10525/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.04.2012
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung

NIKOLAUS BERLAKOVICH
Bundesminister
An die Zl. LE.4.2.4/0030-I 3/2012
Frau Präsidentin
des Nationalrates
Mag.a Barbara Prammer
Parlament
1017 Wien Wien, am 20. APR. 2012
Gegenstand: Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Werner Neubauer, Kolleginnen
und Kollegen vom 23. Februar 2012, Nr. 10669/J, betreffend
Stresstest-Ergebnisse grenznaher Atomkraftwerke
Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen vom 23. Februar 2012, Nr. 10669/J, teile ich Folgendes mit:
Zu Frage 1:
Eine detaillierte Bewertung des Stresstests für europäische Kernkraftwerke zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre verfrüht. Der technische Bericht der ENSREG, der europäischen hochrangigen Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung, dem die insgesamt 17 Länderberichte angeschlossen sein werden, ist für Ende April zu erwarten.
Die Stresstests stellen einen wichtigen Meilenstein dar, weil erstmals alle europäischen AKWs nach den gleichen Kriterien überprüft wurden. Die Mängel müssen offengelegt werden und als Konsequenz werde ich bei den Nachbarstaaten die Nachrüstung, und als Ultima Ratio die Abschaltung einfordern.
Zu den Fragen 2 bis 8:
Mit dem „Melker Protokoll“ vom 12. Dezember 2000 konnten erstmals konkrete Abläufe für einen nuklearpolitischen Diskurs auf technischer Ebene vereinbart werden. Das „Melker Protokoll“ ist eine politische Vereinbarung und wurde binnen eines Jahres im Wesentlichen umgesetzt.
Mit der „Vereinbarung von Brüssel“ vom 29. November 2001 haben dann erstmals zwei Staaten unter Anderem Sicherheitsziele für ein Kernkraftwerk in einem bilateralen Vertrag festgelegt. Damit haben beide Staaten nuklearrechtlich absolutes Neuland betreten.
Sowohl die im „Melker Protokoll“ als auch die in der „Vereinbarung von Brüssel“ getroffenen bilateralen Vereinbarungen wurden grundsätzlich vollständig umgesetzt. Hinsichtlich der konkret vereinbarten Sicherheitsziele war dies bis zum vereinbarten Zeitpunkt, nämlich der kommerziellen Inbetriebnahme, nicht der Fall. Folglich wurde im Jahre 2007 von den Parlamenten beider Staaten eine gemischte Kommission zur Bewertung des Standes der Umsetzung der im Anhang I der „Vereinbarung von Brüssel“ angeführten Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt. Diese Kommission, die ihre Arbeit im Juni 2008 abgeschlossen hat, hat ganz wesentliche Fortschritte erzielt. Andererseits sind noch immer wichtige Fragen offen, deren Klärung weiterhin mit Nachdruck betrieben wird. Die Kommission kam aber zu dem Schluss, dass diese Fragen im Rahmen des bilateralen „Nuklearinformationsabkommens“ weiterverfolgt werden sollten und kein weiterer Bedarf mehr besteht, die in Anhang I der „Vereinbarung von Brüssel“ angeführten Themen auf parlamentarisch- politischer Ebene zu behandeln.
Die Kommission hat beide Regierungen aufgefordert, alle Bemühungen zu unternehmen und die für das „Follow-up“ notwendigen Ressourcen sicher zu stellen, insbesondere die Finanzierung der Forschungsprojekte. Das Regierungsprogramm führt dazu aus: „Beim Kernkraftwerk Temelín wird der Sicherheitsdialog intensiv fortgesetzt. Die Bundesregierung verfolgt weiter das Ziel, dass die im Anhang I der „Vereinbarung von Brüssel“ festgelegten Sicherheitsmaßnahmen vollständig realisiert werden. Dazu ist es auch erforderlich, die notwendigen Ressourcen – einschließlich der Finanzierung der vereinbarten seismischen Forschungsprojekte – zur Verfügung zu stellen.“
Diesem Auftrag wurde in meinem Wirkungsbereich vollinhaltlich entsprochen. Die vereinbarten seismischen Forschungsprojekte wurden sowohl in der Tschechischen Republik als auch vom BMLFUW in Auftrag gegeben. Die beiden Teams haben eng zusammengearbeitet und beide Projekte sind abgeschlossen.
Selbstverständlich wird auf die Einhaltung „sämtlicher Vereinbarungen des Melker Abkommens“, die in den Wirkungsbereich des BMLFUW fallen, gedrängt werden.
Zu den Fragen 9 bis 11:
Zunächst gilt es, die endgültigen Ergebnisse der Stresstests, vor allem deren Detaillierungsgrad abzuwarten. Danach wird zu entscheiden sein, ob eine gesonderte technische Auswertung notwendig ist. Eine politische Bewertung der Ergebnisse wird jedenfalls in Vorbereitung des Europäischen Rates Ende Juni 2012 vorzunehmen sein.
Zu Frage 12:
Völlig unabhängig vom Standort lehne ich den Neubau von Kernkraftwerken entschieden ab. Diese grundsätzliche Ablehnung der energetischen Nutzung der Kernenergie ist regelmäßig Gegenstand von Gesprächen mit Amtskolleginnen und Amtskollegen der Nachbarstaaten, in ganz Europa und auch darüber hinaus. Oberste Priorität hat die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. In technisch- administrativer Hinsicht steht dafür eine Fülle von Instrumenten auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene zur Verfügung.
Zu Frage 13:
Es ist deklarierte Politik des BMLFUW, in allen Fällen, in denen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Österreich und somit das Erfordernis von Interventionsmaßnahmen nicht definitiv ausgeschlossen werden kann, grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungs-verfahren zu verlangen. Dies führte und führt dazu, dass sich Österreich an einer Vielzahl von derartigen Verfahren beteiligt. Alle verfahrensrelevanten Informationen und Dokumente zu allen laufenden und abgeschlossenen Verfahren werden im Auftrag des BMLFUW auf der Internetseite des Umweltbundesamtes publiziert.
Der Bundesminister: