An das

 

Bundesministerium für Justiz

per E-Mail: kzl.b@bmj.gv.at

 

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-10310/0005-I/A/4/2007

Wien, 05.03.2007

 

 

 

Betreff: Änderung des Gerichtsgebührengesetzes und des
Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962
(Justizieller Teil des Budgetbegleitgesetzes 2007)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 15. Februar 2007, GZ BMJ-B18.003/0002-I 7/2007, zur Änderung des Gerichtsgebührengesetzes und des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 wie folgt Stellung:

Zu Art. X1 Z 5 (§ 13 Abs. 2 GGG ):

Nach § 80 ASGG – in Kraft getreten mit BGBl Nr. 104/1985 am 1. Jänner 1987 – gilt nachstehende Gebührenbefreiung für das Pflegegeldverfahren nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz:

„Gebührenfreiheit

§ 80. Schriften, Amtshandlungen und Vollmachten sind von den Gerichts-, Justizverwaltungs- und Stempelgebühren befreit. Wird außerhalb des Verfahrens über Sozialrechtssachen von den Schriften oder Vollmachten Gebrauch gemacht, so sind die Stempelgebühren zu entrichten.“

Auf die Gebührenbefreiung im Verfahren in Pflegegeldsachen nach dem Arbeits-
und Sozialgerichtsgesetz bezieht sich darüber hinaus auch die Bestimmung des § 13 GGG:

„Sachliche Gebührenfreiheit

§ 13. (1) Soweit Staatsverträge nicht entgegenstehen, sind in gesetzlichen Vorschriften ohne Beziehung auf bestimmte Personen aus sachlichen Gründen gewährte Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren unwirksam. Ausgenommen hievon sind die Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach § 15 Abs. 3 Agrarverfahrensgesetz, dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, dem Neugründungs-Förderungsgesetz, dem 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, dem Euro-Genossen-
schaftsbegleitgesetz und Art. 34 § 1 Budgetbegleitgesetz 2001.

  (2) Nach Abs. 1 weiterhin bestehende Gebührenbefreiungen erstrecken sich auf alle am Verfahren beteiligten Personen, deren gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte; sie treten aber nur ein, wenn sie in der Eingabe, bei Aufnahme des Protokolls oder Vornahme einer sonstigen Amtshandlung unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch genommen werden.“

Durch Artikel X1 Z 5 des Gesetzesentwurfes soll nun nach der Wendung „wenn sie“ die Wendung „- bei sonstiger Präklusion -„ aufgenommen werden.

Auch wenn daher durch § 13 GGG idgF bereits angeordnet wird, dass die noch
bestehenden Gerichtsgebührenbefreiungen – wie z. B. jene nach § 80 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes – nur dann eintreten, wenn sie vom Zahlungspflichtigen in der Eingabe, bei Aufnahme des Protokolls oder Vornahme der sonstigen Amtshandlung unter Hinweis auf die gesetzliche Grundlage in Anspruch genommen werden, vertrat der Verwaltungsgerichtshof dennoch in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Zahlungspflichtige eine ihm zustatten kommende Gebührenbefreiung noch im Verfahren zur Vorschreibung der Gebühr und auch noch im Berichtigungsverfahren, geltend machen könne.

Mit der beabsichtigten Aufnahme der Wortfolge „bei sonstiger Präklusion“ in § 13 Abs. 2 GGG wird, soll nun zum Ausdruck gebracht werden, dass der Zahlungspflichtige sich tatsächlich spätestens bei den in § 13 Abs. 2 GGG genannten Vorgängen auf die jeweilige Gebührenbefreiung berufen muss, wenn er seinen Anspruch auf diese Begünstigung nicht verlieren will. Die Geltendmachung von Gebührenbefreiungsregelungen erst im Vorschreibungsverfahren soll künftig nicht mehr möglich sein.

 

Die vorgeschlagene Änderung von § 13 Abs. 2 GGG hätte somit im Hinblick auf die bislang geübte Auslegungs- und Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes eine verfahrensrechtliche Schlechterstellung der Gebührenbefreiten/Gebührenpflichtigen zur Folge, die aus der Sicht des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz nicht befürwortet werden kann. Handelt es sich bei den pflegebedürftigen Menschen, die im gerichtlichen Pflegegeldverfahren von der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 80 ASGG begünstigt werden können, doch nach der Lohnsteuerstatistik 2003 vor allem um schwache Einkommensschichten (rd. 60% haben ein Bruttomonatseinkommen unter € 860 und 27% sogar unter € 570; rund 99% liegen unter der Höchstbeitragsgrundlage von € 3270).

Gerade im erstinstanzlichen gerichtlichen Pflegegeldverfahren vertreten sich die Pflegegeldwerber häufig selbst oder werden durch nicht rechtskundige bzw. nicht durch im Sinne des § 40 ASGG qualifizierte Vertreter vertreten, so dass die Gefahr des Übersehens der notwendigen Geltendmachung der Gebührenbefreiung schon bei Klagseinbringung sehr hoch sein dürfte.

Vor diesem Hintergrund scheint die beabsichtigte Aufnahme dieser Präklusionsbestimmung in § 13 Abs. 2 GGG eine besondere soziale Härte für die überwiegend einkommensschwache Gruppe der pflegebedürftigen Menschen darzustellen, die sich wohl kaum durch die Intention der Ressourcenschonung und der Verwaltungsökonomie rechtfertigen lässt.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Peter Gamauf

 

 

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