1229/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 08.07.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Ursula Haubner

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Herauslösung von Bewegungserziehung und Sport aus der Schulautonomie

 

Einschlägige Studien bringen Fakten zu Tage, die zusammengefasst ein erschreckendes Bild über den Fitnessstand österreichischer Jugendlicher abgeben: 43% der 11- bis 17jährigen können beim Rumpfbeugen den Boden mit den Fingerspitzen nicht mehr berühren. Beinahe die Hälfte der Sechs- bis Zehnjährigen hält auf einem Balken nicht das Gleichgewicht. 43% brechen den Fahrrad Ausdauertest ab, bevor der Puls den gewünschten Wert von 190 erreicht. Die körperliche Fitness von Schülern der Hauptschulen und der Unterstufe der allgemein bildenden höheren Schulen wäre „unbefriedigend, Besorgnis erregend, sehr bestürzend sowie geradezu schockierend[1].

 

Darüber hinaus nimmt das Problem Übergewicht bei Jugendlichen in Österreich bedrohliche Ausmaße an: „10% bis 29% der Burschen und 6% bis 42% der Mädchen sind übergewichtig. Bei 5% bis 11% der Burschen und 3% bis -4% der Mädchen konnte Adipositas diagnostiziert werden. Eine höhere Prävalenz konnte hier für die Burschen gefunden werden. Besonders bei Wiener Lehrlingen – dies betrifft hier allerdings weibliche – konnten hohe Prävalenzen von Übergewicht und Adipositas festgestellt werden.“[2]

 

Der erste österreichische Adipositasbericht wartet mit konkreten Vorschlägen zu Bewältigung dieser bedrohlichen Entwicklung auf. Die Experten empfehlen einen Maßnahmenmix basierend auf vier Säulen: Medizin, Ernährung, Verhalten und Sport. Konkret formuliert der Bericht u. a. eine klare Verantwortung der Schule: „Auch die körperliche Bewegung ist ein wesentlicher Schwerpunkt bei der Adipositastherapie bei Kindern und Jugendlichen. Die Abnahme der körperlichen Aktivität in den letzten Jahren läuft weitgehend parallel zur Adipositasprävalenz und ist somit ein weiterer Risikofaktor für die Gewichtszunahme. Weniger Sport in Schule und Freizeit und eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten in der Stadt auf der einen Seite stehen einer Zunahme der Bewegungsarmut durch Computer, Fernseher und anderer sitzender Betätigungen gegenüber.“ [3]

 

Der Schule kommt als zentraler Bildungseinrichtung in Fragen der Bewegungserziehung besondere Bedeutung zu. Als durchaus tragfähig und effizient hat sich die Zusammenarbeit von Sportvereinen und Schulen gezeigt. Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat darüber hinaus mit anderen Regierungsmitgliedern die von der Bundes-Sportorganisation aufgesetzte Charta „Fit für Österreich – Kinder gesund bewegen“ unterschrieben.

 

Trotz aller flankierender Maßnahmen von außen, stellt Bewegung und Sport innerhalb der Schule nach wie vor den größtmöglichen Rahmen für die gezielte Bewegungserziehung dar. Abgesehen von den körperlichen und mentalen positiven Auswirkungen von Bewegung und Sport auf Jugendliche, wurde und wird auch der vielfach beschriebene positiv Effekt von Bewegung auf kognitiven Leistungen der Schüler/innen aufgrund einer kurzsichtig angewandten Schulautonomie zu Nichte gemacht.

 

Mit dem Schuljahr 1993/94 hat die Schulautonomie Eingang in das Regelschulwesen gefunden. Auf Grund von gesetzlichen Änderungen können Schulen selbstbestimmt ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume erweitern, um besser auf regionale Erfordernisse und Interessen der Schülerinnen und Schüler einzugehen sowie die räumlichen und personellen Ressourcen vor Ort den Bedürfnissen besser nützen zu können. Grundsätzlich dient dieser Ansatz einem modernen bedürfnisorientiertem Schul- bzw. Unterrichtssystem. Die Schulpraxis hat jedoch ergeben, dass Sport- und Bewegungsstunden zu Gunsten anderer Unterrichtsgegenstände am häufigsten und stärksten reduziert werden.

 

Der Rechnungshof bemerkt zu diesem Umstand folgendes: „In fast allen Bundesländern kam es seit 2001/2002 - ungeachtet steigender Schülerzahlen - zu Stundenkürzungen für Bewegung und Sport von bis zu 5 %. Dies stand im Widerspruch zu den Empfehlungen der Europäischen Kommission und nationaler Studien. Die Verantwortung hierfür trugen das BMUKK und die Schulen. Das vermehrte Angebot an unverbindlichen Übungen wirkte den Kürzungen nur zum Teil entgegen.“ [4]

 

Ein Fachinspektor für Bewegungserziehung und Sport aus Tirol beklagt öffentlich in einem Zeitungsinterview: „Die Schulautonomie ist das Hauptproblem. Der Großteil der Schulen setzt lieber auf Fremdsprachen oder Mathe, zulasten von Sportstunden. Und wo kann man, wenn Projekte anstehen, Stunden am leichtesten abzwacken? Natürlich beim Sport.[5]

 

Der Rechnungshof empfiehlt die Möglichkeit der autonomen Stundenkürzung in Bewegung und Sport zu überdenken. Weiters empfiehlt der Rechungshof der Schulaufsicht, dass „Fachinspektoren für Bewegung und Sport jährlich wechselnde Arbeitsschwerpunkte benennen sowie die Jahresergebnisse einfordern und auswerten.“

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der die Aufhebung der Schulautonomie für den Unterrichtsbereich Bewegungserziehung und Sport vorsieht und die Möglichkeit schafft, einen bundesweit abgestimmten Lehrplan für Bewegungserziehung zu erlassen, der geeignet ist, das Ziel der täglichen Bewegungseinheit an den österreichischen Schulen zu verwirklichen.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss verlangt.



[1] Institut für Sportwissenschaften der Universität Salzburg über Initiative des damaligen BMUK (Schuljahr 1996/1997) und des BMUKK (Schuljahr 2006/2007): Studie „Klug & Fit in der Schule“

[2] Kiefer, I., et al Erster Österreichischer Adipositasbericht 2006. Grundlage für zukünftige Handlungsfelder: Kinder, Jugendliche, Erwachsene. S.14

[3] Österreichischer Adipositasbericht 2006. S.187

[4] Bericht des RH Bewegungserziehung an Schulen (Wien 2008)

[5] Wolfgang Oebelsberger, in „Der Standard“ (25.Juni 2010)