2216/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 27.02.2013
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ektur für das 21. Jahrhundert

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Harald Walser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Schularchitektur für das 21. Jahrhundert

 

 

BEGRÜNDUNG

 

„Schulgebäude sind stets Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung.“ Das schreibt Christian Kühn, a.o.Univ. Prof. am Institut für Gebäudelehre an der Technischen Universität Wien. Die Räume, in denen Unterricht heutzutage überwiegend stattfindet, beschreibt er wie folgt: „Klassen mit 9 x 7 Metern, die für einen Betrieb im 50-Minuten Takt konzipiert sind, dazwischen Gänge für den Pausenbetrieb, die sich manchmal zu größeren Hallen erweitern dürfen.“ Dieser Gebäudetyp und die Raumaufteilung stammen aus dem 19. Jahrhundert, als im Zuge der industriellen Revolution Arbeitskräfte benötigt wurden, die in endloser Wiederholung die immer gleichen Handgriffe an Maschinen, welche den Arbeitstakt vorgaben, tätigen sollten. Für Kreativität und Entwicklung waren an diesen Schulen und in dieser Arbeitswelt kein Platz und auch keine Nachfrage.

 

In der heutigen Wissensgesellschaft, die sich in rasendem Tempo entwickelt, sind Kreativität, Flexibilität und persönliche Weiterentwicklung Voraussetzungen für individuellen Erfolg. Gelernt wird heute in der Interaktion. Ziel der Bildung ist nicht mehr die Reproduktion eines definierten Wissenskanons. Stattdessen sollen die SchülerInnen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten interaktiv einsetzen, selbstständig handeln können und in heterogenen Gruppen zusammenarbeiten. Der Unterricht an Schulen muss diesen Anspruch deutlich berücksichtigen. Der Raum ist dabei der „dritte Pädagoge“ (neben MitschülerInnen und Lehrkräften).

 

In seinem Vortrag „Neue Lernwelten – konventionelle Schulhaus-Architektur?“ ergänzt Prof. Dr. Franz Hammerer die Anforderungen an den Schulraum: „Kinder und Jugendliche verbringen einen beträchtlichen Teil ihrer Kindheit und Jugend in der Schule, sie durchleben in der Schule eine entscheidende Phase ihrer Entwicklung.“ Er kommt zum folgenden Befund: „Räumliche Gestaltungen haben erhebliche Einwirkungen auf das Bedingungsgefüge des Lernens, soziale Kontakte, körperliches Verhalten, kurz: auf alle Interaktion und Kommunikation in der Schule.“


Prof. Hammerer fordert, Räume vom Lernen her zu denken. So ist man auch bei der Planung und Errichtung der Integrierten Gesamtschule in Göttingen http://www.igs-goe.de/home/  vorgegangen, welche 2011 mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet wurde. Hier stand am Anfang ein Pädagogisches Konzept, welches Grundlage für die Planung und Ausgestaltung der Schule war. Die Schule begreift sich als Lern- und Lebensraum für SchülerInnen und LehrerInnen. Das Raumkonzept wird wie folgt umschrieben: „Eine Schule muss mehr sein als ein Lern- und Arbeitsplatz. Nur wo wir uns gerne aufhalten, lernen wir auch gut. So bietet unsere Schule neben den Clustern der einzelnen Jahrgänge viele Bereiche und Flächen, die es Schülern und Lehrern ermöglichen, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit Unterricht. Einen zentralen Platz hat dabei die Spielezentrale, von der aus unsere Sozialpädagogen Spiele ausleihen, eine Cafeteria betreiben, Disco, Teestube und Billardraum betreuen, Projekte organisieren, das Club- und Wahlangebot sowie die Mittagsfreizeit koordinieren, den Zirkus leiten und vor allem ständig als Ansprechpartner für Schüler, Lehrer und Eltern zur Verfügung stehen. Aber auch die großzügigen und kindergerecht gestalteten Außenflächen, das schuleigene Kino, die Musikübungsräume, die zur Mittagsfreizeit geöffnete Sporthalle mit Kletterwand und das offene Forum sorgen dafür, dass unsere Schüler nach Unterrichtsschluss die Schule nicht fluchtartig verlassen.

Auch die Lehrer verbringen hier viel Zeit über ihren Unterricht hinaus. Die Möglichkeit dafür bieten die kleinen übersichtlichen Teamräume, in denen jede Lehrkraft einen eigenen Arbeitsplatz hat, die aber ebenso zum Gespräch über den vergangenen Schultag bei einem gemeinsamen Kaffee einladen.“

 

