34/A XXIV. GP

Eingebracht am 28.10.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Gesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohnes (Mindestlohngesetz)

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz über die Höhe des existenzsichernden Mindestlohnes (Mindestlohngesetz)

㤠1 Mindestlohn

Personen, die einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, gebührt unabhängig der Form der unselbständigen Erwerbstätigkeit ein existenzsichernder Mindestlohn. 

§ 2 Höhe des Mindestlohns

 (1)  Das Einkommen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers aus unselbständiger Erwerbstätigkeit darf € 7,25 für die Arbeitstunde nicht unterschreiten.

 (2)  Kollektivvertragliche Regelungen, gesetzliche Bestimmungen oder Arbeitsverträge, die eine für einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin günstigre Entlohnung vorsehen, bleiben von dieser Bestimmung unberührt.

 § 3 Anpassung

(1)  Der Betrag des Mindestlohns nach § 2 Abs. 1 dieses Gesetzes verändert sich mit 1. Jänner eines jeden Jahres in jenem Maße, in dem sich der von der Statistik Austria verlautbarte Generalindex des Tariflohnindex im Zeitraum zwischen 1. Juli des der Verlautbarung vorhergehenden Jahres und 30. Juni des Jahres, in dem die Änderung verlautbart wird, verändert hat. Eine Verringerung des Mindestlohns ist nicht möglich.

 (2)   Die Anpassung des Mindestlohns für das folgende Jahr gemäß § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes ist vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bzw. der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit zu ermitteln und bis 30. November eines jeden Jahres durch Verordnung kundzumachen.

 § 4 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit 1. Jänner 2009 in Kraft.“


Begründung:

 

Zwei bedenkenswerte europäische Trends lassen sich für den Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte beobachten. Zum einen bleiben Löhne hinter der Produktivitätsentwicklung zurück, so dass die Lohnquoten eine rückläufige Tendenz aufweisen (aktuelle Diskussion um das Auseinanderdriften von Lohn- und Gewinnquoten). Der zweite Trend besteht im Anstieg der Lohnspreizung, also Lohnunterschieden zwischen einzelnen Beschäftigtengruppen innerhalb und zwischen den Branchen. Dies liegt sowohl an einer überdurchschnittlich hohen Lohnentwicklung im oberen Lohnsegment (z.B. bei leitenden Angestellten, ManagerInnen usw.) als auch an einer massiven Ausdehnung des Niedriglohnsektors und des Anteils der sogenannten „working poor“.

 

Die Öffnung, Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte verschärft die Situation weiter. Besonders die Löhne wenig qualifizierter Arbeitskräfte gingen real in den letzten Jahren sogar zurück (Einkommensbericht 2005/2006). Eine besonders von dieser Entwicklung betroffene Gruppe sind vor allem Frauen und MigrantInnen, da diese häufiger in den klassischen Niedriglohnbranchen wie Textilindustrie, Handel,    Reinigung     und    Tourismus    beschäftigt   sind. 

Bereits im Jahr 1997 unterstützten 645.000 Menschen mit ihrer Unterschrift unter das Frauenvolksbegehren die Forderung nach Schaffung eines gesetzlichen Mindestlohns von ATS 15.000,- (umgerechnet: 1090 Euro). Trotz der Untermauerung dieser Forderung mit Fakten, die den Zusammenhang von Geschlecht und niedrigem Arbeitseinkommen belegen, konnte sich bis heute keine Regierung zur Umsetzung der geforderten Maßnahme durchringen.


Niedrige Löhne sind ein Hauptfaktor bei den Ursachen von Armut. Trotz ganzjähriger Vollzeitarbeit verdienten im Jahr 2005 mehr als 90 000 ArbeiterInnen und Angestellte in Österreich weniger als 1000 Euro brutto monatlich, drei Viertel davon sind Frauen (AK/ OÖ 2007). Laut den jüngsten Auswertungen der Statistik Austria waren 2006 7% (230 000 Personen) aller Erwerbstätigen (3,4 Mio) in Österreich armutsgefährdet und 5 % der Bevölkerung in Privathaushalten von „manifester Armut“ betroffen, neben gleichzeitig niedrigem Einkommen haben sie Probleme in zentralen Lebensbereichen wie finanzieller Situation, Wohnen oder Gesundheit (EU-SILC 2006). Niedriglöhne schwächen die Kaufkraft und bedeuten auch geringe bis gar keine Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung, führen zwangsweise zu Armut im Alter und zu einem Finanzierungsproblem der öffentlichen Kassen. Zudem bildet die Ausdehnung des Niedriglohnsektors und Lohndumpings auch einen Nährboden für chauvinistische, rechtspopulistische und nationalistische Kräfte.

