32/A XXIV. GP

Eingebracht am 28.10.2008
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ANTRAG

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert wird (Bleiberechtsgesetz – 2008)

 

 Der Nationalrat wolle beschließen:

 Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 geändert werden (Bleiberechtsgesetz – 2008)

 Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Artikel 1

Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, Artikel 4 des BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006, wird wie folgt geändert:

1. § 2 Abs. 1 Z 16 wird nachstehende Z 17 angefügt:

„17. Humanitäre Gründe: Umstände, die insbesondere vorliegen, wenn im Falle der Versagung eines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet oder durch die Beendigung des Aufenthalts in eines durch die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder in eines der durch ein Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützten Rechtsgüter unverhältnismäßig eingegriffen werden würde.“


2. § 11 Abs. 3 lautet:

„(3) Ein Aufenthaltstitel ist trotz Ermangelung der Voraussetzungen gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 oder eines Quotenplatzes erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist.“

3. § 72 Abs. 1 lautet:

§ 72. (1) Die Behörde kann Fremden, welche die allgemeinen Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 11 nicht erfüllen, aus humanitären Gründen (§ 2 Abs. 1 Z 17) auf Antrag oder von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen.

4. § 73 – § 75 lauten:

Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen

§ 73. (1) Die Behörde kann Fremden, die seit mehr als fünf Jahren überwiegend im Bundesgebiet aufhältig sind und welche die allgemeinen Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach § 11 nicht erfüllen, aus humanitären Gründen (§ 2 Abs. 1 Z 17) auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ erteilen. Hält sich der betreffende Fremde länger als acht Jahre überwiegend im Bundesgebiet auf, wird widerleglich vermutet, dass humanitäre Gründe vorliegen.

(2) Fremden, die über keinen Aufenthaltstitel nach diesem Bundesgesetz verfügen, ist auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ zu erteilen, wenn

1.      die Durchführung eines fremdenpolizeilichen Verfahrens ergeben hat, dass ihre Ausweisung oder die Verhängung eines Aufenthaltsverbot oder eines Rückkehrverbots nach § 66 FPG unzulässig ist;

2.      die Asylbehörden festgestellt haben, dass ihre Ausweisung nach § 10 AsylG 2005 unzulässig ist;

3.      die Fremdenpolizeibehörden festgestellt haben, dass ihre Abschiebung nach § 50 FPG unzulässig ist und ihre Abschiebung deshalb bereits mehr als ein Jahr aufgeschoben wurde (§ 46 Abs. 3 FPG);

4.      sie sich seit mehr als fünf Jahren überwiegend im Bundesgebiet aufhalten und ihre Abschiebung aus tatsächlichen Gründen bereits mehr als zwei Jahre aufgeschoben wurde (§ 46 Abs. 3 FPG);

5.      sie seit mehr als drei Jahren über eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen verfügen.


Bleiberecht für Asylwerber

§ 74. Fremde, die vor 1. Jänner 2006 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, ist auf Antrag der Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen, wenn sie sich seit diesem Zeitpunkt überwiegend im Bundesgebiet aufgehalten haben und

1.      ihre Mitwirkungspflicht nicht verletzt haben und

2.      über ihren Antrag nach dem jeweils gültigen Asylgesetz nicht rechtskräftig entschieden wurde und

3.      sie nicht wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist und vorsätzlich begangen wurde, rechtskräftig verurteilt worden sind.

Verfahrensbestimmungen

§ 75. (1) Anträge auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen können im Inland gestellt und deren rechtskräftige Entscheidung im Inland abgewartet werden. Dies gilt nicht, wenn innerhalb eines Jahres nach rechtskräftiger Entscheidung nach diesem Hauptstück ein weiterer Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gestellt wird.

(2) Anträge von Asylwerbern sind als unzulässig zurückzuweisen, sofern nicht die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 Z 1 und 2 oder § 74 vorliegen. Anträge von Fremden sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens gestellt wird.

