10149/AB XXIV. GP
Eingelangt am
12.03.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0005-Pr 1/2012 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 10266/J-NR/2012
Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Sexuelle Gewalt: Vergewaltigungen in Österreich – Gerichtsverfahren und Entscheidungen 2011“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 15:
Soweit aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) Datenmaterial auswertbar war (siehe dazu schon die Ausführungen in der Beantwortung der Voranfrage zur Zl. 7820/J-NR/2011), sind diese in tabellarischer Form – zu den Fragepunkten 1, 3 bis 8 sowie 11 bis 13 – hier angeschlossen. Nach wie vor gilt, dass die Rechtskraft von Verurteilungen in der VJ nicht erfasst wird. Die Gerichtliche Kriminalstatistik (GKS) der Statistik Austria, die auf die Rechtskraft von Urteilen abstellt, liegt für das Jahr 2011 noch nicht vor.
Zu 16:
Aus den Daten der VJ lässt sich – wie schon im Vorjahr dargelegt – eine Rückfallsquote nicht errechnen, weil Verurteilungen derselben Person aus verschiedenen Jahren nicht in den elektronischen Registern, sondern erst bei der Eintragung im Strafregister „zusammengeführt“ werden.
Die Gerichtliche Kriminalstatistik (GKS) der Statistik Austria enthält eine Wiederverurteilungsstatistik. Der GKS 2010 ist zu entnehmen, dass rechtskräftig Verurteilte sowie aus Haft bzw. Maßnahmenvollzug entlassene Personen des „Jahrganges“ 2006, deren „Ausgangsverurteilung“ wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität erfolgte, in den Jahren 2006 bis 2010 in 37 Fällen abermals wegen eines Deliktes gegen die sexuelle Integrität verurteilt wurden (einschlägige Wiederverurteilungsrate von 7 %).
Die GKS 2011 liegt noch nicht vor. Wie hoch die Rückfallsquote der im Jahr 2011 verurteilten Personen war, lässt sich den vorhandenen Daten nicht entnehmen.
Zu 17 und 18:
Dazu liegen mir keine automationsunterstützt auswertbaren Daten vor. Eine händische bundesweite Erhebung würde den Rahmen der Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage sprengen, weshalb ich um Verständnis ersuche, aus verwaltungsökonomischen Gründen keine derartigen Rechercheaufträge erteilt zu haben.
Zu 19:
Nach den Auswertungen aus der VJ gab es für das Jahr 2011 keine Wiederaufnahmeverfahren wegen Straftaten nach dem 10. Abschnitt des StGB.
Zu 20 und 22:
Derzeit werden allfällige Umsetzungsnotwendigkeiten aus der Richtlinie 2011/92/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie und des Europarats-Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geprüft. Darüber hinaus werden derzeit keine aktuellen Probleme oder aktueller legislativer Handlungsbedarf im Bereich von Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erblickt.
Hervorheben möchte ich jedoch in diesem Zusammenhang das in Kürze startende Pilotprojekt „Forensische Befragung von Vorschulkindern“. Schwerpunkt des Projektes ist die Erprobung einer neuen Vorgehensweise bei der Befragung und Begutachtung von Vorschulkindern, die alterstypische Konflikte berücksichtigt und – sofern möglich – reduziert, wobei es dabei unter anderem natürlich auch (aber nicht nur) um Kinder geht, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Das gemeinsam erklärte Ziel liegt darin, neben einer Qualitätssteigerung von Begutachtungen gleichzeitig eine Erleichterung von Befragungssituationen für Vorschulkinder zu erreichen. Nach Abschluss der Pilotprojektes und einer sich daran anschließenden Evaluierungsphase wird über eine allfällige Ausweitung und Fortführung des Projektes entschieden werden.
Zu 21:
Der im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz vom „Weissen Ring“ betriebene Opfer-Notruf unter der Telefon-Nummer 0800 112 112 gewährleistet, dass Opfer von Straftaten rasch und unbürokratisch kostenfreie kompetente Beratung erhalten können (s. auch www.opfernotruf.at). Der Opfernotruf ist rund um die Uhr erreichbar und kann damit auch in Krisensituationen Unterstützung bei der Planung der nächsten Schritte bieten.
Entschließt sich das Opfer eines Sexualdeliktes zur Anzeige, besteht die Möglichkeit auf kostenfreie psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, um seine Stellung im Strafverfahren – insbesondere im Hinblick auf die emotionale Belastung – zu stärken (§ 66 Abs. 2 StPO). Diese umfasst die Vorbereitung des Opfers auf das Strafverfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu (kriminalpolizeilichen) Vernehmungen während des Verfahrens und die rechtliche Beratung und Vertretung durch eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt. Im Interesse der reibungsfreien Anwendung in der Praxis ist das Bundesministerium für Justiz ermächtigt, bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen vertraglich zu beauftragen, nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen Prozessbegleitung zu gewähren. Im Jahr 2011 wurde in 280 Strafverfahren weiblichen Vergewaltigungsopfern Prozessbegleitung gewährt. Die dafür aufgewendeten Kosten in Höhe von 240.304 Euro wurden vom Bundesministerium für Justiz getragen.
Personen, die durch die vom Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, haben darüber hinaus das Recht auf schonende Vernehmung (§§ 165 Abs. 3 und 4, 250 Abs. 3 StPO). Dadurch wird der besonderen Lage von Opfern von sexueller Gewalt Rechnung getragen und gleichzeitig gewährleistet, dass das erkennende Gericht dennoch einen unmittelbaren Eindruck von dem zugefügten Leid erhält, wodurch auch eine opfergerechte Sanktionierung unterstützt werden kann. Prozessbegleitung gewährleistet auch in dieser Situation, dass die unter besonderem psychischem Druck stehenden Opfer von sexueller Gewalt mit Anerkennung und Würde behandelt werden sowie Unterstützung erhalten, um den Belastungen eines Strafverfahrens besser gewachsen zu sein.
Für die Prozessbegleitung von Frauen als Betroffene von Männergewalt, aber auch von Mädchen, Buben und Jugendlichen als Opfer sexueller und physischer Gewalt wurden Standards entwickelt, für deren Einhaltung die mit der Prozessbegleitung beauftragten Beratungsstellen zuständig sind. Von der psychosozialen Begleitung umfasst sind die Vorbereitung der Betroffenen und deren Bezugssystem auf die Anzeige, die Begleitung zur Polizei, die Vorbereitung auf und die Begleitung zur kontradiktorischen Einvernahme sowie die Begleitung zur Hauptverhandlung.
Weiters verweise ich auf die Einrichtung der „Runden Tische“ mit Expertinnen und Experten zum Thema Prozessbegleitung, die als Bindeglied zwischen den Bereichen Opferschutz und Justiz fungieren sollen. Deren Ziel ist es, durch regelmäßige Treffen aller involvierten Berufsgruppen einen umfassenden Erfahrungsaustausch und das Erarbeiten von Verbesserungsvorschlägen zu ermöglichen.
Wien, . März 2012
Dr. Beatrix Karl
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe
Anfragebeantwortung (gescanntes Original)
zur Verfügung.