1030/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.04.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0045-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 930/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „StPO-Reform und Privatanklageverfahren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 7:

Anders als nach der Rechtslage vor dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes (BGBl. I Nr. 19/2004) am 1. Jänner 2008, als dem Privatankläger zur Ausübung seines Verfolgungsrechts neben dem Antrag auf Bestrafung auch ein Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung zur Verfügung gestanden ist, konnte diese Möglichkeit dem Privatankläger nach der neuen Verfahrenssystematik zum einen nicht mehr zustehen, weil dem Gericht im Ermittlungsverfahren nur sehr eingeschränkte Ermittlungsaufgaben zukommen (vgl. §§ 104 ff StPO) und ein „Weisungsrecht des Privatanklägers“ an die Kriminalpolizei zum anderen von vornherein nicht in Betracht kommt.

Der geltende § 71 Abs. 1 StPO sieht daher vor, dass das Privatanklageverfahren als Hauptverfahren zu führen ist und ein Ermittlungsverfahren nicht stattfindet. Folglich beginnt das Privatanklageverfahren mit der Anklage oder einem selbstständigen Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen nach § 445 StPO (Abschöpfung der Bereicherung, Verfall, Einziehung).

Auf Grund dieser neuen Rechtslage bestanden in der Praxis Unsicherheiten, ob Maßnahmen der Beweissicherung (z.B. Durchsuchung von Orten; Beschlagnahme von Eingriffsgegenständen etc.) mit den das Hauptverfahren einleitenden Anträgen (Anklage bzw. Antrag auf Erlassung vermögensrechtlicher Anordnungen in einem selbstständigen Verfahren) in dem Sinn verbunden werden konnten, dass das Gericht zunächst (vor Anordnung der Hauptverhandlung) über die Anordnung und Bewilligung solcher – möglicherweise auch zur Ausforschung eines bis dahin unbekannten Täters führenden – Beweisanträge (zu denken ist hier vor allem auch an Sicherstellung von Produkten, die unter Verletzung von Immaterialgüterrechten hergestellt und in Verkehr gebracht werden, oder auch an Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte) zu entscheiden haben soll.

Durch mehrere Entscheidungen der Oberlandesgerichte wurde mittlerweile jedoch unmissverständlich klargestellt, dass das Gericht noch vor Anordnung der Hauptverhandlung über solche, mit einem selbstständigen Antrag verbundene Beweisanträge zu entscheiden hat (so. z.B. Oberlandesgericht Wien 16.7.2008, 22 Bs 96/08s; Oberlandesgericht Wien 8.5.2008, 19 Bs 131/08s; Oberlandesgericht Graz 17.4.2008, 10 Bs 132/08z ua).

Die Praxis hat aber auch gezeigt, dass nicht in jedem Fall sofort eine Privatanklage oder ein selbstständiger Antrag nach § 445 StPO eingebracht werden kann; nämlich z.B. dann, wenn zwar ein Verdacht auf eine Rechtsverletzung besteht, aber weder Täter noch Eingriffsgegenstände vom Rechteinhaber ausreichend konkret bezeichnet werden können. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Rechtsdurchsetzung für den Privatankläger durch die neue Rechtslage zumindest in Teilbereichen etwas erschwert wurde (wobei ja auch nicht übersehen werden darf, dass im Gegenzug die Verfolgungsfrist gemäß § 46 StPO aF entfallen ist).

Im Lichte solcher und auch anderer bestehender Unklarheiten erscheint es sinnvoll, Ermittlungsmaßnahmen, die auf die Sicherung von Beweisen oder die Ausforschung des Beschuldigten gerichtet sind, auch unabhängig von einer Privatanklage oder einem selbstständigen Antrag zuzulassen.

Ich habe daher den Auftrag erteilt, diese Änderungen der Allgemeinheit in einem Ministerialentwurf vorzustellen; dieser Entwurf soll in Kürze zur allgemeinen Begutachtung versandt werden.

Im Detail soll dem Opfer (wieder) die Möglichkeit eingeräumt werden, bei Gericht (Zuständigkeit des Haft- und Rechtsschutzrichters) einen Antrag auf Anordnung oder Bewilligung von Ermittlungsmaßnahmen zur Ausforschung des Beschuldigten oder zur Sicherung von Beweisen oder vermögensrechtlichen Anordnungen zu stellen (§ 71 Abs. 1 StPO).

Weiters soll nun in § 110 Abs. 3 Z 4 StPO klargestellt werden, dass die Kriminalpolizei von sich aus Gegenstände sicherstellen kann, wenn der Verdacht besteht, dass durch diese Rechte geistigen Eigentums verletzt wird.

 

. März 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)