(3) Die Behörden haben den Asylbehörden die Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ mitzuteilen, sofern ein Asylverfahren anhängig war oder ist.“

Artikel 2

Änderung des Asylgesetzes 2005

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, wird wie folgt geändert:

§ 25 Abs. 1 Z 4 wird nachstehende Z 5 angefügt:

„5. wenn die Aufenthaltsbehörde gem. § 75 Abs. 2 NAG mitteilt, dass dem Fremden der Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ erteilt worden ist.“


Artikel 3

Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005

Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006, wird wie folgt geändert:

1. Nach § 46 Abs. 3 wird nachstehender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) Die Abschiebung eines Fremden, der einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gestellt hat, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag unzulässig. Dies gilt nicht, wenn der Antrag innerhalb eines Jahres nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens oder nach einer rechtskräftigen Entscheidung nach dem 7. Hauptstück des 2. Teiles des NAG gestellt wird.“

2. Nach § 65 Abs 2 wird nachstehender Abs 2a eingefügt:

„(2a) Das Aufenthaltsverbot oder das Rückkehrverbot tritt außer Kraft, wenn einem Fremden ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen gemäß § 72 bis 74 NAG erteilt wird.

3. § 88 Abs. 1 Z 6 wird nachstehende Z 7 angefügt:

„7. Fremde, denen eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ aus humanitären Gründen erteilt wurde und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen.“

Begründung:

Mit dem vorgeschlagenen Bundesgesetz sollen im Wege des Ausbaus des „Humanitären Aufenthaltsrechtes“ und im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention verschiedenen sozialen und rechtlichen Härten, die aus dem Fremdenrechtspaket 2005 entstanden sind, begegnet werden, die AusländerInnen dadurch entstehen, dass ihnen aus welchem Grunde auch immer kein Aufenthaltsrecht zukommt, obwohl sie sich über einen bereits längere Zeit hinweg im Bundesgebiet aufgehalten haben und als integriert gelten können. Dies betrifft zum einen zahlreiche AsylwerberInnen, deren Asylverfahren über viele Jahre andauern und nicht rechtkräftig abgeschlossen wurden, zum anderen aber auch Personen, die sich ohne Aufenthaltstitel seit Jahren im Bundesgebiet befinden und als integriert gelten können. Im Hinblick auf die zahlreichen jahrelangen Asylverfahren wird vor dem Hintergrund der angedachten Einrichtung eines „Asylgerichtshofes“ bzw. einer Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit eine einmalige an einen fixen Termin gebundene Überleitung der betroffenen Personen ins Aufenthalts- und Niederlassungsrecht vorgeschlagen; ohne einen raschen Abbau der tausenden Altfälle ist die Einrichtung einer echten Verwaltungsgerichtsbarkeit im Asylbereich nicht zielführend.

Um nur im unbedingt nötigen Ausmaß in die Rechtssystematik einzugreifen, wurde davon Abstand genommen, einen neuen Aufenthaltstitel zu schaffen; der vorliegende Entwurf knüpft daher an gegebene Systematik des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes an, auch wenn die Struktur dieses Gesetzes in wesentlichen Punkten einer systematischen Vereinfachung und Bereinigung bedürfte. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es nicht Ziel des vorgeschlagenen Bleiberechtsgesetzes ist, sämtliche Probleme des Fremden- und Asylrechtswesens zu bereinigen; vielmehr geht es um die punktuelle Behebung derzeit dringend anstehender Probleme.

Zu Art. 1 (Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes):

Zu Z 1:

Zunächst soll in § 2 eine inhaltliche Umschreibung der sog. „Humanitären Gründe“ eingefügt werden. Diese Umschreibung wurde bewusst weit gewählt, um in allen erdenklichen Fällen den menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben insbesondere jenen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in möglichst weitem Umfang entsprechen zu können. Dabei kommen – neben anderen menschenrechtlichen Aspekten – insbesondere Art 3 EMRK (Verbot der Folter) und Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) tragende Bedeutung zu. In welchen Fällen durch die Versagung eines Aufenthaltsrechts oder durch eine Aufenthaltsbeendigung in ein durch die EMRK und ihrer Zusatzprotokolle geschütztes Rechtsgut eingegriffen werden würde, ist im Wesentlichen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu entnehmen. Ein völkerrechtskonformer Ansatz sollte diesbezüglich im Vordergrund stehen. Im Grunde ist jener Personenkreis betroffen, der unter den besonderen Schutz der EMRK fällt.