 

Die derzeit vorhandene Sozialpartnereinigung, sieht branchenweise kollektivvertragliche Regelungen für Einkommen über 900 Euro bis 2008 bzw. für Einkommen unter 900 Euro bis 2009 vor. Durch diese Mindestlohnregelung sollen je nach Quelle zwischen 20.000 und 50.000 Beschäftigte profitieren. Aus Sicht der Grünen ist diese Maßnahme völlig unzureichend, um das Problem der „working poor“ in Österreich in den Griff zu bekommen. Der geforderte Mindestlohn von 1000 Euro (brutto) (820 Euro netto) ist – nicht nur aufgrund der hohen Inflation – viel zu niedrig. Die Regelung erreicht besonders betroffene Beschäftigten Gruppen außerdem gar nicht, da ein wesentlicher Anteil des Niedriglohnsektors bzw. der von nicht existenzsichernden Einkommen Betroffenen sich außerhalb von Kollektivverträgen geregelten Arbeitsverhältnissen befindet (atypische Beschäftigung).

 

Österreich gehört zur Minderheit jener Länder in Europa, die keinen gesetzlichen Mindestlohn haben. In 20 der 27 EU-Mitgliedstaaten gibt es bereits einen nationalen gesetzlichen Mindestlohn. Die meisten westeuropäischen Länder setzen derzeit eine Lohnuntergrenze von 8 Euro (bei 12 Monatsgehältern). In Luxemburg sind es sogar 9, 08 Euro. In Deutschland werden schrittweise branchenweite wie etwa im Bau oder bei den Postdienstleistungen (8-9,80 Euro) Mindestlohnregelungen auf Gesetzesebne erlassen um das massive Lohndumping, dass die Liberalisierung und die Dienstleistungsfreiheit ausgelöst hat, einzuschränken. Umgerechnet auf die in Österreich üblichen 14 Monatsgehälter ergibt das um die 7,25 Euro.

 

Ein Mindestlohngesetz ist eine klare gesellschaftliche Vorgabe, die sicherstellen soll, dass kein Mensch in Österreich für weniger als € 7,25- die Stunde (brutto) bzw. 1000 Euro (netto) arbeiten muss. Ein Mindestlohn auf Stundenbasis hat den Vorteil, dass er auch Nicht-Vollzeit Erwerbsarbeitsverhältnisse einschließt. Der Mindestlohn unterliegt einer jährlichen Valorisierung entsprechend der Entwicklung des Generalindex des Tariflohnindex. Ein Brutto-Stundenlohn von € 7,25- entspricht einem Vollerwerbseinkommen (40 Stunden) von € 1276- (brutto) oder 999,01 (netto) im Monat. Das gewährleistet existenzsichernde Löhne. Das Gesetz setzt auch für andere Zielsetzungen wie die Verringerung der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern, zwischen Menschen mit migrantischem Hintergrund und Menschen mit österreichischer Herkunft oder für eine koordinierte europäische Mindestlohnpolitik wichtige Impulse. Ein gesetzlicher Mindestlohn stärkt die Kaufkraft der BezieherInnen niedriger Einkommen unmittelbar und liefert daher einen wichtigen Beitrag in der Stärkung der Binnennachfrage und somit ökonomischen Stabilisierung in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs.

 

Ein einheitlicher Mindestlohn und Branchenlösungen schließen einander nicht aus, sie bilden im Gegenteil eine sinnvolle Ergänzung.  Der vorliegende Antrag greift nicht in die Vertragsfreiheit der Kollektivvertragspartner ein, weil er keine Aussage über auszuhandelnde bessere Vertragskonditionen trifft. Um eine erfolgreiche Umsetzung des Gesetzes zu gewährleisten, bedarf es begleitend zum Mindestlohngesetz auch eines Ausbaus der gesetzlichen Maßnahmen zur Kontrolle der Löhne.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen sowie die Durchführung einer ersten Lesung innerhalb von drei Monaten verlangt.