1807/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 18.01.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschliessungsantrag

DRINGLICHER ANTRAG

der Abgeordneten Dieter Brosz, Wolfgang Zinggl, Freundinnen und Freunde betreffend ORF: Parteipolitik raus, echte Unabhängigkeit rein.

BEGRÜNDUNG

In regelmäßigen Abständen flammt vor allem bei Personalentscheidungen im Österreichischen Rundfunk die Debatte um parteipolitische Einflussnahmen auf. Wie die Vergangenheit des größten Medienunternehmens des Landes zeigt, hat das wenig mit den aktuell gerade handelnden Personen zu tun, sondern liegt an der Struktur der Entscheidungsfindung, die dem ORF durch die Politik in Form des ORF­Gesetzes auferlegt wird.

Der Stiftungsrat des ORF besteht zur Zeit aus 35 Personen, von denen fünf vom Zentralbetriebsrat bestellt werden.

6 Mitglieder werden direkt von den im Parlament vertreten politischen Parteien

entsandt,

9 Mitglieder bestellt die Bundesregierung,

9 Mitglieder bestellen die Länder, sprich die jeweils stärkste Partei in den Ländern,

6 Mitglieder bestellt der Publikumsrat, dessen Zusammensetzung ebenfalls mehrheitlich von den jeweiligen Regierungsparteien bestimmt wird.

Selbst bei jenen drei Mitgliedern, die vom Publikumsrat aus dem Kreis der sechs von den RundfunkteilnehmerInnen direkt gewählten Publikumsrätlnnen entsendet werden, hat sich gezeigt, dass in Wahrheit eine parteipolitische Mobilisierung stattfindet: Die unsägliche Faxwahl wurde in der Praxis ein Mobilisierungsmatch zwischen den Parteisekretariaten von SPÖ und ÖVP, aus deren Zentralen die Abstimmungsformulare passenderweise gleich zu Tausenden gefaxt wurden.

In der Struktur der Entscheidungsfindung ist parteipolitische Einflussnahme somit keine Ausnahmeerscheinung, sondern der Kern der Konstruktion. Das ORF-Gesetz sichert der jeweiligen Bundesregierung eine strukturelle Mehrheit in allen Gremien des Österreichischen Rundfunks.


Die Abhängigkeit der Generaldirektorin / des Generaldirektors von der Politik beschränkt sich in der Praxis nicht auf die eigene Wahl. Zwar wird die zentrale Leitungsfunktion einzeln gewählt, in der Praxis wird diese Wahl aber schon von Zugeständnissen für die Bestellung der DirektorInnen und LandesdirektorInnen und weiterer wesentlicher Personalentscheidungen abhängig gemacht. Formal wäre die Generaldirektorin / der Generaldirektor in der Entscheidung für seinen Vorschlag zwar frei, in der Praxis knüpfen viele Stiftungsrätlnnen, insbesondere jene der Länder, ihr Abstimmungsverhalten an weitgehende Zusagen für Postenbesetzungen.

 

Aber auch damit ist es nicht getan. Insbesondere bei budgetären Fragen haben politische Parteien ihren Einfluss immer wieder öffentlich geltend gemacht, sei es bei der Zustimmung zum Budget oder zur Festsetzung der Programmentgelte. Die Frage der Festsetzung des Programmentgelts obliegt etwa formal dem Stiftungsrat und einer behördlichen Prüfung. In der Praxis erfolgt die Freigabe durch die Regierungsparteien - erst vor wenigen Wochen durch die Klubobleute Cap und Kopf.

Personalentscheidungen der letzten Monate machen deutlich, wie sehr der ORF am Gängelband politischer Einflussnahme und persönlicher Interessen hängt:

Der frühere Abgeordnete und Geschäftsführer der Tiroler ÖVP, Helmut Krieghofer, wurde zum Tiroler Landesdirektor bestellt. Noch dazu war Krieghofer in den letzten beiden Jahren Vertreter des Landes Tirol im Stiftungsrat des ORF.

Michael Götzhaber, Mitglied des Stiftungsrats und des Zentralbetriebsrats von der SP-nahen Liste Perspektive" wurde zum Technischen Direktor bestellt.

Am 23. Dezember 2012 gab Generaldirektor Wrabetz die Bestellung des bisherigen Leiters des SPÖ-Freundeskreises im ORF, Nikolaus Pelinka, zu seinem Büroleiter bekannt. Erst Tage danach wurde die Verpflichtung zur Ausschreibung des Dienstpostens erfüllt.

Im Rahmen dieses weihnachtlichen Personalpakets wurde auch die Bestellung des ÖVP-nahen Mitglieds des Zentralbetriebsrats und Stiftungsrats, Robert Ziegler, zum Bundesländerkoordinator bekanntgegeben.

Thomas Prantner, vormaliger Onlinedirektor, der durch die Reduktion von sechs auf vier DirektorInnen seinen Posten verloren hatte, wurde zum stellvertretenden Technischen Direktor ernannt, eine Position, die es vorher nicht gegeben hat. Für Prantner hatten sich BZÖ und FPÖ eingesetzt. Dass Prantner auch unter der neuen Geschäftsführung mindestens den Posten eines Vizedirektors innehaben sollte, war dem Vernehmen nach eine Bedingung von FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger für die Wiederwahl von Generaldirektor Alexander Wrabetz. Steger wurde damals mit den Worten zitiert: ,lch werde meine Stimme von der Zukunft des Online-Direktors Thomas Prantner abhängig machen.‘“ (Standard, 23. 12. 2011)

Im Vorfeld der ORF-Gesetzesnovelle im Jahr 2010 haben Bundeskanzler Faymann und Medienstaatssekretär Ostermayer bereits im März 2009 eine Verkleinerung des ORF-Stiftungsrates angekündigt. Sie sprachen dabei auch von einer Entpolitisierung des Stiftungsrates. In der Praxis hätten dabei die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien ihre Entsendungsrechte verloren, nicht aber die Bundesregierung. Der Versuch, den Einfluss der Regierungsparteien noch weiter auszubauen und diesen Schritt auch noch als Ausbau der Unabhängigkeit des ORF zu verbrämen, ist damals gescheitert.


