10588/AB XXIV. GP
Eingelangt am 23.04.2012
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möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
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BMJ-Pr7000/0056-Pr 1/2012 |
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Museumstraße 7 1070 Wien
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Tel.: +43 1 52152 0 E-Mail: team.pr@bmj.gv.at
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Frau
Präsidentin des Nationalrates
Zur Zahl 10721/J-NR/2012
Die Abgeordneten zum Nationalrat Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gutachten durch Sachverständige“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1, 2 und 10:
Die fachliche und persönliche Eignung einer Person, die die Eintragung als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige bzw. als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in die Gerichtssachverständigenliste (Zertifizierung) oder deren Verlängerung (Rezertifizierung) beantragt, ist in jedem Einzelfall entsprechend den Vorgaben der §§ 4 und 6 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG) im jeweiligen Eintragungs- bzw. Rezertifizierungsverfahren genau zu prüfen. Der rechtliche Rahmen, den die genannten Bestimmungen des SDG zur Verfügung stellen, ermöglicht dabei durch in ihrer Intensität abgestufte Prüfungsinstrumentarien eine für jeden Einzelfall angemessene Überprüfung, die in der Verantwortung der Präsidentin bzw. des Präsidenten des Landesgerichts steht.
Zu den Voraussetzungen für die Eintragung einer Person in die Gerichtssachverständigenliste zählen unter anderem entsprechende Kenntnisse über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens (§ 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG).
Zur Feststellung der fachlichen und persönlichen Eignung einer Eintragungswerberin oder eines Eintragungswerbers ist nach § 4 Abs. 2 SDG grundsätzlich ein Gutachten einer Kommission gemäß § 4a SDG durch das zuständige Entscheidungsorgan (die Präsidentin bzw. der Präsident des jeweiligen Landesgerichts) einzuholen; die Einholung eines Gutachtens dieser Kommission bzw. einer Äußerung eines qualifizierten Mitglieds dieser Kommission sieht das SDG darüber hinaus auch im Rahmen des Rezertifizierungsverfahrens (wenn nicht die Eignung des bzw. der Sachverständigen ohnedies – besonders wegen der häufigen erfolgreichen Heranziehung in Gerichtsverfahren – feststeht) vor.
Den Vorsitz einer solchen Kommission hat eine vom Entscheidungsorgan zu bestimmende Richterin bzw. ein Richter zu führen. Die bzw. der Vorsitzende hat unter Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe in ausgewogener Weise mindestens zwei weitere qualifizierte und unabhängige Fachleute in die Kommission zu berufen, die nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen sind und von der Kammer bzw. gesetzlichen Interessensvertretung, zu der das betreffende Fachgebiet gehört, sowie vom Hauptverband der Sachverständigen oder von einer vergleichbaren Vereinigung namhaft gemacht wurden. Die Kommission hat die Bewerberinnen und Bewerber grundsätzlich mündlich, bei Bedarf auch schriftlich zu prüfen, wobei ihnen insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann.
Zur laufenden Qualitätskontrolle von zertifizierten Sachverständigen sind insbesondere die Gerichte (und insoweit auch die Parteien) berufen, die dann, wenn sich in einem Verfahren der Verdacht ergibt, dass einer der in § 10 Abs. 1 SDG genannten Tatbestände für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige bzw. allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vorliegt, Mitteilung an die Präsidentin bzw. den Präsidenten des Landesgerichts zu machen haben.
Die Vorgabe von fixen fachspezifischen Anforderungen für die Gutachtenserstattung wäre angesichts der großen Vielzahl an Fachgebieten, in denen Gerichtssachverständige tätig werden, weder in der Umsetzung praktikabel noch in der Sache zweckmäßig. Die Gerichtssachverständigenliste ist derzeit in 52 Fachgruppen und 717 Fachgebiete gegliedert. Angesichts dessen liegt es wohl auf der Hand, dass die fachlichen Anforderungen für Sachverständige etwa aus den Fachgebieten der „Verputzarbeiten“ (Fachgebiet 73.65) oder der „Hüte, Kappen“ (Fachgebiet 42.30) zwangsläufig andere sein werden, als jene für die „psychiatrische Kriminalprognostik“ (Fachgebiet 02.27).
Die Ausarbeitung von derartigen Anforderungskatalogen für alle Sachverständigen-Fachgebiete (denen ja jeweils entsprechende Berufe und Ausbildungen zugrunde liegen) wäre überdies auch nicht Aufgabe des Bundesministeriums für Justiz.
Aus der Sicht meines Ressorts bietet das derzeitige System der Zertifizierung und Rezertifizierung, bei dem sowohl entsprechende Fachleute aus dem jeweiligen Bereich als auch die Gerichte in die Beurteilung der fachlichen und persönlichen Eignung der betreffenden Person eingebunden sind, hinreichende Gewähr für die Sicherstellung der Qualität von allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen, die sich überdies in deren täglicher Arbeit für die Gerichte auch durchaus bestätigt.
