10036/AB XXIV. GP

Eingelangt am 20.02.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

BMJ-Pr7000/0354-Pr 1/2011


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 10184/J-NR/2011

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Veröffentlichung GRECO-Bericht“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Am 9. Dezember 2011 wurde der GRECO-Bericht in Strassburg angenommen, am 19. Dezember 2011 wurde die Letztfassung vom Europarat übermittelt. Bereits zuvor war von meinem Ressort für den Strafrechtsteil und vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst für den Parteienfinanzierungsteil des Berichts die Übersetzung in die Wege geleitet worden. Am 10. Jänner 2012 abends lag die vollständige Übersetzung des Berichts vor, am Morgen des 13. Jänner 2012 erfolgte die Veröffentlichung auf den Webseiten des Justizministeriums und des Bundeskanzleramts samt medialer Begleitung. Auch die Publikation auf der GRECO-Webseite wurde bereits freigegeben.


Zu 5 bis 7:

Vorausschicken möchte ich, dass sowohl nach dem GRECO-Statut als auch nach den Ver­fahrensregeln von GRECO die Evaluierungsberichte an sich vertraulich sind. GRECO kann jedoch nach den Verfahrensregeln eine Zusammenfassung des Berichts annehmen und ohne Zustimmung des evaluierten Mitgliedstaates veröffentlichen. Der vollständige Evaluierungs­bericht im Wortlaut wird nach den Verfahrensregeln von GRECO nur auf Verlangen des evaluierten Mitgliedstaates veröffentlicht. In der Praxis ist mir jedoch kein Fall bekannt, in dem ein Mitgliedstaat ein solches „Verlangen“ nicht gestellt hätte. Gegenstand der Beratung kann insofern gar nicht sein, ob der Bericht veröffentlicht werden soll. Gegenstand der Beratung durch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war daher zunächst eine Information über den Inhalt des Berichts, darüber hinaus aber auch eine Ersteinschätzung im Vergleich mit anderen GRECO-Berichten, insbesondere jenen Berichten, die Staaten mit ähnlicher Rechtslage  betreffen, und schließlich eine erste Beurteilung eines sich allenfalls aus dem Bericht ergebenden Umsetzungsbedarfs.

Zu 8:

Zusammenfassend hat GRECO festgehalten, dass „in Österreich bereits eine Reihe von Strafbestimmungen in Kraft [sind], die viele der in diesen Instrumenten [gemeint sind die bezughabenden Rechtsinstrumente des Europarats, das sind das Strafrechtsüberein­kommen über Korruption, ETS 173, sowie das Zusatzprotokoll hiezu, ETS 191] festgelegten Grundsätze widerspiegeln, weil es in den letzten Jahren in Österreich einige Gesetzes­änderungen gegeben hat“ (Abs. 99 des Berichts Teil I), daneben aber auch einige Bereiche geortet, in denen Raum für Verbesserungen bestehe.

Zu 9:

Zu den Änderungen aufgrund des Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetzes 2009 nahm GRECO zum einen dahingehend Stellung, dass diese „als echter Fortschritt für das Strafausmaß für Korruptionsdelikte bezeichnet werden können.“ Zum anderen würden die Änderungen „auch einen Rückschritt darstellen, da sie die Umstände unter welchen bestimmte Kategorien von Personen für Bestechung strafrechtlich verfolgt werden können, beträchtlich einschränkten.“ Dabei werden namentlich die dienstrechtsfreien Amtsträgerinnen und Amtsträger genannt. Schließlich wird auch die Regelung der Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper als immer noch zu eng kritisiert.

Zu 10 und 11:

GRECO hat Österreich im Bereich des Strafrechts neun Empfehlungen gegeben, wobei aus der Sicht GRECOS in vier davon jedenfalls ein Änderungsbedarf gegeben ist, während die übrigen Empfehlungen auf die Prüfung eines Änderungsbedarfs bzw. die Erwägung einer Änderung abzielen. Die in diesem Sinn unbedingten Empfehlungen betreffen die Ausweitung der Abgeordnetenbestechung, die Abschaffung des Privatanklageerfordernisses bei der Privatkorruption (§ 168e StGB),  die vollständige Abbildung des Tatbestands gegen „Trading in influence“ iSv Art. 12 des Strafrechts-Übereinkommens im österreichischen Strafrecht sowie die Ausweitung der inländischen Gerichtsbarkeit bei Auslandstaten ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit im Tatortstaat. Einen – durch eine vorherige innerstaatliche Prüfung bzw. entsprechende Erwägungen mit dem Ergebnis, dass (auch) aus österreichischer Sicht ein solcher besteht – bedingten allfälligen Änderungsbedarf erblickte GRECO im Bereich der §§ 305 und 307a StGB in Bezug auf die Dienstrechtsakzessorietät, im Bereich der Bestechung mittels immaterieller Vorteile, im Bereich jener Tatbestände, die zwar auch zur Korruptions­bekämpfung herangezogen werden (können), aber nicht dem Kern-Korruptionsstrafrecht angehören (insbesondere UWG, Untreue), im Bereich der Strafdrohungen gegen Privat­korruption (§§ 168c, 168d StGB) sowie hinsichtlich der Regelung der tätigen Reue (§ 307c StGB).

Zu 12:

Aufgrund des GRECO-Berichts besteht zunächst ein Handlungsbedarf, da Österreich bis zum 30. Juni 2013 über die Umsetzung der Empfehlungen berichten muss. Dieser Handlungsbedarf muss aber im Hinblick auf GRECO nicht zwingend zu gesetzlichen Änderungen führen.

Zum Einen gehen die Empfehlungen wie bereits erwähnt zum Teil davon aus, dass eine vorherige innerstaatliche Prüfung einen Änderungsbedarf ergibt. Zum Anderen betreffen sämtliche Empfehlungen, in denen keine vorgeschaltete innerstaatliche Prüfung vorgesehen  ist, Bereiche, in denen das Strafrechts-Übereinkommen des Europarats einen gänzlichen oder teilweisen Vorbehalt zulässt.

Die Korruptionsbekämpfung ist mir ein persönliches Anliegen. Im Bereich der Abgeordnetenbestechung ist nun das Parlament am Zug. Im Übrigen werde ich die empfohlenen Prüfungen sorgfältig vornehmen und wenn dabei ein Änderungsbedarf hervorkommt bzw. sich ein solcher bestätigt, einen Entwurf zur weiteren Verbesserung des österreichischen Korruptionsstrafrechts vorlegen.

Zu 13:

GRECO beurteilt die österreichischen Regelungen zur Abgeordnetenbestechung im Ergebnis dahingehend, „dass die Strafbarkeit von aktiver und passiver Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper wesentlich enger gefasst ist, als dies im Übereinkommen festgelegt ist, da [sie] nicht weit über eine Bestimmung hinausgeht, die auf die Strafbarkeit des Kaufes von Stimmen beschränkt ist,“ (Abs. 90 des Berichts Teil I), und „dass sie in der Praxis kaum Bedeutung hat“ (Abs. 99 des Berichts Teil I).

Zu 14:

Die relevanten Rechtsinstrumente des Europarats (also insbesondere das Strafrechts­übereinkommen ETS 173) enthalten kein Anfütterungsverbot.  Insofern werden die §§ 306a und 307b StGB im Evaluierungsbericht zwar erwähnt, aber keiner Beurteilung unterzogen bzw. gibt es keinerlei Empfehlungen in diesem Zusammenhang.

Zu 15:

Hinsichtlich der Parteienfinanzierung insgesamt kam GRECO zu dem Schluss, dass die Rechtslage in Österreich nicht den in Empfehlung Rec(2003)4 über gemeinsame Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen fest­gelegten Normen entspricht. GRECO hat daher Österreich elf Empfehlungen gegeben, von denen zwei explizit Parteispenden ansprechen. Es sind dies die Empfehlungen v ii („ein Verbot von Spenden einzuführen, die von Spendern stammen, deren Identität der politischen Partei oder der wahlwerbenden Partei nicht bekannt ist;“) sowie vi i („die Identität der Spender, deren Beiträge an eine politische Partei oder wahlwerbende Partei einen bestimmten Betrag übersteigen, zu veröffentlichen und sicherzustellen, dass die Information der allgemeinen Öffentlichkeit rechtzeitig zugänglich gemacht wird“. Im Übrigen darf ich auf die Zuständigkeit des Bundeskanzlers in diesem Zusammenhang verweisen.

Zu 16:

Der in meine Zuständigkeit fallende Bericht zum Strafrechtsteil ist angeschlossen.

 

Wien,      . Februar 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl


BEILAGE

GRECO             Groupe d’Etats contre la corruption

                        Group of States against corruption

Staatengruppe gegen Korruption

 

 

Council of Europe

Conseil d’Europe

Europarat

 

Generaldirektion I – Menschenrechte und rechtliche Angelegenheiten

Direktion für Überwachungsaufgaben     

 

 

Straßburg , 9. Dezember 2011

 

Öffentlich

Greco Eval III Rep (2011) 3E (P3)

Thema I

 

 

Dritte Evaluierungsrunde

 

 

 

Evaluierungsbericht Österreich

Strafbarkeit (SEV Nr. 173 und 191, Leitlinie 2)

 

(Thema I)

 

 

 

 

 

Angenommen von GRECO

bei der 53. Vollversammlung

(Straßburg, 5.-9. Dezember 2011)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

GRECO Sekretariat                                             www.coe.int.greco

Europarat                                                            Tel.: +33 3 88 41 20 00

F-67075 Straßburg Cedex                                 Fax: +33 3 88 41 39 55


I. EINLEITUNG

 

1.         Österreich trat GRECO am 1. Dezember 2006 bei, das bedeutet nach dem Abschluss der ersten Evaluierungsrunde. Daher wurde Österreich einem gemeinsamen Evaluierungsverfahren unterzogen, das die Themen der ersten und zweiten Evaluierungsrunden behandelte. Der relevante Evaluierungsbericht der gemeinsamen ersten und zweiten Runde (Greco Eval I/II Rep (2007) 2E) betreffend Österreich wurde bei der 38. Vollversammlung (13. Juni 2008) angenommen und ist auf der Homepage von GRECO verfügbar (http://www.coe.int/greco).

 

2.                     Die derzeitige dritte Evaluierungsrunde von GRECO (am 1. Jänner 2007 gestartet) behandelt die folgenden Themen:

- Thema I – Strafbarkeit: Artikel 1a und 1b, 2-12, 15-17, 19 Abs. 1 des Strafrechtsübereinkommens über Korruption (SEV Nr. 173), Artikel 1-6 dessen Zusatzprotokolls (SEV Nr. 191) und Leitlinie 2 (Strafbarkeit der Korruption).

- Thema II – Transparenz der Parteienfinanzierung: Artikel 8, 11, 12, 13b, 14 und 16 der Empfehlung Rec(2003)4 zu gemeinsamen Regeln gegen Korruption bei der Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen und – im allgemeinen Sinne –  Leitlinie 15 (Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen).

 

3.         Das GRECO Evaluierungsteam (im Folgenden bezeichnet als „GET“) führte vom 6. bis 10. Juni 2011 einen Vor-Ort-Besuch in Österreich durch. Das GET für Thema I (6.-7. Juni) bestand aus Claire MORICE, Richterin, Berufungsgericht Versailles (Frankreich) und Luc REDING, Berater, Abteilung für Recht und Justiz, Justizministerium (Luxemburg). Das GET wurde durch Christophe SPECKBACHER vom GRECO Sekretariat unterstützt. Vor dem Besuch wurden den GET Experten ausführliche Antworten zum Evaluierungsfragebogen (Dokument Greco Eval III (2011) 4E, Thema I) sowie Kopien der relevanten Gesetzesbestimmungen zur Verfügung gestellt.

 

4.         Das GET traf Vertreter der folgenden Regierungs- und Nicht-Regierungseinrichtungen bzw. -organisationen: Justizministerium, Gerichte (Oberster Gerichtshof, Landesgericht Wien, Oberlandesgericht Wien), Staatsanwaltschaften (Generalprokuratur Wien, Korruptionsstaatsanwaltschaft), Polizei (Bundeskriminalamt, Bundesamt für Korruptionsbekämpfung), Universität Wien (Fakultät für Rechtswissenschaften – Institut für Strafrecht und Kriminologie; Wirtschaftsuniversität - Institut für Wirtschaftsstrafrecht), Transparency International Österreich, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag, Österreichische Wirtschaftskammer.

 

5.            Der gegenständliche Bericht über Thema I der dritten Evaluierungsrunde von GRECO – Strafbarkeit – wurde auf Basis der Antworten auf den Fragebogen und der beim Besuch vor Ort zur Verfügung gestellten Informationen erstellt. Das Hauptziel des Berichtes ist die Bewertung der Maßnahmen, die von den österreichischen Behörden umgesetzt wurden, um die sich aus den in Randziffer 2 angeführten Gesetzesgrundlagen ergebenden Erfordernisse zu erfüllen. Der Bericht besteht aus einer Beschreibung der Situation gefolgt von einer kritischen Analyse. Die Schlussfolgerungen beinhalten eine Liste von an Österreich gerichteten Empfehlungen der GRECO zur weiteren Verbesserung der Umsetzung der geprüften Bestimmungen.

 

6.         Der Bericht über Thema II – Transparenz der Parteienfinanzierung – ist im Dokument Greco Eval III Rep (2011) 3E, Thema II, zu finden.


II. STRAFBARKEIT

 

Beschreibung der Situation

 

7.         Österreich ist eine Bundesrepublik und besteht aus neun Bundesländern. Diese Bundesländer haben eine gewisse legislative Kompetenz, die sich von jener der Bundesregierung unterscheidet, allerdings gibt es nur ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung für das gesamte Land. Österreich unterzeichnete das Strafrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 173) am 13. Oktober 2000. Das Zusatzprotokoll (SEV Nr. 191) wurde von Österreich weder ratifiziert noch unterzeichnet.

 

8.         Wie bereits in dem Bericht über die gemeinsame erste und zweite Evaluierungsrunde ausgeführt, wurde der Begriff „Korruption“ im österreichischen Strafrecht mit den zwei sogenannten „Korruptionsgesetzen“ von 1964 und 1982 und später, nämlich im Jahr 1998, mit den §§ 304 ff des Strafgesetzbuches (im Folgenden StGB) eingeführt. Die Schlüsselbestimmungen im Kampf gegen die Korruption finden sich in §§ 302 ff StGB. Allerdings kann Korruption auch in Gestalt anderer Delikte wie Betrug (§§ 146 ff StGB), Untreue (§ 153 StGB)[1] oder Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a StGB) auftreten, ebenso wie als Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b StGB). Weitere Bestimmungen finden sich in anderen Gesetzen: das Arzneimittelgesetz (AMG) enthält zum Beispiel eine Bestimmung über Naturalrabatte (§ 55b AMG); das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ergänzt die Bestimmungen über Korruption im privaten Sektor und regelt die Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten in § 10. Gemäß des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit von Verbänden für Straftaten (Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG), welches am 1. Jänner 2006 in Kraft trat, haften juristische Personen und andere Verbände wie Personengesellschaften für alle Delikte (daher auch für korruptionsbezogene Delikte), welche im StGB und in Nebengesetzen geregelt sind, egal ob sie vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraussetzen. Die Verantwortlichkeit von juristischen Personen wurde im Zusammenhang mit der zweiten Evaluierungsrunde untersucht.

 

Bestechung und Bestechlichkeit von inländischen Amtsträgern (Artikel 1-3 und 19 SEV Nr. 173)

 

Definition der Straftat

 

9.         Passive Bestechung von österreichischen Amtsträgern wird unter den folgenden §§ des StGB, die sowohl Amtsträger als auch Schiedsrichter (und manchmal andere Kategorien von Staatsbediensteten wie gerichtliche Sachverständige, ausländische Beamte ect.) betreffen, unter Strafe gestellt: § 304 stellt passive Bestechung (= Bestechlichkeit) unter Strafe, § 305 verbietet die Annahme eines Vorteils durch einen Amtsträger und § 306 pönalisiert die Vorbereitung der Bestechlichkeit und der Vorteilsannahme durch Amtsträger. Der Hauptunterschied zwischen § 304 und § 305 liegt darin, dass erstere Bestimmung das Vorhandensein einer Pflichtverletzung impliziert (das bezieht sich auf alle Kategorien von Amtsträgern und Schiedsrichtern), während die zweite dies nicht voraussetzt (und darüber hinaus nicht für Mitglieder eines österreichischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers gilt, dies nach der Definition des Begriffes „Amtsträger“, die in § 305 Abs. 1 verwendet wird und auf § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b-d StGB verweist). Der Unterschied zwischen den §§ 304 und 305 auf der einen und § 306 auf der anderen Seite hingegen liegt darin, dass die ersten beiden Bestimmungen sowohl bereits durchgeführte als auch zukünftige Amtsgeschäfte umfassen, während letztere Bestimmung nur Bestechungshandlungen betrifft, die auf die zukünftige Erbringung einer Leistung abzielen (die eine Pflichtverletzung darstellen kann oder auch nicht).

