10465/AB XXIV. GP
Eingelangt am 13.04.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0040-Pr 1/2012 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 10579/J-NR/2012
Der Abgeordnete zum Nationalrat Rupert Doppler und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Manipulation elektronischer Gerichtsakten“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Gemäß § 80 Abs. 1 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) sind bei jedem Gericht Register und sonstige Geschäftsbehelfe zu führen. Nach § 80 Abs. 2 GOG hat die Führung der Register und Geschäftsbehelfe sowie die Speicherung des Inhalts gerichtlicher Akten mit Hilfe der Verfahrensautomation Justiz (VJ) zu erfolgen.
Die VJ bildet insbesondere durch die Verwendung des Elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) der Parteienvertreter und der im System generierten und gespeicherten gerichtlichen Entscheidungen große Teile des – noch immer das Original darstellenden – Papierakts elektronisch ab. Die VJ stellt jedoch keinen elektronischen Gerichtsakt dar, weil z.B. auf Papier einlangende Schriftstücke nicht eingescannt werden.
In der VJ stehen die Benutzerrollen „Kanzlei“, „Richter“, „Rechtspfleger“, „Staatsanwalt“, „Bezirksanwalt“ und „Gerichtsvollzieher“ zur Verfügung, denen unterschiedliche Rechte individuell zugewiesen sind.
Neben der VJ wird bei den Staatsanwaltschaften seit letztem Jahr die Elektronisch integrierte Assistenz (EliAs) eingesetzt, mit der die im Wege des ERV bei den Staatsanwaltschaften angefallenen Strafverfahren gegen unbekannte Täter bis zur (sofortigen) Abbrechung gemäß § 197 Abs. 1 und 2 StPO ausschließlich elektronisch erledigt werden können. Mit EliAs werden keine Gerichtsakten, sondern ausschließlich von der Staatsanwaltschaft geführte Ermittlungsakten bearbeitet.
Zu 2:
Den Benutzerrollen „Kanzlei“, „Rechtspfleger“, „Bezirksanwalt“ und „Gerichtsvollzieher“ kommt in der VJ grundsätzlich ein Bearbeitungsrecht (Abänderung, Löschung, Speicherung) am eigenen Gericht und eine bundesweite Abfragemöglichkeit für alle Verfahrensgattungen (Unterbringungen, Justizverwaltungs- und Präsidialsachen nur bei berechtigtem Bedarf) zu. Die Benutzerrollen „Richter“ und „Staatsanwälte“ sind grundsätzlich auf die Abfrage beschränkt.
Zu 3:
Mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 130, wurde die Möglichkeit eines Verwaltungspraktikums im Bundesdienst geschaffen (§§ 36a bis 36d BDG 1979). Damit soll jungen Menschen die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre abgeschlossene Berufsvorbildung durch praktische Tätigkeit in der Bundesverwaltung zu ergänzen und zu vertiefen, um auf diese Weise die Verwendungen im Bundesdienst kennen zu lernen. Das Verwaltungspraktikum stellt somit als Ausbildungsverhältnis eine Schnittstelle zwischen der Berufsvorbildung und der späteren Berufsausübung dar und bildet einen ganz wesentlichen Beitrag zur Beschäftigung von Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen. Gleichzeitig ermöglicht es dem Dienstgeber, potentielle spätere Interessenten und Interessentinnen für eine Aufnahme in den Bundesdienst treffsicher auszuwählen.
So wie auch die Lehrlinge (=Verwaltungsassistenten/-innen) werden die Verwaltungspraktikanten und -praktikantinnen in erster Linie im Kanzleibereich eingesetzt. Für diese Tätigkeit ist die Führung elektronischer Register unerlässlich. Bei den Staatsanwaltschaften, bei denen überhaupt Verwaltungspraktikanten bzw. -praktikantinnen tätig sind, können diese nach erfolgreichem Absolvieren einer speziellen, meist einwöchigen Einschulung die Berechtigung zum Einstieg in die VJ erhalten, um danach eigenständig Arbeiten im elektronischen Register durchführen, wobei diese Kanzleitätigkeit grundsätzlich unter der Kontrolle der Kanzleileitung steht.
Diese Zugriffsberechtigung kann auf die Einsichtnahme in die VJ sowie auf diverse Eintragungen, etwa im UT-Bereich (Anzeigen gegen unbekannte Täter), beschränkt werden und damit Abfertigungen oder Löschungen von einzelnen Arbeitsschritten oder gar sämtlichen Eintragungen in einem Ermittlungsverfahren versagen.
Gerade bei der Staatsanwaltschaft Salzburg, bei der es zu dem hier aufgezeigten Vorfall kam, ist es nicht üblich, dass Verwaltungspraktikanten elektronische Akten eigenständig bearbeiten, obgleich sie nach dem ersten VJ-Kurs die Berechtigung erhalten, in das System einzusteigen.
Zu 4 und 5:
Die Manipulation des elektronischen Registers wurde nach zwei Monaten von einem Bezirksanwalt entdeckt.
Zu 6:
Jeder Benutzer in der VJ erhält zumindest eine Grundschulung, in der eindringlich darauf hingewiesen wird, dass die Verwendung der VJ ausschließlich aus dienstlichen Gründen, insbesondere im Zusammenhang mit der Führung eines Verfahrens oder zur Auskunftserteilung gemäß § 89l GOG zulässig ist. Den Benutzern ist auch bekannt, dass jeder Missbrauch disziplinär und/oder strafrechtlich geahndet wird.
Sämtliche in der VJ vorgenommene Fallbearbeitungen und Abfragen werden zentral protokolliert – mit dem Zeitpunkt der Fallbearbeitung bzw. Abfrage, Benutzerkennzeichen (BKZ) sowie Bezeichnung der Workstation – und stehen bei Bedarf zur Verfügung.
Alle Benutzerrechte werden ab einem bestimmten Datum vergeben und können bereits im Vorhinein bis zu einem bestimmten Datum eingeschränkt werden. Sämtliche VJ-Schulungs-Benutzerkennzeichen werden unmittelbar nach der Schulung eines jeden Kurses gesperrt. Damit ist eine Weiterverwendung der Schulungskennung über deren eigentliche Dauer hinaus verhindert.
Im März 2011 wurde eine Beschränkung der Namens- und Geschäftsbehelfsabfrage umgesetzt, die es erforderlich macht, zumindest drei Buchstaben einzugeben, bevor mit dem Zeichen „*“ maskiert werden kann (z.B. abc*). Damit ist ein großflächiges und bundesweites „Absaugen“ von VJ-Registern (Abfragen nach a*, b* etc.) nicht länger möglich.
Seit April 2011 ist die Eingabe einer Begründung bei Namens- und Geschäftsbehelfsabfragen, die über die angemeldete Dienststelle hinausgehen, erforderlich.
Zu 7:
Nach den mir vorliegenden Berichten kam es – abgesehen vom Anlassfall in Salzburg im Jahr 2011 - nur noch in Wien und Niederösterreich zu jeweils einem Vorfall im Jahr 2010.
Die Berichterstattung erfolgte auf Basis der Erinnerung der befassten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, weil der von der Anfrage erfasste Sachverhalt im elektronischen Verfahrensregister nicht gesondert gekennzeichnet ist. Ich ersuche um Verständnis, dass ich im Hinblick auf den unvertretbar hohen Aufwand davon abgesehen habe, eine händische Auswertung aller in den letzten fünf Jahren wegen § 302 StGB geführten Verfahren zu veranlassen.
Zu 8:
Mitte April 2012 wird die Protokollierung der Akteneinsicht samt Anzeige im eingesehenen Fall umgesetzt; dabei wird bei jedem lesenden Fallzugriff VJ-Username oder der Anschriftcode über die elektronische Akteneinsicht, Zeitpunkt, Anmeldedienststelle und Abfragequelle ersichtlich; mit einem Filter können eingabeberechtigte User aus der Anzeige ein- bzw. ausgeblendet werden.
Wien, . April 2012
Dr. Beatrix Karl