Für jene Personen, die über Jahre den Aufenthalt und damit den Mittelpunkt ihres Lebens im Bundesgebiet haben, gewinnt mit zunehmender Dauer des Aufenthalts Art. 8 EMRK an Bedeutung. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die Begriffe „Privatleben“ und „Familienleben“ keine gegensätzliche Begriffe sind, sondern einander ergänzen; das „Familienleben“ geht – dem Wortlaut der EMRK folgend – im „Privatleben“ weitgehend auf; die durch Art. 8 EMRK gewährten Rechte überschneiden einander. Das bedeutet aber, dass Art 8 EMRK nicht nur Ehepaare und nahe Verwandte schützt, sondern auch jene Personen, die im Bundesgebiet wesentliche Anknüpfungspunkte ihrer Lebensbeziehungen vorweisen können. Dazu gehören auch Beziehungen zu anderen Menschen (nicht nur im Rahmen einer Ehe), inländischer Grundbesitz, Zugehörigkeit zu Vereinigungen, Berufsumfeld, emotionale Bindungen an Wohnungen und Sprachkenntnisse. Dabei kommt es auf eine Gesamtbetrachtung an; es wäre nicht im Sinne der EMRK, ausschließlich auf die Kenntnis der deutschen Sprache und der österreichischen Geschichte und Kultur abzustellen, wenn dies auch in Einzelfällen eine Rolle spielen mag. Der Gesetzesvorbehalt nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist auch im gegebenen Zusammenhang von Bedeutung; grundsätzlich ist vor diesem Hintergrund eine Abwägung zwischen privaten und öffentlichen Interessen vorzunehmen (s dazu etwa auch § 66 FPG). An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass Art. 8 EMRK in besonderen Fallkonstellationen Vertragsstaaten auch verpflichten kann, die Einreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen.

Mit dem Wort „unverhältnismäßig“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Definition der Humanitären Gründe nur solche Umstände erfasst, die sich wesentlich auf die Situation der betreffenden Person auswirken können. Diesbezügliche Ansätze sind den im Asylrecht entsprechend entwickelten Grundsätzen zur maßgeblichen Schwere einer Verfolgungsgefahr bzw. zum Rechtsinstitut des subsidiären Schutzes zu entnehmen. Es gibt Schutzgüter nach der EMRK, bei denen ein Eingriff in die geschützten Rechte typischerweise unverhältnismäßig ist; dies betrifft etwa Eingriffe in das Recht auf Leben, Verstöße gegen das Folterverbot, Eingriffe in das Recht auf Privat- und Familienrechte, insbesondere wenn diese Eingriffe längerfristig sind. Dessen ungeachtet können auch Eingriffe in andere Menschenrechte unverhältnismäßig sein; in der Regel kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, sodass eine Einzelfallbetrachtung unumgänglich ist.

Zu Z 2:

Bereits nach bestehender Rechtslage ist Art 8 EMRK bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln in der Weise zu berücksichtigen, dass zur Aufrechterhaltung eines Privat- oder Familienlebens ein Aufenthaltstitel auch dann zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen nach Abs 2 Z 1 – 6 nicht erfüllt sind. Diese Bestimmung wird dahingehend erweitert, dass auch ein fehlender Quotenplatz der Erteilung eines Aufenthalttitels nicht entgegensteht, wenn es dadurch zu einem unzulässigen Eingriff in Art 8 EMRK käme. Zu denken ist dabei etwa an Fälle, in denen das Abwarten auf einen Quotenplatz im Rahmen des Familiennachzugs eine unbillige Härte darstellen würde. Durch diese Neuregelung wird das bisherige komplizierte Verfahren des § 73 Abs 4 NAG ersetzt.

Zu Z 3:

Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung mit einem subjektiven Recht verbunden werden, um damit den Parteien auch jenen Rechtschutz zu einzuräumen, den das verfassungsrechtlich verankerte Rechtstaatsprinzip im Grunde erfordert. Zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten in der Rechtsstruktur insbesondere im Hinblick auf das Asylverfahren zu vermeiden, werden besondere Vorkehrungen vorgeschlagen (s dazu unten Z 4 § 74). Entsprechend dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts eines humanitären Aufenthaltsrechts soll dessen Erteilung auch möglich sein, wenn allgemeine Erteilungshindernisse für die Erteilung von Aufenthaltstiteln vorliegen. Dies entspricht dem außerordentlichen Charakter des humanitären Aufenthaltsrechts.

Zu Z 4:

Nicht nur die Erteilung von humanitären Aufenthaltsbewilligungen, sondern auch die Erteilung von humanitären Niederlassungsbewilligungen („Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“) soll mit einem subjektiven Recht verknüpft werden (§ 73 Abs 1). Voraussetzung ist der „überwiegende“ Aufenthalt im Bundesgebiet über eine Dauer von fünf Jahren. „Überwiegend“ ist der Aufenthalt insbesondere dann, wenn sich die betreffende Person während der Frist von fünf Jahren hauptsächlich im Bundesgebiet aufhält, wobei kurzzeitige Unterbrechungen nicht schaden. Dauert der überwiegende Aufenthalt im Bundesgebiet länger als acht Jahre, wird vermutet, dass der Fremde soweit integriert ist, dass humanitäre Gründe einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehen. Der Gegenbeweis bleibt zulässig.

Auf Antrag soll eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ zu erteilen sein, wenn feststeht, dass die Verhängung einer Ausweisung, eines Aufenthaltsverbotes oder eines Rückkehrverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz rechtlich unzulässig ist. Eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ soll auch dann erteilt werden, wenn sich zeigt, dass die Abschiebung nach dem Fremdenpolizeigesetz nicht (mehr) möglich ist (§ 73 Abs 2). Als Indiz dafür wurde die Aufschiebung der Abschiebung (§ 46 Abs. 3 FPG) nach dem Fremdenpolizeigesetz herangezogen. Nach dieser Bestimmung ist „die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 50 FPG) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint“. Ein Widerruf des Abschiebungsaufschubs bleibt grundsätzlich zulässig und richtet sich nach § 68 FPG. Die Beurteilung der rechtlichen wie tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung soll weiterhin den Fremdenpolizeibehörden unterliegen. Erst wenn es rechtlich verbindlich zu einem Abschiebungsaufschub unter den in § 73 Abs. 2 näher umschriebenen Voraussetzungen durch die Fremdenpolizeibehörden kommt, soll die Aufenthaltsbehörde verpflichtet sein, eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ zu erteilen. Um betreffende Personen nicht auf Dauer auf die eher kurzfristige Aufenthaltsbewilligung zu beschränken, soll eine Niederlassungsbewilligung erteilt werden, wenn sich zeigt, dass die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen längerfristig vorliegen, im Näheren wenn die betreffenden Personen länger als drei Jahre über eine Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen verfügen (§ 73 Abs 2 Z 5). Dies liegt nicht nur im Interesse der beteiligten Personen, sondern dient auch Zwecken der Verwaltungsökonomie.

Um einerseits die Asylbehörden und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts von den tausenden anhängigen Verfahren nicht zuletzt im Interesse der Einrichtung eines Asylgerichtshofes (Bundesverwaltungsgerichtshofes) zu entlasten und andererseits die durch die lange Verfahrensdauer verursachte prekäre Situation für AsylwerberInnen zu regeln, aber auch ihrer fortschreitenden Integration über die Jahre der Verfahrensdauer gebührend Rechnung zu tragen, wird ein Bleiberecht für AsylwerberInnen vorgeschlagen (§ 74). Dieses Bleibrecht soll nur wirksam werden, wenn das Asylverfahren nicht ohnehin rechtskräftig abgeschlossen wurde, also zum Entscheidungszeitpunkt noch anhängig ist, die AsylwerberInnen unbescholten sind und sie nicht ihre Mitwirkungspflichten im Asylverfahren verletzt haben. Bezug genommen wird hier auf die in § 15 Abs. 1 AsylG 2005 normierten Mitwirkungspflichten bzw. – soweit diese Bestimmung für AsylwerberInnen, die vor dem 1.1.2006 einen Antrag auf Gewährung von internationalen Schutz gestellt haben, nicht anzuwenden ist – auf die allgemeine Mitwirkungspflicht von Parteien im Verwaltungsverfahren. Während offene Asylanträge bzw. Anträge auf internationalen Schutz nach § 25 Asylgesetz 2005 als gegenstandslos abgelegt werden (Artikel 2), bleiben jene AsylwerberInnen, denen im Ergebnis ein Bleiberecht für Asylwerber nicht zukommt, weiterhin im Asylverfahren; aus völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen darf AsylwerberInnen das Asylverfahren nicht ohne weiteres versagt werden. Das Bleiberecht für Asylwerber ist an einen Stichtag gebunden, sodass es hier um eine einmalige Sanierung der überlangen Dauer von Asylverfahren geht.

Im Gegensatz zur sonstigen Systematik des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes wird aus rechtlichen und humanitären Gründen vorgeschlagen, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auch im Inland gestellt werden können. Zudem soll das Ergebnis der rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen auch im Inland abgewartet werden können. Um Missbräuche zu vermeiden, soll das nicht gelten, wenn innerhalb der Sperrfrist von einem Jahr ein Folgeantrag gestellt wird (§ 75 Abs. 1). Das Recht, den Ausgang des Verfahrens im Inland abzuwerten, begründet nicht zwangsläufig einen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 31 des Fremdenpolizeigesetzes. Eine Abschiebung des Fremden während der Dauer des Verfahrens ist aber nicht zulässig (Artikel 3 Z 1).

