2/SPET XXIII. GP

Eingebracht am 29.06.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petititon

 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-Pr4528/0005-Pr 1/2007

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

An die

Parlamentsdirektion

Dr.-Karl-Renner-Ring 3

1017 Wien

 

 

stellungnahme.PETBI@paralment.gv.at

 

Briefanschrift

1016 Wien, Postfach 63

e-mail
post@bmj.gv.at

Telefon

(01) 52152-0*

Telefax

(01) 52152 2727

Sachbearbeiter(in):

Mag. Georg Stawa

*Durchwahl:

2280

 

 

Betrifft:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen;

Petition Nr. 9 zur „Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Behinderung“

 

 

zu Zl. 17010.0020/5-L1.3/2007 vom 23. Mai 2007

Zur Note vom 23. Mai 2007, mit der die in Vorbereitung befindliche Petition Nr. 9 zur „Anerkennung von Taubblindheit als eigenständige Behinderung“ übermittelt wurde, beehrt sich das Bundesministerium für Justiz wie folgt Stellung zu nehmen:

Es ist darauf hinzuweisen, dass es zwar im Bereich der Justiz keine eigenen Bestimmungen für taubblinde Personen gibt, jedoch § 79a GOG das Gericht betreffend blinde und hochgradig sehbehinderte Personen schon jetzt verpflichtet „wenn dies erforderlich scheint [...] - gegebenenfalls unter Verwendung technischer Hilfsmittel - dafür zu sorgen, dass eine blinde oder hochgradig sehbehinderte Partei, die nicht vertreten ist, vom wesentlichen Inhalt der zugestellten Schriftstücke und der bei Gericht befindlichen Akten Kenntnis erlangen kann; die Kosten trägt der Bund“ (Abs. 1). „Kann mit den Maßnahmen nach Abs. 1 das Auslangen nicht gefunden werden, ist in Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen einer solchen Partei unabhängig von ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen auf Antrag Verfahrenshilfe (§ 64 Abs. 1 Z 3 und 4 ZPO) zu gewähren; für die Beigebung eines Verteidigers in Strafsachen ist § 41 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten nicht Bedacht zu nehmen ist.“

 

Für eine mündliche Verhandlung zu der eine gehörlose oder stumme Partei ohne geeigneten Vertreter erscheint sieht § 185 Abs 1a ZPO folgendes vor:
„Ist aber eine gehörlose oder stumme Partei, die im übrigen zu einer verständlichen Äußerung über den Gegenstand des Rechtsstreites und der mündlichen Verhandlung fähig ist, zur mündlichen Verhandlung weder mit einem geeigneten Bevollmächtigten (Abs. 1) noch mit einem Dolmetsch für die Gebärdensprache erschienen, so ist die Tagsatzung vom Vorsitzenden auf tunlichst kurze Zeit zu erstrecken und zur neuerlichen Tagsatzung ein solcher Dolmetsch beizuziehen. Die Kosten des Dolmetsch für die Gebärdensprache trägt der Bund.“

Betreffend die Vernehmung einer stummen Person regelt § 82 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Geo: „Ist eine Person zu vernehmen, die der deutschen Sprache unkundig ist und sich auch nicht in einer Sprache ausdrücken kann, deren der Richter und, wenn der Vernehmung ein Schriftführer beizuziehen ist, auch dieser mächtig ist, so ist ein vertrauenswürdiger Dolmetsch beizuziehen. Gleiches gilt für die Vernehmung von Taubstummen, Tauben und Stummen, wenn eine verlässliche Verständigung sonst nicht möglich ist.“

Für Personen, die sowohl blind als auch taub sind, wären insbesondere die Bestimmungen der §§ 79a GOG und 82 Geo anzuwenden, wobei es dem Bundesministerium für Justiz aber nicht bekannt ist, ob es in Österreich geeignete Dolmetscher gibt. In die Gerichtssachverständigen- und Dolmetscherliste sind nur (die hier nicht hilfreichen) Dolmetscher für die Gebärdensprache eingetragen.

Aus baulicher Sicht darf auf den Etappenplan nach dem Bundes-Behinderten­gleich­stellungsgesetz verwiesen werden: „Gemäß § 8 Abs. 2 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) ist der Bund verpflichtet, einen Plan zum Abbau baulicher Barrieren für die von ihm genutzten Gebäude zu erstellen und die etappenweise Umsetzung vorzusehen (Etappenplan Bundesbauten).

Das Bundesministerium für Justiz wird in den Gerichtsgebäuden nach Möglichkeit sukzessive Service Center und zumindest je einen Verhandlungssaal einrichten, die vollkommen barrierefrei erreichbar und erschlossen sind und in denen „Front-Office“-Leistungen der Justiz angeboten werden können (Beglaubigungen, Auskünfte allgemein und aus Grundbuch, Firmenbuch, Registern; Einzahlungen, bei Bedarf auch Akteneinsicht und Amtstag). Zugleich wird die barrierefreie Erreichbarkeit und Erschließung aller Gerichtsgebäude überprüft und je nach Dringlichkeit der Adaptierungsmaßnahmen ein bis zum Jahr 2015 umzusetzender detaillierter Etappenplan ausgearbeitet.

Bereits 2003 wurden die Gerichtsgebäude in den Landeshauptstädten hinsichtlich ihrer Zugänglichkeit für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen untersucht. Die Ergebnisse sind unter www.you-too.net abrufbar. Im Jahr 2005 wurden alle Wiener Gerichte auf Einhaltung der Wiener Bauordnung und der Ö-NORMEN B-1600 und B-1600/A1 überprüft. Die Wiener Gerichtsgebäude sind im Wesentlichen für Menschen mit Behinderung uneingeschränkt erreichbar und die Mehrheit der Gerichte auch barrierefrei erschlossen.

Die in den letzten Jahren neu errichteten oder generalsanierten Gerichtsgebäude sind bereits barrierefrei gestaltet.

Das Bundesministerium für Justiz war schon bisher bemüht, den Bürgerinnen und Bürgern freien Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen und ist auch weiterhin bestrebt, dass alle Menschen möglichst ohne Hilfe anderer die Leistungen der Justiz in Anspruch nehmen können.“

28. Juni 2007
Für die Bundesministerin:
Dr. Wolfgang Fellner

Elektronisch gefertigt