V.4. zu § 1 F-VG) nicht überschreiten darf.

Zu Z 9 (§ 28b Abs. 5a):

Aus den Erläuterungen ergibt sich einerseits, dass aus bestimmten Gründen der Zulassungswerber verpflichtet sein soll, bestimmte Daten zur Verfügung zu stellen, allerdings verfügt er über diese Daten aber oftmals nicht (vgl. erster Satz der Erläuterungen zu dieser Bestimmung). Eine Verpflichtung, Daten zur Verfügung zu stellen, über die der Verpflichtete nicht verfügt und auch nicht mit verhältnismäßigem Aufwand verfügen kann, könnte als unsachlich angesehen werden.

Zu Z 11 (§ 30a Abs. 7):

Es wird darauf hingewiesen, dass der in dieser Bestimmung erwähnte Tarif gem. § 131 Abs. 6 die Abgeltung von Leistungen der Bundesanstalt für Verkehr und nicht von solchen des Landeshauptmanns regelt.

Zu Z 14 (§ 33 Abs. 1a):

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes müssen behördliche Zuständigkeiten in Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter klar und eindeutig festgelegt werden (vgl. mwN Mayer, B-VG3, Art. 83 II.2). Die Generalklausel „wesentliche Vereinfachung des Verfahrens“ oder „erhebliche Erleichterung für den Antragsteller“ erscheint im Hinblick auf diese Judikatur nicht unbedenklich. Es wäre daher zweckmäßig, von der Generalklausel abzusehen.

Zu Z 16 (§ 34a):

Die Bestimmung in ihrem Abs. 3 sieht u.a. vor, dass Ausnahmegenehmigungen nur erteilt werden dürfen, wenn „dringende wirtschaftliche oder technische Gründe“ vorliegen (Abs. 3 Z 1), und dass dies jedenfalls nicht zulässig ist, wenn es „dem Antragsteller einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen würde“ (Abs. 3 letzter Satz). Beide Erfordernisse sind für sich genommen relativ unbestimmt. Auch aus den Erläuterungen geht nicht eindeutig hervor, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung nun zulässig ist, oder nicht.

Es wird darauf hingewiesen, dass durch die Formulierungen „die einschlägigen EG-Richtlinien“ (Abs. 3) bzw. “aufgrund der EU-Richtlinien [richtig: „EG-Richtlinien“] erforderlichen Meldung“ (Abs. 7) eine Verweisung auf diese Richtlinien entsteht. Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Verweisungen wäre es erforderlich, die verwiesenen Richtlinien samt ihrer Fundstellen im Amtsblatt anzuführen (es handelt sich bei den EG-Richtlinien nicht um unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, auf das die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Güterbeförderungsgesetz [B 249/05] Anwendung finden würde).

In Abs. 7 wäre es zweckmäßig, statt bloß „Kommission“ die vollständige Bezeichnung „Kommission der Europäischen Gemeinschaften“ oder „Europäische Kommission“ zu verwenden. Es wäre gleichzeitig anzuregen, auch im geltenden Gesetzestext die unterschiedlichen und teilweise falschen Bezeichnung „Kommission“, „Europäische Kommission“ und „Kommission der Europäischen Union“ zu vereinheitlichen.

Zu Z 19 (§ 40 Abs. 2a):

Gemäß § 1 Abs. 2 (letzter Satz) DSG 2000 dürfen Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden. Es erscheint fraglich, ob die für den Fall des Vorliegens von „Datenzwillingen“ vorgesehene Vorgangsweise diesem Gebot entspricht. Als gelinderes Mittel wäre es etwa denkbar, dass die Zulassungsstelle beim Vorliegen von „Datenzwillingen“ zur Angabe eines zusätzlichen Merkmals – z.B. eines bisherigen Wohnsitzes – aufgefordert wird, sodass die gesuchte Person durch das Zentrale Melderegister eindeutig bestimmt werden kann.

Zu Z 25 (§ 51 Abs. 4):

Der zweite Satz dieses Absatzes stellt mangels Verb keine grammatikalisch eigenständige Satzkonstruktion dar und sollte entweder ergänzt oder mit dem ersten Satz verbunden werden.

Im Übrigen ist unklar, wie die Behörde vom Abschluss der polizeilichen Fahndungsmaßnahmen zu erfahren hat. Zweckmäßiger erschiene es, die in den Erläuterungen angeführte Sechs-Jahres-Frist im Gesetz zu verankern.

Zu Z 26 (§ 57a Abs. 10):

Hinsichtlich der Regelung, wonach die namhaft gemachte Stelle eine der Amtsverschwiegenheit vergleichbare Geheimhaltung zu wahren hat, wäre im Einzelnen zu prüfen, ob sich daraus nennenswerte rechtliche Konsequenzen insbesondere im Verfahrensrecht ergeben könnten (vgl. § 151 Abs. 1 Z 2 StPO 1975; § 320 Z 3 ZPO).

Zu Z 28 (§ 102 Abs. 1):

Es wäre zu überlegen, die spezifischen Regelungen für jenen Fall, in dem ein Fahrzeug sowohl mit digitalem als auch mit analogem Kontrollgerät betrieben wird, in einen eigenen Absatz aufzunehmen, da Abs. 1 bereits jetzt unübersichtlich ist.

Zu Z 38 (§ 127 Abs. 3):

In lit. a wäre zu erwägen, zusätzlich zum Hinweis auf zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Anerkennung gegenseitiger akademischer Grade gegebenenfalls einen solchen auf die Anerkennung gleichwertiger Ausbildungen anderer Mitgliedstaaten der EU bzw. Vertragsstaaten des EWR aufzunehmen.

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

1. Zum Vorblatt:

Unter „Alternativen“ wären andere Wege zur Erreichung der angestrebten Ziele als die im Gesetzesentwurf gewählten Lösungen anzugeben (vgl. das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 29. Oktober 1980, GZ 600.824/21-V/2/80); in diesem Sinne kommt die Beibehaltung der geltenden Rechtslage nicht als zur Zielerreichung geeignete, und daher auch nicht als im Vorblatt anzugebende, Alternative in Frage.

Im Abschnitt „Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ wäre ein Hinweis auf umzusetzendes Gemeinschaftsrecht aufzunehmen.

2. Zum Allgemeinen Teil der Erläuterungen:

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen wäre zusammengefasst und (für Zwecke der Gestaltung des Stirnbalkens im Bundesgesetzblatt) unter Angabe der CELEX-Nummer anzugeben, welche Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften durch das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz umgesetzt werden sollen (vgl. das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 10. Juni 1992, GZ 671.804/10-V/8/92).

Gemäß § 14 Abs. 1 BHG ist jedem Entwurf für (ua.) ein Bundesgesetz von dem Bundesminister, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine den Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 BHG entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen anzuschließen, aus der insbesondere hervorzugehen hat, wie hoch die durch die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen voraussichtlich verursachten Ausgaben oder Einnahmen sowie Kosten oder Erlöse für den Bund im laufenden Finanzjahr und mindestens in den nächsten drei Finanzjahren zu beziffern sein werden. Eine solche Darstellung kann dem vorliegenden Entwurf nicht entnommen werden.

Auf die finanziellen Folgen einer Missachtung von Verpflichtungen nach der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebiets­körperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999, muss hingewiesen werden.


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

12. Jänner 2007

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

Elektronisch gefertigt



[1] Aus datenschutzrechtlicher Sicht zu Z 19.