144/A XXIV. GP

Eingebracht am 03.12.2008
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ANTRAG

der Abgeordneten Schatz, Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Gesetz über die Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

          Bundesverfassungsgesetz über die Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft

 

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Gesetz über die Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft

 

Artikel I

 

§ 1. (1) Jeder arbeitslose oder arbeitssuchende Mensch hat das Recht, sich zur Wahrung und Sicherung seiner Interessen an die Arbeitslosenanwaltschaft zu wenden.

 

(2) Der Arbeitslosenanwaltschaft obliegt

 

1. die Beratung von arbeitslosen- und arbeitssuchenden Menschen,

 

2. die Unterstützung und Vertretung von arbeitslosen und arbeitssuchenden Menschen in Verfahren nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, dem Arbeitsmarktservicegesetz, dem Arbeitsmarktförderungsgesetz, dem Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz, dem Überbrückungshilfegesetzes, dem Sonderunterstützungsgesetzes, dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz sowie anderen Rechtsnormen, die unmittelbar Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche betreffen,

 

3. die Vertretung der Interessen arbeitsloser und arbeitssuchender Menschen im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere durch Abgabe von Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren,

 

4. die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterialien betreffend die Rechte und Möglichkeiten von arbeitslosen und arbeitssuchenden Menschen,


5. die Information der Öffentlichkeit über die Sicherung und Wahrung der Interessen arbeitsloser wie arbeitssuchender Menschen betreffende Angelegenheiten.

 

 

§ 2. (1) Die Arbeitslosenanwaltschaft besteht aus einem Arbeitslosenanwalt bzw. einer Arbeitslosenanwältin und den erforderlichen BeamtInnen und Hilfskräften.

 

(2) Die Arbeitslosenanwaltschaft ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig.

 

(3) Die Arbeitslosenanwaltschaft ist mit jenen Mitteln ausgestattet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sind.

 

(4) Das Arbeitsmarktservice und alle seine Organe und AuftragnehmerInnen sowie alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden, die im gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich der Arbeitslosenanwaltschaft tätig sind, haben die Arbeitslosenanwaltschaft bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen, ihr Akteneinsicht zu gewähren und auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

 

(5) Die Arbeitslosenanwaltschaft hat ihren Sitz in Wien. Sie betreibt Zweigstellen in jedem Bundesland sowie Regionalstellen innerhalb der Bundesländer.

 

§ 3. (1) Die Arbeitslosenanwaltschaft hat dem Nationalrat und dem Bundesrat jährlich über ihre Tätigkeit zu berichten und aus ihrer Tätigkeit resultierende Empfehlungen abzugeben.

 

(2) Die Arbeitslosenanwaltschaft hat das Recht an den Verhandlungen über die Berichte der Arbeitslosenanwaltschaft im Nationalrat und im Bundesrat sowie in deren Ausschüssen (Unterausschüssen) teilzunehmen und auf ihr Verlangen jedes Mal gehört zu werden sowie an Verhandlungen über die, die Arbeitslosenanwaltschaft betreffenden Kapitel des Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes im Nationalrat und in seinen Ausschüssen (Unterausschüssen) teilzunehmen.

 

(3) Auf Antrag der Arbeitslosenanwaltschaft erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen der in Art 1 Abs. 2 Z 3 genannten Rechtsmaterien sowie über die Gesetzeswidrigkeit von damit in Zusammenhang stehenden Verordnungen einer Bundesbehörde.

 

§ 4. (1) Der Arbeitslosenanwalt bzw. die Arbeitslosenanwältin wird auf Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Funktionsdauer von vier Jahren bestellt. Eine Wiederbestellung ist möglich. Er bzw. sie leistet vor Antritt des Amtes dem Bundespräsident bzw. der Bundespräsidentin die Angelobung.


(2) Der Hauptausschuss des Nationalrates hat bei der Erstellung seines Vorschlags VertreterInnen von Arbeitsloseninitiativen anzuhören.

 

(3) Bei gleicher Qualifikation sind Frauen und Menschen mit Erfahrung in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit zu bevorzugen.

 

(4) Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den bei der Arbeitslosenanwaltschaft Bediensteten wird vom Bundes-Arbeitslosenanwalt bzw. von der Bundes- Arbeitslosenanwältin ausgeübt.

 

§ 5. Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und die Tätigkeit der Arbeitslosenanwaltschaft werden durch Bundesgesetz getroffen.

 

Artikel II

 

Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit 1. Jänner 2009 in Kraft.

 

 

Begründung:

 

 

900.000 Menschen werden jedes Jahr arbeitslos.

 

220.000 waren es im Durchschnitt des Jahres 2007. Arbeitslosigkeit betrifft also Jahr für Jahr etwa 20 Prozent aller Personen im erwerbsfähigen Alter und fast jede oder jeden DritteN unselbständig ErwebstätigeN!

 

Im Unterschied zu PensionistInnen, SchülerInnen, StudentInnen, Behinderten usw. haben Arbeitslose keine eigene bzw. keine anerkannte Interessenvertretung. Dabei wären gerade Arbeitslose auf Betreuung, Beratung und Wahrnehmung ihrer

Interessen angewiesen:

• Arbeitslose sind die am höchsten armutsgefährdete Gruppe

• Arbeitslose haben geringe Rechtsansprüche (die Verweigerung eines rechtswidrigen Aktes des Arbeitsmarktservice bewirkt zunächst einmal die Sperre).

• Arbeitslose haben geringe Rechtssicherheit, was sich an der hohen Zahl von Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof bzw. den Beschwerden bei der Volksanwaltschaft zeigt).

 

Die Situation arbeitsloser Menschen in Österreich ist gekennzeichnet von geringer rechtlicher Absicherung der Betroffenen, sehr großem Handlungs- und Interpretationsspielraum des AMS und vor allem geringen Kenntnissen des Arbeitslosenversicherungsrechtes in der Bevölkerung.

 

Aus dem Zusammenfall dieser drei Faktoren resultieren für eine moderne Demokratie bzw. für einen Rechtsstaat nicht hinnehmbare Ungerechtigkeiten: So etwa bietet das Arbeitslosenversicherungsgesetz arbeitslosen oder arbeitssuchenden Menschen keine Möglichkeit, sich mit juristischen Mitteln gegen vermeintlich oder tatsächlich falsche, fehlerhafte oder schikanöse Entscheidungen bzw. Anordnungen des AMS zur Wehr zu setzen, ehe ein Bescheid zur Einstellung des Bezugs nach dem AIVG erlassen wurde. Sich gegen als ungesetzlich, falsch, schikanös oder auch nur fehlerhaft erachtete Schritte des AMS wehren kann man folglich nur unter Gefährdung der persönlichen Existenzsicherung. Dies ist eines Rechtsstaates und einer modernen Demokratie unwürdig!

 

Trotz aller Schwierigkeiten haben lohnarbeitslose Menschen in den letzten Jahren den Rechtsweg beschritten und in zahlreichen Verfahren gegen das AMS Rechtstandards durchsetzen können, die der Gesetzgeber mit der letzten Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes de facto wieder außer Kraft gesetzt hat.

 

Zur Verbesserung der rechtlichen und gesellschaftlichen Situation lohnarbeitsloser Menschen ist die Schaffung einer gesetzlichen Lobby für die Lobbylosen unumgänglich: Eine Arbeitslosenanwaltschaft, die nicht nur punktuell, individuell und situationsbezogen mit aus Arbeitslosigkeit resultierenden Problemen konfrontiert ist, sondern auf Grund einer systematischen Beschäftigung mit Problemlagen und Rechtslage in der Lage ist, lohnarbeitslosen Menschen jene Information und Unterstützung bieten kann, die in deren Situation auch notwendig ist. Darüber hinaus ist es notwendig, die Situation lohnarbeitsloser Menschen zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte zu machen. Eine Arbeitslosenanwaltschaft, welche die Interessen lohnarbeitsloser Menschen mittels Öffentlichkeitsarbeit, Mitwirkung im Gesetzwerdungsverfahren und Berichte an den Nationalrat vertritt, schafft die notwenige Wissensbasis einer solchen öffentlichen Debatte. Eine Arbeitslosenanwaltschaft muss insbesondere

 

• niederschwellig und unbürokratisch ansprechbar sein.

Aufgabe der Arbeitslosenanwaltschaft ist nicht die Erstinformation, sondern die Beratung und Unterstützung in Problemsituationen

 

• eine Vermittlungsstelle zwischen arbeitslosen Menschen und AMS bzw. dessen AuftragnehmerInnen einnehmen können;

 

• im Gesetzgebungsverfahren über Stellungnahmen, Anhörungsrechte sowie Vorschlags- und Empfehlungsrechte eingebunden sein;

 

• arbeitslose Menschen bei der Durchsetzung ihrer Interessen unterstützen und vertreten können;

 

• unabhängig, weisungsfrei und finanziell abgesichert sein

 

• arbeitslose Menschen einbinden.

 

Im vorliegenden Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über die Einrichtung und

die Tätigkeit der Arbeitslosenanwaltschaft wird diesen Erfordernissen Rechnung

getragen. Er schafft einen verfassungsgesetzlichen Rahmen, der mittels eines

eigenen Gesetzes auszuführen ist.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.