1439/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 01.03.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Grünewald, Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

betreffend flächendeckende abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung

 

 

Vor fast genau 10 Jahren, im Mai 2001, fand im Parlament die Enquete „Solidarität mit unseren Sterbenden – Aspekte einer humanen Sterbebegleitung in Österreich“ statt. Seit damals ist viel geschehen – und vieles nicht.

 

Im letzten Gesundheitsausschuss am 4.11.2010 wurden die Anträge betreffend die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Betreuung durch Hospiz- und Palliativeinrichtungen, 1303/A(E), sowie den Aufbau und Finanzierung von Hospiz-/ Palliativbetreuung für Kinder und Jugendliche, 1301/A(E), von den Regierungsfraktionen mit der Begründung vertagt, dass Österreich - was Sterbebegleitung und Palliativmedizin betrifft - der internationalen Entwicklung zwar lange hinterher gehinkt sei, die Situation sich mittlerweile aber gebessert habe, die Versorgungsdichte eben „regional sehr unterschiedlich“ sei[1].

 

Hier ein paar interessante offizielle Wortmeldungen:


2010: Ergänzend wird in der Folge ein umfassendes Konzept für eine abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung als Empfehlung dargestellt. Es müssen nicht in allen Bundesländern unbedingt alle unten dargestellten Bausteine umgesetzt werden, vielmehr soll die Hospiz- und Palliativversorgung in Abhängigkeit von den regionalen Rahmenbedingungen entwickelt werden[2].

 

2008: Entsprechend dem ÖBIG Bericht zur abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich ist die Angebotsentwicklung an mobilen Hospiz- und Palliativteams und -konsiliardiensten, Hospiz- und Palliativbetten (auch in Heimen) und Tageshospizen umzusetzen[3].


 

 

2007: Weiterer Ausbau der lebensraumnahen Hospiz- und Palliativversorgung in stationären, teilstationären und mobilen Angeboten. Flächendeckende und abgestufte Palliativ- und Hospizbetreuung, finanziert nach jeweiliger Zuständigkeit[4].

 

2006: „Die Landessozialreferentenkonferenz vertritt den Standpunkt, dass es sich hier (Anm.: gemeint ist die abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung) um Aufgaben, Inhalte und Kosten handelt, die primär über das Gesundheitssystem (z. B. Reformpool) abgewickelt werden sollten; dies nicht zuletzt im Interesse der betroffenen Personen und deren Angehörigen. Die Festlegung von Aufgaben und Inhalten muss in Abstimmung mit dem Sozialbereich erfolgen[5].“

 

2004: Hospiz- und Palliativbetreuung muss überall dort stattfinden, wo sich unheilbar kranke und sterbende PatientInnen befinden – ob in stationärer Betreuung oder zu Hause. Im Sinne eines bedarfsgerechten Angebots muss Hospiz- und Palliativversorgung abgestuft in allen Bereichen und auf allen Ebenen des Gesundheits- und Sozialwesens erfolgen, d. h. im Akut- und im Pflegebereich, stationär und ambulant[6].

 

2003: „Die menschliche Qualität misst sich daran, wie wir Mitmenschen in der letzten Phase ihres Lebens begleiten. Es soll für alle, die es brauchen, ein ausreichendes Angebot an Hospizeinrichtungen zur Verfügung stehen[7].“

 

Es gab vielfach Fortschritte in den letzten 15 Jahren, jedoch eine relative Stagnation seit etwa fünf Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig und seit langem bekannt: Nicht nur die Finanzsituation ist ausschlaggebend, es gibt kaum Abstimmung der zuständigen Ressorts Gesundheit bzw. Soziales, sowie mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger.

 

Die Geschichte zeigt, dass Österreich auch im internationalen Vergleich hinterher hinkt: Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der ursprüngliche Begriff der „kostenlosen Beherbergung[8]“ in Teilen Europas in Hospizen, speziell für die Pflege Sterbender[9] aufgegriffen. Das erste moderne Hospiz entstand in den 60er Jahren in England, wo auch die FachärztIn für Palliativmedizin seit 1987 Standard ist.


 

In Österreich sind wir derzeit in der „Ausbauphase“, der eine „Pionierphase“ bis 1999, in welcher Einzelinitiativen stattfanden und eine „Aufbauphase“ zwischen 2000 und 2004, in welcher Palliativstationen erstmals im Krankenanstalten- und Großgeräteplan (ÖKAP/GGP) verankert wurden, vorangingen. Seit 2005 erfolgt eigentlich bereits die Integration der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung ins Gesundheitswesen.

 

 

Ein tabellarischer Überblick fasst die „Meilensteine“ der Geschichte der österreichischen Hospiz- und Palliativversorgung nochmals zusammen:

 

 

PHASE

JAHR

MEILENSTEIN

Pionierphase

1989

-     Erstes Mobiles Palliativteam - Mobiles Caritas Hospiz

1992

-     Erste Palliativstation – Krankenhaus Göttlicher Heiland

-     ORF-Schwerpunktwoche „Sterben in Österreich“

1993

-     Gründung Dachverband HOSPIZ ÖSTERREICH

1997

-     GuKG - 60 h Palliativpflege

1998

-     Gründung Abteilung Palliative Care am IFF

1999

-     Gründung der Österreichischen Palliativgesellschaft

Aufbauphase

2000

-     ÖKAP / GGP – Aufnahme Begriff „Hospiz“

2001

-     Enquete im Parlament: Solidarität für Sterbende

-     Entschließungsantrag einstimmig im Parlament abgenommen - 12 Punkte

2002

-     Familienhospizkarenz, novelliert 2006

-     Regelfinanzierung Palliativstationen
LKF-Tagespauschalien + Strukturqualitätskriterien

2003

-     Regierungserklärung 2003 – 2006

-     Empfehlungen des Europarates[10]

-     Krankenanstaltengesetz: „Würdevolles Sterben im Krankenhaus“

2004

-     15a-Vereinbarung[11]

-     Nationalrat – Einrichtung einer Arbeitsgruppe

-     Erster Lehrstuhl Palliativmedizin an der Med. Uni Wien

 


Ausbauphase

2005

-     Gesetz Patientenverfügung

2006

-     Bericht der Arbeitsgruppe Hospiz- und Palliativversorgung

2007

-     Regierungsprogramm 2007 – 2010

2008

-     Regierungsprogramm 2008 – 2013

-     Beschluss Ministerrat: Verdoppelung Hospizbetten[12]

-     15a-Vereinbarung[13]

2009

-     11. Europäischer Kongress für Palliativmedizin in Wien

2010

-     ÖSG 20102

 

Die Arbeitsgruppe Hospiz- und Palliativversorgung hatte 2006 das fertige Konzept für den Auf- und Ausbau sowie die Finanzierung veröffentlicht. Das Ziel, eine bundesweite flächendeckende, bedarfsgerechte und einheitliche Versorgung bis 2012 sicher zu stellen, wurde in einem Stufenplan detailliert dargelegt. Es war vorgesehen, dass die Umsetzung bis 2012 abgeschlossen ist.

 

Hier der Stand der Umsetzung im gesamten Bundesgebiet Ende 2009 (Zwischenstand). Der Bedarf 2012 entspricht dem erarbeiten Plan (Ziel).

 

HOSPIZ- UND PALLIATIVEINRICHTUNGEN

Bedarf 2012

Stand
Ende 2009

Umsetzung
Ende 2009

Palliativstationen              (n Betten)

          337

          244

       72 %

         Stationäre Hospize           (n Betten)

          168

            63

       37 %

         Tageshospize                                 (n)

               9

              3

       33 %

         Palliativkonsiliardienste              (n)

          124

            35

       28 %

         Mobile Palliativteams                    (n)

                                                               (VZÄ)

            59

          270

            35

          144

       59 %

       53 %

         Hospizteams                                   (n)

          210

          140

        65%

Es gibt glücklicherweise ein Bundesland, welches sich sehr positiv vom Durchschnitt abhebt: Die Steiermark hat eigene „Meilensteine“ zu verzeichnen, denn es gelang im Jahr 2008, die Hospiz- und Palliativeinrichtungen im Regionalen Strukturplan Gesundheit Steiermark zu verankern[14]. Mit 2009 wurden die steirischen Hospiz- und Palliativeinrichtungen in die Regelfinanzierung überführt.

