471/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 26.02.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Herabsetzung der Substitutionsziele bei Agrartreibstoffen

 

 

Mit dem Argument, Agrartreibstoffe sollen den Verkehr klimafreundlicher machen, werden auf EU-Ebene und in besonders hohem Ausmaß in Österreich die in Verkehr gebrachten Otto- und Dieselkraftstoffe durch Agrartreibstoffe verpflichtend substituiert. In Österreich wurde der von der EU-Richtlinie geforderte Mindestanteil von 5,75 Prozent an Agrartreibstoffen bereits im Jahr 2008 statt 2010 erfüllt, also zwei Jahre früher als in der EU-Richtlinie gefordert. Im Februar 2009 wurde der Anteil des Agrardiesels in Österreich auf 7 Prozent erhöht, bis zum Jahr 2010 soll ein Substitutionsanteil von 10 Prozent, bis zum Jahr 2020 ein Substitutionsanteil von 20 Prozent erreicht werden.

 

Die Produktion von Agrartreibstoffen ist in der Regel mit Monokulturen und einem hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden verbunden. Eine regionale Versorgung auf Länderebene lässt sich aufgrund der benötigten Anbaufläche in Europa oder Österreich nicht realisieren. Die benötigten Importe sollen in Zukunft zwar einer Zertifizierung unterliegen. Neben Schwächen der Zertifizierung ist jedoch die grundsätzliche Nutzung von Biomasse zum Tanken sehr fragwürdig.

 

KlimaforscherInnen warnen vor dem großflächigen Anbau von Energiepflanzen. Ihr Anbau auf landwirtschaftlichen Flächen sei keine Option. Szenarien zeigen, dass weltweit Waldflächen in Plantagen umgewandelt werden müssten, wenn Energiepflanzen in größerem Umfang angebaut werden. Weltweit häufen sich die Hiobsbotschaften. Agrarkonzerne und Großgrundbesitzer vertreiben Kleinbäuerinnen und indigene Völker von ihrem Grund und Boden, um Platz für riesige Plantagen mit Ölpalmen, Zuckerrohr oder Soja zu schaffen.  Indonesiens Regierung etwa möchte für Palmölplantagen rund zwanzig Millionen Hektar Land freigeben. Dafür stehen jedoch nur die letzten Regenwälder des Inselstaates zur Verfügung. Im südamerikanischen Staat Ecuador trifft der Ausbau der Palmölplantagen die indigenen Völker und eines der artenreichsten Regenwaldgebiete der Erde. In Paraguay wurden in den letzten Jahren 90.000 Familien von ihrem Land vertrieben, weil sie dem Ausbau von Sojafeldern im Weg standen. In Brasilien versuchen Investoren, weitere Latifundien in ihren Besitz zu bringen. Meist bringen sie verschuldete KleinbäuerInnen zu einem billigen Verkauf oder helfen mit Einschüchterungsmaßnahmen nach. Auf Madagaskar pachtete der südkoreanischer Konzern „Daewoo Logistics“ auf 99 Jahre eine Fläche von 120.000 Hektar (das entspricht der halben Fläche Belgiens), um dort Mais und Ölpalmen anzubauen – in einem bitterarmen Land, das seine Bevölkerung schon heute nicht ernähren kann.

 

Agrartreibstoffe werden in der Regel mittels hohem chemisch-synthetischen Düngemittel- und Pestizideinsatz, sowie in manchen Regionen bereits mit Gentechnikpflanzen (USA) aus Lebensmittel- und Futterpflanzen (Mais, Raps, Getreide, Zuckerrohr, etc.) hergestellt. Nur ein Teil der Pflanze kann genutzt werden. Diese Biomasse wird dann in einem aufwändigen chemischen Verfahren zu flüssigem Kraftstoff für Motoren umgewandelt. Die industrielle Produktion von Agrartreibstoffen trägt wenig bei zum Klimaschutz. Sie ist energieintensiv, bringt kaum Einsparungen an CO2-Emissionen und hat schlechte Energiebilanzen.

 

Das Umweltbundesamt schätzte den Verbrauch von biogenen Treibstoffen in Österreich im Jahr 2007 auf 300.000 t FME und 23.000 t Ethanol. Verwendet man für Österreich typische Erträge, sind dazu 250.000 ha Raps und 15.200 ha Weizen (bzw. 7,500 ha Mais bzw. 4,400 ha Zuckerrüben) nötig. Die für diese FME-Produktion erforderlichen Flächen waren schon bei der damaligen Beimischung im Ausmaß von 2,5 bzw. 4,3 Prozent nicht vorhanden (der Rapsanbau zur Ölgewinnung betrug im Jahr 2007 48.219 Hektar, sh. Grüner Bericht 2008 S. 132). Umso dramatischer stellt sich das Problem der nicht vorhandenen Flächen bei den stark ansteigenden Beimischungszielen bis 2010 und 2020.

 

Bereits im Jahr 2007 (bei einer Beimischung von 2,5 Prozent und ab 1. Oktober  2007 von 4,3 Prozent) mussten ca. 120.000 Tonnen pflanzliches Rohöl zur Agrardiesel-Erzeugung sowie 61.291 Tonnen Methylester in purem Zustand und 179.184 Tonnen Methylester in beigemischtem Dieselkraftstoff (in Summe rund 360.000 Tonnen Agrartreibstoffe) nach Österreich importiert werden. Laut Anfragebeantwortung des BMLFUW (4491/XXIII.GP, Juli 2008) kann „zum derzeitigen Zeitpunkt in etwa von einer benötigten Menge an Biokraftstoffen von 575.000 Tonnen ausgegangen werden. Wird das 10% Substitutionsziel z.B. auf das Volumen aller in Verkehr gebrachten fossilen Kraftstoffe bezogen, so würde zur Zielerreichung etwa 890.000 Tonnen an Biokraftstoffen notwendig sein, für ein 20% Substitutionsziel etwa 1,7 Millionen Tonnen.“

 

Die viel zu hoch angesetzten österreichischen Substitutionsziele sind daher nur durch einen massiven Import von Pflanzenölen (ein Gutteil davon auch in Form von Soja- und Palmöl) zu erreichen. Derzeit wird nicht nachvollzogen, ob die Agrartreibstoffe oder Agrarrohstoffe aus Ländern mit Hungerproblemen oder umweltschädigender Produktion kommen. Die österreichische Bundesregierung ist daher durch die weit überhöht angesetzten Beimischungsziele für die oben angeführten globalen Fehlentwicklungen mitverantwortlich.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Lichte der Welternährungskrise und aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse die österreichischen Beimischungsziele von Agrartreibstoffen zu den fossilen Treibstoffen (10 Prozent bis 2010 bzw. 20 Prozent bis 2020) deutlich herabzusetzen.

 

Die Erreichung der Kyoto-Ziele ist durch andere, geeignetere Maßnahmen wie z.B. die verstärkte Förderung von Wärmedämmung, Sonnen- und Windenergie, eine verbesserte energetische Verwertung von Abfallstoffen und eine nachhaltige, an Energieeffizienz und Verbrauchsreduktion orientierte Verkehrspolitik voranzutreiben.  

 

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, auf EU-Ebene dafür einzutreten, dass ein Moratorium hinsichtlich der Substitutionspflicht der fossilen Kraftstoffe durch Agrartreibstoffe erwirkt wird. Gleichzeitig ist die Forschung und Entwicklung im Bereich einer energetischen Nutzung von Biomasse zu forcieren, die ökologisch nachhaltig, sozial verträglich, regional angepasst und wirtschaftlich effizient ist.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.