Es ist hoch an der Zeit, den ORF in seine parteipolitische Unabhängigkeit zu entlassen. Dabei ist es irrelevant, ob Stiftungsratsmitglieder durch politische Parteien oder durch Bundes- und Landesregierungen bestellt werden, ob sie in den letzten vier Jahren eine politische Funktion innehatten oder nicht. Eine deutliche Verbesserung kann es nur geben, wenn die Bestellung der Stiftungsrätlnnen auf eine breite Basis gestellt wird und es keine Möglichkeit für die politischehn Parteien mehr gibt, unangepasstes Abstimmungsverhalten durch einen Austausch der Personen zu sanktionieren.

Die Grünen schlagen daher in Anlehnung an das ÖIAG-Gesetz einen sich selbst erneuernden Stiftungsrat mit zeitlich beschränkter Funktionsperiode vor. Die Beschickung des ersten Stiftungsrats nach einer Novellierung des ORF-Gesetzes soll nicht durch die Bundesregierung, sondern durch einen Gründungskonvent nach einem öffentlichen Hearing stattfinden. Die Verpflichtung, die Länder vor den Bestellungen der Landesdirektorlnnen anhören zu müssen, ist zu streichen. Damit nicht nur parteipolitische sondern auch persönliche Interessen hintangestellt werden, muss die Möglichkeit eines direkten Wechsels vom Stiftungsrat in das Unternehmen selbst, bzw. bei den ArbeitnehmervertreterInnen in das Direktorium verunmöglicht werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 28. März 2012 eine Regierungsvorlage betreffend eine Novelle des ORF-Gesetzes zuzuleiten, die zur Entlassung des Österreichischen Rundfunks (ORF) in die parteipolitische Unabhängigkeit folgende Regelungen umfassen soll:

1.   Neugründung des Stiftungsrats

 

Der ORF-Stiftungsrat soll nach dem Vorbild des ÖIAG-Gesetzes in ein sich selbst erneuerndes Gremium umgewandelt werden. Der Stiftungsrat besteht aus fünfzehn Mitgliedern, wovon zehn von einem Gründungskonvent zu wählen und fünf als Arbeitnehmer-VertreterInnen vom Zentralbetriebsrat zu bestellen sind. Die VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen sollen bei der Wahl der Generaldirektorin / des Generaldirektors sowie der DirektorInnen und LandesdirektorInnen kein Stimmrecht haben.

 

Analog zum ÖIAG-Gesetz scheiden von den zehn zunächst vom Gründungskonvent gewählten Aufsichtsratsmitgliedern nach dem zweiten und vierten Jahr jeweils zwei sowie nach dem sechsten und achten Jahr jeweils drei Mitglieder aus. Die Funktionsperiode beträgt somit grundsätzlich acht, für die vom Gründungskonvent gewählten Mitglieder beträgt sie zwei bis acht Jahre. Die Bestellung neuer Stiftungsratsmitglieder sowie die Wahl von


Ersatzmitgliedern für vorzeitig ausgeschiedene Stiftungsratsmitglieder obliegt den gewählten Stiftungsrätlnnen.

 

Im Unterschied zum ÖIAG-Gesetz erfolgt die Bestellung des ersten nach der Gesetzesnovellierung gewählten Aufsichtsrates nicht der Bundesregierung, sondern einem Gründungskonvent.

Per Gesetz sind jene Institutionen und Organisationen festzulegen, die eine Vertreterin bzw. einen Vertreter in den Gründungskonvent entsenden können. Das gesellschaftliche Spektrum soll dabei möglichst breit abgebildet werden, von VertreterInnen der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen über wissenschaftliche Institutionen, Interessensverbände bis zu NGOs. Politische Parteien und statutarisch an sie gebundene Vorfeldorganisationen wie etwa die politischen Akademien sind nicht delegierungsberechtigt. Der Gründungskonvent besteht aus mindestens 50 und maximal 100 Personen.

Der Gründungskonvent wählt die Aufsichtsratsmitglieder nach einem öffentlichen Hearing.

2.   Verhinderung politischer Einflussnahme der Landeshauptleute

Die Verpflichtung der Generaldirektorin / des Generaldirektors, vor Erstattung eines Vorschlags für die Bestellung und Abberufung von LandesdirektorInnen, eine Stellungnahme des jeweiligen Bundeslandes einzuholen (§ 23, Abs. 2,  Zif. 3 des ORF-Gesetzes), ist ersatzlos zu streichen.

3.   Ausschluss persönlicher Interessen von Stiftungsratsmitgliedern

Damit neben parteipolitischen Beeinflussungen im Stiftungsrat auch allfällige persönliche Interessen als Druckmittel für Entscheidungen wegfallen, ist es den gewählten Mitgliedern des Stiftungsrates per Gesetz zu  untersagen,  während ihrer Funktionsperiode in Geschäftsbeziehungen zum ORF zu treten.  Ebenso ist ein Wechsel von Stiftungsratsmitgliedern in das Unternehmen in den ersten vier Jahren nach Beendigung Ihrer Stiftungsratstätigkeit zu untersagen.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 1 GOG verlangt.