2173/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 05.12.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Vilimsky
und weiterer Abgeordneter

betreffend Einrichtung einer Linksextremismus-Datenbank im BMI

 

Dem Verfassungsschutzbericht 2012 des Bundesministeriums für Inneres konnte zum Thema „Linksextremismus“ folgendes entnommen werden:

 

„Allgemeines

Mit Gewaltakzeptanz und -befürwortung verbundene linksextreme Positionen, die für die Durchsetzung ihrer und in der Auseinandersetzung mit anderen politischen Weltanschauungen bewusst Gesetzesbrüche einkalkulieren, sind Beobachtungsgegenstand der österreichischen Staatsschutzbehörden. Die sich daraus ableitenden

Aufgabenbereiche umfassen sowohl die Abwehr der von einschlägigen Gruppen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit als auch den Schutz des Staates gegen verfassungsfeindliche Strömungen, um die störungsfreie Funktion demokratischrechtsstaatlicher Einrichtungen zu gewährleisten.

 

Überblick

Akteurinnen und Akteure

Im Berichtsjahr 2011 wurde der Phänomenbereich Linksextremismus von autonom-anarchistischen Verbindungen, marxistisch-leninistisch-trotzkistischen Gruppierungen und ereignisbezogenen Mobilisierungsanlässen geprägt.

Als aktivste Szenebereiche stellten sich die autonom-anarchistischen Verbindungen dar. Die von ihnen gesetzten Aktivitäten fokussierten sich primär auf Proteste gegen „Rechts“, das österreichische Asylwesen, Wirtschafts- und Sozialkritik sowie die Erzwingung von „Freiräumen“ durch Hausbesetzungen. Kundgebungen und Protestaktionen zu diesen Themenbereichen führten mehrmals zu gewalttätigen Aktionen mit Körperverletzungen sowie zu Sachschäden. Während in diesem Spektrum eine hohe Gewaltbereitschaft evident ist, ist das ideologische Niveau der autonom-anarchistischen Aktivistinnen und Aktivisten als eher niedrig einzustufen. Teilweise steht hinter ihren militanten Aktionen kein politisches Ziel sondern reine „Erlebnisorientierung“.

Die marxistisch-leninistisch-trotzkistischen Gruppen, die eine revolutionäre Umformung der Gesellschaft anstreben, weisen ein hohes Ideologie-Niveau auf. Im Hinblick auf die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit traten sie im Jahr 2011 aber kaum in Erscheinung. Die von ihnen thematisierten Bereiche konzentrierten sich auf Wirtschafts- und Sozialkritik, das österreichische Asylwesen und die gewalttätigen sozialen Unruhen in Großbritannien zur Jahresmitte 2011, die als notwendig und unausweichlich eingestuft wurden.


Die seit Jahren bestehende Spaltung der linksextremistischen Szene in getrennt agierende Spektren wurde im Jahr 2011 anlassbezogen in mehreren Fällen überwunden. So bildeten sich temporäre Kooperationsplattformen im Zusammenhang mit Protesten gegen den Ball des Wiener Korporations-Ringes (WKR-Ball) und bei Kundgebungen gegen die negativen Folgen der Globalisierung.

Im Vergleich zum Vorjahr zeigten im Jahr 2011 die Straftaten, die linksextremistischen Gruppierungen zugerechnet werden konnten, eine rückläufige Tendenz.

 

 

 

Themen und Aktivitäten

Im Jahr 2011 war „Antifaschismus“ der Themenbereich mit dem größten Mobilisierungspotenzial. Dabei wurden analog zu den Vorjahren nicht nur radikale und extremistische Gruppierungen zum Ziel von Protesten sondern auch im Parlament vertretene Parteien.

Zentrales Protestziel der gesamten österreichischen linksextremen Szene – vor allem unter starker Beteiligung des autonomen Spektrums – war der WKR-Ball in Wien. Am 27. Jänner 2011 erfolgten sowohl angemeldete als auch unangemeldete Proteste   gegen die Veranstaltung, an denen rund 600 Personen teilnahmen. Dabei kam es

zu diversen Sachbeschädigungen und zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Exekutive, die zu mehreren gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Festnahmen   sowie zu einer Reihe von Anzeigen führten.

Angehörige der autonom-anarchistischen Szene in Salzburg nahmen im Jahr 2011 mehrfach an antifaschistischen Kundgebungen in Deutschland teil.

Anlässlich des im Juni 2011 in Wien abgehaltenen „World Economic Forum-Regionalgipfels für Europa und Zentralasien“ wurden von mehreren Gruppierungen globalisierungs- und kapitalismuskritische Proteste angekündigt und Mobilisierungsversuche unternommen. Die letztendlich stattgefundenen Kundgebungen – an denen auch Vertreterinnen und Vertreter der linksextremen Szene teilnahmen – waren

in quantitativer Hinsicht nur schwach besucht und verliefen ohne sicherheitspolizeilich oder strafrechtlich relevante Vorfälle.

Im Berichtsjahr wurden von Angehörigen und Gruppierungen der linksextremen Szene mehrere Hausbesetzungen durchgeführt. Dabei wurde wiederholt die neue Strategie verfolgt, die Objekte nur kurzzeitig „in Besitz zu nehmen“ und noch vor dem Eintreffen der Exekutive die Örtlichkeit wieder zu verlassen. Die auf Nachhaltigkeit angelegten Besetzungen wurden behördlicherseits in der Regel durch Verhandlungen beendet. In Wien fand im November 2011 im Anschluss an die freiwillige und widerstandslose Räumung eines besetzten Hauses eine Demonstration statt, in deren Zuge Sachbeschädigungen verübt und vier Personen festgenommen wurden.

Eine in einem originären Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise stehende Zunahme linksextremistischen Gedankengutes ist in Österreich nicht evident. Kapitalismuskritische Gruppen aus dem linksradikalen bis linksextremen Bereich organisierten im Berichtsjahr themenbezogene Veranstaltungen und behandelten die Wirtschaftskrise

auf ihren Internetseiten. In mehreren Bundesländern wurden Kundgebungen mit direktem oder indirektem Bezug zur Wirtschaftskrise durchgeführt. Diese waren in zahlenmäßiger Hinsicht jeweils nur schwach besucht und verliefen ohne staatspolizeilich relevante Vorfälle.

 


Organisationen

Kommunistische Kaderparteien

Die marxistisch-leninistischen Gruppen stellen ihrer politischen Arbeit das Element des revolutionären Umbruchs voran. Dieser soll durch eine sogenannte politische Avantgarde, die in einer revolutionären Kaderpartei organisiert und deren Aufgabe die Heranführung von möglichst breiten Bevölkerungsschichten an die Bewegung ist,

erfolgen. Innerhalb der Partei agieren deren Mitglieder nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus, wonach Beschlüsse der Leitungsgremien strikt zu befolgen und Fraktionsbildungen innerhalb der Partei verboten sind.

Trotzkistische Gruppen sehen sich als Betreiber der „permanenten Revolution“, die sich in einer andauernden Weiterentwicklung des Sozialismus manifestiert. Wesentliches Element ihrer politischen Arbeit ist der Entrismus, d.h. das Unterwandern von demokratischen Organisationen wie Parteien oder Gewerkschaften und die damit verbundene Einflussnahme auf deren Politik.

 

Autonom-anarchistische Szene

Die autonom-anarchistische Szene ist in losen Gruppierungen und Plattformen organisiert, die häufig die Bezeichnung wechseln und den aktuellen Protestzielen angepasst werden. Nur in den wenigsten Fällen bleiben die Gruppierungen und Plattformen über den Anlassfall hinaus bestehen und bilden längerfristig stabile Strukturen. Trotz dieser organisatorischen Wechselhaftigkeit ist aber von einer überschaubaren

Anzahl von Aktivistinnen und Aktivisten auszugehen, die mit ihren Erfahrungen und Kenntnissen zumindest temporär Strukturen aufbauen und vorantreiben.

Bei den Vertreterinnen und Vertretern des autonom-anarchistischen Spektrums ist in den letzten Jahren eine Verflachung der intellektuellen und ideologischen Grundlagen evident. Die meist jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten werden zunehmend von einer weitgehend erlebnisorientierten Motivation angetrieben, die die Auseinandersetzung mit gegnerischen politischen Gruppen und mit der Staatsmacht provoziert und fördert. Die Gefahr einer solchen Entwicklung besteht darin, dass ohne ideologische Klammer die rein militante Aggression zu exzessiver Gewaltanwendung führen kann.

Die autonome Szene wird von einzelnen Exponentinnen und Exponenten der militanten Tierrechtsszene als Schnittstelle zum linksextremistischen Bereich genutzt. Von einer strukturellen und organisierten Zusammenarbeit zwischen der Tierrechtsszene und den Autonomen kann allerdings nicht gesprochen werden.

 

Globalisierungskritische Szene

Die österreichische Antiglobalisierungsszene praktiziert bereits seit Jahren eine gemäßigte Protestkultur und bietet gewaltbereiten Globalisierungskritikerinnen und         -kritikern kaum Entfaltungsspielräume.

Da es sich bei der Globalisierungskritik um einen Themenbereich mit großem Resonanzpotenzial in der Bevölkerung handelt, sind extremistische Kräfte aber bemüht, in diesem Bereich wieder stärkeren Einfluss zu gewinnen.

 

Internationale Verbindungen

Die linksextreme österreichische Szene unterhielt im Jahr 2011 eine Reihe von Kontakten zu ausländischen Gruppierungen. Ein in quantitativer und qualitativer Hinsicht relevanter Austausch zwischen österreichischen Aktivistinnen und Aktivisten und autonom-anarchistischen Gruppen im Ausland konnte im Jahr 2011 aber nicht festgestellt werden. Die Teilnahme von österreichischen Aktivistinnen und Aktivisten an einem No Border-Camp in Bulgarien, an einer Hausbesetzung in Spanien und an mehreren antifaschistischen Kundgebungen in Deutschland ist evident.


Bei mehreren Anlässen – zu nennen sind vor allem die Proteste gegen den WKR-Ball und eine Hausbesetzung in Wien – wurden auch ausländische Szeneexponentinnen und -exponenten in Österreich festgestellt.

 

Kommunikation, Mobilisierung und Medien

Das Internet fungiert als zentrales Medium für die szeneinterne Kommunikation sowie für Propaganda- und Mobilisierungsaktivitäten.

Aber auch die „traditionellen“ Interaktionsformen der persönlichen Begegnung spielen weiterhin eine wichtige Rolle bei der Etablierung und Pflege von Kontakten. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die von autonomen Kreisen betriebenen Info-Läden und die Szenetreffs der diversen Gruppierungen zu nennen. Bei der Knüpfung und Aufrechterhaltung internationaler Kontakte sind unverändert auch Sommerlager und andere Camps von Relevanz.

In mehreren Bundesländern sind alternative terrestrische Radiostationen und Internet-Radiosender szeneintern von Bedeutung. So werden etwa in Form von Live-Sendungen relevante Ereignisse und Kundgebungen kommentiert.

 

Statistik

Im Jahr 2011 sind insgesamt 93 Tathandlungen mit erwiesenen oder vermuteten linksextremen Tatmotiven bekannt geworden (2010: 211 Tathandlungen), wobei eine Tathandlung mehrere Delikte mit gesonderten Anzeigen beinhalten kann. 17 Tathandlungen, das sind 18,3%, konnten aufgeklärt werden (2010: 18,5%).

Im Zusammenhang mit den angeführten Tathandlungen wurden bundesweit 138 Anzeigen, davon 107 nach dem StGB, erstattet.

Im Zuge der Bekämpfung linksextremer Aktivitäten wurden im Berichtsjahr insgesamt 54 Personen zur Anzeige gebracht; 15 der angezeigten Personen waren weiblichen Geschlechts.“

 

 

Der Anfragebeantwortung 10477/AB XXIV. GP zur Anfrage betreffend „Demonstrationen beim WKR-Ball“ konnte entnommen werden:

„Bei der Bundespolizeidirektion Wien sind 49 Anzeigen in Bearbeitung.

Es wurden strafbare Handlungen gemäß folgender Rechtsmaterien angezeigt:

§§ 83 (Körperverletzung), 84 (Schwere Körperverletzung), 125 (Sachbeschädigung), 126 (Schwere Sachbeschädigung), 131 (Räuberischer Diebstahl), 142 (Raub), 173 (Vorsätzliche Gefährdung durch Sprengmittel), und 269 (Widerstand gegen die Staatsgewalt) Strafgesetzbuch, § 50 Waffengesetz, § 43 Schieß- und Sprengmittelgesetz, § 3g Verbotsgesetz, §§ 81 (Störung der öffentlichen Ordnung) und 82 (Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber Militärwachen) Sicherheitspolizeigesetz, § 1 Abs. 1 Z 1 u. Z 2 (Anstandsverletzung und Lärmerregung) Wiener Landes-Sicherheitsgesetz sowie § 76 (Verhalten der Fußgänger) Straßenverkehrsordnung.

Es wurden pyrotechnische Gegenstände sowie eine etwa zwei Meter lange Stange und ein Sprengsatz in Dosenform sichergestellt.

Es kam zu 74 Identitätsfeststellungen und 21 Verhaftungen.

Die Einsatzkräfte wurden unter anderem mit Holzlatten, Steinen, Knallkörpern und Pfefferspray attackiert. Sieben Exekutivbeamte wurden verletzt.“

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird ersucht, schnellst möglich auf Grund der offenkundigen Gewaltbereitschaft von linksextremen Gruppierungen eine spezielle Datenbank zur Erfassung von linksextremen Personen und Personengruppen einzurichten.

 

In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten ersucht.