§ 304 StGB - Bestechlichkeit

(1) Ein Amtsträger oder Schiedsrichter, der für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer als von einem Gericht oder einer anderen Behörde für ein bestimmtes Verfahren bestellter Sachverständiger für die Erstattung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt.

(2) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

§ 305 StGB – Vorteilsannahme

(1) Ein Amtsträger nach § 74 Abs. 1 Z 4a lit. b bis d oder Schiedsrichter, der für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts entgegen einem dienst- oder organisationsrechtlichen Verbot einen Vorteil für sich oder einen Dritten annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Ebenso ist ein solcher Amtsträger oder Schiedsrichter zu bestrafen, der für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, es sei denn, dies wäre nach einer dienst- oder organisationsrechtlichen Vorschrift oder einer dienstrechtlichen Genehmigung ausdrücklich erlaubt.

(3) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

§ 306 StGB – Vorbereitung der Bestechlichkeit oder der Vorteilsannahme

(1) Ein österreichischer Amtsträger oder Schiedsrichter, ein Amtsträger oder Schiedsrichter eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder ein Gemeinschaftsbeamter, der mit dem Vorsatz, die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines künftigen Amtsgeschäfts anzubahnen, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.


(2) Ebenso ist ein Amtsträger nach § 74 Abs. 1 Z 4a lit. b bis d oder Schiedsrichter zu bestrafen, der mit dem Vorsatz, die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines künftigen Amtsgeschäfts anzubahnen, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, es sei denn, dies wäre nach einer dienst- oder organisationsrechtlichen Vorschrift oder einer dienstrechtlichen Genehmigung ausdrücklich erlaubt.

(3) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

 

 

10.        Dem Aufbau der Bestimmungen über die passive Bestechung folgend, ist die aktive Bestechung in § 307 (Aktive Bestechung mit Pflichtverletzung), § 307a (Gewährung von Vorteilen für Amtsträger ohne Pflichtverletzung) und § 307b (Vorbereitung der Bestechung) geregelt.

§ 307 StGB - Bestechung

(1) Wer einem Amtsträger oder Schiedsrichter für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer einem Sachverständigen (§ 304 Abs. 1) für die Erstattung eines unrichtigen Befundes oder Gutachtens einen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt.

(2) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

§ 307a. StGB – Vorteilszuwendung

(1) Wer einem Amtsträger nach § 74 Abs. 1 Z 4a lit. b bis d oder Schiedsrichter für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts entgegen einem den Vorteilsempfänger treffenden dienst- oder organisationsrechtlichen Verbot einen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

§ 307b. StGB – Vorbereitung der Bestechung

(1) Wer einem österreichischen Amtsträger oder Schiedsrichter, einem Amtsträger oder Schiedsrichter eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder einem Gemeinschaftsbeamten zur Anbahnung der pflichtwidrigen Vornahme oder Unterlassung eines künftigen Amtsgeschäfts für ihn oder einen Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer jedoch die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

 

Tatbestandmerkmale / Begriffe

 

österreichischer Amtsträger

 

11.        Alle Delikte beziehen sich auf den Begriff des Amtsträgers[2] (ebenso wie auf „Schiedsrichter“ und manchmal andere Kategorien von Beamten – besonders ausländische und internationale). Der Begriff wird in § 74 Abs. 1 Z 4a StGB definiert. Diese Bestimmung wurde zuletzt 2009 nach intensiver Diskussionen novelliert, wie am Ende des beschreibenden Teils erläutert wird:

 

§ 74 Abs. 1 Zi 4a StGB – Definition des Begriffes Amtsträger

 

4a. Amtsträger: jeder, der

  1. Mitglied eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers ist, soweit er in einer Wahl oder Abstimmung seine Stimme abgibt oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt,

b.      für den Bund, ein Bundesland, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, für einen Sozialversicherungsträger oder deren Hauptverband, für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt, mit Ausnahme der in lit. a genannten Amtsträger in Erfüllung ihrer Aufgaben,

c.       sonst im Namen der in lit. b genannten Körperschaften befugt ist, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, oder

d.      als Organ eines Rechtsträgers oder aufgrund eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger tätig ist, der der Kontrolle durch den Rechnungshof, dem Rechnungshof gleichartige Einrichtungen der Länder oder einer vergleichbaren internationalen oder ausländischen Kontrolleinrichtung unterliegt und weit überwiegend Leistungen für die Verwaltung der in lit. b genannten Körperschaften erbringt.

 

 

 

12.        Die Definition enthält vier Kriterien / Elemente in den verschiedenen Litera. Lit. a) umfasst jedes Mitglied eines inländischen Vertretungskörpers, aber nur „soweit er in einer Wahl oder Abstimmung seine Stimme abgibt oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt“.

 

13.        Lit. b) umfasst jede Person (mit Ausnahme der Mitglieder von inländischen Vertretungskörpern, für welche lit. a) eine Regelung trifft), die – in Ausübung ihrer Pflichten – als Organ oder Dienstnehmer einer Bundes- oder Landeseinrichtung oder eines Sozialversicherungsträgers, ob im Inland oder für das Ausland oder für eine internationale Organisation, handelt und Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz wahrnimmt. Ein „Organ“ eines dieser in § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b StGB angeführten Einrichtungen ist eine natürliche Person, die besondere öffentliche Funktionen ausübt, wie der Bundespräsident, Minister oder Mitglieder der Landesregierungen ebenso wie die gewählten oder ernannten Organe der Verwaltung, wie Bürgermeister auf Gemeindeebene. „Dienstnehmer“ bedeutet jeden, der eine nahe persönliche und wirtschaftliche Beziehung zu diesen Einrichtungen hat und innerhalb der Struktur der Organisation arbeitet, wie Richteramtsanwärter oder Verwaltungspraktikanten. Die Funktion innerhalb der Hierarchie hat keine Auswirkung auf die Qualifikation als Amtsträger. Darüber hinaus umfasst die Definition Richter und Staatsanwälte oder andere Personen, die in der Rechtsprechung tätig sind, wie Schöffen oder Geschworene.

 

14.        Lit. c) umfasst Personen, die für die in lit. b) genannten Einrichtungen arbeiten, wenn sie das Gesetz vollziehen. Dies beinhaltet zum Beispiel Notare, die vom Gericht eingesetzt werden oder Mechaniker, die damit beauftragt werden, technische Überprüfungen von Autos für die Verwaltungsbehörden durchzuführen, oder Angestellte der Österreichischen Nationalbank, die mit Kontrollfunktionen im Zusammenhang mit der Finanzmarktaufsicht betraut sind.

 

15.        Schließlich definiert § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. d StGB als Amtsträger auch Organe oder Dienstnehmer eines Rechtsträgers, der der Kontrolle durch den Rechnungshof, dem Rechnungshof gleichartiger Einrichtungen der Länder oder einer vergleichbaren internationalen oder ausländischen Kontrolleinrichtung unterliegt und der weit überwiegend Leistungen für die Verwaltung einer unter b) angeführten Körperschaft erbringt. Ein Rechtsträger erbringt „weit überwiegend Leistungen für die Verwaltung“ wenn die Hauptkunden Verwaltungen von unter b) genannten Körperschaften sind und die Art des Geschäftes im Bereich der Erhaltung von Infrastruktur der Verwaltung liegt. Solche Einrichtungen umfassen das Österreichische Rechenzentrum, die Bundesbuchhaltungsagentur oder die Bundesimmobiliengesellschaft. Organisationen oder Unternehmen, die auf dem kommerziellen Markt auftreten, fallen nicht unter diese Definition.

 

16.        Personen, die unter § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. a) StGB fallen (Mitglieder inländischer Vertretungskörper) unterliegen manchmal den Bestechungsbestimmungen auf unterschiedliche Art wie andere Kategorien von Amtsträgern (siehe dazu auch Randziffer 30ff über die Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper).

 

versprechen, anbieten oder gewähren“ (aktive Bestechung)

 

17.          Die relevanten Delikte der aktiven Bestechung im StGB betreffend Amtsträger (d.h. Bestechung nach § 307, Vorteilszuwendung nach § 307a, Vorbereitung der Bestechung nach § 307b) verwenden alle einheitlich und durchgehend die Formulierung „anbieten, versprechen oder gewähren“ eines Vorteils.

 

„Forderung oder Annahme, Annahme eines Angebotes oder Versprechens“ (passive Bestechung)

 

18.          Die relevanten Delikte der passiven Bestechung im StGB betreffend Amtsträger (d.h. Bestechlichkeit nach § 304, Vorteilsannahme nach § 305, Vorbereitung der Bestechlichkeit  oder Vorteilsannahme nach § 306) verwenden die Formulierung „fordern, annehmen oder sich versprechen lassen“ eines Vorteils. In § 305, der die passive Bestechung ohne Pflichtverletzung regelt, sind die oben genannten Elemente aufgesplittet: Absatz 1 bezieht sich auf „annehmen oder sich versprechen lassen“ und im Absatz 2 ist nur von „fordern“ die Rede. Nach dem Verständnis des GET bezieht sich der erste Absatz also auf solche Situationen, in welchen der Amtsträger gegen ein ausdrückliches Verbot handelt und der zweite Absatz auf jene, in welchen das Delikt begangen wird, weil der Amtsträger einen Vorteil fordert ohne dass es dafür eine ausdrückliche Erlaubnis gibt. Ein ähnlicher Ansatz findet sich in § 306 StGB, dessen Absatz 2 sich nur auf „fordern“ bezieht; im Gegensatz zu Absatz 1 fordert Absatz 2 nicht ausdrücklich eine Pflichtverletzung, sondern das Fehlen einer Erlaubnis.

 

„jeder ungerechtfertigte Vorteil“

 

19.          Alle Bestimmungen über aktive und passive Bestechung der §§ 304 bis 307c StGB beziehen sich auf das Konzept des „Vorteils“.

 

20.          Die Antworten auf den Fragebogen legen dar, dass mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 der Anwendungsbereich der Bestechungsdelikte ausgeweitet wurde vom Vermögensvorteil auf alle Arten von Vorteilen, worunter nunmehr jede Zuwendung (geldwert oder immateriell) verstanden werden muss, auf welche die Person keinen Rechtsanspruch hat und durch welche er oder sie sich in einer besseren Position befindet. Wenn ein bestimmter Wert eines Vorteils quantifiziert werden kann, dann handelt es sich um einen geldwerten Vorteil (d.h. eine bestimmte Summe Geld, ein Wertgegenstand, Dienstleistungen, Konzertkarten, Rabatte, Einladungen, etc.). Andere Vorteile wie soziale oder berufliche Vorteile (d.h. Verleihung einer Auszeichnung, Ratschläge oder Unterstützung eines Bewerbungsgesuches etc.), die man nicht in Geld bewerten kann, sind immaterielle Vorteile, die von den §§ 304, 305, 306, 307, 307a und 307b StGB ebenfalls umfasst werden.

 

21.          Der österreichische Gesetzgeber verwendet den Begriff „ungerechtfertigter“ Vorteil nicht. Die Antworten auf den Fragebogen zeigen, dass, soweit es die Bestimmungen der §§ 304 und 307 betrifft, jeder Vorteil automatisch ungerechtfertigt ist, weil er darauf abzielt oder dafür gegeben wird, dass eine Handlung gegen die Pflichten des Amtsträgers vorgenommen wird (= eine unrechtmäßige Handlung / ein Verstoß gegen die Amtspflicht). Was die §§ 305 und 307a StGB angeht (die Bestechungsdelikte umfassen, denen kein pflichtwidriges Handeln zugrunde liegt), so liegt nach dem Wortlaut der Bestimmungen Bestechung dann vor, wenn der Vorteil „entgegen einem dienst- oder organisationsrechtlichen Verbot“ angeboten, angenommen, gefordert etc. wird. Das bedeutet, man muss aus dem jeweiligen Dienstrecht oder den internen Geschäftsordnungen entnehmen, wann ein Vorteil legitim ist (z.B. übliche Geschenke von geringem Wert) und wann nicht[3]. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind Geldgeschenke (Trinkgeld) nie „üblich“. Daher sind sogar die geringwertigsten Zahlungen nicht erlaubt.

 

„unmittelbar oder mittelbar“

 

22.          §§ 304 bis 307b enthalten keinen Hinweis darauf, dass die mittelbare Bestechung (dies bedeutet, dass der Täter sich eines Dritten bedient) strafbar ist. Die Antworten auf den Fragebogen zeigen, dass gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechtes, insbesondere § 12 StGB, trotzdem sowohl mittelbare als auch unmittelbare Bestechung umfasst wird: 1) sind der Bestecher und der Bestochene immer strafrechtlich verantwortlich, unabhängig davon, ob und wenn ja wieviele Dritte zwischengeschaltet sind und unabhängig davon, ob der Dritte selbst auch verantwortlich ist, jeweils abhängig von den Umständen des Einzelfalles[4]; 2) kann nicht nur der unmittelbare Täter für das Delikt bestraft werden, sondern auch jeder, der einen anderen bestimmt, eine Straftat zu begehen ebenso wie jeder, der auf eine andere Art zur Begehung beiträgt (wobei für alle grundsätzlich derselbe Strafrahmen gilt).

 

„Für ihn selbst oder einen Dritten“

 

23.          §§ 304 und 305 StGB bestimmen ausdrücklich, dass der Vorteil entweder dem Amtsträger selbst oder für einen Dritten angeboten, versprochen oder gegeben bzw. von diesem gefordert oder angenommen werden muss.

 

„Handlung oder Unterlassung bei der Wahrnehmung seiner oder ihrer Aufgaben“

 

24.          §§ 304 und 305 StGB (über passive Bestechung) und §§ 307 und 307a StGB (über aktive Bestechung) beziehen sich auf strafbares Verhalten, das darauf abzielt, dass ein Amtsträger eine Amtshandlung vornimmt oder unterlässt, wodurch er/sie entweder seine/ihre Amtspflichten verletzt (§§ 304 und 307) oder im Rahmen seiner/ihrer Amtspflichten handelt (§§ 305 und 307a). Das Konzept der „Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung“ beinhaltet jede Handlung des Amtsträgers, welche ausgeführt wird, um seine oder ihre zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Es ist irrelevant, ob die Aufgabe zur öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Verwaltung gehört. Der Begriff der „Amtshandlung“ umfasst faktische Handlungen, die vorbereitenden, unterstützenden oder überprüfenden Charakter haben können. Es ist auch gleichgültig, ob die betreffende Handlung in den Zuständigkeitsbereich (sachlich oder örtlich) des Amtsträgers fällt, solange der Amtsträger die (abstrakte) Macht hat, Amtsgeschäfte (dieser Art) durchzuführen. Handlungen, die komplett außerhalb der Zuständigkeit dieses Amtsträgers liegen, fallen nicht unter diesen Begriff[5].

 

25.          Ein Amtsträger handelt in Verletzung seiner Amtspflichten, wenn die Amtshandlung der konkreten gesetzlichen Grundlage, den Verordnungen, verbindlichen Anweisungen oder Richtlinien der Dienstbehörde widerspricht. Gemäß dem Grundsatz der Entscheidungsfindung basierend auf Fakten darf sich der Amtsträger ausschließlich von Tatsachen und dem Gesetz leiten lassen. Ebenso muss dieser Grundsatz eingehalten werden, wenn der Amtsträger mit einem Ermessensspielraum ausgestattet ist. Die Amtspflichten des Amtsträgers umfassen den Grundsatz des unparteilichen Handelns. Eine nicht unparteiliche Handlung ist per se eine Verletzung der Amtspflicht, wenn beispielsweise eine Anfrage oder ein Antrag vorrangig oder beschleunigt bearbeitet wird (RIS- Justiz RS0096116). Wenn der Amtsträger die Handlung gleich durchführt, ob er nun einen Vorteil erhält, oder nicht, kann dies als im Einklang mit den Amtspflichten betrachtet werden.