 

10 Jahre nach der Enquete im Parlament ist es Zeit, die bekannten Probleme zu lösen, einheitliche und koordinierte Konzepte und konkrete Pläne, etwa am Beispiel der Steiermark, vorzulegen und bundesweit umzusetzen. Ziel ist es, eine
bundesweite, flächendeckende, bedarfsgerechte, einheitliche Versorgung sicherstellen zu können.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Gesundheit wird aufgefordert, bis Oktober 2011 eine Abstimmung der zuständigen Ressorts Gesundheit und Soziales mit dem Hauptverband sicherzustellen, um neben der Regelfinanzierung für alle Einrichtungen eine rechtliche Verankerung im ASVG sicherstellen zu können.

 

Durch eine Bundeskoordination mit Koordinationsstellen in den Bundesländern soll ein Stufenplan mit Etappenzielen schrittweise bis zum Jahr 2015 umgesetzt sein. Die bereits vorhandenen Strukturen sind einzubeziehen, regionale Gegebenheiten oder Besonderheiten sind zu berücksichtigen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] Parlamentskorrespondenz Nr. 854 vom 04.11.2010

 

[2] (http://www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/1/0/1/CH1071/CMS1136983382893/oesg_2010_-_gesamt,_stand_26.11.2010.pdf, Seite 88 ff)

 

[3] Regierungsprogramm 2008 bis 2013, Kapitel 7. Ausbau der palliativen Versorgung, http://www.austria.gv.at/DocView.axd?CobId=32965, S. 195

 

[4] Regierungsprogramm 2007 bis 2010, Kapitel: Soziales - Optimale Infrastruktur nach den Wünschen der Betroffenen, S. 104, bzw. Gesundheit - 2. Ausbau der integrierten Versorgung, S. 115 www.austria.gv.at/DocView.axd?CobId=19542

 

[5] Beschluss Landessozialreferentenkonferenz vom 12.5.2006; Bericht Arbeitsgruppe Hospiz- und  Palliativversorgung 2006, S. 38

 

[6] Abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich, ÖBIG-Bericht 200

 

[7] Aus der Regierungserklärung von Dr. Wolfgang Schüssel, 6. März 2003

 

[8] lat. hospitium, „Gastfreundschaft“, „Herberge“, zu hospes, Gast

 

[9] http://de.wikipedia.org/wiki/Hospiz

 

[10]„In den nationalen Strategien für die Gesundheitsversorgung sollten Vorkehrungen für die Entwicklung und funktionelle Integration von palliativmedizinischer Versorgung enthalten sein.“„Palliativversorgung sollte in angemessener und ausreichender Weise finanziert werden.“

 

[11]Im Besonderen wird vereinbart, eine österreichweit gleichwertige, flächendeckende abgestufte Versorgung im Palliativ- und Hospizbereich einheitlich zu planen sowie prioritär umzusetzen. Im Sinne eines bedarfsgerechten Angebotes ist die Realisierung der übergreifenden Planung der Palliativ- und Hospizversorgung in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Gesundheitsversorgung, d. h. im stationären Akut- und Langzeitbereich, im ambulanten Bereich sowie an den Nahtstellen zum Pflegebereich sicherzustellen.“

 

[12] www.ots.at/presseaussendung/OTS_20080812_OTS0166/kdolsky-leistbare-hospizversorgung-in-ganz-oesterreich-ausbauen

 

[13]Im Besonderen wird vereinbart, eine österreichweit gleichwertige, flächendeckende abgestufte Versorgung im Palliativ- und Hospizbereich prioritär umzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung der integrierten Versorgung ist eine Abstimmung insbesondere zwischen Gesundheits- und Sozialbereich sowie der Sozialversicherung anzustreben.“

http://www.bmgfj.gv.at/cms/site/attachments/2/7/1/CH0717/CMS1211801668459/bgbl_15a-vereinbarung_2008.pdf

 

[14] www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/10033672_2710512/84ca4d57/RSG-Steiermark_2008.pdf