10367/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.04.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0033-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 10514/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Elisabeth Hakel und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „kolportierter Schließung der Bezirksgerichte Schladming und Irdning“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 2:

Die derzeitige Diskussion über Strukturoptimierungen in der österreichischen Gerichts­organisation spiegelt die immer stärker in den Vordergrund tretende Notwendigkeit wider, die beschränkten öffentlichen Mittel bestmöglich zu nutzen und im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung und einer bürgernahen Justiz auf bestimmte Fachge­biete spezialisierte Richterinnen und Richter einzusetzen.

Die Gerichtsorganisation stammt in ihren Grundzügen aus dem Jahr 1849 und ist mit den damaligen Verhältnissen historisch begründet. Seither haben sich die allgemeinen Lebensumstände – etwa die Verkehrsverhältnisse – und vor allem das Rechtsleben grundlegend geändert. Es ist daher stets ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regionaler Nähe, fachlicher Kompetenz und den aufzuwendenden öffentlichen Mitteln zu schaffen.

Gerade im Bau- und Sicherheitsbereich steht die Justiz in den nächsten Jahren vor kostenintensiven Herausforderungen, denen mein Ressort aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht bis hin zu den kleinsten Dienststellen gewachsen sein kann.

Um für die Bürgerinnen und Bürger

-       ein größtmögliches Maß an Sicherheit in öffentlichen Einrichtungen zu gewährleisten,

-       die erforderliche Spezialisierung und laufende Fortbildung der Richterinnen und Richter sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in den jeweiligen Fachmaterien wie insbesondere auch im Familienrecht zu ermöglichen,

-       dank der gleichzeitig in Aussicht genommenen Wertgrenzenanhebung von 10.000 auf 25.000 Euro, welche die Bedeutung der Bezirksgerichte klar heben wird, leistungsfähigere Einheiten in Zivilsachen zur Stärkung der Wirtschaftsstandorte zur Verfügung zu stellen,

-       mit verbesserter Erreichbarkeit der Rechtsprechungsorgane ein höheres Maß an Kundenfreundlichkeit und Service zu bieten und schließlich

-       infrastrukturelle Synergien und eine Optimierung der Kostenstruktur durch Leistungsbündelung sowie eine effizientere Administration zu erzielen,

müssen, um die künftigen Herausforderungen in fachlicher, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht bewältigen zu können, auch strukturelle Änderungen in die Wege geleitet werden.

Wie alle Untersuchungen zeigen und auch der Rechnungshof mehrfach empfohlen hat, können die beschränkt zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel an entsprechend vergrößerten Standorten und Einheiten besser und wirkungsvoller als bisher im Interesse einer bürgernahen Justiz eingesetzt werden.

Insgesamt haben die Strukturoptimierungen kaum Auswirkungen auf den bundesweiten Arbeitsmarkt, weil sowohl die Arbeitsmengen (welche auch die Geschäftsbasis der Anwälte und Notare bilden) als auch die Planstellen der Gerichte durch die Schließungen im Wesentlichen nur verlagert werden. Dafür steigt an den bisherigen Standorten sogar die Nachfrage nach Dienstleistungen der freien Rechtsberufe (wie z.B. nach Grundbuch- und Firmenbuchauszügen oder Beglaubigungen).


Punktuell längere Anfahrtswege erscheinen mir vor dem Hintergrund, dass jeder Bürger in seinem Leben durchschnittlich nur ein- bis zweimal persönlich bei Gericht erscheinen muss, und im täglichen Leben wesentlich öfter wesentlich längere Anfahrtswege in Kauf nimmt, als tolerierbar.

Mir ist es ein Anliegen, weiterhin eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit Justizleistungen unter regionalen, aber auch ökonomischen Gesichtspunkten zu gewährleisten. Die in der Anfrage angestellten Erwägungen – einschließlich jener zu den Verkehrswegen und Anfallszahlen – werden jedenfalls in die weiteren Überlegungen miteinbezogen werden.

Zu 3 bis 6:

Für die Strukturoptimierung der österreichischen Gerichtsorganisation sind nicht die Auslastungsgrade einzelner Bezirksgerichte entscheidend. Die Strukturreform soll vielmehr auf den Überlegungen und Zielen, die ich bei der Beantwortung der Fragen 1 und 2 bereits dargestellt habe, basieren. Ein mit Hilfe der sogenannten Personalanforderungsrechnung (PAR) errechneter Auslastungsgrad stellt nur das Verhältnis zwischen Geschäftsanfall und richterlicher Personalausstattung dar und eignet sich – im Gegensatz zu den bereits dargestellten Erwägungen – nicht als Entscheidungsgrundlage für die von mir angestrebte Strukturoptimierung. Bei der PAR handelt es sich zudem um ein bundesweites Steuerungsinstrument mit Bundesdurchschnittswerten, welches insbesondere der Darstellung des Gesamtbedarfs nach außen – z.B. gegenüber dem Bundeskanzleramt oder dem Bundesministerium für Finanzen – dient. Den Daten und Detailergebnissen für einzelne – insbesondere kleinere – Standorte kommt auf Grund statistischer Abweichungen und Streuungen keine Aussagekraft zu.

Zu 7 und 8:

Die Anzahl von Verhandlungen wird vom Bundesministerium für Justiz generell nicht ausgewertet. Es kann daher auch nicht angegeben werden, wieviele Verhandlungen am Unfallort durchgeführt wurden und welchen Anteil diese Verhandlungen an der Gesamtzahl der Verhandlungen haben.

Zu 9:

Die Gesamtkosten des Projekts „Sanierung Bezirksgericht Irdning“ betrugen brutto 1.280.646,98 Euro. Davon wurden 822.561,18 Euro von der Bundesimmobiliengesellschaft als Liegenschaftseigentümerin und 458.085,80 Euro vom Justizressort getragen.

Zu 10:

Die flächenmäßige Ausdehnung eines Gerichtssprengels lässt keine Schlüsse auf den dortigen Geschäftsanfall zu. Wie ich bereits in meiner Beantwortung der Fragen 1 und 2 ausgeführt habe, ist es mein Ziel, die beschränkten öffentlichen Mittel bestmöglich und im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung einzusetzen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regionaler Nähe, fachlicher Kompetenz und den aufzuwendenden öffentlichen Mitteln zu schaffen.

 

Wien,     . März 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl