10079/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.02.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

BMJ-Pr7000/0359-Pr 1/2011


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 10222/J-NR/2011

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Aktenaffäre Liechtenstein“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 2:

Das Bundesministerium für Justiz hat noch vor dem Beschluss des Liechtensteinischen Fürstlichen Obersten Gerichtshofes vom 7. Oktober 2011, RS 2010.331 (http://www.gerichtsentscheide.li), die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirt­schaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) am 5. Oktober 2011 davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Aufhebung der bewilligten Rechtshilfe durch das Fürstentum Liechtenstein drohe, weil im Zeitpunkt des Vollzugs der österreichischen Anordnungen im Fürstentum Liechtenstein die Fristen nach § 105 Abs. 1 StPO abgelaufen sein dürften. Der WKStA wurde zur Erwägung gestellt, entweder die rückwirkende Verlängerung der Fristen beim Gericht zu erwirken oder das Fürstentum Liechtenstein abermals um Rechtshilfe zu ersuchen.

Das Bundesministerium für Justiz hat am 6. Oktober 2011 die Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Ressort Justiz, davon in Kenntnis gesetzt, dass es nach österreichischer Ansicht ausreichen müsse, dass im Zeitpunkt der Bewilligung der Rechtshilfe gültige An­ordnungen vorliegen, auch wenn diese erst nach Ablauf der Befristung vollzogen werden, weil der Vollzug nicht in der Ingerenz der österreichischen Behörden liege.

Die WKStA hat in der Folge am 10. Oktober 2011 das Fürstentum Liechtenstein abermals um Rechtshilfe ersucht.

Im Zeitpunkt der Akteneinsicht in liechtensteinische Akten und der behaupteten Entwendung von Aktenstücken lagen den liechtensteinischen Behörden bereits ein Rechtshilfeersuchen und gültige Anordnungen der österreichischen Justizbehörden vor. Über die Bewilligung dieses Rechtshilfeersuchens hat die liechtensteinische Seite bislang noch nicht rechtskräftig entschieden.

Zu 3:

Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein findet auf Grundlage des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969, in der Fassung des Vertrages vom 4. Juni 1982 zwischen der Republik Österreich  und dem Fürstentum Liechtenstein über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung, BGBl. Nr. 352/1983, statt.

Die Rechtshilfebestimmungen des Schengen-Besitzstandes finden nach Maßgabe des Assoziierungsprotokolls vom 28. Februar 2008, ABl. L160 vom 28. Juni 2011, S 3f. und 50, Anwendung. Der Rat hat am 13. Dezember 2011 die vollständige Anwendung der Be­stimmungen des Schengen-Besitzstandes im Fürstentum Liechtenstein beschlossen, ABl. L 334 vom 16. Dezember 2011, S 27.

Die Rechtshilfebestimmungen des Artikels 37 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption, BGBl. III Nr. 47/2006, und des Artikels 13 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, BGBl. III Nr. 84/2005, haben im Verhältnis zum Fürstentum Liechtenstein keinen selbständigen Anwendungsbereich.

Zu 4:

Der Vollzug der Rechtshilfehandlungen war zwischen Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zu koordinieren, damit alle Zwangsmaßnahmen am selben Tag stattfinden können. Diese zeitliche Abstimmung hat jedoch dazu geführt, dass im Zeitpunkt des tatsächlichen Vollzugs der Rechtshilfe in Liechtenstein die Fristen nach § 105 Abs. 1 StPO abgelaufen waren.

Im Übrigen bietet das bisherige Vorgehen der liechtensteinischen Rechtshilfe- und Straf­verfolgungsbehörden keinen Anlass, abermals bei der liechtensteinischen Seite vorstellig zu werden.

 

Wien,      . Februar 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl