820/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 15.10.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

des Abgeordneten Pirklhuber, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Gestaltung der EU-Agrarpolitik nach 2013

 

 

 

Die EU-Haushaltskommissarin hat angekündigt, ein Strategiepapier mit mehreren Optionen vorzulegen, wie die Finanzen in der EU in der nächsten Finanzperiode 2013 – 2020 neu verteilt werden können. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise ist davon auszugehen, dass sich der Druck auf den Agrar-Etat der EU verstärken wird. Die Agrarpolitik wird mehr als bisher zu erklären haben, welchen Nutzen diese Ausgaben für die Gesellschaft haben. Derzeit machen die Direktzahlungen den weitaus größten Anteil am EU-Agrarhaushalt aus. Sie stehen damit im Fokus der Öffentlichkeit. Die Erbringung von gesellschaftlich gewünschten Leistungen wird die einzige Chance sein, Gelder für die Landwirtschaft zu sichern. Nur durch Förderungsvorgaben in Richtung Natur- und Umweltschutz, Tierschutz und Arbeitsplatzsicherung wird in Hinkunft die notwendige Akzeptanz der SteuerzahlerInnen für die Bereitstellung der Mittel erreicht werden können.

 

Die Finanzierung der EU-Agrarpolitik ist seit jeher geprägt von Finanzhilfen, die sich an der Größe der Betriebe orientieren: Je größer ein Betrieb, desto höhere die Prämien bekommt er. Seit der Entkoppelung der Finanzhilfen von der Produktion im Jahr 2003 müssen die Betriebe - abgesehen von einer Mindestbewirtschaftung - ihre Flächen gar nicht mehr bearbeiten. Die Flächen bleiben jedoch Maßstab für die Höhe der Finanzhilfen bis 2013 (in Österreich umgesetzt durch die „einheitliche“ Betriebsprämie). Mit dieser Art der „Direktzahlungen“ werden weiterhin öffentliche Gelder eingesetzt, um sowohl die Substitution von menschlicher Arbeit als auch die beschäftigungsfeindliche Expansion von Großbetrieben zu subventionieren. Damit können die großen Produktions- und Handelsunternehmen der Lebensmittelbranche ihre Position auf dem europäischen Markt ausbauen und zugleich mit billigen Produkten auf die außereuropäischen Märkte vordringen.

 

Die Liberalisierung des Agrarhandels geht mit immer stärkeren Schwankungen der Weltmarktpreise und mit erheblichen negativen sozialen und ökologischen Folgen einher. Eine der wesentlichen sozialen Folgen ist, dass auch produktive Betriebe nicht mehr ohne massive Direktsubventionen überleben können. Die landwirtschaftlichen Direktzahlungen entfalten jedoch bis heute keine nennenswerte ökologische oder soziale Lenkungswirkung. Sie bewirken extreme Formen der Ungleichbehandlung und führen unweigerlich zu einem massiven Konzentrationsprozess. In manchen Mitgliedstaaten wie Rumänien oder Polen bedrohen die EU-Subventionen einen Wirtschaftssektor, in dem mehr als ein Drittel der Erwerbsbevölkerung beschäftigt ist. Die ungerechte Verteilung schwächt vor allem die kleinbäuerliche Subsistenz-Landwirtschaft, die das Überleben vieler Familien sichert und für den Arbeitsmarkt wie ein sozialer Puffer wirkt.

 

Aus ökologischer Sicht geht diese Entwicklung auch auf Kosten von nachhaltigen Produktionsweisen – wie etwa der traditionellen Weidenkultur, die nachweislich Landschaftspflege, Schutz der Artenvielfalt sowie die Qualität von Wasser und Böden am besten gewährleisten kann. Setzt sich dieser Trend fort, dann werden sich die landwirtschaftlichen Betriebe in den wettbewerbstärksten Regionen konzentrieren, während die Landschaft in den benachteiligten Gebieten verödet. Trotz anderslautender Beteuerungen arbeitet die EU-Kommission weiter auf eine rein produktivitätsorientierten Strukturwandel der Landwirtschaft hin.

 

Die skizzierten agrarpolitischen Strategien im Namen des „Wettbewerbs“ beschleunigen die Verödung des ländlichen Raums, tragen zu Vernichtung von Arbeitsplätzen bei und führen zu einer enormen Belastung der Umwelt. Diese Politik zerstört auch – im Zusammenwirken mit dem Abbau der Zollschranken – die Möglichkeiten der bäuerlichen Selbstversorgung in den ärmsten Regionen der Welt. Diese Entwicklung ist bei einem Anstieg von Hunger und Unterernährung in der Welt auf über 1 Milliarde Menschen untragbar. Der Klimawandel und die Degradierung der Böden werden diese Krise weiter verschärfen.

 

Die Agrarpolitik muss daher aus den Fängen der agroindustriellen Interessen herausgelöst werden und ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht werden. Der Weltagrarbericht „International Assessment of Agricultural Sciene, Knowledge and Technology for Developement“ (IAASTD) vom April 2008, der von der Weltbank initiiert und von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben wurde, kommt zu folgendem Ergebnis: Es bedarf eines radikalen und systematischen Wandels in der landwirtschaftlichen Forschung, Entwicklung und Praxis, um den Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein („Business as usual is just not an option“).  Die industrielle Landwirtschaft in ihrer heutigen Form hat keine Zukunft. Nicht Hightech und Gentechnik, sondern lokale Vielfalt und regional angepasste Anbaumethoden bäuerlicher Landwirtschaft können die Welt ernähren. Auch Agrartreibstoffe sind keine vertretbare Option; effizientere, integrierte und dezentrale Formen der Bio-Energiegewinnung (Strom und Wärme) dagegen sehr wohl. Gefordert wird die Entwicklung einer neuen Agrarökologie, einer regionalen Kreislaufwirtschaft und die Aufwertung des lokalen Erfahrungswissens.

 

Die Milchwirtschaftsbetriebe sind aufgrund von politischen Fehlentscheidungen (u.a. durch die forcierte Überproduktion und den damit zusammenhängenden Preisverfall bei Milch) enorm unter Druck geraten. Landwirtschaftliche Betriebsformen wie die bäuerliche Milchviehhaltung, die Grünland zur Produktion von Nahrungsmitteln nutzen, leisten einen enormen Beitrag zur Gestaltung der Kulturlandschaft. Eine bäuerliche Tierhaltung mit Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden rechnet sich jedoch unter den gegebenen Bedingungen immer weniger. Die Tierhaltung im Rahmen der bäuerlichen Landwirtschaft in Grünlandgebieten und ihr Kampf um faire Preise ist daher zu unterstützen.

 

Der massive Import von Futtermitteln ermöglicht das Ausmaß an Produktion und Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern in der Europäischen Union. Futtermittelimporte waren und sind eine wesentliche Voraussetzung für den Strukturwandel in der europäischen Landwirtschaft. Als Ergebnis dieser Entwicklung wurde die Verbreitung der industriellen Tierhaltung begünstigt. Mit diesen Haltungsformen wurde in Europa die bäuerliche Landwirtschaft weitgehend verdrängt und die Umwelt erheblich belastet. Der überwiegende Anteil des in den importierten Futtermitteln enthaltenen Soja stammt aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Daher kann eine gentechnikfreie Fütterung nur durch den Verzicht auf importierte Futtermittel in die EU und die Versorgung mit gentechnikfreien Eiweißfuttermitteln aus europäischer Produktion erreicht werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird ersucht, sich im Hinblick auf die EU-Agrarpolitik nach 2013 für folgende Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik einzusetzen:

 

  1. Die EU-Agrarpolitik muss sich verstärkt am Prinzip der Ernährungssicherheit und Kreislaufwirtschaft orientieren. Die Erhaltung bäuerlicher Arbeitsplätze und der Ausgleich besonderer Erwirtschaftungserschwernisse in benachteiligten Gebieten muss integraler Bestandteil der zukünftigen Agrarpolitik sein.

 

  1. Die zentralen Herausforderungen Klimaschutz, Wasserschutz, biologische Vielfalt, erneuerbare Energie und eine gerechtere Verteilung der Direktzahlungen sind in den Mittelpunkt einer neuen EU-Agrarpolitik zu stellen.

 

  1. Ausgleichszahlungen und Förderungen sind an die Erbringung gesellschaftlich erwünschter Leistungen in Richtung Natur- und Umweltschutz, Tierschutz und Arbeitsplatzsicherung (Berücksichtigung der Intensität des Arbeitseinsatzes) zu binden.

 

  1. Die Ergebnisse des Berichts des Welt-Agrarrates sind zu berücksichtigen und umzusetzen.

 

  1. Sämtliche Exportsubventionen sind unverzüglich einzustellen. Das Lebensmitteldumping auf den internationalen Agrarmärkten und insbesondere in den Entwicklungsländern ist umgehend zu beenden.

 

  1. Das Milchquotensystem zur Steuerung der Produktionsmenge ist grundlegend zu reformieren, um den ProduzentInnen kostendeckende Preise zu garantieren. Milchlieferrechte in bäuerlicher Hand sind auch nach 2015 beizubehalten und an ökologische Kriterien sowie an den Bedarf des EU-Binnenmarktes zu binden.

 

  1. Zur Verbesserung der Versorgung mit gentechnikfreien Eiweißfuttermitteln aus europäischer Produktion sind geeignete Programme und Maßnahmen vorzulegen.

 

  1. Im Rahmen der WTO-Verhandlungen ist ein qualifizierter Außenschutz des europäischen Lebensmittelmarktes durchzusetzen. Nur Lebens- und Futtermittel, die auch den EU-Qualitäts- und Umweltnormen sowie internationalen Sozialstandards entsprechen sollen importiert werden dürfen.

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft vorgeschlagen.