 

„vorsätzlich begangen“

 

26.          Das österreichische Recht trifft in § 5 StGB eine Unterscheidung der Ebenen des strafrechtlichen Vorsatzes, die wie folgt übersetzt werden können: a) Vorsatz basierend auf einer möglichen Durchführung der Handlung (dolus eventualis); b) Absicht (Vorsatz 2. Grades, basierend auf der willentlichen Durchführung der Handlung oder dem Erfolg der Handlung); c) Wissentlichkeit (Vorsatz 1. Grades, basierend auf der Gewissheit der Durchführung der Handlung oder des Erfolges der Handlung). Aktive und passive Bestechung nach den §§ 304, 305, 306, 307a und 307b StGB sind Vorsatzdelikte, aber dolus eventualis ist ausreichend. Nur die Verbotene Intervention nach § 308 StGB erfordert das oben genannte Element der Wissentlichkeit.

 

Sanktionen

 

27.          Die folgende Tabelle stellt einen Überblick über die verschiedenen Sanktionen der §§ 304 bis 307b (ebenso wie § 308 über Verbotene Intervention) dar, wobei zum Zwecke der Vergleichbarkeit andere ähnliche Delikte wie Untreue (§ 153 StGB) und Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB) ebenfalls angeführt sind, letzteres Delikt ist nämlich jenes, das am häufigsten zur Verfolgung von Korruptionsdelikten herangezogen wird – siehe auch die Erklärungen zu den statistischen Daten am Ende des beschreibenden Teils dieses Berichtes.

 

Bestimmung

Sanktion

jeweils nach den Umständen des Einzelfalles

Verjährung

§ 57 StGB

§ 153 StGB Untreue

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen

1 Jahr

Abs. 2

(bei einem EUR 3.000,- übersteigenden Schaden)

(bei einem EUR 50.000,- übersteigenden Schaden)

 

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

 

Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren

 

5 Jahre

 

10 Jahre

§ 153a StGB Geschenkannahme durch Machthaber

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr

3 Jahre

§ 168c StGB Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

5 Jahre

Abs. 2 (Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

5 Jahre

§ 168d StGB Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

§ 302 StGB Missbrauch der Amtsgewalt

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren

5 Jahre

Abs. 2 (schwerer Missbrauch der Amtsgewalt)

Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren

10 Jahre

§ 304 StGB Bestechlichkeit

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

5 Jahre

Abs. 2

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-)

 

Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren

Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren

 

5 Jahre

 

10 Jahre

§ 305 StGB Vorteilsannahme

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

Abs. 2

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

Abs. 3

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-)

 

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

 

Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren

 

5 Jahre

 

5 Jahre

§ 306 StGB Vorbereitung der Bestechlichkeit oder der Vorteilsannahme

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

Abs. 2

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

Abs. 3

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-)

 

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren

 

5 Jahre

 

5 Jahre

§ 307 StGB Bestechung

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

5 Jahre

Abs. 2

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-)

 

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 5 Jahren

Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren

 

5 Jahre

 

10 Jahre

§ 307a StGB Vorteilszuwendung

 

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

5 Jahre

Abs. 2

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-)

(Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-)

 

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

 

5 Jahre

 

5 Jahre

§ 308 StGB Verbotene Intervention

 

 

Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,- nicht

Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000,-

Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 50.000,-

Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren

 

Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren

 

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren

5 Jahre

 

5 Jahre

 

5 Jahre

§ 10 UWG – Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

 

 

 


Abs. 1

Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder Geldstrafe (bis zu 180 Tagessätze)

1 Jahr

Abs. 2

Freiheitsstrafe von bis zu drei Monaten oder Geldstrafe (bis zu 180 Tagessätze)

1 Jahr

 

                                                                                                                                                      

28.          Gemäß § 27 StGB verliert ein Beamter, der von einem österreichischen Gericht wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt wurde, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, sein Amt, wenn die verhängte Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt (auch wenn sie bedingt nachgesehen wurde) oder die tatsächlich zu verbüßende Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt oder wenn die Verurteilung (auch) wegen § 212 StGB (Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses für sexuelle Zwecke) erfolgte. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber disziplinäre Maßnahmen auf der Grundlage des öffentlichen Dienstrechtes ergreifen (Beamtendienstrechtsgesetz, Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz), oder arbeitsrechtliche Schritte einleiten.

 

Gerichtsentscheidungen, Rechtssprechung

 

29.          Wie oben angeführt enthält auch die Entscheidung RIS-Justiz RS096116 relevante Kriterien.

 

Bestechung und Bestechlichkeit von Mitgliedern inländischer öffentlich-rechtlicher Vertretungskörperschaften (Artikel 4 SEV Nr. 173)

 

30.          Wie oben erwähnt, umfasst das Konzept des „Amtsträgers“ des § 74 Abs. 1 Zi. 4a StGB Mitglieder inländischer Vertretungskörper unter lit. a durch Bezugnahme auf alle „Mitglieder eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers“, aber nur insofern, als sie bei einer Wahl oder Abstimmung ihre Stimme abgeben oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten eine Handlung vornehmen oder unterlassen. Die österreichischen Behörden haben vor Ort erklärt, dass die Bestechung von Mitgliedern von Vertretungskörpern (zum Zwecke des Stimmenkaufs) im Jahr 2008 eingeführt wurde. Die Bestimmungen wurden 2009 als Folge von öffentlichen Kontroversen über die besondere Behandlung gewählter Amtsträger ausgeweitet, sodass auch die Ausübung von in der „Geschäftsordnung festgelegten Pflichten“ erfasst wurde.

 

31.          Die Geschäftsordnungen des Nationalrates, der Landtage der Bundesländer und der Gemeinderatsversammlungen sind daher heranzuziehen, wenn die Pflichten der Abgeordneten bzw. Mitglieder bestimmt werden. §§ 2, 11 und 12 der Geschäftsordnung des Nationalrates legen die Pflichten der Nationalratsmitglieder fest. Diese umfassen insbesondere die Pflicht, das Amt anzutreten, an Sitzungen teilzunehmen, sich an Ausschüssen zu beteiligen, in welche das Mitglied gewählt wurde, mitzuteilen, wenn er oder sie an der Teilnahme an einer Sitzung verhindert ist. Für Landtagsabgeordnete und Gemeinderatsmitglieder gibt es ähnliche Bestimmungen. Für den Fall, dass ein Nationalratsmitglied mehrere Ämter inne hat (Doppelfunktion z.B. als Nationalratsmitglied und Bürgermeister), hängt die Unterstellung unter lit. a oder lit. b des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB vom konkreten Kontext, in welchem sie/er eine Amtshandlung durchführt oder unterlässt(der Art der Amtshandlung), ab. Wenn zum Beispiel einer Person, die eine Doppelfunktion als Nationalratsmitglied und Bürgermeister innehat, für die Erteilung einer Baubewilligung ein Vorteil angeboten wird– was eine der Amtsaufgaben des Bürgermeisters darstellt -, wird der Fall unter die Definition der lit. b des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB subsumiert.

 

32.          Zusätzlich muss erwähnt werden, dass § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. a StGB inländische Mitglieder von Vertretungskörpern betrifft, während ausländische Abgeordnete, wenn sie Gesetzgebungsaufgaben erfüllen, ohne Einschränkung unter die Definition von Amtsträgern gemäß § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b StGB fallen.

 

33.          Mitglieder von inländischen Vertretungskörpern unterliegen daher denselben Regeln wie inländische Amtsträger, mit den folgenden Ausnahmen: §§ 305 und 307a StGB sind auf Mitglieder von Vertretungskörpern nicht anwendbar, daher sind Bestechung und Bestechlichkeit in diesem Zusammenhang nur dann strafbar, wenn eine Verletzung von Amtspflichten vorliegt (nach §§ 304 und 307 StGB). Deshalb sind die Bestimmungen der Vorbereitung von Bestechung und Bestechlichkeit nach § 306 und § 307b jeweils nur auf passive und aktive Bestechungsdelikte anwendbar, denen eine Verletzung von Amtspflichten zu Grunde liegt (§§ 304 und 307).

 

Sanktionen, relevante Gerichtsentscheidungen

 

34.          Die möglichen Sanktionen betreffend die angeführten Delikte variieren von Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (was die geringste Strafdrohung darstellt) bis hin zu Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren (was die höchste Strafdrohung darstellt).

 

35.          Nach der Nationalratswahlordnung verliert eine Person, die von einem österreichischen Gericht wegen einer Vorsatzstraftat (einschließlich aktiver oder passiver Bestechung) zu einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt wird, das passive Wahlrecht. Das Verbot läuft sechs Monate nach Ende der Vollstreckung der Strafe ab. Wenn das Gericht die Strafe bedingt verhängt, behält die Person das passive Wahlrecht (§ 41 der Nationalratswahlordnung). Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in den Wahlordnungen der Landtage oder der Gemeinderäte.

 

36.          Den Antworten auf den Fragebogen konnten keine relevanten Gerichtsentscheidungen entnommen werden.

 

Bestechung und Bestechlichkeit ausländischer Amtsträger (Artikel 5 SEV Nr. 173)

 

37.          Wie oben erwähnt, umfasst das Konzept des „Amtsträgers“ nach § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB auch ausländische Amtsträger unter lit. b durch Bezugnahme auf jede Person, die „...für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt“. Alle anderen Kriterien für die Definition des Amtsträgers sind, mit Ausnahme der lit. a, welche sich speziell auf Mitglieder nationaler Vertretungskörper bezieht, auch auf ausländische Amtsträger anwendbar (siehe Randziffern 12 und 16 oben). Daher bezieht sich Bestechung von ausländischen Amtsträgern auch auf jede Person, die „sonst im Namen der in lit. b. genannten Körperschaften befugt ist, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen“ (lit. c.) oder „als Organ eines Rechtsträgers oder aufgrund eines Dienstverhältnisses zu einem Rechtsträger tätig ist, der der Kontrolle durch den Rechnungshof, dem Rechnungshof gleichartige Einrichtungen der Länder oder einer vergleichbaren internationalen oder ausländischen Kontrolleinrichtung unterliegt und weit überwiegend Leistungen für die Verwaltung der in lit. b. genannten Körperschaften erbringt“ (lit. d.).

 

38.          Den Antworten auf den Fragebogen ist zu entnehmen, dass daher §§ 304 bis 307a StGB auf gleiche Art und Weise (so wie für inländische Amtsträger) auf die Bestechung ausländischer Amtsträger anzuwenden sind. Allerdings fiel dem GET auf, dass die vollständige Gleichstellung ausländischer und inländischer Amtsträger dort aufhört, wo es um die Vorbereitung von passiver und aktiver Bestechung geht (§§ 306 und 307b), da diese Bestimmungen bestimmte Unterscheidungen kennen: a.): Die Vorbereitung der passiven Bestechung unter Verletzung einer Amtspflicht ist nach § 306 Abs. 1 (und enthält daher die Elemente „fordern, annehmen oder sich versprechen lassen“) nur insoweit strafbar, als es sich um einen österreichischen Amtsträger oder einen ausländischen Amtsträger aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union handelt. b.): Die Vorbereitung aktiver Bestechung unter Verletzung einer Amtspflicht ist nach § 307b Abs. 1 (und enthält daher die Elemente „anbieten, versprechen oder gewähren“) nur insoweit strafbar, als es sich um einen österreichischen Amtsträger oder einen ausländischen Amtsträger aus einem Mitgliedsland der Europäischen Union handelt. Im Gegensatz zu § 306 enthält § 307b keine zusätzlichen Bestimmungen über die Vorbereitung, die in Bezug auf aktive Bestechung von ausländischen Amtsträgern anwendbar wären. Darüber hinaus ist die Situation ähnlich wie bei der Bestechung von inländischen Amtsträgern: die Vorbereitung der passiven Bestechung ohne Verletzung einer Amtspflicht betreffend ausländische Amtsträger ist strafbar nach § 306 Abs. 2 (und enthält daher nur das Element des „Forderns“).

 

Der Begriff des „ausländischen Amtsträgers“

 

39.          Wie oben dargestellt, bezieht sich § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b StGB auf jede Person, die „für einen anderen Staat (...) Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt“. Die anderen relevanten zwei Kriterien der Definition des § 74 beziehen sich in einer solchen Form auf die Aufgaben, dass kein Unterschied zwischen inländischen und ausländischen Amtsträgern gemacht wird (lit. c und lit. d).

 

Sanktionen, Gerichtsentscheidungen und Rechtsprechung

 

40.          Die anwendbaren Sanktionen im Zusammenhang mit den angeführten Delikten variieren von Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren (was die geringste Strafdrohung darstellt) bis zu Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren (was die höchste Strafdrohung darstellt). Personen, die wegen aktiver Bestechung eines ausländischen Amtsträgers nach §§ 307, 307a StGB verurteilt wurden, können zusätzlich verwaltungsrechtliche Sanktionen auferlegt werden, wie der Ausschluss von bestimmten Funktionen nach der Gewerbeordnung oder nach Bestimmungen über den Finanzmarkt und das Körperschaftsrecht, oder sie können von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

 

41.          Den Antworten auf den Fragebogen konnten weder relevante Gerichtsentscheidungen noch Rechtsprechung entnommen werden.

 

Bestechung von Mitgliedern ausländischer Vertretungskörper (Artikel 6 SEV Nr. 173)

 

42.          Die Situation der Mitglieder ausländischer Vertretungskörper entspricht jener bezüglich ausländischer Amtsträger, die oben beschrieben wurde. Gemäß der Definition von (ausländischen) Amtsträgern nach § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b bis d, ist ein ausländischer Amtsträger: 1) nach lit. b. jede Person, die für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt. Die Antworten auf den Fragebogen zeigen, dass ausländische Parlamentsmitglieder von dieser Definition umfasst sind, da sie legislative Aufgaben für ein anderes Land wahrnehmen; 2) nach lit. c auch jede Person, die sonst für oder im Namen der genannten Körperschaften tätig wird.

 

Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor (Artikel 7 und 8 SEV Nr. 173)

 

Definition der Straftaten

 

43.          Die wichtigsten Bestimmungen, die die Bestechung im privaten Sektor regeln, sind jene über die „Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte“ nach § 168c und „Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten“ nach § 168d StGB. Diese Bestimmungen entsprechen jenen über passive und aktive Bestechung von Amtsträgern der §§ 304 und respektive 307 und werden auf dieselbe Art interpretiert. In den Antworten auf den Fragebogen wird erläutert, dass, als diese Bestimmungen 2008 in das StGB eingeführt wurden, der § 10 UWG abgeschafft hätte werden sollen, der bis damals verwendet worden war, um passive und aktive Bestechung im privaten Sektor zu kriminalisieren / verfolgen. Die Bestimmung blieb in Kraft, hat jedoch keine praktische Bedeutung.

 

               

§ 168c StGB – Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte

 

(1)   Ein Bediensteter oder Beauftragter eines Unternehmens, der im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2)   Übersteigt der Wert des Vorteils 3 000 Euro, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

 

§ 168d StGB – Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

 

Wer einem Bediensteten oder Beauftragten eines Unternehmens im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung für ihn oder einen Dritten einen nicht bloß geringfügigen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

 

§ 10 Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

 

(1)    Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes dem Bediensteten oder Beauftragten eines Unternehmens Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt, um durch unlauteres Verhalten des Bediensteten oder Beauftragten bei dem Bezug von Waren oder Leistungen eine Bevorzugung für sich oder einen Dritten zu erlangen, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

(2)    Die gleiche Strafe trifft den Bediensteten oder Beauftragten eines Unternehmens, der im geschäftlichen Verkehr Geschenke oder andere Vorteile fordert, sich versprechen läßt oder annimmt, damit er durch unlauteres Verhalten einem anderen beim Bezug von Waren oder Leistungen im Wettbewerb eine Bevorzugung verschaffe.

(3)    Die Abs. 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn die Tat nach anderen Bestimmungen mit gleicher oder strengerer Strafe bedroht ist.

(4)    Die Verfolgung findet nur auf Verlangen eines nach § 14 erster Satz zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruches Berechtigten statt.

 

 

 

44.          Bestechung im privaten Sektor nach §§ 168c und 168d setzt immer eine Pflichtverletzung voraus, daher wird, im Gegensatz zu den Bestechungsdelikten im öffentlichen Bereich, keine Unterscheidung zwischen den Delikten dahingehend gemacht, ob eine solche Pflichtverletzung zugrunde liegt, oder nicht. Abgesehen davon kriminalisiert Österreich andere Formen des illegalen Verhaltens, die in der Praxis vorkommen: „Untreue“ nach § 153 StGB, „Geschenkannahme durch Machthaber“ nach § 153a StGB. Aus den Antworten auf den Fragebogen ergibt sich, dass die meisten Fälle der Bestechung im privaten Sektor (nach wie vor) als Untreue gemäß § 153 StGB verfolgt werden (siehe dazu auch die Verurteilungsstatistik am Ende des beschreibenden Teils dieses Berichtes).

 

§ 153 StGB – Untreue

 

(1)   Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2)   Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

 

§ 153a StGB - Geschenkannahme durch Machthaber

 

Wer für die Ausübung der ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil angenommen hat und pflichtwidrig nicht abführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

 

 

 

45.          Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bestimmungen ist grundsätzlich so: Wenn man beweisen kann, dass die bevollmächtigte Person wissentlich ihre Pflichten verletzt und mit dolus eventualis zum Nachteil der bevollmächtigenden Person handelt, – was nach der Rechtsprechung regelmäßig der Fall ist (RIS-Justiz RS0095562, RS0095585), besonders in Fällen, in welchen es eine Vereinbarung vor der Übergabe des Vorteils gibt und sich der Amtsträger so verhält wie gewünscht – wird § 153 StGB wie oben beschrieben angewendet. Wenn entweder nicht nachweisbar ist, dass der Bestochene wissentlich gehandelt hat oder dass er oder sie mit dem Vorsatz gehandelt hat, die bevollmächtigende Person am Vermögen zu schädigen, können §§ 168c und 168d zur Anwendung kommen. Wenn es keine Ermächtigung gibt (wie dies von § 168e StGB gefordert wird), wird § 153a angewendet.

 

46.          In den Antworten auf den Fragebogen wurde erklärt, dass, während der Bestochene nach § 153 grundsätzlich dafür verfolgt wird, dass er der Person, für die er arbeitet, den Vorteil vorenthält, den er selbst erhalten hat (z.B. die geheime Provision), der Bestecher (z.B. ein Geschäftspartner, der seine Waren der bevollmächtigenden Person oder dem Unternehmen verkaufen will) nach § 153 in Verbindung mit § 12 StGB wegen Bestimmung zur Untreue zur Verantwortung gezogen werden kann. Wenn der Bestecher der bevollmächtigten Person eine geheime Provision anbietet, deren Annahme letztlich verweigert wird, so kann er dennoch für versuchte (Bestimmung zur) Untreue verantwortlich gemacht werden. Andererseits kann die bevollmächtigte Person wegen versuchter Untreue verfolgt werden, wenn er eine geheime Provision fordert, die Forderung jedoch nicht erfüllt wird.

 

Tatbestandsmerkmale / Begriffe

 

„Person, die ein Unternehmen im privaten Sektor leitet oder für ein solches tätig ist“

 

47.          §§ 168c und 168d beziehen sich auf „Bedienstete oder Beauftragte eines Unternehmens“. Der Begriff „Bediensteter“ bedeutet jeden Arbeitnehmer, der an Weisungen gebunden ist, unabhängig von seiner Position in der Hierarchie des Unternehmens, ebenso wie Vorstandsmitglieder einer juristischen Gesellschaft und Amtsträger, die, weil sie für Unternehmen im öffentlichen oder privaten Sektor arbeiten, nicht unter die Bestimmungen der §§ 304ff StGB fallen. Der Begriff „Beauftragter“ bedeutet jede Person, die bevollmächtigt ist, im Geschäftsverkehr für das Unternehmen zu handeln.

 

„im Rahmen einer Geschäftstätigkeit“, „unter Verletzung ihrer Pflichten“

 

48.          Beide Bestimmungen über die Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor (§§ 168c und 168d StGB) pönalisieren Handlungen im geschäftlichen Verkehr. Der Begriff wird auch im Übereinkommen verwendet („im Rahmen einer Geschäftstätigkeit“). Darüber hinaus stellen beide Bestimmungen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen Bestechung im privaten Sektor in Bezug auf die Vornahme einer Rechtshandlung unter Verletzung der Pflichten der Person unter Strafe.

 

Andere Elemente des Deliktes

 

49.          § 168c StGB bezieht sich auf einen „Vorteil“, während § 168d StGB (ebenso wie § 153a StGB) von einem „nicht bloß geringfügigen Vorteil“ spricht. Letzterer Begriff definiert eine „Minimalschwelle“, die auch in verschiedenen anderen Bestimmungen des StGB verwendet wird, speziell bei minderschwerem Raub (§ 142 Abs. 2). Es gibt keine besondere Rechtsprechung zu § 168d (oder § 153a) StGB, aber nach der Dogmatik und der allgemeinen Rechtsprechung ebenso wie nach Gerichtsentscheidungen betreffend  frühere Bestechungsdelikte, würde alles unter EUR 100,- als ein „bloß geringfügiger Vorteil“ bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0099085). Darüber hinaus gibt es eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (12 Os 45/04), in welcher klargestellt wird, dass es sich nicht um eine starre Schwelle handelt, sondern dass einzelfallbezogen entschieden werden muss, was darauf hindeutet, dass die Schwelle in Bestechungsfällen niedriger sein könnte. In dieser Entscheidung bestätigt der Oberste Gerichtshof auch, dass mehrere geringfügige Vorteile, die für sich allein jeweils unter der Geringfügigkeitsschwelle liegen würden, zusammengerechnet werden müssen, wenn sie „in derselben Angelegenheit“ gewährt oder angenommen werden (wie im Fall wenn derselbe Bestecher demselben Amtsträger über Jahre hinweg kleine Geldbeträge auf regelmäßiger Basis bezahlt). Es gibt aber weder Rechtsprechung noch Beiträge der Lehre dazu, was einen geringfügigen immateriellen Vorteil darstellen würde. Beide Delikte setzen voraus, dass der Vorteil für den Bestochenen selbst, oder für einen Dritten sein kann. Ein Dritter als Mittelsmann wird nicht erwähnt, aber wie bereits zuvor erläutert, gelten die allgemeinen Grundsätze des Strafgesetzbuches über Bestimmungs- und Beitragstäterschaft (§ 15 [sic!]), wodurch alle Situationen erfasst werden, in welchen ein oder mehrere Dritte zwischengeschaltet sind.

 

50.          Gemäß § 168e StGB handelt es sich um ein Privatanklagedelikt:

 

§ 168e StGB – Berechtigung zur Anklage

 

Die strafbaren Handlungen nach § 168c Abs. 1 und § 168d sind nur auf Verlangen des Verletzten oder eines der nach § 14 Abs. 1 erster Satz des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. Nr. 448, zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs Berechtigten zu verfolgen.

 

 

Sanktionen, Gerichtsentscheidungen und Rechtsprechung

 

51.          Die für Bestechung im privaten Sektor vorgesehenen Sanktionen sind Freiheitsstrafen bis zu zwei oder drei Jahren nach § 168c und § 168d. Nach den anderen Bestimmungen variieren sie von bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe und zwischen einem und zehn Jahren Freiheitsstrafe (siehe untenstehende Tabelle).

 

 

Bestimmung

Sanktion nach den Umständen des Einzelfalles

§ 153 StGB Untreue

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen

Abs. 2

(Schadenshöhe über EUR 3.000)

(Schadenshöhe über EUR 50.000)

 

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren

§ 153a StGB Geschenkannahme durch Machthaber

Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr

§ 168c StGB Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

Abs. 2 (Vorteil übersteigt den Betrag von EUR 3.000)

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

§ 168d StGB Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

§ 10 UWG – Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten

 

Abs. 1

Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen

Abs. 2

Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen

 

 

52.          Personen, die wegen Bestechung im privaten Sektor verurteilt wurden, können zusätzlich verwaltungsrechtlichen Sanktion unterliegen, wie Ausschluss von bestimmten Funktionen auf der Grundlage der Gewerbeordnung oder von Gesetzen im Bereich Finanzmarkt und Körperschaftsrecht. In gewissen Fällen können sie von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

 

53.          Oben stehend wurden zwei Gerichtsentscheidungen zitiert, die die Anwendbarkeit von § 153 StGB über die Untreue betreffen (RIS-Justiz RS 0095562, RS 0095585).

 

 

Bestechung und Bestechlichkeit von Beamten internationaler Organisationen (Artikel 9 SEV Nr. 173), Bestechung von Mitgliedern internationaler parlamentarischer Versammlungen (Artikel 10 SEV Nr. 173), Bestechung von Richtern und Bediensteten internationaler Gerichtshöfe (Artikel 11 SEV Nr. 173)

 

54.          Die Situation bezüglich dieser beiden Kategorien von Personen entspricht jener  für ausländische Amtsträger und Mitglieder ausländischer Vertretungskörper wie oben beschrieben. Die Tatbestandelemente sind daher, ebenso wie die Sanktionen, ident.

 

55.          Die in § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b StGB vorgenommene Definition umfasst jeden, der „für einen anderen Staat oder eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt“. Dies betrifft jede internationale Organisation, die völkerrechtlichen oder supranationalen Charakter hat, auch auf regionaler Ebene oder für wirtschaftliche Zwecke (d.h. Europäische Union, Europarat, Vereinte Nationen und der Internationale Strafgerichtshof). Mitglieder internationaler parlamentarischer Vertretungskörper werden von dieser Definition ebenso umfasst, weil sie gesetzgebende Funktion in den betreffenden Organisationen ausüben. Da Richter an internationalen Gerichtshöfen Aufgaben der Justiz und Bedienstete internationaler Gerichtshöfe Aufgaben der Verwaltung für die Gerichte ausüben, fallen diese beiden Kategorien unter die Definition von Amtsträgern einer internationalen Organisation. Wie bereits in Randziffern 12 bis 16 ausgeführt, umfasst die Definition des § 74 auch alle Personen, die im Namen der erwähnten Organisationen auftreten, während sie Gesetze umsetzen.

 

56.          Aufgrund dieser Überlegungen ist aktive Bestechung von Beamten internationaler Organisationen, von Mitgliedern internationaler parlamentarischer Vertretungskörper, von Richtern und Bediensteten internationaler Gerichtshöfe daher nach § 307 und § 307a StGB strafbar und passive Bestechung derselben Personen wird nach § 304 und § 305 StGB verfolgt. Wie bereits vorher vom GET angemerkt, sind die §§ 306 und 307b über die Vorbereitung von passiver und aktiver Bestechung bis zu einem gewissen Grad auch anwendbar, insbesondere in Fällen, in welchen ein Beamter der Europäischen Union wegen einer Verletzung seiner Amtspflichten betroffen ist (§ 306 Abs. 1, § 307b Abs. 1) oder in welchen ein Beamter einer internationalen Organisation betroffen ist, allerdings nur soweit, wie es um die Vorbereitung der passiven Bestechung im Hinblick auf ein Ansuchen geht und nur wenn eine Verletzung einer Amtspflicht vorliegt (§ 306 Abs. 2).

 

57.          Den Antworten auf den Fragebogen konnten keine relevanten Gerichtsentscheidungen bzw. relevante Rechtsprechung entnommen werden.

 

Missbräuchliche Einflussnahme (Artikel 12 SEV Nr. 173)

 

58.          Missbräuchliche Einflussnahme ist gemäß § 308 StGB als „Verbotene Intervention“ strafbar. Diese Bestimmung besteht aus einem Grunddelikt und zwei erschwerenden Umständen basierend auf dem Geldwert des ungerechtfertigten Vorteils (EUR 3.000 bzw. EUR 50.000):


§ 308 StGB – Verbotene Intervention

 

Wer wissentlich unmittelbar oder mittelbar darauf Einfluss nimmt, dass ein Amtsträger oder ein Schiedsrichter eine in seinen Aufgabenbereich fallende Dienstverrichtung pflichtwidrig vornehme oder unterlasse und für diese Einflussnahme für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Wer die Tat in Bezug auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Wer die Tat in Bezug auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

 

 

 

59.          Diese Bestimmung pönalisiert die Verhaltensweisen des Forderns, Annehmens oder sich Versprechenlassens eines Vorteils für die wissentliche Einflussnahme auf einen Amtsträger (gemäß der Definition des § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. a bis lit. d StGB) oder einen Schiedsrichter. Die Handlung wird strafbar, wenn die Einflussnahme darauf abzielt, dass der Amtsträger oder der Schiedsrichter eine Handlung unter Verletzung seiner Amtspflichten vornimmt oder unterlässt.

 

„Fordern oder Annehmen, Annehmen des Angebots oder Versprechens (für passive Einflussnahme)

 

60.          § 308 StGB stellt die passive Form der Einflussnahme durch die Verwendung der Formulierung „fordert, annimmt oder sich versprechen lässt“ klar unter Strafe. Die österreichischen Behörden erläutern, dass diese Ausdrücke ebenso interpretiert werden müssen, wie für die Bestechungsdelikte.

 

„Versprechen, Anbieten oder Gewähren (für aktive Einflussnahme)

 

61.          Die Formulierung des § 308 StGB bezieht sich nicht auf die aktive Form des Deliktes. Die österreichischen Behörden erklären, dass nach § 12 des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches nicht nur der unmittelbare Täter, sondern auch jeder, der als Bestimmungstäter handelt und somit einen anderen dazu bestimmt, eine strafbare Handlung zu begehen, ebenso wie jeder, der auf andere Art zur Begehung der Tat beiträgt, für das betreffende Delikt bestraft werden kann (wobei alle grundsätzlich dieselbe Strafdrohung haben). Daher kann jeder, der einem anderen einen Vorteil verspricht, anbietet oder gewährt, damit dieser Einfluss im Sinne des § 308 StGB nimmt, wegen Bestimmung zur verbotenen Intervention strafrechtlich verfolgt werden. Das musste durch den Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung 14 Os 170/96 klargestellt werden: Es wurde argumentiert, dass, wenn der Gesetzgeber auch die aktive Seite unter Strafe stellen hätte wollen, dies ausdrücklich so im Gesetz angeführt worden wäre, wie dies bei den Bestechungsdelikten der Fall ist. Der Oberste Gerichtshof entschied allerdings, dass hier auf die allgemeinen Grundsätze über die Beteiligung an strafbaren Handlungen zurückgegriffen werden kann, d.h. auf § 12 StGB, was bedeutet, dass der „Bestecher“ in den Fällen der verbotenen Intervention nach § 308 StGB in Verbindung mit § 12 StGB strafbar ist.

 

„vorsätzlich begangen“

 

62.          Das Delikt der verbotenen Intervention nach § 308 StGB erfordert, dass die Person wissentlich handelt, und zwar im Hinblick darauf, dass die Einflussnahme auf den Amtsträger darauf abzielt, dass dieser eine Handlung pflichtwidrig vornimmt oder unterlässt (siehe auch Randziffer 26 über die verschiedenen Vorsatzformen des § 5 Abs. 3 StGB).

 

„Person, die behauptet oder bestätigt“; „unabhängig davon, ob die Einflussnahme erfolgt ist oder nicht“, „oder ob die vermutete Einflussnahme zu dem gewünschten Ergebnis führt oder nicht“

 

63.          Täter kann jede Person sein, die in der Lage ist, auf einen Amtsträger Einfluss zu nehmen, unabhängig davon, ob er oder sie behauptet oder bestätigt, dazu tatsächlich in der Lage zu sein. Daher ist sogar eine Person umfasst, die nicht behauptet, unangemessenen Einfluss ausüben zu können, aber trotzdem dazu in der Lage wäre. Die österreichischen Behörden gaben nach dem Besuch an, dass jemand, der fälschlicherweise behauptet, in der Lage zu sein, für einen Vorteil Einfluss nehmen zu können, auch wegen Betruges verfolgt werden kann.

 

64.          Die Antworten auf den Fragebogen waren nicht ganz eindeutig in Bezug darauf, wann das Delikt vollendet ist. Obwohl betont wurde, dass es „nicht notwendig“ ist, dass „tatsächlich Einfluss“ genommen wird und ebensowenig, dass die Einflussnahme „erfolgreich“ war, wurde auch angegeben, dass, weil der Einflussnehmer wissentlich handeln muss, „impliziert wird“, dass die „Einflussnahme tatsächlich stattfindet“. Wenn allerdings der ungerechtfertigte Vorteil im Austausch für die Einflussnahme tatsächlich gefordert oder angenommen wurde (auch wenn keine Einflussnahme ausgeübt wurde), liegt ein nach § 308 StGB strafbares Verhalten vor, wobei nach § 15 StGB die Tat beim Versuch bleibt (Nach § 15 StGB ist nicht nur die vollendetet Tat, sondern auch der Versuch eines Vorsatzdeliktes aufgrund derselben Bestimmungen strafbar).

 

„unmittelbar oder mittelbar“; „für sich selbst oder für einen Dritten“

 

65.          § 308 StGB bezieht sich eindeutig auf diese Formulierungen und deckt daher auch die Einschaltung von Mittelsmännern oder Dritten  als Empfänger des ungerechtfertigten Vorteils ab. Die Formulierungen müssen ebenso interpretiert werden, wie jene für die zuvor besprochenen Bestechungsdelikte.

 

Sanktionen

 

66.          Je nach Einzelfall ist die verbotene Intervention mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren (Wert des Vorteils unter EUR 3.000), bis zu drei Jahren (Wert des Vorteils zwischen EUR 3.000 und EUR 50.000) und von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (Wert des Vorteils über EUR 50.000) zu bestrafen.

 

Bestechung und Bestechlichkeit von in- und ausländischen Schiedsrichtern (Artikel 1-4 SEV Nr. 191)

 

67.          Die §§ 304 und 305 StGB (über Bestechlichkeit und über Vorteilsannahme) und die §§ 307 und 307a StGB (über Bestechung und Vorteilszuwendung) beziehen sich ausdrücklich sowohl auf Amtsträger als auch auf Schiedsrichter. Die Definition eines Schiedsrichters (siehe unten) bezieht sich auf inländische und auf ausländische Schiedsrichter.

 

Tatbestandsmerkmale und Sanktionen

 

„Inländischer Schiedsrichter / Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Maßgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts dieser Vertragspartei wahrnimmt“; „ausländischer Schiedsrichter / Schiedsrichter, der seine Aufgaben nach Maßgabe des innerstaatlichen Schiedsrechts eines anderen Staates wahrnimmt“


68.          Die Bestechung von Schiedsrichtern ist nach denselben Bestimmungen strafbar, wie die Bestechung von Amtsträgern. Inländische Schiedsrichter werden gleich behandelt wie inländische Amtsträger; ausländische Schiedsrichter genauso wie inländische, solange es sich um Schiedsrichter eines anderen EU-Mitgliedslandes handelt. Der einzige Unterschied zwischen Schiedsrichtern von anderen EU-Mitgliedsstaaten und jenen von Drittstaaten ist, dass bezüglich der letztgenannten die Bestimmungen über die Vorbereitung der passiven Bestechung (§ 306 StGB) zu einem gewissen Grad anwendbar sind, während jene über die Vorbereitung der aktiven Bestechung (§ 307b) nicht anwendbar sind, während jedoch die Hauptbestimmungen der §§ 304, 305, 307 und 307a auf alle gleich anzuwenden sind.

 

69.          § 74 Abs. 1 Zi 4c StGB definiert einen Schiedsrichter wie folgt: „jeder Entscheidungsträger eines Schiedsgerichtes im Sinne der §§ 577ff ZPO mit Sitz im Inland oder noch nicht bestimmtem Sitz (österreichischer Schiedsrichter) oder mit Sitz im Ausland“. Die österreichische Zivilprozessordnung legt die Aufgaben und Funktionen eines Schiedsrichters, die Voraussetzungen für diese Aufgaben und Funktionen und die Verfahrensregeln fest. Das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Schiedsrichtern ist, ob das Schiedsgericht seinen Sitz in Österreich oder in einem anderen Land hat, unabhängig von dem Recht, dessen Anwendung die Parteien vereinbart haben.

 

70.          Die grundlegenden Elemente des Deliktes und die anwendbaren Sanktionen wurden bereits vorher im Kapitel über die Bestechung von inländischen und ausländischen Amtsträgern beschrieben. Die Antworten auf den Fragebogen erwähnten weder Gerichtsentscheidungen noch Rechtsprechung.

 

Bestechung und Bestechlichkeit von inländischen und ausländischen Schöffen [„jurors“] (Artikel 1 sowie Artikel 4 und 5 SEV Nr. 191)

 

71.          Schöffen und Geschworene sind Amtsträger im Sinne des § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. b StGB, da sie Aufgaben der Justiz als ein Organ für den Bund oder einen anderen Staat, oder im Fall eines internationalen Gerichtshofes für eine internationale Organisation, ausführen.

 

72.          Daher ist, ähnlich wie bei Schiedsrichtern, die Bestechung von Schöffen/Geschworenen auf dieselbe Art strafbar, wie die Bestechung von Amtsträgern. Inländische Schöffen/Geschworene werden gleich behandelt, wie inländische Amtsträger; ausländische Schöffen/Geschworene wie inländische Schöffen/Geschworene, soweit sie aus einem Mitgliedsstaat der EU stammen. Betreffend Schöffen/Geschworene aus Drittstaaten sind die Bestimmungen über die Vorbereitung der passiven Bestechung (§ 306 StGB) bis zu einem gewissen Grad anwendbar, während jene über die Vorbereitung der aktiven Bestechung (§ 307b StGB) nicht anwendbar sind. Wie für Schiedsrichter gelten auch für alle Schöffen/Geschworene die Hauptbestimmungen (§§ 304, 305, 307 und 307a StGB) gleich.

 

73.          Die grundlegenden Elemente der Delikte, ebenso wie die anwendbaren Sanktionen, sind dieselben, die bereits zuvor betreffend die Bestechung von inländischen und ausländischen Amtsträgern beschrieben wurde. Die Antworten auf den Fragebogen erwähnen weder Entscheidungen noch Rechtsprechung.

 

Andere Delikte und Fragen

 

Sonstige Bestimmungen über Korruption

 

74.          Wie bereits in Randziffer 8 angemerkt, gibt es in den österreichischen Gesetzen für bestimmte Bereiche zusätzlich spezielle Bestimmungen zur Korruption. Wie in vielen anderen Ländern auch stellt das StGB auch die Bestechung von Wählern als eigenständiges Delikt unter Strafe.

 

Mittäterschaft

 

75.          Bestimmungstäterschaft und Beitragstäterschaft sind gemäß § 12 StGB strafbar. Nach dieser Bestimmung sind Bestimmungstäter und Mittäter ebenso verantwortlich wie der Haupttäter.

               

               

§ 12 StGB - Behandlung aller Beteiligten als Täter

 

Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.

 

 

Tätige Reue

 

76.          In den Antworten auf den Fragebogen wird erläutert, dass im Hinblick auf die Erleichterung der Verfolgung von Korruptionsdelikten, ein § 307c über die tätige Reue in das Strafgesetzbuch eingeführt und letztmalig 2009 novelliert wurde. Dieser Mechanismus der tätigen Reue ist (nur) im Zusammenhang mit den  Bestechungsdelikten im öffentlichen Bereich, nämlich §§ 304-307b, anwendbar.

 

               

§ 307c StGB – Tätige Reue

 

(1)   Wegen der in den §§ 304 bis 307b mit Strafe bedrohten Handlungen ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig und bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3) von seinem Verschulden erfahren hat, die Ausführung aufgibt, oder diese, falls mehrere an dem Vorhaben beteiligt sind, verhindert oder den Erfolg abwendet und jedenfalls einen angenommenen Vorteil oder einen Geldbetrag, der dem Wert dieses Vorteils entspricht, im Zug der Selbstanzeige bei der Behörde erlegt.

(2)   Unter den in Abs. 1 genannten Voraussetzungen ist der Täter auch dann nicht zu bestrafen, wenn die Ausführung oder der Erfolg ohne sein Zutun unterbleibt, er sich jedoch in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich bemüht, die Ausführung zu verhindern oder den Erfolg abzuwenden.

 

 

77.          Die Antworten auf den Fragebogen enthielten keine zusätzlichen Informationen oder Erklärungen zu diesem neuen Mechanismus und es war auch keine Information vor Ort erhältlich, wie die Praxis funktioniert (scheinbar wurde dieser Mechanismus bislang einmal von der Korruptionsstaatanwaltschaft angewendet).

 

78.          Dem GET fiel weiters auf, dass im österreichischen Recht sehr weiträumig Gebrauch von den Mechanismen der tätigen Reue im Zusammenhang mit den Delikten des StGB gemacht wird (einschließlich bei Geldwäsche). Das ist der Fall bei § 167 StGB, der in Bezug auf eine Reihe von Delikten anwendbar ist, einschließlich Untreue (§ 153 StGB) und Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153c StGB). Wie die Statistiken am Ende des beschreibenden Teils zeigen, wurde § 153 häufig angewendet, um Bestechung im privaten Sektor zu verfolgen.

 

               

§ 167 StGB – Tätige Reue

 

 (1) Die Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung, Datenbeschädigung, Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems, Diebstahls, Entziehung von Energie, Veruntreuung, Unterschlagung, dauernder Sachentziehung, Eingriffs in fremdes Jagd- oder Fischereirecht, Entwendung, Betrugs, betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs, Erschleichung einer Leistung, Notbetrugs, Untreue, Geschenkannahme durch Machthaber, Förderungsmißbrauchs, betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, Wuchers, betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, Vollstreckungsvereitelung und Hehlerei wird durch tätige Reue aufgehoben.

 

(2) Dem Täter kommt tätige Reue zustatten, wenn er, bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3) von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein,

1.  den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutmacht oder

2. sich vertraglich verpflichtet, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit solche

   Schadensgutmachung zu leisten. In letzterem Fall lebt die Strafbarkeit wieder auf, wenn der

   Täter seine Verpflichtung nicht einhält.

 

(3) Der Täter ist auch nicht zu bestrafen, wenn er den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden im Zug einer Selbstanzeige, die der Behörde (§ 151 Abs. 3) sein Verschulden offenbart, durch Erlag bei dieser Behörde gutmacht.

 

(4) Der Täter, der sich um die Schadensgutmachung ernstlich bemüht hat, ist auch dann nicht zu bestrafen, wenn ein Dritter in seinem Namen oder wenn ein anderer an der Tat Mitwirkender den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden unter den im Abs. 2 genannten Voraussetzungen gutmacht.

 

 

Gerichtsbarkeit

 

79.          Österreich ist nach den §§ 62 und 67 StGB (letztere ist die Bestimmung über Zeit und Ort der Tat [Ubiquitätsprinzip]) territorial zuständig für alle in Österreich begangenen strafbaren Handlungen und nach der Rechtsprechung genügt es, wenn nur ein Teil der Ausführungshandlung des Deliktes in Österreich gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0092073).

 

               

§ 62 StGB – Strafbare Handlungen im Inland

 

Die österreichischen Strafgesetze gelten für alle Taten, die im Inland begangen worden sind.

 

§ 67 StGB – Zeit und Ort der Tat

 

(1)   Eine mit Strafe bedrohte Handlung hat der Täter zu der Zeit begangen, da er gehandelt hat oder hätte handeln sollen; wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.

(2)   Eine mit Strafe bedrohte Handlung hat der Täter an jenem Ort begangen, an dem er gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder ein dem Tatbild entsprechender Erfolg ganz oder zum Teil eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen.

 

 

80.          Betreffend im Ausland  begangene strafbare Handlungen gibt es in Österreich zwei Konzepte für extraterritoriale Zuständigkeit gemäß §§ 64 und 65 StGB: Während § 64 StGB eine Zuständigkeit Österreichs in bestimmten Fällen ohne das Kriterium der gegenseitigen Strafbarkeit festlegt (d.h. unabhängig vom Recht des Landes, in welchem die Tat begangen wurde), legt § 65 Abs. 1 Zi 1 StGB die Zuständigkeit Österreichs für die Verfolgung österreichischer Staatsbürger allgemein fest (d.h. für alle Delikte), allerdings nur unter der Voraussetzung der gegenseitigen Strafbarkeit. Unter denselben Voraussetzungen schafft § 65 Abs. 1 Zi 2 StGB eine Zuständigkeit Österreichs für den Fall, dass der Täter zum Zeitpunkt der Tatbegehung ein Ausländer war, in Österreich betreten wurde und aus anderen Gründen als der Art oder der Eigenschaft der Straftat nicht an einen ausländischen Staat ausgeliefert werden kann.

 

§ 64 StGB – Strafbare Handlungen im Ausland, die ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatortes bestraft werden

 

(1)   Die österreichischen Strafgesetze gelten unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes für folgende im Ausland begangene Taten:

(...)

2. strafbare Handlungen, die jemand gegen einen österreichischen Beamten (§ 74 Abs. 1 Zi 4) oder österreichischen Amtsträger (§ 74 Abs. 1 Zi 4a) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und die jemand als österreichischer Beamter oder österreichischer Amtsträger begeht.

 

§ 65 StGB – Strafbare Handlungen im Ausland, die nur bestraft werden, wenn sie nach den Gesetzen des Tatorts mit Strafe bedroht sind

 

(1)   Für andere als die in den §§ 63[6] und 64 bezeichneten Taten, die im Ausland begangen worden sind, gelten, sofern die Taten auch durch die Gesetze des Tatortes mit Strafe bedroht sind, die österreichischen Strafgesetze:

1.       wenn der Täter zur Zeit der Tat Österreicher war oder wenn er die österreichische Staatsbürgerschaft später erworben hat und zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens noch besitzt;

2.       wenn der Täter zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betreten wird und aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden kann.

(...)

 

 

81.          Gemäß § 64 Abs. 1 Zi 2 kann Österreich daher ohne die Voraussetzung der gegenseitigen Strafbarkeit „strafbare Handlungen, die jemand gegen einen österreichischen Beamten (§ 74 Abs. 1 Zi 4 StGB) oder einen österreichischen Amtsträger (§74 Abs. 1 Zi 4a StGB) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und die jemand als österreichischer Beamter oder österreichischer Amtsträger begeht“, verfolgen. Wie oben angeführt, schafft § 65 Abs. 1 Zi 1 und Zi 2 die Grundlage dafür, dass Österreich Delikte verfolgen kann, die im Ausland von seinen Staatsbürgern und von Ausländern, die in Österreich betreten und nicht ausgeliefert werden können, begangen wurden, sofern gegenseitige Strafbarkeit besteht.

 

Verjährung

 

82.          Die allgemeinen Regeln für die Verjährung der Strafverfolgung legt § 57 StGB[7] fest, wobei die Fristen von der Höhe der Strafdrohung abhängen. Eine Übersicht kann der Tabelle in Randziffer 27 entnommen werden. Es unterliegen daher alle Bestechungs- und Einflussnahmedelikte der §§ 304 bis 308 StGB einer Verjährungsfrist von 5 bis 10 Jahren. Für andere Delikte, mit welchen in Österreich Bestechungs- und Einflussnahmehandlungen verfolgt werden, besonders für jene, die Geschäftsgebahrungen im privaten Sektor betreffen, können die Verjährungsfreisten auch weitaus niedriger sein.

 

Statistiken

 

83.          Die folgende Tabelle zeigt die Verurteilungsstatistik für die Jahre 2007, 2008 und 2009 betreffend jener Delikte, die im Zusammenhang mit Korruption stehen. Das GET erhielt während des Besuches die Bestätigung, dass es keine Statistiken über die Ermittlung und Verfolgung betreffend die relevanten Korruptionsdelikte gibt. Eine Studie über das Ausmaß und die Art der Korruption in Österreich wurde vom Institut für Konfliktforschung – IKF- im Jahr 2010 durchgeführt. Dabei wurden Gerichtsakten und Ermittlungsakten betreffend Korruptionsfälle der Jahre 2002 bis 2009 untersucht. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass die Mehrheit der Korruptionsdelikte im öffentlichen Bereich nach der Bestimmung des § 302 StGB über den Missbrauch der Amtsgewalt behandelt wird (siehe http://www.ikf.ac.at/a_proj10/a_pro11.htm), nur wenige Fälle hingegen nach §§ 304 bis 308 StGB. Betreffend Korruption im privaten Sektor sind die einzigen Verurteilungen, die es gibt, solche nach § 153 StGB (und nicht § 10 UWG, welcher die aktive Bestechung im privaten Sektor pönalisierte, bevor neue besondere Delikte im Jahr 2008 eingeführt wurden, siehe Randziffer 43). Aus diesen Gründen kann der informative Wert der untenstehenden Statistik begrenzt sein.

 

Verurteilungen

2007

2008

2009

§ 153

119

143

126

§ 153a

 

 

1

§ 168c

 

 

 

§ 168d

 

 

 

§ 302

85

62

38

§ 304

2

4

1

§ 305

 

 

 

§ 306

 

 

 

§ 307

1

 

3

§ 308

 

 

 

 

 

Gesetzesnovellierungen, geplante Reformen

 

84.          Die Antworten auf den Fragebogen erwähnen keine geplanten Novellierungen oder Reformen, sei es im Zusammenhang mit der möglichen Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens über Korruption samt Zusatzprotokoll oder der Implementierung der Konvention der Vereinten Nationen über Korruption (welche von Österreich am 11. Jänner 2006 ratifiziert wurde) durch Österreich, oder unabhängig davon. Österreich hat vor kurzem das Strafgesetzbuch im Hinblick auf Korruptionsdelikte novelliert, und zwar im Jahr 2009 mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. Nr I 2009/98, welches am 1. September 2009 in Kraft trat. Wie das GET bemerkte, gab es auch früher, 2008, Novellierungen zur Einführung eines erweiterten Begriffes des Amtsträgers und hinsichtlich der Ausweitung des Anwendungsbereiches der bestehenden Korruptionsdelikte im öffentlichen Bereich (insbesondere mit der Einführung von Bestimmungen über die „Vorbereitung von Bestechung“) und im privaten Bereich. Die Österreichische Anti-Korruptions-Gemeinschaft sah dies als großen Schritt vorwärts, aber gleichzeitig gab es heftige Kritik aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft (einschließlich von Universitäten, leitenden Beamten, die in die ersten Verfahren wegen angenommener Einladungen zu Veranstaltungen nach den neuen Bestimmungen über die Vorbereitung von Bestechung involviert  waren, und von der Industrie im Zusammenhang mit dem Sponsoring von Kultur- und anderen Veranstaltungen). Als Ergebnis davon zielten die Änderungen des Jahres 2009 darauf ab, den Begriff des Amtsträgers genauer zu definieren und den Rahmen für die Strafbarkeit leicht zu verengen.

