1564/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 18.05.2011
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Ratifizierung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin („Biomedizinkonvention“)

 

Das „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“, kurz „Menschenrechtskonvention zur Biomedizin (MRB)“, umgangssprachlich „Biomedizinkonvention[1]“ (auch „Bioethik-Konvention“ oder „Oviedo-Konvention“) des Europarates genannt, wurde als Ergänzung zur allgemeinen Menschenrechtskonvention 1997 im spanischen Oviedo zur Unterzeichnung aufgelegt und ist ein völkerrechtlicher Vertrag über Menschenrechte und Biomedizin.

Ziel ist, Würde und Identität aller menschlichen Lebewesen bei Anwendung von Biologie und Medizin zu schützen. Das Übereinkommen soll im Bereich der Biomedizin einen Mindeststandard zum Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte in Europa sicherstellen. Es konkretisiert und entwickelt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) für den Bereich der Biologie und der Medizin weiter, ihr Geltungsbereich erstreckt sich auf die Humanmedizin unter Einschluss der Transplantationsmedizin, auf gentechnologische Verfahren im Humanbereich und auf die Fortpflanzungsmedizin beim Menschen.

Am 1. 12. 1999 völkerrechtlich in Kraft getreten, ist die Konvention inzwischen für die Mehrheit der Europaratsstaaten verbindlich: 34 von 47 Mitgliedstaaten haben unterzeichnet, 26 Staaten haben sie zusätzlich ratifiziert[2]. Österreich hat das Übereinkommen bislang weder unterzeichnet, noch ratifiziert. Eine eindeutige Empfehlung dafür wurde von der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt in einer Stellungnahme vom Februar 2002[3] abgegeben.


Die Bioethikkommission wurde 2001 vom damaligen Bundeskanzler Schüssel als Beratungsorgan in gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen, die sich auf dem Gebiet der Humanmedizin und Humanbiologie aus ethischer Sicht ergeben, eingesetzt. Zehn Jahre nach ihrer Einrichtung haben die Vorsitzenden dieses Beratungsgremiums erst kürzlich eine triste Bilanz gezogen[4]: Von den zahlreichen Empfehlungen der Kommission sei nur eine einzige - die Verlängerung der Aufbewahrungspflicht für Embryonen aus der künstlichen Befruchtung - umgesetzt worden, was einer "Kopf-in-den-Sand-Politik" entspräche. Im internationalen Vergleich haben Diskussionen zu ethischen Fragen  der Biomedizin in Österreich spät und zögerlich begonnen, der Wissensstand in der Bevölkerung zu den zum Teil komplexen wissenschaftlichen Grundlagen ist nicht sonderlich hoch: Laut einer aktuellen Umfrage ist es für erschreckende 57 % der ÖsterreicherInnen allerdings auch nicht wichtig, etwas über Wissenschaft zu wissen[5]. Aufklärung bei den zuständigen PolitikerInnen und MultiplikatorInnen wäre dringend notwendig, um eine öffentliche Diskussion mit der Bevölkerung zu ermöglichen.

 

Die Biomedizinkonvention ist ein Versuch, ein verbindliches Regelwerk für Europa aufzustellen, um den Schutz der Menschenrechte und die Interessen der Forschung über die Landesgrenzen hinweg zu sichern. Sobald Österreich die Biomedizinkonvention und ihre Zusatzprotokolle ratifiziert, entsteht eine völkerrechtliche Pflicht zur Umsetzung der darin enthaltenen Grundsätze. Da diese Bestimmungen in manchen Bereichen der medizinischen Forschung über das in Österreich derzeit verwirklichte Schutzniveau und den Präzisionsgrad der gesetzlichen Regelungen hinausgehen, müssten bestehende Lücken geschlossen[6] werden. Mit anderen Worten: Würden wir die Biomedizinkonvention ratifizieren, müssten einige Gesetze in Österreich „nachgebessert“ werden, entgegen den verbreiteten Irrglauben, unsere Gesetze seien „strenger“ und würden „aufgeweicht“.

 

Die im aktuellen Regierungsprogramm[7] in Aussicht gestellte Ratifikation würde speziell für das Forschungsrecht einen Anpassungsbedarf bedeuten. Sowohl die Biomedizinkonvention, besonders die Artikel 15–18, als auch die bisher 4 Zusatzprotokolle, etwa jenes zur biomedizinischen Forschung, enthalten detaillierte Regelungen für die Forschung am Menschen, die sowohl Ergänzungen als auch Rechtsschutzgarantien bei Verstößen erfordern. Zwar wird vielen Grundsätzen der Biomedizinkonvention bereits durch die geltende Rechtsordnung entsprochen, in manchen Punkten bleibt das österreichische Recht jedoch hinter den präziseren völkerrechtlichen Vorgaben zurück[8].

 

Umstritten und ausschlaggebend für Widerstand waren in Österreich hauptsächlich folgende 2 Punkte der Konvention:


1) „Grauzone“ fremdnützige Forschung

Art. 17 (2) sieht Regelungen für die fremdnützige Forschung an nicht zustimmungsfähigen Personen (Kinder unter 14 Jahren, Demenzerkrankte, psychisch kranke Menschen, etc.) vor. Derartige Forschungen sind in Österreich gesetzlich verboten, daher wehren sich vor allem Behindertenverbände gegen die Ratifizierung der Konvention.

 

Der Widerstand und die Bedenken gegen Art. 17 (2) zeigen ein Unbehagen in der Öffentlichkeit, das Problem bedarf in jedem Fall einer ehrlichen Diskussion in breitem Rahmen. Die erforderlichen Voraussetzungen für fremdnützige Forschung sind restriktiv und stellen auf ein minimales Risiko und eine minimale Belastung ab. Die zuständigen Ressorts müssen sich einer breiten Diskussion stellen, auch mit dem Wissen der Realitäten im „normalen“ Spitals- und Forschungsbetrieb, wie etwa an die Entnahme von Blutproben bei bewusstlosen PatientInnen. Es ist dringender Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung gegeben.

 

2) Kein striktes Verbot von Forschung an Embryonen

Art. 18 legt fest, dass für einen angemessenen Schutz von Embryonen zu sorgen ist, also z.B. keine Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt werden dürfen, Forschung an "überzähligen" Embryonen, die bei der In-vitro-fertilisation (IVF) anfallen, allerdings nicht generell verboten sein soll.  Das bedeutet, dass Forschung an durch IVF entstandenen "nicht entwicklungsfähigen" Embryonen außerhalb des Mutterleibes, bei entsprechendem nationalem Recht, während der ersten 14 Tage ihrer Entwicklung gestattet ist.

 

Diese bei der IVF anfallenden Embryonen müssen derzeit in Österreich nach einer mehrjährigen Frist vernichtet werden. Die Frage, ob es nicht ethisch anständiger und klüger wäre, aus diesen Zellen Wissen, Nutzen und Erkenntnisse zu ziehen, die erlauben, Erkrankungen besser verstehen zu können sowie Diagnosen und Therapien zu entwickeln, muss erlaubt sein. Auch hier ist ein breiter Diskurs anzustreben.

 

Der Großteil der Argumente spricht seit jeher eindeutig für einen Beitritt Österreichs, die Rechtslage auf dem Gebiet der medizinischen Forschung ist klar reformbedürftig.

Nach unseren Informationen wurde das Gesundheitsministerium aktiv und startete einen Prozess zur Frage, welche konkreten gesetzlichen Anpassungen im Rahmen einer Ratifizierung der Biomedizinkonvention vorzunehmen wären. Hier haben alle Ressorts bereits berichtet, lediglich das BMWF hat eine Studie zu dieser Frage extern vergeben. Diese Studie wurde Ihrem Ressort bereits im Sommer 2010 vorgelegt, jedoch unter Verschluss gehalten, Ihre Antwort an das BMG ist daher noch ausständig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert,

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Wissenschaftsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Biomedizinkonvention

 

[2] Nicht unterzeichnet haben bisher: Andorra, Armenien, Aserbaidschan, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland, Irland, Liechtenstein, Malta, Monaco, Österreich, Vereintes Königreich  

 

[3] http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=1111

 

[4] APA0178 5 CI 0338 II/XI 13.Apr 2011: Bioethik: Kritik an "Kopf-in-den-Sand-Politik" der Regierung

 

[5]http://derstandard.at/1276413652243/Eurobarometer-Umfrage-Oesterreicher-EU-Spitze-bei-Wissenschaftsignoranz

 

[6] http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=38041

 

[7] http://www.austria.gv.at/DocView.axd?CobId=32965 (Seite 193)

 

[8] http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=42637: Kodifikation des Forschungsrechts 10.1.2011