1766/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 06.12.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Hinrichtungen in Saudi-Arabien

Hinrichtungen in Saudi-Arabien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Hinrichtungen in Saudi-Arabien

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die österreichische Bundesregierung hat am 13.10.2011 mit Saudi-Arabien feierlich ein Abkommen zur Errichtung des „Internationalen König-Abdullah-Zentrums für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog“ in Wien geschlossen. Dieses Zentrum wird unter der Namenspatronanz des saudischen Königs stehen und soll angeblich dem „interreligiösen und interkulturellen Dialog“ dienen. Zugleich ist es unbestritten, dass die Menschenrechtslage in Saudi Arabien eine katastrophale ist. Frauen und ArbeitsmigrantInnen leiden unter massiver Diskriminierung, tausende Personen wurden unter Berufung auf Sicherheitsbelange jahrelang inhaftiert, viele davon sind noch immer hinter Gittern (Amnesty International: “Saudi Arabia: Repression in the Name of Security“ vom 1.12.2011). Gerichte verhängen unmenschliche und erniedrigende Strafen, wie das Auspeitschen, und machten ausgiebig Gebrauch von der Todesstrafe, die meist durch Enthauptung mit einem Schwert auf einem öffentlichen Platz vollzogen wird. Die Hinrichtungsrate stieg alarmierend an: Insgesamt wurden seit Jänner 2011 mindestens 67 Menschen hingerichtet, das ist mehr als das Doppelte der Hinrichtungszahlen des ganzen Vorjahres (27 Menschen). Rund die Hälfte aller Hinrichtungen in Saudi Arabien trifft ArbeitsmigrantInnen, eine unverhältnismäßige und überproportionale Verurteilungsrate. ArbeitsmigrantInnen sind in Saudi-Arabien eine sehr gefährdete Gruppe, da  sie durch das saudische „kafala“-System (das die Arbeitsbedingungen ausländischer StaatsbürgerInnen regelt) struktureller Ausbeutung und oft auch Missbrauch durch ihre Arbeitgeber ausgesetzt sind. In Gerichtsverfahren können sie oft keine Gerechtigkeit erwarten, da diese den internationalen Standards nicht entsprechen bzw. die UN-Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht, verletzen: Laut UN-Garantien darf ein Todesurteil nur nach einem fairen Gerichtsverfahren verhängt werden, in dem der/die Angeklagte jederzeit Zugang zu einer angemessenen rechtlichen Vertretung hatte. Laut Amnesty wird in der Praxis jedoch oft kein Anwalt als Rechtsvertreter im Verfahren zugelassen und die Angeklagten selbst nicht über den Stand des Verfahrens informiert. Verurteilungen allein aufgrund von „Geständnissen“ die unter Zwang oder durch arglistige Täuschung abgepresst wurden sind keine Seltenheit.


 

 

Erst im Juni 2011 wurde die 27-jährige indonesische Arbeitsmigrantin Tuti Turilawati aufgrund der Tötung ihres Arbeitgebers zum Tode verurteilt.  Laut Berichten wurde sie von ihrem Arbeitgeber jahrelang sexuell missbraucht und hatte sich bei besagtem Vorfall gegen einen Vergewaltigungsversuch zur Wehr gesetzt. Im Verfahren wurde ihr in den ersten zwei Monaten lediglich ein Übersetzer, aber kein Anwalt beigegeben. Sie erwartet derzeit die Hinrichtung.

 

Auch verletzt Saudi-Arabien durch die Hinrichtung von Jugendlichen und Personen, die zum Zeitpunkt der Tat Jugendliche waren, Menschenrechte sowie das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Laut Amnesty International wurden in Saudi-Arabien 2006 5 Jugendliche zum Tode verurteilt, 2007 zwei unter dem Schutz des Abkommens stehende junge Männer hingerichtet und 2009 zwei zur Tatzeit zwei 17-Jährige hingerichtet. Außenminister Spindelegger betonte mehrmals, dass Schutz von Kindern und Jugendlichen einen besonderen Menschenrechtsschwerpunkt Österreichs im UN-Menschenrechtsrat darstellen -"Für die österreichische Außenpolitik ist der Schutz der Kinder und die Förderung ihrer Rechte stets ein besonderes Anliegen" (20.11.2011). Die Hinrichtungen von jugendlichen Straffälligen ist zwar nur ein „kleiner Teil“ der in Saudi-Arabien durchgeführten Exekutionen , aber sie stellen eine klare Verletzung eingegangener internationaler Verpflichtungen durch Saudi Arabien dar und sind ein Affront gegen alle Vorstellungen von Jugendschutz. Denn Jugendliche sind eine der verletzlichsten Gruppen der Gesellschaft. Daher muss die Bundesregierung diese menschenrechtswidrige Praxis ansprechen und die Aufhebung aller Todesurteile gegen Jugendliche und zum Tatzeitpunkt Jugendliche fordern.

 

Will die österreichische Regierung, die derzeit im UN-Menschenrechtsrat sitzt, seine menschenrechtliche Verpflichtung ernst nehmen, muss Österreich als künftiges Gastland des neuen saudischen König-Abdullah Zentrums für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog diese menschenrechtswidrigen Vorgänge in Saudi-Arabien ansprechen und seinen Vertragspartner unmissverständlich dazu auffordern, diese menschenrechtswidrige Hinrichtungspolitik umgehend zu stoppen.  

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, wird aufgefordert, Saudi-Arabien dazu aufzufordern, unverzüglich

 

  1. alle Todesstrafen, die über Personen verhängt wurden, die zum Tatzeitpunkt unter 18 waren, umzuwandeln,

2.    die strukturelle Diskriminierung, die sich u.a. in der  überproportionalen Verhängung der Todesstrafe gegen in Saudi-Arabien lebende ArbeitsmigrantInnen zeigt, durch gesetzgeberische Maßnahmen zu bekämpfen,


3.    faire Gerichtsverfahren entsprechend den internationalen Menschenrechtsstandards wie den UN-Garantien zum Schutz der Rechte von Personen, denen die Todesstrafe droht, für alle Rechtsunterworfenen einzuführen bzw. sicherzustellen und all jene Todesurteile unverzüglich umzuwandeln, denen kein faires Gerichtsverfahren vorangegangen war,

4.    das Todesurteil gegen Frau Tuti Turilawati aufzuheben sowie

5.    generell die Abschaffung der Todesstrafe anzudenken.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte  vorgeschlagen.