 

III. ANALYSE

 

85.          Österreich ist eines der sehr wenigen GRECO-Länder, welches das Strafrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 173, in der Folge: das Übereinkommen) und das entsprechende Zusatzprotokoll (SEV Nr. 191) nicht ratifiziert hat. Trotzdem wird Österreich, wie alle anderen GRECO-Mitglieder, der Peer-Review nach den Standards des Übereinkommens und des Zusatzprotokolls im Rahmen der dritten Evaluierungsrunde gemeinsam mit der Leitlinie 2 der Entschließung (97) 24 über die 20 Leitlinien zur Bekämpfung der Korruption („zur Sicherung der koordinierten Kriminalisierung der nationalen und internationalen Korruption“) unterzogen. Das GET anerkannt, dass Österreich das Übereinkommen am 13. Oktober 2000, d.h. vor 11 Jahren, unterzeichnet hat. 2008 und 2009 wurden die im StGB enthaltenen Bestimmungen über die Korruption ergänzt, aber das führte nicht zur Ratifizierung des Übereinkommens. Das GET empfiehlt, die Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens über Korruption (SEV Nr. 173) sowie die Unterzeichnung und Ratifizierung dessen Zusatzprotokolls (SEV Nr. 191) zügig voranzutreiben. In diesem Zusammenhang wird auf den offiziellen Appell des Ministerkomitees hingewiesen, den es in seiner 103. Sitzung auf Ministerebene anlässlich der Annahme des Wortlautes des Strafrechtsübereinkommens über Korruption (4. November 1998) an die Staaten gerichtet hat und in dem diese ersucht wurden, die Vorbehalte, die sie dem Übereinkommen zufolge anbringen können, wenn sie ihre Zustimmung zur Bindung an das Übereinkommen ausdrücken, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Bei derselben Gelegenheit bat das Ministerkomitee die Staaten, „die sich dennoch in der Lage sehen, Vorbehalte anbringen zu müssen, sich nach besten Kräften darum zu bemühen, diese Vorbehalte so bald wie möglich wieder zurückzunehmen“. Die in den folgenden Absätzen dieses Berichtes enthaltenen Empfehlungen verstehen sich vorbehaltlich des Rechts Österreichs, Erklärungen und Vorbehalte nach den Artikeln 36 und 37 des Übereinkommens und Artikel 9 des Zusatzprotokolls abzugeben.

 

86.          Das Österreichische Strafgesetzbuch (in der Folge StGB) unterscheidet zwischen aktiver und passiver Bestechung von Amtsträgern auf eine Art, die dem Geiste des Übereinkommens entspricht. Es deckt die verschiedenen Grundelemente des Gebens/Forderns, Anbietens/Annehmens und Versprechens/Annehmen des Versprechens (im österreichischen Recht als „jemanden ein Versprechen geben lassen“ definiert) ab. Gegenüber dem GET wurde in den Vor-Ort-Interviews auch bestätigt, dass Bestechung auch dann verfolgbar ist –sowohl in der Theorie als auch in der Praxis -, wenn es keine Vereinbarung zwischen dem Bestecher und dem Bestochenen gibt oder wenn eine Vereinbarung getroffen wurde, aber der Vorteil noch nicht übergeben wurde und/oder das vom Amtsträger erwartete Verhalten noch nicht eingesetzt hat. Das Delikt ist durch das reine Anbieten oder Fordern eines Vorteils vollendet und der Versuch kommt im spezifischen Kontext der Bestechung nur ganz selten zur Anwendung (etwa wenn das Angebot oder die Forderung eines Vorteils die Zielperson noch gar nicht erreicht hat oder wenn die Bestimmungen über Untreue nach § 153 StGB als Basis verwendet werden – siehe dazu Randziffer 46). In verschiedenen Punkten gehen die österreichischen Bestimmungen sogar über die Anforderungen des Übereinkommens hinaus, was die Grundelemente der Delikte betrifft, und zwar insbesondere in folgenden Punkten: a) Die aktiven und passiven Formen von Bestechung im öffentlichen Sektor (§§ 304 bis 306 StGB und §§ 307 bis 307b StGB respektive) sind jeweils durch eine Abfolge von drei Bestimmungen pönalisiert, wodurch Österreich unterscheidet zwischen dem Grunddelikt der Bestechung, der kein pflichtwidriges Verhalten zugrunde liegt (§ 305 StGB für die passive Form und § 307a StGB für die aktive Form), dem Delikt der Bestechung für eine Handlung / Unterlassung, die eine Verletzung einer Amtspflicht und damit ein erschwerendes Element, voraussetzt (§ 304 StGB für die passive Form und § 307 für die aktive Form), und der „Vorbereitung der Bestechung“, worunter die Praxis des „Anfütterns“ zum Zwecke einer zukünftigen und erst zu bestimmenden Handlung / Entscheidung des Amtsträgers zu verstehen ist (§ 306 StGB für die passive Form und § 307b für die aktive Form). b) Gleichzeitig wird in der Lehre und in der Praxis zugestanden, dass es für den Zweck der aktiven und passiven Bestechungsdelikte mit Ausnahme der „Vorbereitung“ irrelevant ist, ob die Forderung (oder das Versprechen oder die tatsächliche Hingabe) des Vorteils vor oder nach der Erbringung der erwarteten Handlung durch den Amtsträger erfolgt. Schließlich fielen dem GET während der Vor-Ort-Diskussionen keine unangemessenen Einschränkungen in der Praxis auf (welche dem Grundgedanken der Strafbestimmungen zuwider laufen würden), zum Beispiel was die Beweislast für eine Verurteilung betrifft. Die größte Herausforderung für die Strafverfolgung ist, den unrechtmäßigen Zweck des Vorteils zu beweisen, aber die Rechtsprechung hat dieses Erfordernis aufgeweicht. Wenn es also zum Beispiel berufliche Kontakte/Beziehungen auf längerfristiger Basis gibt, kann die Staatsanwaltschaft auch objektive Tatsachen heranziehen, um das Vorliegen des Deliktes zu beweisen.


87.          Gleichzeitig sind die wichtigsten Bestandteile der Hauptdefinitionen von aktiver und passiver Bestechung im öffentlichen Sektor nach Artikeln 2 und 3 des Übereinkommens in den österreichischen Bestimmungen enthalten, die besonders sowohl Handlungen als auch Unterlassungen des Amtsträgers umfassen, ebenso wie die Tatsache, dass der Nutznießer des Vorteils auch ein Dritter sein kann. Darüber hinaus ist es irrelevant, ob das Bestechungsdelikt mittelbar oder unmittelbar begangen wird, d.h. durch einen Zwischenmann. Die österreichischen Behörden und Praktiker, die vor Ort aufgesucht wurden, erklärten, dass § 12 StGB über die Bestimmungs- und Beitragstäterschaft weitreichend angewendet wird, um auch Fälle abzudecken, die einen Dritten beinhalten würden (und wie im beschreibenden Teil ausgeführt, kann auch dieser Dritte strafrechtlich verfolgt werden, abhängig von der Art seines Vorsatzes und der Wissentlichkeit). Laut nach dem Besuch mitgeteilten Informationen wurde diese Interpretation auch in der relevanten gerichtlichen Praxis bestätigt[8]. Während dem Besuch vor Ort wurde der derzeitige Anwendungsbereich des Konzeptes des „Amtsträgers“ gemäß § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB gelegentlich auch kritisiert, da es nach der letzten Novellierung 2009 für eine Reihe von öffentlichen Dienstleistungsunternehmen nicht anwendbar ist, die nicht „weit überwiegend Leistungen“ für die Verwaltung oder eine öffentliche Einrichtung / Körperschaft, die von der Definition erfasst wird, erbringen (z.B. die Österreichischen Bundesbahnen, die Gesellschaften für Gas- und Wasserversorgung, öffentliche Krankenhäuser und ähnliche Unternehmen). Es wurde betont, dass diese Unternehmungen dem Risiko der Korruption ausgesetzt sind, weil die Vergabeverfahren in diesen Bereichen äußerst wichtig sind. Das GET ruft in Erinnerung, dass Artikel 1 des Übereinkommens eine Definition des Begriffes „Amtsträger“ nicht vorgibt und diese Aufgabe den Staaten überlässt, soweit der Anwendungsbereich weit genug ist, um so wichtige öffentliche Funktionen wie Minister, Bürgermeister und Richter zu erfassen. Es scheint, dass von dieser Betrachtungsweise aus der Anwendungsbereich des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB in Einklang mit dem Übereinkommen steht. Andererseits nahm das GET unterschiedliche Interpretationen der Formulierung „weit überwiegend Leistungen für die Verwaltung (...) erbringen“ wahr. Es besteht daher möglicherweise der Bedarf von zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherstellung eines einheitlichen Verständnisses bei den betreffenden Strafverfolgungsbehörden und den betroffenen wirtschaftlichen Akteuren. Österreich sollte daher dieses Thema im Auge behalten.

 

88.          Das GET ruft ebenso in Erinnerung, dass es gemäß Artikeln 2 und 3 des Übereinkommens irrelevant ist, ob der Amtsträger durch seine für den Vorteil erwartete/erbrachte Handlung oder Unterlassung eine Amtspflicht verletzt hat, oder nicht. GRECO vertritt nach wie vor die Ansicht, dass die österreichische Definition von einer auf Pflichtverletzungen beschränkten Bestechung nicht im Einklang mit dem Übereinkommen steht. Zwar regeln unterschiedliche Bestimmungen des Österreichischen Strafgesetzbuches die Fälle von Bestechung mit oder ohne Pflichtverletzung, aber nach den letzten Gesetzesänderungen 2009 enthalten die Bestimmungen über Bestechung ohne eine Verletzung der Amtspflichten (besonders §§ 305 und 307a StGB) derzeit eine Voraussetzung, dass der Vorteil entgegen der allgemeinen Geschäftsvorschriften oder der internen Regeln der entsprechenden Einrichtung sein muss. Das GET erfuhr durch die Vor-Ort-Diskussionen und das Studium von juristischer Literatur, dass es eine Reihe von potentiell problematischen Punkten im Zusammenhang mit diesem Ansatz gibt. Es könnte Fälle in der Praxis geben, in denen es keine Bestimmungen, keine Regelungen gibt, die anerkannt und bekannt sind, oder in denen es solche Bestimmungen zwar gibt, aber diese unklar sind. Es wurde während der Vor-Ort-Diskussionen nicht ausgeschlossen, dass alternativ auch eine Ad-hoc-Entscheidung oder eine Erlaubnis des Arbeitgebers/Vorgesetzten diese Lücke füllen könnte, samt den möglichen Risiken, die ein solcher Zugang in sich birgt. Das GET erhielt auch deutliche Bestätigung dafür, dass, obwohl es für die öffentliche Verwaltung in Österreich generell auf Bundes- und Länderebene (einschließlich der Gemeinden)  Regelungen betreffend Geschenke und ähnliche Vorteile gibt (siehe auch Randziffer 21), derzeit einige Kategorien von Amtsträgern nicht von solchen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen erfasst sind, beispielsweise hohe Funktionäre auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene (Minister, Staatssekretäre, Bürgermeister ect.; während des Besuches wurde Bezug genommen auf einen Fall, in welchem ein Strafverfahren gegen einen Bürgermeister wegen seiner Unkenntnis eingestellt werden musste). Dies ist wahrscheinlich der Fall für bestimmte Unternehmen und ihre Bediensteten, die unter die Definition des Amtsträgers nach § 74 StGB fallen, obwohl sie im privaten Bereich Leistungen erbringen. Darüber hinaus implizieren die geltenden Bestimmungen, dass auch die strafrechtliche Verantwortung des Bestechers vom Inhalt der verwaltungsrechtlichen Regelungen, die er kennen kann oder auch nicht, abhängt, was vom Standpunkt der allgemeinen Fairness und der Rechtsstaatlichkeit her Fragen aufwirft. Zusätzlich könnten die genannte Problematik noch verschärft werden, weil §§ 305 und 307a StGB sowohl für die Bestechung ausländischer und internationaler Amtsträger anwendbar sind, und eine besondere Schwierigkeit darin besteht, den Inhalt der relevanten ausländischen Bestimmungen und Regelungen zu kennen. Nach Ansicht des GET wurde der Bezug auf die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen 2009 aufgenommen, weil es Bedenken gab, dass traditionelle Gesten der Anerkennung und zur Aufrechterhaltung guter Geschäftskontakte – z.B. Einladungen zu gewissen Veranstaltungen, die von Geschäftsmännern an Amtsträger gerichtet werden – von den Strafbestimmungen für Bestechung ohne eine Verletzung von Amtspflichten erfasst würden. Die wichtigen Veränderungen, die 2008 stattfanden hatten nämlich zu einem Verbot der Annahme von Geschenken mit einem Wert von mehr als EUR 100,- für alle Kategorien von Amtsträgern, einschließlich leitender Beamter, geführt. Es schien jedoch, dass, anstatt eine tiefgehende Überprüfung von gewissen fragwürdigen Praktiken betreffend Vorteile, die von der Öffentlichkeit und den Strafverfolgungsbehörden[9] als bei weitem nicht symbolisch oder vernachlässigbar wahrgenommen wurden, anzufachen, die Kontroversen dazu führten, dass die bestehenden Bestechungsvorschriften geändert wurden. Aus den genannten Gründen ist das GET der Ansicht, dass der derzeitige Ansatz der §§ 305 und 307a StGB vom Standpunkt der Rechtssicherheit aus problematisch sein könnte. Das GET empfiehlt die Anwendung der §§ 305 und 307a des StGB (betreffend aktive und passive Bestechung, ohne Verletzung einer Amtspflichten) zu überprüfen, und zwar betreffend das Erfordernis, dass der entsprechende Vorteil entgegen eines dienst- oder organisationsrechtlichen Verbotes sein muss, um etwaige Auswirkungen auf die Rechtssicherheit, einschließlich bei der Untersuchung und Verfolgung von Korruptionsdelikten, abzuklären, und erforderlichenfalls die entsprechenden Maßnahmen zu treffen.

 

89.          Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1998 wurden die Definitionen der Bestechungsdelikte erweitert, um nicht nur geldwerte Vorteile, sondern alle Arten von Vorteilen zu umfassen, was so verstanden werden kann, dass es sich um jegliche Zuwendung handelt, durch welche der Bestochene in einer besseren Lage ist. Es scheint, dass der Grundgedanke der früheren Bestimmungen teilweise erhalten blieb, weil die verschiedenen Bestechungs- und Einflussnahmedelikte Strafdrohungen haben, die vom Geldwert des Vorteils abhängen. Das GET war nicht in der Lage, einen klaren Überblick darüber zu erlangen, wie immaterielle Vorteile in der justiziellen Praxis betrachtet und zum Zweck der Bestimmung der anwendbaren Strafdrohung bewertet werden. Obwohl die Diskussionen vor Ort bestätigten, dass der (ungerechtfertigte) Vorteil immateriell sein kann, scheint es, dass derzeit alle Korruptionsfälle, die bei Gericht angeklagt wurden, nur finanzielle Vorteile betrafen. Es besteht ein klares Risiko, dass Fälle, die immaterielle Vorteile von bedeutendem Ausmaß und/oder mit bedeutenden Auswirkungen betreffen, nur unter den Grundtatbestand der Korruptionsdelikte subsumiert werden würden (und in der Folge die Strafdrohung nicht der Schwere der Tat entsprechen würde). Das GET empfiehlt, zu überprüfen, ob zusätzliche Schritte erforderlich sind, um sicherzustellen, dass alle Fälle von Bestechung und Intervention, auch bei immateriellen ungerechtfertigten Vorteilen, angemessen behandelt werden.

 

90.          Wie in den Randziffern 37-42 und 54 bis 57 des gegenständlichen Berichtes ausgeführt, werden ausländische und internationale Amtsträger einschließlich Mitglieder von Vertretungskörpern und Richter aufgrund des weiten Anwendungsbereiches des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB gleich behandelt wie inländische Amtsträger, besonders aufgrund der lit. b) durch die Verwendung der Formulierung „jeder, der für einen anderen Staat oder für eine internationale Organisation Aufgaben der Gesetzgebung, Verwaltung oder Justiz als deren Organ oder Dienstnehmer wahrnimmt“ (lit. c) und d) behandeln die verschiedenen Kategorien von inländischen und ausländischen/internationalen Amtsträgern ebenso). Das GET begrüßt diese weit gefasste Formulierung. Im Gegensatz dazu scheint die Bestimmung betreffend die Bestechung von Mitgliedern öffentlicher Vertretungskörper problematisch. Gemäß der Definition des Amtsträgers nach § 74 Abs. 1 Zi 4a lit. a StGB umfasst die Bestimmung über die Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper derzeit auch Fälle, in welchen der Bestochene ein „Mitglied eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers ist, soweit er in einer Wahl oder Abstimmung seine Stimme abgibt oder sonst in Ausübung der in den Vorschriften über dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt“. Die vor Ort geführten Diskussionen zeigten deutlich, dass die Strafbarkeit von aktiver und passiver Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper wesentlich enger gefasst ist, als dies im Übereinkommen festgelegt ist, da die Bezugnahme auf die „Ausübung der in dessen Geschäftsordnung festgelegten Pflichten“ nicht weit über eine Bestimmung hinausgeht, die auf die Strafbarkeit des Kaufes von Stimmen beschränkt ist. Es wurde beispielsweise angegeben, dass die relevanten Geschäftsordnungen im Allgemeinen  nicht viel über die konkreten Aufgaben eines Abgeordneten sagen, abgesehen von beispielsweise der Pflicht des Abgeordneten, an Sitzungen teilzunehmen, an Ausschüssen teilzunehmen, in welche er gewählt wurde oder bekannt zu geben, wenn er an der Teilnahme an einer Sitzung ect. verhindert ist. Der Bezug auf „Pflichten“ schließt die Anwendbarkeit in zahlreichen Fällen aus, in welchen beispielsweise ein gewählter Amtsträger bestochen wird, um einen Gesetzesvorschlag oder eine Änderung einzubringen oder zu unterstützen (noch vor der formellen Abstimmungsphase), um an Beratschlagungen in einem Ausschuss nicht teilzunehmen, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen und eine bestimmte Position in diesem Zusammenhang zu vertreten, eine formelle Anfrage an die Regierung zu stellen ect. Die Diskussionen vor Ort bestätigten klar, dass es sich bei den oben angeführten nicht um bloß hypothetische Situationen handelt. Es schien auch, dass der Anwendungsbereich für ausländische und internationale/EU Amtsträger, Mitglieder von ausländischen oder internationalen Vertretungskörpern und Mitgliedern internationaler Gerichtshöfe nicht auf derartige Fälle beschränkt ist, wenn man sich auf die weiter gefasste Formulierung der Zi 4b des § 74 Abs. 1 StGB bezieht. Sowohl 2008 als auch 2009 wurde überlegt, die Strafbarkeit auszuweiten, es wurden aber keine konkreten Schritte gesetzt. Das GET bedauert diese versäumten Gelegenheiten sehr, da es Österreich dadurch an Mitteln mangelt, die Korruption von Politikern zu verhindern und zu bekämpfen (siehe hierzu auch Teil II des gegenständlichen Berichtes über „Parteienfinanzierung“). Das GET empfiehlt daher, die Strafbarkeit der aktiven und passiven Bestechung von Mitgliedern nationaler Vertretungskörper, die sich aus der Definition des Begriffes Amtsträger des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB ergibt, erheblich auszuweiten und somit diese Bestimmungen in Einklang mit dem Artikel 4 des Strafrechtsübereinkommens über Korruption zu bringen (SEV Nr. 173).

 

91.          Durch die Interviews erhielt das GET die Bestätigung, dass die derzeitigen Strafbestimmungen  der §§ 168c Abs. 1 und 168d StGB über die Bestechung im privaten Sektor dann nicht anwendbar sind, wenn der Bestochene freiberuflich oder für eine Körperschaft arbeitet, die als Ein-Mann-Gesellschaft im Geschäftsverkehr auftritt. Die derzeitige Situation scheint nicht im Widerspruch mit dem Übereinkommen zu stehen, da selbstständige Unternehmer oder Arbeiter keine Pflichtenverletzung gegen sich selbst begehen können. Wie bereits im beschreibenden Teil ausgeführt, werden die Bestechungsdelikte im privaten Sektor im Unterschied zu jenen betreffend den öffentlichen Bereich nicht von Amts wegen verfolgt, sondern sind nur „auf Verlangen des Verletzten oder eines der nach § 14 Abs. 1 erster Satz des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWF, BGBl. Nr. 448, zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruches Berechtigten“ zu verfolgen (§ 168e StGB). Nach Ansicht des GET ist dies ein unnötiges Hindernis bei der effektiven Verfolgung von Bestechungsdelikten zwischen Unternehmen des privaten Sektors. Die bereits geheime Natur der Korruption und die Risiken für das Ansehen des Dienstgebers des Bestochenen oder Bestechers im besonderen führen ziemlich sicher dazu, dass solche Privatanklagen nicht eingebracht werden, wie die Praxis auch in anderen Ländern gezeigt hat. Darüber hinaus könnten im Fall von Österreich der relativ große Bereich der privatisierten öffentlichen Dienstleistungen und die Feinheiten der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Sektor zum Zwecke der Verfolgung von Korruptionsdelikten zusätzliche Argumente dafür sein, die Bedingungen für die Verfolgung von Korruptionsdelikten im öffentlichen und im privaten Sektor nicht allzu unterschiedlich zu gestalten. In Anbetracht dieser Ausführungen empfiehlt das GET die Abschaffung des Erfordernisses der Privatanklage zur gerichtlichen Verfolgung von Bestechung im privaten Sektor (§ 168e StGB).

 

92.          Wie bereits zuvor in diesem Bericht erwähnt (siehe Randziffern 8 und 43ff), sind Teile der Bestechungsdelikte noch immer in anderen Gesetzen als dem Strafgesetzbuch geregelt. Unter diesen ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) das einzige, in welchem Strafbestimmungen enthalten sind, genauer gesagt jene, die bis 2008 dazu verwendet wurden, Bestechung im privaten Sektor strafrechtlich zu ahnden. Diese Bestimmungen sollten eigentlich abgeschafft werden, als die Bestimmungen der §§ 168c und 168d in das Strafgesetzbuch eingeführt wurde, dies ist bislang aber noch nicht geschehen. Nach Ansicht des GET ist die Existenz von zwei verschiedenen Gesetzen zur Kriminalisierung der Bestechung im privaten Sektor mit unterschiedlichen Definitionen und Sanktionen bedenklich. Die österreichischen Behörden betonten auch, dass die wichtigsten Bestimmungen, die in der Praxis bis dato zur Verfolgung von Bestechungshandlungen sowohl im öffentlichen, als auch im privaten Bereich, verwendet werden, in Wahrheit jene des Strafgesetzbuches über den Missbrauch der Amtsgewalt nach § 302 StGB und über Untreue - § 153 und 153a StGB – sind. Das ist unter den GRECO-Mitgliedern keine Seltenheit. In Österreich kommt dies allerdings offenbar besonders häufig vor und die Statistiken über Verurteilungen scheinen dies zu bestätigen (siehe Randziffer 83). Was § 302 StGB betrifft, so wurde dem GET erklärt, dass alle Bestechungsdelikte  im öffentlichen Bereich automatisch einen „Missbrauch der Amtsgewalt“ darstellen und sie daher in dieser Bestimmung absorbiert werden, die herkömmlich eine höhere Strafdrohung hat. Betreffend des Deliktes der Untreue stellte das GET fest, dass die beiden relevanten Bestimmungen (d.h. § 153 und § 153a StGB) nicht ganz einheitlich sind und § 153a (der speziell auf Fälle abzielt, in denen Machthaber betroffen sind) auf eine Art konzipiert ist, die dem Delikt der Bestechung nachempfunden ist, weil er sich auf die Annahme „eines nicht bloß geringfügigen Vorteils“ bezieht. Abgesehen von der Tatsache, dass hinsichtlich dieser Formulierung einiger Interpretationsspielraum bleibt, ist die Strafdrohung wesentlich niedriger als für Bestechungsdelikte, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass die erschwerenden Umstände des § 153 StGB in einem Bestechungsfall nicht so leicht anwendbar sind, weil sie unter Bezugnahme auf das finanzielle Ausmaß des Schadens definiert werden. Das könnte dazu führen, dass Bestechungsdelikte im privaten Sektor in der Praxis nicht angemessen erfasst und bestraft werden. Schließlich wurde auch bestätigt, dass die Delikte des Missbrauchs der Amtsgewalt und der Untreue üblicherweise nicht dazu führen, dass Ermittlungen über Vermögensverhältnisse geführt werden, was es ermöglichen würde, die Erträge der Straftaten zu beschlagnahmen und zu konfiszieren.  Die österreichischen Behörden räumten jedoch ein, dass dies nach wie vor ein wichtiges Thema bei allen korruptionsbezogenen Delikten ist (siehe auch den Bericht über die erste und zweite Evaluierungsrunde). Angesichts dessen empfiehlt das GET, (i) die Notwendigkeit des Erhaltes der Bestimmungen über die Bestechung im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb zu überprüfen und (ii) die allenfalls erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verfolgung von Bestechungshandlungen in der Praxis zu strafrechtlichen Konsequenzen führt, die die Notwendigkeit einer effektiven Anti-Korruptions-Politik wiederspiegeln.

 

93.          § 308 StGB stellt „Verbotene Intervention“ unter Strafe und derzeit weicht diese Bestimmung von der Begrifflichkeit der „Missbräuchlichen Einflussnahme“ des Artikel 12 des Übereinkommens ab, auch wenn einige Unterschiede eher in der Theorie, als in der Praxis relevant scheinen. Z.B. erfasst § 308 StGB nur die passive Form des Deliktes. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch in einer Entscheidung aus dem Jahr 1996 klargestellt, dass die Person, die den Täter bezahlt (gleich wie bei der aktiven Begehungsform der missbräuchlichen Einflussnahme nach dem Übereinkommen) als Bestimmungstäter nach den allgemeinen Grundsätzen über die Formen der Täterschaft nach § 12 StGB ebenfalls strafbar ist. Die Gespräche vor Ort bestätigten, dass entgegen der Definition des Artikel 12 des Übereinkommens, Handlungen, die unter die Bestimmung des § 308 StGB fallen, prinzipiell nur dann verfolgbar sind, wenn tatsächlich beim Amtsträger oder Schiedsrichter interveniert wurde. Es wurde angegeben, dass in Fällen, in denen keine oder noch keine Einflussnahme erfolgte, die allgemeine Bestimmung des § 15 StGB über den Versuch angewendet werden kann und dass die Strafdrohung in diesem Fall gleich hoch ist wie für das vollendete Delikt. Allerdings schien es, dass dies nur dann gilt, wenn der Täter tatsächlich in der Lage ist, den Einfluss, den er/sie behauptet, wirklich auszuüben. Es darf bezweifelt werden, dass dies die Vorgaben des Übereinkommens erfüllt. Der erläuternde Bericht stellt nämlich klar, dass es keinen Unterschied macht, ob eine Person realen oder nur angenommenen Einfluss hat und das Übereinkommen legt eindeutig fest, dass es irrelevant ist, ob die Einflussnahme zum gewünschten Ergebnis führt. § 308 StGB enthält auch eine zweifache Beschränkung: um tatsächlich verfolgt werden zu können, muss die Einflussnahme bzw. die Intervention auf eine Handlung abzielen, die zu den „Amtspflichten“ des Amtsträgers gehört und sie muss zu einer Verletzung dieser Pflichten führen. Artikel 12 des Übereinkommens sieht solche Beschränkungen nicht vor und bezieht sich allgemein auf die Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung jenes Amtsträgers, auf den Einfluss genommen wird. Obwohl die Begriffe „Pflichten“ und „Pflichtverletzung“ in Österreich großzügig interpretiert werden, ist das GET der Ansicht, dass sie ein unnötiges Erfordernis im Zusammenhang mit der effektiven Verfolgung von missbräuchlicher Einflussnahme darstellen könnten (Das GET ruft in Erinnerung, dass, im Vergleich, die Bestechung von Amtsträgern nach §§ 305 und 307a auch dann strafbar ist, wenn kein pflichtwidriges Verhalten vorliegt). Angesichts dieser Überlegungen empfiehlt das GET, sicherzustellen, dass die verschiedenen Tatbestandselemente der missbräuchlichen Einflussnahme wie sie in Artikel 12 SEV Nr. 173 festgelegt sind, auch im österreichischen Strafrecht umgesetzt werden, beispielsweise durch eine Änderung des § 308 StGB über die verbotene Intervention.

 

94.          Die oben erläuterten Bestimmungen über Bestechung und Bestechlichkeit beziehen sich ausdrücklich auf Schiedsrichter. In Österreich nehmen Schiedsrichter ihre Aufgaben nach den Bestimmungen des Schiedsrechtsänderungsgesetzes 2006 und den korrespondierenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung wahr, wodurch die Schiedsgerichtsbarkeit durch eine staatliche Einrichtung oder eine von den Parteien eines Rechtsstreites geschaffene Ad-hoc-Einrichtung geregelt wird. Die Definition von Schiedsrichtern nach § 74 Abs. 1 Zi 4c StGB verweist auf die ZPO und bezieht sich sowohl auf Personen, die in Österreich als Schiedsrichter tätig werden, als auch auf solche, die im Ausland tätig werden. Schöffen bzw. Geschworene sind in den Bestimmungen über Bestechung nicht ausdrücklich erwähnt, ihre Funktion fällt aber unter den breiten Anwendungsbereich der Definition von „Amtsträger“. Obwohl dies noch nicht ausjudiziert wurde, lagen dem GET keinerlei Informationen vor, die diese Interpretation in Frage stellen könnten. Insgesamt scheint es, dass Österreich, wenngleich es noch nicht Teil des Zusatzprotokolls zum Strafrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 191) ist – siehe Empfehlung in Randziffer 85-, die Bestechung von inländischen und ausländischen Schiedsrichtern und Schöffen/Geschworenen („jurors“) ausreichend unter Strafe stellt, vorausgesetzt, dass Österreich die in diesem Bericht bezüglich der Bestechung von Amtsträgern gegebenen Empfehlungen entsprechend umsetzt.

 

95.          Was das Sanktionensystem betrifft, so haben alle Delikte der Bestechung von Amtsträgern und der missbräuchlichen Einflussnahme Grundstrafdrohungen von Freiheitsstrafen bis zu zwei oder drei Jahren, je nach einzelner Bestimmung. Unter erschwerenden Umständen (wenn der ungerechtfertigte Vorteil EUR 3.000 oder EUR 50.000 übersteigt), erhöhen sich die Strafdrohungen: Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren und von einem bis zu zehn Jahren, je nach Einzelfall. Im Vergleich dazu unterliegen die Straftaten der Bestechung im privaten Sektor geringen Strafen: bis zu zwei oder drei Jahre Freiheitsstrafe nach § 168c StGB und nur bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe nach § 168d. Für Österreich könnten die letzteren Strafdrohungen nicht verhältnismäßig und nicht überzeugend genug sein, um effektiv zu verhindern, dass private Unternehmen korrupte Praktiken anwenden. Wie in Randziffer 87 erläutert, haben sich die Gesetzgeber entschieden, bei der Bestechung im öffentlichen Bereich große Bereiche von Tätigkeiten im Allgemeininteresse außen vor zu lassen und gerade diese werden in Österreich als sehr korruptionsanfällig wahrgenommen. GRECO hat oft betont, dass die Korruption im privaten Sektor nicht weniger wichtig für die Gesellschaft als Ganzes ist, als die Korruption im öffentlichen Bereich. Dies bedeutet aber, dass beide mit derselben Bestimmtheit bekämpft werden müssen. Das GET empfiehlt daher, die Erhöhung der möglichen Maximalstrafen betreffend Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Sektor nach § 168d StGB in Betracht zu ziehen.

