Eingebracht am 22.05.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Parlamentarische Materialien
Nationalrats-Wahlordnung und Europawahlordnung - Barrierefreies Wählen
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde
betreffend Nationalrats-Wahlordnung und Europawahlordnung - Barrierefreies Wählen
BEGRÜNDUNG
Die UN-Behindertenrechtskonvention, die von Österreich im Jahr 2008 ratifiziert wurde, schreibt in Artikel 29 die „Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen und öffentlichen Leben“ vor. Konkret muss Österreich sicherstellen, dass „Wahlverfahren, -einrichtungen und –materialien geeignet, zugänglich und leicht zu verstehen und zu handhaben“ sind. Derzeit werden WählerInnen mit Behinderungen in einigen Bereichen noch immer benachteiligt und damit die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention nicht umgesetzt.
Um barrierefreies Wählen zu ermöglichen, bedarf es einer Reihe von gesetzlichen Veränderungen in der Nationalrats-Wahlordnung und der Europawahlordnung.
Im Bereich der Barrierefreiheit müssen die teilweise nun knapp 15 Jahre alten Bestimmungen an die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention sowie an die das Behindertengleichstellungsgesetz angepasst werden.
Gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Vergabe von Vorzugsstimmen müssen die Maßnahmen für WählerInnen mit Behinderungen ergänzt werden wie etwa für blinde und sehbehinderte Menschen die verpflichtende Verankerung von Hilfsmitteln zur Ermöglichung der selbständigen Wahlausübung (z.B. Wahlschablonen), die derzeit nur als Kann-Bestimmung verankert sind.
Ebenso sind die Regelungen über die Inanspruchnahme einer Begleitperson zu präzisieren. Derzeit ist zwar in § 66 Nationalrats-Wahlordnung verankert, dass sich körper- oder sinnesbehinderte Wähler von einer Person, die sie selbst auswählen können und gegenüber dem Wahlleiter bestätigen müssen, führen und bei der Wahlhandlung helfen lassen. Einschränkend ist jedoch, dass über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme einer Begleitperson im Zweifelsfall die Wahlbehörde entscheidet. Dieses Recht auf eine Begleitperson sollte ohne Einschränkung gewährt und an den Besitz eines Bundes-Behindertenpasses gekoppelt werden.
Wahlinformationen sind verpflichtend auch in Leichter-Lesen-Version und in Österreichischer Gebärdensprache anzubieten.
Das Vorzugsstimmensystem in der Nationalratswahlordnung ist auch in anderen Bereichen für die Grünen unbefriedigend. In der Zusammenschau der Vorzugsstimmensysteme für die Nationalratswahl und die jeweiligen Landtags- und Gemeinderatswahlen finden die WählerInnen eine verwirrende, wenn nicht irreführende Vielfalt vor, sodass das Vorzugsstimmenrecht ohne Bemühungen um Einheitlichkeit und Klarheit kaum zu mehr demokratischer Mitwirkung führen wird.
Die im März beschlossene Vorzugsstimmenregelung widerspricht auch dem verfassungsrechtlichen Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Da die Vorzugsstimmenvergabe nicht gendergerecht ausgestaltet ist, wird der Frauenanteil im Nationalrat eher sinken.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert,
a) dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, in dem die Nationalrats-Wahlordnung (NRWO) und die Europawahlordnung in folgenden Punkten abgeändert werden bzw.
b) im Sinne der Vereinheitlichung mit den Ländern Gespräche zur Umsetzung dieser Punkte in den Wahlrechten der Länder zu führen:
- Verpflichtende Verankerung von Hilfsmitteln zur Ermöglichung der selbständigen Wahlausübung.
- Verpflichtende Bereitstellung von Wahlinformationen in Leichter-Lesen-Version.
- Verpflichtende Bereitstellung von Wahlinformationen in gebärdensprachunterstützter Videoform.
- Anpassung der Vorschriften zur Barrierefreiheit an die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention und an die Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes.
- Hilfestellung bei der Vergabe der Vorzugsstimme für blinde und sehbehinderte Menschen.
- Verpflichtende Verankerung des Rechtsanspruches auf Inanspruchnahme einer Begleitperson bei Vorlage des Bundes-Behindertenausweises.
- Schaffung von einheitlichen Schwellen für die Relevanz von Vorzugsstimmen: Auf Regional-, Landes- und Bundesebene in der NRWO und in der Europawahlordnung sollen 10 % der Parteistimmen oder die Erreichung der Wahlzahl für die Vorreihung von Kandidatinnen oder Kandidaten genügen.
- Schaffung eines gendergerechten Vorzugsstimmenrechtes:
Auf jeder Wahlebene sollen zwei Vorzugsstimmen vergeben werden können.
Mindestens eine Vorzugsstimme muss einer Kandidatin gegeben werden.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.