Wie wenig ausreichend der Schulentwicklungsplan in Österreich gediehen ist, zeigt die Diskussion Ende Jänner dieses Jahres um die neue Arbeitsstätten-Verordnung. Die APA hat dazu wie folgt berichtet: „Eigentlich hätte am 29. Jänner eine Änderung der Bundes-Arbeitsstätten-Verordnung den Ministerrat passieren sollen, mit der künftig auch an den Schulen vorgegeben werden soll, wie viel Platz Lehrern bzw. Schülern zusteht. Die ÖVP hat die Novelle allerdings kurzfristig abgelehnt. Sie sah sich mit den geplanten fünf Quadratmeter pro Lehrer sowie 1,5 Quadratmeter für jede weitere Person im Raum an Legebatterie-Haltung erinnert, wie mehrere Tageszeitungen berichteten. Beim Koalitionspartner SPÖ sorgte dieses Vorgehen für Unverständnis. (…) Dazu BM Heinisch-Hosek: `Kein Kind verbringe seine Zeit in der Schule tatsächlich auf so wenig Platz, tatsächlich stünden pro Schüler zehn bis 15 Quadratmeter zur Verfügung. Bei der Verordnung gehe es um technische Fragen wie das CO2-Volumen oder den Abstand zur Tafel in der Klasse`.“

 

Die angeführten technischen Fragen versucht das Fraunhoferinstitut in Stuttgart zu erforschen. Um die Luftströme und damit die Frischluftzufuhr in Klassenräumen zu ermitteln, wurden Musterschulräume eingerichtet:


©Fraunhofer IBP

Die genannten Anforderung, Probleme und Ziele sind auch in Österreich bereits bekannt und werden bei Schulneubauten zunehmend berücksichtigt. So setzen ländliche Regionen z.B. in Vorarlberg auf multifunktionale Neubauten, die durch flexible und offene Raumgestaltung eine vielfältige Nutzung der geschaffenen Räume ermöglicht. In Wien werden in den neuerschlossenen Stadterweiterungsgebieten Bildungseinrichtungen nach Campusmodellen errichtet, die Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen beherbergen können. Auch dort setzt man zumindest teilweise auf moderne Schularchitektur, in dem Cluster für die einzelnen Lerngruppen eingerichtet werden sollen.


Schematische Darstellung eine Schulcampis ©PPAG

 

In diesem Zusammenhang hat auch der Österreichische Baukulturreport 2011 einen Schwerpunkt auf Schulen und Kindergärten gelegt. Der Baukulturreport wurde im Auftrag des Bundeskanzleramtes von der plattform baukultur www.plattform-baukultur.at unter der Leitung von DI Dr. Bernhard Steger erstellt und im April dem Parlament vorgelegt.

 

Der Baukulturreport 2011 stellt eine hervorragende Zusammenschau österreichischer Schularchitektur dar und zeigt an Hand nationaler und internationaler Best-Practice-Beispiele, wie Räume und Gebäude gestaltet werden können, damit moderner, individualisierter und kompetenzorientierter Unterricht darin stattfinden kann. Die Grundlagen einer Entwicklung hin Lern- und Lebensräumen haben die AutorInnen des Baukulturreports in ihren abschließenden Empfehlungen zusammengefasst.  

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, gemeinsam mit den jeweils zuständigen BundesministerInnen und Verantwortlichen in den Ländern und Gemeinden bei Sanierungen, Um- und Neubauten von Schulgebäuden die Empfehlungen des Österreichischen Baukulturreportes 2011, vorgelegt vom Bundeskanzler, umzusetzen, die da lauten:

  1. Auftrag zur Innovation

Vergabe von Bauvorhaben des Bundes im Bildungsbereich mit dem Auftrag zur räumlich-pädagogischen Innovation

  1. Partizipation als Pflichtprogramm

Durchführung einer moderierten Vorlaufplanes unter Mitwirkung aller maßgeblichen Beteiligten bei allen Neubauten, Umbauten und Sanierungen. Ziel ist ein räumlich-pädagogisches Konzept.

  1. Forschung und Vernetzung

Das Österreichische Institut für Schul- und Sportstättenbau als Drehscheibe für den Know-How-Transfer und zur Vernetzung mit in- und ausländischen AkteurInnen und Plattformen.

  1. Verbesserung der Datenbasis

Erfassung der Datenbasis zur Liegenschaftsverwaltung für sämtliche Schulen sowie über die Auslastung der Standorte.

  1. Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung

Eine klare Verantwortlichkeit der Gemeinden für die Primarstufe und die Sekundarstufe I und des Bundes für alle Bereiche ab der Sekundarstufe II. Dies empfehlen auch die ExpertInnen des Rechnungshofes, KDZ und IHS in Ihrem Papier über die Verwaltungsreform

  1. Förderung von Bildungslandschaften

Verstärkte Kooperation von lokalen oder regionalen Bildungsanbietern (vom Kindergarten bis zur Volkshochschule) in „Bildungslandschaften“ als Teil der sozialen Infrastruktur.

  1. Demokratiewerkstatt als „Schule der Republik“

Die Demokratiewerkstatt des Parlaments als exemplarische „Schule der Republik“ und als pädagogisches und räumliches Vorbild für die Schule der Zukunft.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss  vorgeschlagen.