Um Doppelgleisigkeiten zwischen Asylverfahren und der Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen nach dem vorgeschlagenen Bleiberechtsgesetz sowie mutwillige Folgeanträge zu vermeiden, werden nähere Verfahrensbestimmungen vorgeschlagen (§ 75 Abs. 2). Anträge von AsylwerberInnen sind grundsätzlich zurückzuweisen. Dies soll erstens dann nicht gelten, wenn sich in einem fremdenpolizeilichen Verfahren herausgestellt hat, dass die Ausweisung, die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes oder die Verhängung eines Rückkehrverbotes unzulässig ist, und zweitens, wenn das Bleiberecht für Asylwerber (§ 74) zum Tragen kommt. Stellen Fremde innerhalb eines Jahres im Rahmen dieses vorgeschlagenen Bundesgesetzes einen oder mehrere Folgeanträge, wären diese als unzulässig zurückzuweisen. Im Kern wird somit eine einjährige Sperrfrist für Folgeanträge vorgeschlagen.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie wird eine besondere Mitteilungspflicht der Behörden vorgesehen, um ohne unnötige Verzögerungen und ohne unnötigen Aufwand die Ablegung des Asylantrags bzw. des Antrags auf internationalen Schutz durch die Asylbehörden zu ermöglichen (§ 75 Abs. 3).

Zu Art. 2 (Änderung des Asylgesetzes 2005):

Mit diesem Bundesgesetz ist auch zu regeln, was mit jenen Asylanträgen bzw. Anträgen auf internationalen Schutz zu geschehen hat, wenn Asylwerbern während des laufenden Asylverfahrens ein humanitäres Aufenthaltsrecht zugesprochen wird. Mit vorliegender Bestimmung wird vorgeschlagen, in diesen Fällen die Anträge von Asylwerbern im Sinne der Bestimmung des § 25 Asylgesetz 2005 „als gegenstandslos abzulegen“. Damit entfällt die Entscheidungspflicht der Asylbehörden ungeachtet dessen, in welchem Stand sich das Verfahren befindet. Mit der Ablegung als gegenstandslos ist keine rechtskräftige Entscheidung in der Sache verbunden.

Zu Art. 3 (Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005):

Zu Z 1:

Im Zusammenhang mit § 75 Abs. 1 NAG des Entwurfs wird vorgeschlagen, dass während der Dauer des Verfahrens über die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels eine Abschiebung unzulässig sein soll; dies betrifft nicht Ausweisungs- oder Aufenthaltsverbotsverfahren, sondern nur deren endgültige Umsetzung, nämlich die Abschiebung als Maßnahme. Wiederum aus dem Grund der Vermeidung von Rechtsmissbrauch soll dies nicht innerhalb der einjährigen Sperrfrist im Zusammenhang mit Folgeanträgen gelten.

Zu Z 2:

Um erteilte humanitäre Aufenthaltsbewilligungen bzw. Niederlassungsbewilligungen entsprechend umsetzen zu können, wird das Außerkrafttreten von Aufenthaltsverboten bzw. Rückkehrverboten nach dem Fremdenpolizeigesetz vorgeschlagen, wenn einem Fremden rechtskräftig ein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen nach dem hier vorgeschlagenen Bleiberechtsgesetz erteilt wird. Aufenthaltsverbote und Rückkehrverbote sollen unmittelbar auf Grund des Gesetzes außer Kraft treten, eines eigenen behördlichen Hoheitsaktes bedarf es demnach nicht.

Zu Z 3:

Nachdem auch die Reisefreiheit völkerrechtlich und innerstaatlich ein geschütztes Rechtsgut ist, soll es auch für Personen, denen ein humanitäres Aufenthaltsrecht zukommt, möglich sein, unter den näheren Voraussetzungen des § 88 Fremdenpolizeigesetz möglich sein, einen Fremdenpass zu beantragen. Dazu ist zunächst erforderlich, dass die betreffende Person ein Reisedokument des Heimatstaates nicht erlangen kann. In weiterer Folge muss die Ausstellung des Fremdenpasses „im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen“ sein, wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass die Umsetzung der Reisefreiheit selbst auch ein Kriterium im Rahmen der „Interessen der Republik“ darstellen kann.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Innenausschuss vorgeschlagen und die Durchführung einer ersten Lesung binnen 3 Monaten verlangt.