 

96.                                                                                                                                                                                           Das GET bedauert, dass keine umfassende analytische Information (Statistiken) über die Ermittlung und Verfolgung von Bestechung vorhanden ist, ebenso wie über die Arten der betreffenden Fälle (beispielsweise ob inländische oder ausländische Amtsträger betroffen sind) oder über die in der Praxis verhängten Strafen. Die Polizei und die Staatsanwaltschaften (mit Ausnahme der Korruptionsstaatsanwaltschaft zu einem gewissen Grad, die Teile dieser Fälle bearbeitet) haben keine besonderen Daten über korruptionsbezogene Delikte. Wie bereits oben angeführt, wurden bis dato die Mehrzahl der Bestechungsfälle als Untreue nach § 153 StGB oder Missbrauch der Amtsgewalt nach § 302 StGB verfolgt und abgeurteilt. In den Jahren 2007 bis 2009 gab es offiziell 7 Verurteilungen wegen Bestechung, was im Verhältnis zu der in Österreich weit verbreiteten Einschätzung, dass Korruption ein bedeutendes Problem ist, sehr wenig erscheint. Der Anteil der Korruptionsfälle, der von anderen Delikten „absorbiert“ wird, ist nicht bekannt. Angemessene analytische und statistische Informationen über die verschiedenen Stadien der Verfahren im Verlauf (Ermittlungen, Anklagen, Verurteilungen), einschließlich der wesentlichen Merkmale der behandelten Fälle, würden es Österreich ermöglichen, die Effektivität seiner Anstrengungen im Kampf gegen die Korruption besser beurteilen zu können. Die österreichischen Behörden sollten sich mit diesem Thema beschäftigen.

 

 

97.          Die letzten Änderungen des StGB im Jahr 2009 haben unter dem neuen § 307c StGB („Tätige Reue“) einen Mechanismus der Reue eingeführt, der für die verschiedenen aktiven und passiven Bestechungsdelikte im öffentlichen Bereich (§§ 304 bis 307b) anwendbar ist. Im Vergleich zu anderen GRECO-Mitgliedern, die ebenfalls solche Mechanismen der „Tätigen Reue“ haben, hat die österreichische Bestimmung die Besonderheit, dass sie auf den Bestecher und den Bestochenen und nicht nur auf ersteren anwendbar ist. Das GET sah die kleinen Sicherungsmechanismen, die in Kraft sind, mit Bedenken: einerseits muss der Täter die Tat von sich aus anzeigen, aber andererseits ist es nicht Voraussetzung, dass er/sie die Tat begangen hat, weil er/sie dazu aufgefordert wurde oder weil er/sie dazu gezwungen war (z.B. der Bestecher gibt einen Geldbetrag an eine Gemeindebehörde, weil er aufgefordert wurde, das zu tun, um die beantragte Baubewilligung zu erhalten). Im Grund könnten sehr ernste Fälle von Korruption bei Anwendung dieser Bestimmung gänzlich unbestraft bleiben. Es besteht die Gefahr, dass diese Bestimmung zu unnachvollziehbaren Ergebnissen führt, da der Täter (der Bestecher oder der Bestochene) in Wahrheit ein unumstößliches Recht hat, von der Bestrafung ausgenommen zu sein, wenn die – sehr strengen und sehr formellen- Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Zusammenhang ist das GET besorgt über den automatischen Charakter dieses Mechanismus. Noch wichtiger ist, dass die Entscheidung, das Verfahren einzustellen, beim Staatsanwalt liegt und es scheint, dass die Aufhebung der Strafbarkeit absolut ist. Obwohl GRECO das Potential der tätigen Reue für den Kampf gegen die Korruption erkannt hat, hat es immer wieder Bedenken geäußert. Im Einklang mit diesem Zugang und unter Bedachtnahme auf die beschränkte Praxis mit § 307c StGB empfiehlt das GET, die automatische – und zwingend absolute- Aufhebung der Strafbarkeit, welche den Tätern der aktiven und passiven Bestechung im öffentlichen Bereich im Fall der tätigen Reue nach § 307c StGB gewährt wird, zu analysieren und entsprechend zu überarbeiten.

 

98.          Die Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit erfüllen noch nicht ganz die in Artikel 17 des Übereinkommens festgelegten Grundsätze betreffend transnationaler Delikte. § 64 Abs. 1 StGB erlaubt Österreich die Verfolgung von strafbaren Handlungen „gegen einen österreichischen Beamten (nach der Definiton des § 74 Abs. 1 Zi 4 StGB) oder österreichischen Amtsträger (nach der Definition des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB) während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und die jemand als österreichischer Beamter oder österreichischer Amtsträger begeht“. Die Gespräche vor Ort zeigten, dass, während etwa die Hälfte der befragten Praktiker und Experten die Ansicht vertrat, dass der Ausdruck „gegen ... begeht“ eine Verfolgung – wegen eines im Ausland begangenen Deliktes - eines ausländischen Bestechers oder einer Person, die eine verbotene Intervention ausübt, die einen inländischen Amtsträger betrifft, ermöglicht, die andere Hälfte der Meinung war, dass dies nicht der Fall ist. Offenbar wurde diese Bestimmung noch nie angewandt und daher ist eine Klarstellung erforderlich. Gleichzeitig erlaubt § 65 StGB Österreich die Verfolgung a) von Delikten, die österreichische Staatsbürger im Ausland begehen, entweder als Bestecher oder Bestochene während sie die Aufgaben eines Amtsträgers ausüben (oder jene eines Mitgliedes eines inländischen Vertretungskörpers ebenso wie jene in Artikeln 9-11 des Übereinkommens genannten Aufgaben), und b) von Delikten, die durch ausländische Bestecher begangen wurden, die die unter a) aufgelisteten Kategorien von Personen betreffen. Allerdings stellt § 65 StGB die Anwendbarkeit der österreichischen Gesetze unter die Bedingung der gegenseitigen Strafbarkeit. In früheren Evaluierungen hat GRECO bereits angemerkt, dass die Bedingung der gegenseitigen Strafbarkeit  bei der Bekämpfung der Korruption eine unnötige Beschränkung der Gerichtsbarkeit eines Landes darstellt. Angesichts dieser Überlegungen empfiehlt das GET, sicherzustellen, dass das Strafgesetzbuch betreffend der im Ausland begangenen Bestechungsdelikte und der Verbotenen Intervention Zuständigkeitsbestimmungen vorsieht, die – ohne das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit - im Einklang mit Artikel 17 Abs. 1  des Strafrechtsübereinkommens über Korruption, (SEV Nr. 173) stehen.

 

IV. Schlussfolgerungen

 

99.          Österreich ist eines der sehr wenigen Mitgliedsländer des Europarates und von GRECO, das noch nicht Vertragspartei des Strafrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 173) ist und das Land muss daher rasch mit der Ratifizierung dieses Instrumentes voranschreiten, dasselbe gilt für das Zusatzprotokoll (SEV Nr. 191). Dies vorausgeschickt, sind in Österreich bereits eine Reihe von Strafbestimmungen in Kraft, die viele der in den oben genannten Instrumenten festgelegten Grundsätze wiederspiegeln, weil es in den letzten Jahren in Österreich einige Gesetzesänderungen gegeben hat. Die letzten Novellierungen erfolgten 2008 und 2009. Jene  von 2009 können als echter Fortschritt für das Strafausmaß für Korruptionsdelikte bezeichnet werden. Allerdings stellen sie auch einen Rückschritt dar, da sie die Umstände unter welchen bestimmte Kategorien von Personen für Bestechung strafrechtlich verfolgt werden können, beträchtlich einschränkten. Insbesondere sind Amtsträger nicht strafbar, was Geschenke und andere Vergünstigungen betrifft, die durch verwaltungsrechtliche Bestimmungen oder die internen Geschäftsordnungen erlaubt sind. Das führt zu praktischen Schwierigkeiten weil Führungspersönlichkeiten auf Bundes- Länder und Gemeindeebene üblicherweise solchen Regelungen nicht unterliegen. Gleichzeitig wird die Bestechung von Mitgliedern inländischer Vertretungskörper noch immer so eng ausgelegt, dass sie in der Praxis kaum Bedeutung hat. Einige Verbesserungen sind auch in anderen Bereichen erforderlich, einschließlich der Umfang der österreichischen Gerichtsbarkeit betreffend grenzüberschreitende Delikte und die mögliche Erhöhung der Sanktionen für bestimmte Korruptionsdelikte im privaten Sektor, besonders weil wichtige Unternehmen, die Dienstleistungen im allgemeinen Interesse erbringen, derzeit vom Anwendungsbereich der Bestechung im öffentlichen Bereich und von der Verbotenen Intervention ausgenommen sind.

 

100.       Angesichts obiger Überlegungen richtet das GET die folgenden Empfehlungen an Österreich:

 

i.                    rasch die Ratifizierung des Strafrechtsübereinkommens über Korruption (SEV Nr. 173) und die Unterzeichnung und Ratifizierung dessen Zusatzprotokolls (SEV Nr. 191) voranzutreiben (Randziffer 85);

 

ii.                  die Anwendung der §§ 305 und 307a des StGB (betreffend aktive und passive Bestechung, der keine Verletzung von Amtspflichten zugrunde liegt) zu überprüfen, und zwar betreffend das Erfordernis, dass der entsprechende Vorteil entgegen eines dienst- oder organisationsrechtlichen Verbotes sein muss, um etwaige Auswirkungen auf die Rechtssicherheit,  einschließlich bei der Untersuchung und Verfolgung von Korruptionsdelikten, abzuklären und erforderlichenfalls die entsprechenden Maßnahmen zu treffen (Randziffer 88);

 

iii.                zu überprüfen, ob zusätzliche Schritte erforderlich sind, um sicherzustellen, dass alle Fälle von Bestechung und Intervention auch im Fall von immateriellen ungerechtfertigten Vorteilen angemessen behandelt werden (Randziffer 89);

 

iv.                die Strafbarkeit der aktiven und passiven Bestechung von Mitgliedern nationaler Vertretungskörper, die sich aus der Definition des Begriffes Amtsträger des § 74 Abs. 1 Zi 4a StGB ergibt, erheblich auszuweiten und somit diese Bestimmungen in Einklang mit dem Artikel 4 des Strafrechtsübereinkommens über Korruption zu bringen (SEV Nr. 173) (Randziffer 90);

 

v.                  die Abschaffung des Erfordernisses der Privatanklage zur gerichtlichen Verfolgung von Bestechung im privaten Sektor (§ 168e StGB) (Randziffer 91);

 

vi.                (i) die Notwendigkeit des Erhaltes der Bestimmungen über die Bestechung im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb zu überprüfen und (ii) die allenfalls erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verfolgung von Bestechungshandlungen in der Praxis zu strafrechtlichen Konsequenzen führt, die die Notwendigkeit einer effektiven Anti-Korruptions-Politik wiederspiegeln (Randziffer 92);

                                                                                

vii.              sicherzustellen, dass die verschiedenen Tatbestandselemente der missbräuchlichen Einflussnahme wie sie in Artikel 12 SEV Nr. 173 festgelegt sind, auch im österreichischen Strafrecht umgesetzt werden, beispielsweise durch eine Änderung des § 308 StGB über die verbotene Intervention (Randziffer 93);

 

viii.            die Erhöhung der möglichen Maximalstrafen betreffend aktive und passive Bestechung im privaten Sektor nach § 168d StGB in Betracht zu ziehen (Randziffer 95);

 

ix.                die automatische – und zwingend absolute- Aufhebung der Strafbarkeit, welche den Tätern der aktiven und passiven Bestechung im öffentlichen Bereich im Fall der tätigen Reue nach § 307c StGB gewährt wird, zu analysieren und entsprechend zu überarbeiten (Randziffer 97);

 

x.                  sicherzustellen, dass das Strafgesetzbuch betreffend der im Ausland begangenen Bestechungsdelikte und der Verbotenen Intervention Zuständigkeitsbestimmungen vorsieht, die – ohne das Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit - im Einklang mit Artikel 17 Abs. 1  des Strafrechtsübereinkommens über Korruption, (SEV Nr. 173) stehen (Randziffer 98).

 

101.       Gemäß der Bestimmung 30.2 der Verfahrensvorschriften lädt GRECO die österreichischen Behörden ein, einen Bericht über die Umsetzung der oben genannten Empfehlungen bis zu 30. Juni 2013 vorzulegen.

 

102.       Abschließend lädt GRECO die österreichischen Behörden ein, die Veröffentlichung des Berichtes so rasch wie möglich zu genehmigen, den Bericht in die nationale Sprache zu übersetzen und die Übersetzung öffentlich zu machen.

 



[1] Bestechung im privaten Sektor ist nach der Bestimmung des § 153 StGB über die Untreue strafbar (der Begriff des Schadens, der in der Definition des Deliktes verwendet wird, kann analog auf Vorteile angewendet werden). Das Delikt ist ein Verbrechen, wenn der Schaden / der Vorteil EUR 50.000 übersteigt.

[2] Dieser Begriff ist im Deutschen weiter als der Begriff des Beamten.

[3] Beispielsweise verbietet § 59 Abs.1 des Beamtendienstrechtsgesetzes die Annahme von jeglichen Geschenken oder Vorteilen durch einen Beamten, die im Hinblick auf dessen amtliche Stellung gegeben werden, während § 59 Abs. 2 BDG übliche Geschenke geringen Wertes (insbesondere Werbeartikel wie billige Kugelschreiber, Kalender ect.) vom Verbot des Abs. 1 ausnimmt. Daher fallen übliche Geschenke geringen Wertes nicht unter das Geschenkannahmeverbot des § 59 Abs. 1 BDG. Die neun Bundesländer haben jeweils ein eigenes Beamtendienstrecht und alle enthalten dem § 59 BDG entsprechende Bestimmungen.

[4] Wenn der Dritte mit der Bestechung an sich nichts zu tun hat (z.B. nur einen Briefumschlag mit dem Bestechungsgeld übergibt, ohne zu wissen, was er überbringt und ohne den Zweck zu kennen), haften nur der Bestecher und der Bestochene. Wenn jedoch der Dritte bewusst ein Teil des Bestechungsszenarios ist, dann kann er oder sie unter Umständen sowohl für aktive, als auch für passive Bestechung oder sogar beides zur Verantwortung gezogen werden.

[5] Fuchs/Jerabeck in „Korruption und Amtsmissbrauch“, 3. Auflage 2010, Kommentar zu §§ 304-306.

[6] Straftaten, die an Bord eines österreichischen Schiffes oder Flugzeuges begangen werden.

[7] § 57 StGB Verjährung der Strafbarkeit

(1) Strafbare Handlungen, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind oder die mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind, verjähren nicht. Nach Ablauf einer Frist von zwanzig Jahren tritt jedoch an die Stelle der angedrohten lebenslangen Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren. Für die Frist gelten Abs. 2 und § 58 entsprechend.

 (2) Die Strafbarkeit anderer Taten erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte Verhalten aufhört.

(3) Die Verjährungsfrist beträgt

zwanzig Jahre, wenn die Handlung zwar nicht mit lebenslanger Freiheitsstrafe, aber mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

zehn Jahre, wenn die Handlung mit mehr als fünfjähriger, aber höchstens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

fünf Jahre, wenn die Handlung mit mehr als einjähriger, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

drei Jahre, wenn die Handlung mit mehr als sechsmonatiger, aber höchstens einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist;

ein Jahr, wenn die Handlung mit nicht mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe oder nur mit Geldstrafe bedroht ist.

(4) Mit dem Eintritt der Verjährung werden auch der Verfall und vorbeugende Maßnahmen unzulässig.

 

[8] Die österreichischen Behörden beziehen sich beispielsweise auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 13 Os 51/80: im zugrundeliegenden Fall waren 3 Personen beteiligt, der Unternehmer A, der Steuerbeamte B und C, einer der Dienstnehmer von A. C forderte A auf, dem B einen Vorteil für eine Steuersenkung anzubieten und forderte gleichzeitig den B auf, den Vorteil anzunehmen. Alle drei wurden verurteilt, A wegen § 307 StGB, B wegen § 304 StGB und C wegen § 307 und § 304 StGB (in Verbindung mit § 12).

[9] Dem GET wurde mitgeteilt, dass auf Grundlage der neuen Bestimmungen von 2008 einige Fälle untersucht wurden, die Verfahren wurden jedoch nach 2009 eingestellt. Insbesondere in einem Fall, der die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zog, waren großzügige VIP-Einladungen zu einer Sportveranstaltung, angeblich EUR 3.500 wert, vom Chef eines Unternehmens an verschiedene Führungspersönlichkeiten von staatlichen Unternehmen, mit welchen sie in einer Geschäftsbeziehung (als Zulieferer) standen, verteilt worden. Dem GET wurde auch mitgeteilt, dass dieser Fall möglicherweise zur Einführung der Änderungen 2009 beigetragen hat.