1027/AB XXIV. GP
Eingelangt am 17.04.2009
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BM für Justiz
Anfragebeantwortung

DIE
BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0046-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 936/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Maßnahmen seitens des Justizministeriums als Reaktion auf den GRECO Evaluierungsbericht Österreich“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3:
Es ist mir ein großes Anliegen, für eine möglichst weite Verbreitung der Werte des „Verhaltenskodex für Korruptionsprävention“ zu sorgen. In einer justizinternen Arbeitssitzung wurden bereits Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Korruptionsbekämpfung beschlossen:
· Volle Unterstützung bei legislativer Tätigkeit und Erstellung von Verordnungen, Erlässen oder Softlaw; Verankerung in der Grundausbildungsverordnung; Thematisierung im Rahmen der Sitzung „Sicherheit und Recht“; Einbindung in den Durchführungserlass zur Belebung des Mitarbeitergesprächs;
· Einbindung in das Aus- und Fortbildungsprogramm 2009;
· Integration der Inhalte des Verhaltenskodex in die E-Learning-Programme für die Ausbildung von Kanzleikräften, Gerichtsvollziehern, im Strafvollzug und für die Ausbildung der Rechtspraktikanten, auch abrufbar auf der Fortbildungsplattform im Intranet;
· Ersuchen an den Hauptverband für Sachverständige, die Inhalte des Verhaltenskodex in die Ausbildung aufzunehmen;
· Thematisierung im Rahmen der Behördenleiterbesprechung im Jahr 2009 und der Besprechungen mit den Leitenden Oberstaatsanwälten sowie
· Thematisierung im Rahmen der Präsidentenkonferenzen.
Ferner wurden folgende Aktivitäten angeregt:
· Anpassung der Bestimmung des § 57 Abs. 3 RStDG an den Verhaltenskodex;
· Gemeinsame Schulungsveranstaltungen für Gerichtsbedienstete, Anwälte, Notare und Sachverständige eines Bezirks;
· Differenzierung der Schulung nach „gefährdeten Gruppen“;
· Einbindung der Personalvertretung, etwa durch Gestaltung eines Beitrags in der Richterzeitung;
· Erstellung eines Erlasses, der allenfalls auftretende Fragen behandeln soll.
Zu 4 und 5:
In der Gerichtlichen Kriminalstatistik können Verurteilungen auf der Grundlage des Standes des Strafregisters deliktsbezogen erfasst werden, wobei bei einem Verfahren mit Verurteilungen wegen mehrerer strafbarer Handlungen die Verurteilung dem Delikt zugeordnet wird, das für den angewendeten Strafsatz maßgebend war. Durch diese Art der Zuordnung wird erreicht, dass jede Verurteilung in der Gerichtlichen Kriminalstatistik nur einmal gezählt wird, sodass die Eintragungen täterbezogen den Verurteilungen entsprechen. Verurteilungen werden daher in der Gerichtlichen Kriminalstatistik nur nach täter- und deliktsbezogenen Kriterien erfasst.
Von der Zuordnung zu einzelnen Delikten losgelöste Aussagen über besondere Tatbegehungsweisen oder besondere Erscheinungsformen von Kriminalität können anhand der Gerichtlichen Kriminalstatistik nicht getroffen werden.
Da es sich bei Korruption um ein strafrechtliches Phänomen handelt, das sich nicht auf einzelne Delikte eingrenzen lässt, bereitet die statistische Erfassung von Korruptionsverurteilungen derzeit Schwierigkeiten. Insoweit ist die Kritik, dass die Kriminalstatistik im Hinblick auf die Erfassung korruptionsbedingter Verurteilungen derzeit wenig aussagekräftig ist, zutreffend.
Zur Beseitigung von Defiziten bei der statistischen Erfassung von Straftaten wurde im Mai 2007 im Bundesministerium für Justiz eine Arbeitsgruppe zur „Verbesserung der Datengrundlage für die Kriminaljustizstatistik“ eingerichtet. Ziel der Arbeiten ist zum einen eine Reform der Gerichtlichen Kriminalstatistik, durch die eine Erfassung sämtlicher einer Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten anstelle der bisherigen Beschränkung auf die Erfassung des strafsatzbestimmenden Deliktes ermöglicht werden soll, und zum anderen die Schaffung einer allgemeinen Justizerledigungsstatistik, in der alle staatlichen Reaktionen auf strafrechtsrelevantes Verhalten über den gesamten justiziellen Prozess erfasst und abgebildet werden sollen. Zu diesem Zweck ist auch die Schaffung von Klassifikationen zur deliktsunabhängigen Erfassung strafrechtlicher Phänomene geplant, die es ermöglicht, kriminologische Phänomene wie korruptionsbedingte Straftaten statistisch erfassen zu können. Erste Ergebnisse zur Umsetzung dieser komplexen Vorhaben werden nach derzeitigem Stand frühestens im Herbst 2009 vorliegen.
Zu 6:
Einleitend darf angemerkt werden, dass sich aus dem GRECO-Evaluierungsbericht ein ungenügender Wissensstand nur im Allgemeinen, nicht aber im Besonderen im Bereich der Justiz, ergibt. Der GRECO-Evaluierungsbericht fordert, Richter und Richterinnen mehr Fortbildungsmöglichkeiten in Bereichen, die von besonderer Bedeutung bei der Bearbeitung von Korruptionsfällen sind, anzubieten.
Das Bundesministerium für Justiz hat bereits am 14. Juli 2008 einen Erlass (BMJ-L318.025/0014-II 1/2008) zur Darstellung und Erläuterung der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 bewirkten Änderungen im Korruptionsstrafrecht herausgegeben, der nicht nur den Gerichten und Staatsanwaltschaften, sondern insbesondere auch dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag mit dem Ersuchen um Bekanntmachung im Wirkungsbereich übermittelt wurde. Der Erlass basierte zudem auf einer im Mai 2008 von meiner Amtsvorgängerin Dr. Maria Berger sowie der damals für den Bereich öffentlicher Dienst zuständigen Bundesministerin Doris Bures im Ministerrat präsentierten Information über Maßnahmen gegen Korruption, die auf diesem Wege auch allen Ressorts zur Kenntnis gebracht wurde.
Nichtsdestotrotz besteht die Notwendigkeit, Richtern und Richterinnen als auch Staatsanwälten und Staatsanwältinnen Schulungen zur Korruptionsbekämpfung anzubieten. Deshalb haben sich bereits im laufenden Fortbildungsprogramm 2008/2009 Fortbildungsveranstaltungen mit dem Themenkreis befasst bzw. werden sich damit befassen; dies sowohl im Rahmen allgemeiner Veranstaltungen zum Strafrecht - wie etwa im Rahmen des 37. Fortbildungsseminars aus Strafrecht und Kriminologie in Ottenstein – als auch im Rahmen von spezifischen Veranstaltungen, insbesondere in Zusammenarbeit mit und von der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Im Fortbildungsprogramm 2009/2010, das sich gerade in Planung befindet, werden ebenfalls gezielt fachspezifische Veranstaltungen zum Themenkreis Korruption angeboten.
Um ein grundlegendes Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, wurde der Themenkreis „Korruption“ in das Ausbildungsprogramm für Richteramtsanwärter und Richteramtsanwärterinnen aufgenommen.
Richter und Richterinnen sowie Staatsanwälte und Staatsanwältinnen haben in diesem Zusammenhang ferner die Möglichkeit, an Veranstaltungen der Verwaltungsakademie des Bundes sowie an internationalen Veranstaltungen teilzunehmen.
Zu 7:
Richtig ist, dass im Bericht die Einschätzung wiedergegeben wird, dass das Bankgeheimnis für Delikte, welche mit einer Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind, nicht durchbrochen werden kann (was insbesondere auf aktive Bestechung gemäß § 307 Abs. 2 StGB zutrifft). Das erwähnte Delikt ist aber auch (sieht man von der hier nicht relevanten Bestimmung des § 303 StGB ab) das einzige des 22. Abschnittes des Besonderen Teils des StGB, dessen Strafdrohung nicht bewirkt, dass eine Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte gemäß § 116 StPO zulässig wäre. Im Analyseteil (S 24f des erwähnten Berichts) wird dieser Umstand mit Hindernissen bei der Beschaffung von der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht (§ 48a BAO) unterliegenden Informationen vermengt, obwohl diese Pflicht im Verhältnis zu den Staatsanwaltschaften und Gerichten wegen § 48a BAO Abs. 4 lit. b in Verbindung mit der Verpflichtung der Abgabenbehörden zur Amts- und Rechtshilfe gemäß § 76 StPO nicht gilt.
Ich verhehle jedoch nicht, dass in Einzelfällen durchaus grundrechtliche Schranken für Ermittlungsmaßnahmen bestehen, die einerseits als Ausdruck der Achtung vor dem Privat- und Familienleben bzw. dem Grundrecht auf Datenschutz andererseits als Hindernis für effektive Strafverfolgungsmaßnahmen betrachtet werden können. Das Bankgeheimnis spielt in der österreichischen Finanzwelt eine gewichtige Rolle, sodass die Voraussetzungen für dessen Durchbrechung durchaus mit jenen vergleichbar sind, die für die Durchbrechung des Fernmeldegeheimnisses bestehen.
Zu 8:
Ich verstehe die diesbezüglichen Ausführungen nicht als unmittelbare Kritik, weil sie sich auch nur im beschreibenden Teil des Berichts und nicht in den Analyseteil oder in eine Empfehlung Eingang gefunden haben.
Insbesondere im Hinblick auf Kronzeugen möchte ich darauf hinweisen, dass bei einem Ausbau der bestehenden Kronzeugenregelungen im Strafrecht jedenfalls ein Brechen mit Grundsätzen des österreichischen Strafrechts vermieden werden sollte. Vielmehr sollte jede Lösung als Weiterentwicklung traditioneller Institute des Strafrechts konzipiert werden, also auf Instituten wie z.B. der Tätigen Reue gemäß § 167 im Vermögensstrafbereich, den Bestimmungen über die Diversion oder die Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG für die Verfolgung von Finanzvergehen aufbauen. Eine „goldene Brücke“ für den Täter in Richtung Strafmilderung oder Straffreiheit sollte an wesentliche Elemente wie Freiwilligkeit der Offenbarung des Verschuldens und Schadensgutmachung geknüpft sein. Eine solche Regelung könnte dann durchaus als auch präventiv wirksames Signal verstanden werden, das die Rückkehr zu einem normgetreuen Verhalten fördert und Vorhersehbarkeit der staatlichen Reaktion sicherstellt.
Unter Einbeziehung weiterer Überlegungen zur Vereinfachung und Kürzung von Verfahren, denen ein umfassendes Geständnis des Angeklagten zu Grunde liegt, könnte eine gesetzlich determinierte Strafmilderung bis hin zum Absehen von einem Ausspruch über die Strafe bei unberührten Schadenersatzansprüchen des Opfers mit den Grundprinzipien der österreichischen Rechtsordnung in Einklang gebracht werden. Jedenfalls wird eine gerichtliche Kontrolle solcher „Absprachen“ unumgänglich sein.
Wenngleich für den Bereich des Kernstrafrechts weder österreich- noch europaweit verlässliche Kennziffern über die Häufigkeit der Anwendung dieser Bestimmung vorliegen, so kann aufgrund der Erfahrungswerte aus den Staaten, die bereits über eine im Verhältnis zu § 41a StGB weitergehende Kronzeugenregelung verfügen, und nicht zuletzt aufgrund der im Wettbewerbs- und Kartellrecht erzielten Ermittlungserfolge der vergangenen zwei Jahre die grundsätzliche Effizienz dieser „goldenen Brücke“ im Bereich der Kriminalitätsverfolgung nicht geleugnet werden. Auch europaweit weist der Trend mit Ausnahme einiger weniger Staaten, die das Opportunitätsprinzip im Bereich des Strafrechts strikt ablehnen, in Richtung einer behutsamen Etablierung oder Ausweitung bzw. klaren Beibehaltung von Kronzeugenregelungen.
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wäre auch eine „Gesamtlösung“ zu bevorzugen, die in die Überlegungen zur Einbettung einer Kronzeugenreglung in das System des österreichischen Strafrechts Reformtendenzen einbezieht, die das Thema eines abgekürzten Verfahrens im Fall eines umfassenden Geständnisses des Angeklagten eben so betreffen, wie den Schutz sogenannter „whistleblower“, die ohne tatbeteiligt zu sein, den Strafverfolgungsbehörden ihr Wissen über kriminelle Vorgänge in Organisationen preisgeben, sich dadurch jedoch Pressionen und vor allem zivil- und arbeitsrechtlichen „Sanktionen“ aussetzen.“
An einer solchen Gesamtlösung wird zu arbeiten sein, wobei auch zu bemerken ist, dass Kronzeugenregelungen in den verschiedenen internationalen Foren zum Teil unterschiedlich gesehen werden, wobei die UN-Konvention als jüngstes Instrument – ungeachtet des Umstands, dass es sich um eine „consider“-Bestimmung handelt – ganz eindeutig Position bezieht. Auch der Europarat ist grundsätzlich positiv eingestellt. Früher teilweise ablehnend bis skeptisch war die OECD, die in ihrer Midterm Study der Evaluierungsberichte aus dem Jahr 2006 auf diese teilweise Ablehnung hinweist, aber auch darauf, dass teilweise nur empfohlen wurde, die Anwendungspraxis zu beobachten.
Was sonstige Schutzmaßnahmen von Zeugen betrifft, so ist daran zu erinnern, dass die StPO derartige Vorkehrungen wohl kennt; sie reichen bis hin zur anonymen Aussage (§ 162 StPO). Schutzprogramme für gefährdete Zeugen außerhalb der StPO fallen nicht in meinen Zuständigkeitsbereich; eine Regelung wäre hier im Anwendungsbereich des Sicherheitspolizeigesetzes zu treffen.
Zu 9:
Die Auswahl und Ausbildung der Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärter obliegt maßgeblich den Präsidenten der vier Oberlandesgerichte im Rahmen der Justizverwaltung. Sie genießen durch ihre dauerhafte Betrauung auch mit ihrer Aufgabe in der Justizverwaltung größtmögliche organisatorische Unabhängigkeit und erstatten auf Grundlage eines mehrstufigen Auswahlverfahrens einen Vorschlag betreffend die für eine Ausbildung zum Richter, einer Richterin oder Staatsanwalt bzw. Staatsanwältin (Ernennung zum Richteramtsanwärter bzw. Richteramtsanwärterin) in Frage kommenden Personen. Es entspricht einer durch viele Jahre gelebten Rechtstradition, keine Personen zu Richteramtsanwärterinnen und Richteramtsanwärtern zu ernennen, die nicht in diesen Vorschlag aufgenommen wurden; zu dieser Tradition bekenne ich mich.
Grundlagen dieses Auswahlverfahrens sind insbesondere die durch die ausbildenden Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte während der Gerichtspraxis abgegebenen Beurteilungen, die Leistungen der Kandidaten und Kandidatinnen im Rahmen des Studiums und im Rahmen von justizinternen Ausbildungsveranstaltungen, ein eignungspsychologisches Gutachten und der im Rahmen einer kommissionellen Anhörung durch Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gewonnene persönliche Eindruck. Die regionale, auf das künftige Einsatzgebiet abgestimmte Organisation des Auswahlverfahrens hat sich sehr bewährt, ermöglicht sie den Beteiligten doch, sich einen persönlichen, weit über die bloße Leistungsmessung anhand von Tests hinausgehenden Eindruck von den Kandidatinnen und Kandidaten zu verschaffen, wie er bei einer zentralen Organisation des Auswahlverfahrens nicht gewonnen werden könnte. Ihre Beurteilungen und die Einbeziehung in Anhörungen sichert den Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten maßgeblichen Einfluss auf die Auswahl der künftigen Kolleginnen und Kollegen.
Ebenfalls eine Aufgabe der Justizverwaltung ist die Entscheidung über die Besetzung von Richterplanstellen, wobei im Verfahren die Besetzungsvorschläge der richterlichen, alle verfassungsrechtlichen Garantien eines unabhängigen Gerichts genießenden Personalsenate aber eine ganz zentrale Rolle spielen. Die Personalsenate setzen sich mehrheitlich aus von den Richterinnen und Richtern vor Ort gewählten Mitgliedern zusammen, die mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut sind. Durch eine stärkere Konzentration gingen diese Nähe und Sachkunde verloren. Die für die berufliche Laufbahn auch maßgeblichen Dienstbeschreibungen sind alleinige Aufgabe der Personalsenate im Rahmen der gerichtliche Unabhängigkeit genießenden Justizverwaltung durch Senate.
Diese Aufgaben obliegen für die staatsanwaltschaftlichen Planstellen wie für alle Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst den unabhängig und weisungsfrei gestellten Personalkommissionen, denen in diesem Fall ausschließlich Staatsanwältinnen und Staatsanwälte angehören.
Im Gegensatz zu diesen Aufgaben der Justizverwaltung (unter starker Mitwirkung unabhängiger Organe) ist der Vollzug des vereinheitlichten Disziplinarrechts der Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zur Gänze Aufgabe der Gerichtsbarkeit. Sie ist den bei den vier Oberlandesgerichten und beim Obersten Gerichtshof eingerichteten Disziplinargerichten übertragen.
Ich meine, dass sich diese ausgewogene Aufgabenverteilung auf die Justizverwaltung einerseits und die Gerichtsbarkeit andererseits und das Zusammenspiel von Organen der Justizverwaltung und solchen der Gerichtsbarkeit im Bereich der Personalauswahl und Planstellenbesetzung bewähren und den Anforderungen und Verantwortlichkeiten bestmöglich gerecht werden.
Zu 10:
Die Besetzungsvorschläge durch richterliche Senate einerseits und die der Verwaltung zukommende Letztentscheidung auf Grundlage dieser Vorschläge andererseits ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Balance zwischen der Unabhängigkeit der Gerichte und meiner Verantwortung als oberstem Organ der Justizverwaltung gemäß Art. 20 B-VG. Die Ernennung von Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten ist keine Aufgabe der Gerichtsbarkeit, sondern der Vollziehung. Das geltende System trägt den Bedürfnissen nach starker Einbindung der Richterschaft einerseits und rascher und endgültiger Entscheidung über Planstellenbesetzungen andererseits Rechnung. Mit bindenden Besetzungsvorschlägen wäre nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts die Konsequenz verbunden, dass den in diesen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerberinnen und Bewerbern Parteistellung und ein Recht auf Überprüfung des Ernennungsvorgang eingeräumt wäre (vgl. VfGH VfSlg. 8066/1977, 14.368/1995, 14.732/1997, 17.620/2005; VwGH 24.3.2004, Zl. 2003/12/0143). Bei mehreren hundert Ernennungsvorgängen jährlich würde durch derartige Überprüfungen in Kürze eine Lähmung der Justiz bewirkt werden können, „schwebende“ Besetzungen von Richterplanstellen und lange Vakanzen freier Stellen wären die Folge.
Trotz der fehlenden Bindung an die Besetzungsvorschläge der Personalsenate entspricht es einer durch viele Jahre und in unterschiedlichen politischen Konstellationen gelebten Rechtstradition, nur Personen auf freie Richterstellen zu ernennen, die in zumindest einen der beiden Besetzungsvorschläge Aufnahme gefunden haben. Zu dieser Tradition bekenne auch ich mich.
Zu 11:
Der Empfehlung, sicherzustellen, dass die geplante Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption mit Beginn des Jahres 2009 mit den geplanten Ressourcen ihre Arbeit aufnimmt und dass nach einer Einführungsphase die Angemessenheit der zugewiesenen Ressourcen überprüft wird, fühle ich mich schon wegen des ähnlich lautenden Vorhabens im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode verpflichtet.
Die zutreffende Feststellung, dass keine Weisungsfreistellung erfolgt ist, verstehe ich nicht als Kritik, sondern als Beschreibung des status quo. Ich verweise allerdings darauf, dass das Weisungsrecht nunmehr in völliger Transparenz auch der Kontrolle der Beteiligten des Verfahrens unterliegt, weil jede Weisung zum Akt zu nehmen ist. Überdies wurde im StAG (§§ 2a Abs. 4 und 8 Abs. 3 zweiter Satz) klargestellt, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft nur über verfahrensbeendende Erledigungen zu berichten hat.
Ich denke, dass damit der durch Artikel 90a B-VG eröffnete Spielraum zur Gänze ausgeschöpft wurde.
Zu 12 und 13:
Ein Blick in die Praxis bestätigt, dass über die direkte Strafverfolgung hinausgehende Ermittlungs- und Verfolgungshandlungen zur Sicherstellung von Vermögensvorteilen nicht die Regel sind.
Insgesamt zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Bemühungen zur Durchsetzung des Grundsatzes „Verbrechen darf sich nicht lohnen“ durch vermehrte Abschöpfung nur mäßig erfolgreich waren, was durch den Bericht des Rechnungshofes (Bund 2008/12) bestätigt wird, wonach zwischen 2003 und 2007 zwar die Verdachtsmeldungen meldepflichtiger Berufsgruppen um rund das Vierfache und Eintragungen in die Verfahrensautomation Justiz wegen Geldwäsche um etwa das Fünffache gestiegen sind, jedoch die Zahl der Verurteilung wegen solcher Delikte in etwa gleich geblieben ist. Auch das Ausmaß der abgeschöpften Beträge im Jahr 2007 entsprach bei einer Größenordnung von rund 220.000 Euro in etwa dem im Jahr 2003 erzielten Ergebnis. Von wenigen Ausnahmen abgesehen betrafen die Abschöpfungsentscheidungen Delikte nach dem Suchtmittelgesetz und bezogen sich offenkundig auf Beträge, die bei einem Zugriff sichergestellt werden konnten.
Ob durch eine Verbesserung der Organisation, der Personalausstattung und der Datengrundlage eine wesentlich höhere Effizienz von Abschöpfungsmaßnahmen erreicht werden kann, wird von der Praxis kritisch gesehen.
Im GRECO-Evaluierungsbericht werden speziell die unzureichenden Reaktionen auf die deutliche Zunahme von Verdachtsmeldungen meldepflichtiger Berufsgruppen angesprochen. Dazu ist auszuführen, dass sich solche Meldungen - jedenfalls soweit es größere Beträge betrifft - vielfach auf bedenkliche Geschäfte und Vorgänge im Ausland beziehen, deren Aufklärung nur dort erfolgen kann. In solchen Fällen scheitert die Abschöpfung der Bereicherung in der Regel am Nachweis einer konkreten mit Strafe bedrohten Handlung, durch die oder für deren Begehung Vermögensvorteile erlangt worden sind. Dass kriminelle Vorgänge im Ausland in einer für ein inländisches Strafverfahren tauglichen Weise im Rechtshilfeweg geklärt werden könnten, obwohl die nationalen Strafverfolgungsbehörden dazu im dortigen Inlandsverfahren nicht in der Lage waren, wäre eine lebensfremde Annahme.
Vor dem Hintergrund dieser von der Praxis geschilderten strukturellen Beweisschwierigkeiten und Personalprobleme relativiert sich meines Erachtens die kritische Sicht des GRECO-Berichts.
Soweit sich der GRECO-Bericht auf Unterschiede zwischen Abschöpfung der Bereicherung und Verfall bezieht, weise ich darauf hin, dass ein Nachkommen der Empfehlung in diesem Punkt darauf hinauslaufen könnte, zum System vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996, also zum „Verfall alten Typs“, zurückzukehren. Soweit es um Klarstellungen geht, könnten diese auch Erlassweg erfolgen.
Zu 14:
Einstweilige Maßnahmen, mit denen vermögensrechtliche Anordnungen gesichert werden, werden ebenso wie die vermögensrechtlichen Anordnungen selbst zwar in der Verfahrensautomation erfasst, jedoch bereitet auch hier - wie bereits in meiner Antwort zu Punkt 4 dargestellt - die Zuordnung solcher Maßnahmen zum Korruptionsbereich Schwierigkeiten.
Zu 15 und 16:
Mir wurde von den Staatsanwaltschaften kein entsprechender Fall berichtet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung der staatsanwaltschaftlichen Behörden – mit Blick auf die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit und den bei einer vollständigen Sichtung aller in Betracht kommender Verfahren verbundenen Arbeitsaufwand – nur auf Basis der Erinnerung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erfolgen konnte.
