930/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 11.12.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher

und Kollegen

betreffend Streikverbot für den öffentlichen Dienst

 

Anlässlich der Verhandlungen über die Beamtengehälter zwischen Vertretern der Bundesregierung und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) ließ GÖD-Chef Fritz Neugebauer „den Gewerkschaftsvorstand einen Streikbeschluss auf Vorrat fassen“ nachdem ihn – Medienbe­richten zufolge – nach der fünften Verhandlungsrunde das (bereits nachge­besserte) Regierungsangebot einer Gehaltserhöhung um 0,7 Prozent so sehr in Rage brachte, dass er es „schnaubend“ als „Provokation“ qualifizierte.

Die österreichische Rechtslage ist typisch für die hier mental verortbaren kaukanischen Konflikt­lösungs­mechanismen:

So war die Frage lang umstritten, ob die Streikverordnung von 1914, die den Beamten­streik bei Sanktion einer strafgerichtlichen Verfolgung verbietet, nach Gründung der 2. Republik noch in Kraft war. Dies wurde zwar von zahlreichen Autoren verneint, hat aber erst mit Rechtskraft des Bundesrechtsbereinigungs­gesetz (BGBl I Nr. 191/1999) per 1. Jänner 2000, welches diese Vorschrift beseitigte, auch eine formelle Lösung erfahren.

Heutiger Stand: Die Gewerkschaft darf zwar zu Demonstrationen und Streiks aufrufen (so zumindest die Meinung des Arbeitsrechtsexperten Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozial­recht der Universität Wien), ob Arbeitnehmer dem Aufruf nachkommen dürfen, sei aber eine andere Frage, denn - es gibt keine umfassende Gesetzgebung zum Arbeitskampf.

"Es ist in Österreich die herrschende Auffassung, dass die Gewerkschaft zum Streik aufrufen kann und dass das natürlich auch legal ist, dass aber auf der anderen Seite der Einzelne, wenn er seine Arbeitspflicht verletzt, einen Entlassungsgrund setzt."                                                                                       (Ö1/Morgenjournal Mittwoch 13. Mai 2009)

Nun werde bei einer kurzen Demonstration aber wohl nicht so heiß gegessen wie ge­kocht, dennoch sollte, wer nicht unentschuldigt der Arbeit fernbleiben und seine Ent­lassung riskieren will, das Einvernehmen mit dem Arbeitgeber suchen. Geschützt sind ledig­lich Betriebsräte. Diese haben - so Mazal - arbeitsrechtlich aus einer Demonstra­tions­teil­nahme wohl keine Sanktion zu fürchten.

In anderen Ländern ist die Rechtslage nicht an derart aleatorischen Mustern orientiert.

In Deutschland wird beispielsweise Beamten nach herrschender Meinung kein Streikrecht zuerkannt. Der Bestimmung von Art. 33 Abs. 5 GG folgend ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu regeln und fortzuentwickeln. Einer dieser Grundsätze, wie die höchstrichterliche Recht­sprechung erkannt hat, ist die Unzulässigkeit des Beamtenstreiks; dies ergibt sich aus der gegenseitigen Treue- und Pflichtenbindung, die das Beamtenverhältnis charakterisiert. Ein Streik würde sich zum einen gegen den Gesetzgeber richten und dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Zum anderen würde die ununterbrochene Erfüllung der Verwaltungsaufgaben durch einen Beamtenstreik blockiert werden. Die Treuepflicht des Beamten gegenüber Staat und Allgemeinwohl schließen also Streik aus.

Explizit gesetzlich geregelt ist das Streikverbot in Rheinland-Pfalz, Bayern und im Saarland, dort sogar in Verfassungsrang (vgl. hiezu näher § 3 Abs. 4 des Beamtengesetz von Rheinland-Pfalz vom 28. April 1951, Artikel 119 Abs. 6 der saar­ländischen Verfassung von 1947, wie auch § 63 Abs. 2 des Bayerischen Beamtengesetz vom 18. Juli 1960).

Die Teilnahme eines Beamten an einem Streik stellt damit eine Dienstpflichtverletzung dar, die disziplinarrechtlich geahndet wird. Im Übrigen dürfen Beamte angeordnete Mehrarbeit, z.B. im Rahmen von durchzuführenden Notdienstarbeiten, nicht verweigern. Sie sind gegebenen­falls auch zur Ableistung einer so genannten „unterwertigen“ Tätig­keit verpflichtet. Beamten steht es jedoch im Rahmen der Meinungsfreiheit frei, sich in ihrer Pause oder in der Freizeit den Streikenden anzuschließen, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Teilnahme an Demonstrationen außerhalb der Dienstzeit steht auch Beamten im Rahmen der Versammlungsfreiheit frei.

Letzteres Grundrecht steht in Österreich allerdings unter Gesetzesvorbehalten: Nach Artikel 11 Abs. 2 MRK kann die Ausübung dieses Rechtes gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden, „die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind“ (vgl. VfSlg 12.155). Zulässig sind weiters gesetzliche Einschränkun­gen für Mitglieder der Streit­kräfte, der Polizei und der Staatsverwaltung.

Der Staat darf also sicherstellen, dass seine Funktionen gewährleistet sind; deshalb sind in den meisten Staaten der Europäischen Union Justiz, Polizei und Militär vom Streik­recht ausgenommen.

Gerade in Zeiten wie der herrschenden Wirtschaftskrise wird der Staat wegen der hohen Schulden in den nächsten Jahren sparen müssen. Das kann notgedrungen auch zu Lasten der öffentlich Bediensteten gehen, die mit Steuergeld bezahlt werden. Um nun sicherzustellen, dass die Staatsdiener mit ihrer Gewerkschaft ihnen missfallende Reformen in der Verwaltung keinesfalls mit Kampfmaßnahmen verhindern können, fordern wir ein Streikverbot für Beamte.

Aus diesen Erwägungen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst wird ersucht, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, in welcher klargestellt wird, dass gewerk­schaftliche Kampfmaß­nahmen der gegenseitigen Treue- und Pflichtenbindung, die das Dienstverhältnis öffentlicher Bediensteter charakterisiert, entgegenstehen und daher unzulässig sind; diese Einschränkung steht in Einklang mit dem Gesetzesvorbehalt zu Artikel 11 MRK, da sie in der demokratischen Gesellschaft Österreichs im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.