Zu 17:
Ich hege Bedenken, aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Evaluierung (noch) keine Verurteilungen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz vorlagen, auf die Unkenntnis der Justizbeschäftigten zu schließen. Ungeachtet dessen wird das Bundesministerium für Justiz im Bemühen, die Fortbildungsbedürfnisse der Praxis zu erfüllen, den Fortbildungsbeirat, dem Vertreter bzw. Vertreterinnen des Obersten Gerichtshofes, der Oberlandesgerichte, der Oberstaatsanwaltschaften sowie der Standesvertretungen der Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten angehören, betreffend die Konzipierung geeigneter Fortbildungsmaßnahmen befassen.
Zu 18:
Die Verbandsgeldbuße folgt dem Tagessatzsystem, das auch für Geldstrafen bei natürlichen Personen (§ 19 StGB) gilt. Die Verbandsgeldbuße setzt sich aus der Anzahl der Tagessätze, die die Schwere des Vorwurfes widerspiegeln und nach den Erschwerungs- und Milderungsgründen festzusetzen sind, und der Höhe des einzelnen Tagessatzes zusammen, der sich nach der Ertragslage des Verbandes bemisst (Ein Tagessatz entspricht dem 360. Teil des Jahresertrages, wobei nach § 4 Abs. 4 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) Über- und Unterschreitungen um bis zu einem Drittel je nach den sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen möglich sind).
Der Mindesttagessatz beträgt derzeit nach § 4 Abs. 4 VbVG 50 Euro und der Höchsttagessatz 10.000 Euro. Die angedrohte Anzahl der Tagessätze bestimmt sich nach der Freiheitsstrafdrohung des betreffenden Grunddeliktes, gestaffelt in acht Stufen zwischen 40 und 180 Tagessätzen.
Durch das StRÄG 2008 wurde die Strafdrohung für die Bestechung nach § 307 Abs. 1 StGB von 2 auf 3 Jahre angehoben, sodass die maximale Anzahl der Tagessätze – wie für das Delikt nach § 304 Abs. 1 StGB (Geschenkannahme durch Amtsträger oder Schiedsrichter) – 85 Tagessätze beträgt. Die höchstmögliche Verbandsgeldbuße für die Delikte nach §§ 304, 307 StGB beträgt daher 850.000 Euro, jene für das Delikt nach § 302 StGB (Amtsmissbrauch) 1,000.000 Euro.
Bis Jahresende 2009 soll eine Evaluierung des VbVG durchgeführt werden.
Zu 19:
Was das Verbot von Führungspositionen für wegen schwerer Korruptionsdelikte verurteilter Personen anlangt, möchte ich darauf hinweisen, dass eine vergleichbare Forderung auch auf Grund des EU-Rahmenbeschlusses 2003/568/JI vom 22.7.2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor besteht.
Zwar kennt weder das österreichische Strafrecht, noch das Gesellschafts- oder Unternehmensrecht ein allgemeines, an die Zuverlässigkeit oder eine strafrechtliche Verurteilung wegen Bestechungsdelikten der Organe von Unternehmen anknüpfendes Tätigkeitsverbot oder Ausschlussgründe, doch bestehen in diversen Vorschriften außerhalb des Justizsystems (z.B. Gewerbeordnung) entsprechende Regelungen, die eine Art „Directors’ Disqualification“ vorsehen, und mit denen meiner Meinung nach das Auslangen gefunden werden kann: So knüpfen etwa im Bereich des Kapitalmarktrechts § 5 Abs. 1 Z 6 BWG, § 3 Abs. 1 Z 7 BörseG, § 9 Z 9 PKG, § 4 Abs. 6 Z 1 VAG und § 20 Abs. 1 Z 5 WAG die Konzessionserteilung an die Zuverlässigkeit des Geschäftsleiters; einem ähnlichen System folgen die berufsrechtlichen Sondervorschriften (RAO, WTHG, ZiviltechnikerG); § 13 GewO regelt die Gründe, die zum Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes führen, die u.a. an eine ungetilgte strafgerichtliche Verurteilung (Abs. 1 lit a: wegen Kridadelikten oder lit b: wegen einer 3 Monate oder 180 Tagessätze übersteigenden Strafe) anknüpfen, womit jedenfalls mit Verurteilungen wegen schwerer Korruptionsdelikte entsprechende Konsequenzen verbunden wären.
Die Einführung eines strafgerichtlichen Berufsverbots würde eine Nivellierung der bislang sehr unterschiedlich ausgestalteten Berufsverbote bewirken und die Entscheidung darüber dem Organ zuordnen, das die Notwendigkeit der Verhängung wohl am ehesten beurteilen kann – nämlich dem in der Sache urteilenden Strafgericht. Die Verhängung durch ein Strafgericht und die damit verbundenen Rechtsfolgen würden dem Verbot zudem eine plakative Wirkung verleihen, jedoch zu Aufweichungen in einigen Bereichen führen, in denen es bereits nach geltendem Recht - wie oben skizziert - weitaus strengere Bestimmungen gibt, als sie durch das allgemeine Strafrecht realisierbar wären.
Zu 20 bis 26:
Zu den Fragen rund um das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption (ETS Nr. 173) möchte ich vorausschicken, dass die Vorbereitungen zur Ratifizierung dieser Konvention sowie des entsprechenden Zusatzprotokolls (ETS Nr. 191) bereits in der vergangenen Legislaturperiode begonnen haben, meine ungeteilte Unterstützung finden und daher vom Bundesministerium für Justiz derzeit weitergeführt werden; auch das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten wurde in diesen Prozess zur Vorbereitung der Ratifizierung bereits eingebunden.
Das Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption selbst wurde von Österreich am 13. Oktober 2000 unterzeichnet; seit 1. Dezember 2006 ist Österreich Mitglied der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO) und damit dem verpflichtenden mehrstufigen Evaluierungsverfahren zur Überprüfung der Einhaltung bzw. Umsetzung der Rechtsinstrumente des Europarates (Strafrechtsübereinkommen über Korruption - ETS Nr. 173, Zivilrechtsübereinkommen über Korruption - ETS Nr. 174 und „20 Leitprinzipien zur Bekämpfung von Korruption“ - Resolution (97)24 on the Twenty Guiding Principles for the Fight against Corruption) unterworfen, zumal mit der erfolgten Ratifizierung des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption der Beitritt zur GRECO verbunden war. (Die Kundmachung des Zivilrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption (ETS Nr. 174) sowie des Abkommens über die Errichtung der Staatengruppe gegen Korruption – GRECO und der Entschließung (99)5 über die Einrichtung der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) samt Anhang erfolgte am 6. Oktober 2006 im BGBl. III Nr. 155/2006.)
Insbesondere in Beantwortung der Frage 21., warum Österreich das Strafrechtsübereinkommen über Korruption noch nicht ratifiziert hat, darf ich auf die in Österreich übliche Praxis, internationale Übereinkommen zunächst umzusetzen und erst in der Folge einer Ratifizierung zuzuführen, hinweisen, wobei jedoch im Falle des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (A/RES/58/4) ausnahmsweise der umgekehrte Weg beschritten wurde. Dieses Übereinkommen wurde von Österreich bereits vor seiner Umsetzung ratifiziert und am 13. März 2006 im BGBl. III Nr. 47/2006 kundgemacht.
Unter den in jüngerer Zeit gesetzten legistischen Maßnahmen zur Umsetzung der die Korruption betreffenden internationalen Rechtsinstrumente ist besonders das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hervorzuheben, mit dem zahlreiche Rechtsakte der EU, aber auch völkerrechtliche Verpflichtungen erfüllt wurden (vgl. OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (BGBl. III Nr. 176/1999), Übereinkommen des Europarates (ETS 172, ETS 173 und 185), Empfehlung 2a.) der 40 Empfehlungen der FATF, UN Übereinkommen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität (BGBl. Nr. 84/2005) ).
Abschließend möchte ich daher betonen, dass meines Erachtens die innerstaatliche Umsetzung der internationalen Vorgaben, wie sie in Österreich bereits erfolgt ist, das Wesentliche ist und nicht der Akt der Ratifizierung, der zwar völkerrechtliche Bedeutung, aber per se keine praktische Bedeutung im Kampf gegen Korruption hat, zumal seit dem Inkrafttreten des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes keine zwingenden Umsetzungsnotwendigkeiten mehr offen sind.
. April 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)