Zu 3 und 4:
Eine verlässliche Klärung dieser Fragen ließe sich nur durch Berichtsaufträge an die Präsidentinnen und Präsidenten aller Landesgerichte – in deren Zuständigkeit das in der Anfrage angesprochene Vorgehen nach § 10 SDG (Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (SV)) gelegen ist – bewerkstelligen. Der Aufwand einer solchen Erhebung, die eine Aushebung aller in Frage kommenden Gerichtsakten der Jahre 2007 bis 2011 an allen Landesgerichten und deren Durchsicht auf bescheidmäßige Entziehungen gemäß § 10 SDG samt deren Entscheidungsgründen nach sich ziehen würde, ist jedoch unvertretbar hoch, weshalb ich davon Abstand nehmen musste.
Zu 5:
In der Verfahrensautomation Justiz (VJ) wird nur erfasst, ob in einem Verfahren Sachverständige bestellt wurden. Ob die Bestellung in jedem einzelnen Fall in eine Gutachtenserstattung gemündet hat, kann mit den Mitteln der VJ nicht beantwortet worden. Nach der angeschlossenen Auswertung wurden in den Jahren 2007 bis 2011 insgesamt 771.060 Sachverständigenbestellungen erfasst.
Zu 6 bis 9 und 11:
Für den Bereich des Bundesministeriums für Justiz merke ich an, dass weder das SDG noch ein anderes Gesetz eine förmliche Möglichkeit zur Beschwerde über die Tätigkeit von Gerichtssachverständigen an das Bundesministerium für Justiz vorsieht. Soweit in Eingaben an das Bundesministerium für Justiz aber die Vorgehensweise eines bzw. einer in einem Gerichtsverfahren bestellten Sachverständigen thematisiert wird, informiert das Bundesministerium für Justiz die Einschreiter regelmäßig über die Funktion und Stellung der bzw. des Sachverständigen im Gerichtsverfahren und die durch die Verfahrensgesetze an die Hand gegebenen prozessualen Möglichkeiten, um gegen behauptete Unrichtigkeiten bzw. Unzulänglichkeiten eines Sachverständigengutachtens im Verfahren vorzugehen. Soweit das Vorliegen eines Entziehungsgrundes nach § 10 SDG konkret behauptet wird oder ein solcher nachvollziehbar im Raum steht, wird mit der Eingabe auch die im konkreten Fall für die Führung der Gerichtssachverständigenliste zuständige Präsidentin des Landesgerichts bzw. dessen Präsident befasst, verbunden mit dem Ersuchen, den Vorwürfen nachzugehen und gegebenenfalls ein Entziehungsverfahren nach § 10 SDG einzuleiten.
Da insoweit im Ergebnis nicht zwischen allgemeinen Anfragen und konkreten Beschwerden differenziert wird, ist eine entsprechende zahlenmäßige Aufgliederung der an das Bundesministerium für Justiz gerichteten Eingaben sinnvoll nicht möglich, zumal diese – je nach inhaltlichem Schwerpunkt des betreffenden Schreibens – auch oft von unterschiedlichen Abteilungen des Bundesministeriums für Justiz behandelt und beantwortet werden (wobei in den Antwortschreiben das Thema des Sachverständigenbeweises oft nur ein Punkt unter vielen ist).
Für den Bereich der Gerichtsbarkeit sei zunächst angemerkt, dass es insbesondere Sache der Parteien im jeweiligen Verfahren ist, allfällige inhaltliche Mängel eines Gutachtens der bzw. des vom Gericht bestellten Sachverständigen nach Möglichkeit bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuzeigen. Nach § 362 Abs. 2 ZPO kann das Gericht für den Fall, dass das abgegebene Gutachten ungenügend erscheint, auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, dass eine neuerliche Begutachtung durch dieselbe Sachverständige bzw. denselben Sachverständigen oder doch mit Zuziehung anderer Sachverständiger stattzufinden hat. Welche Vorgehensweise hier im jeweiligen Einzelfall vom zuständigen Gericht gewählt wird, stellt freilich eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung dar. Nicht zuletzt deshalb, weil der Punkt der angeblichen inhaltlichen Unrichtigkeit bzw. Unzulänglichkeit eines in ein Urteil eingeflossenen Sachverständigengutachtens oder dessen unzureichende Verwertung durch das Gericht zumeist einen von mehreren Rechtsmittelgründen gegen eine gerichtliche Entscheidung darstellt, steht dem Bundesministerium das gewünschte statistische Zahlenmaterial nicht zur Verfügung.
Sollte sich in einem Verfahren der Verdacht ergeben, dass einer der in § 10 Abs. 1 SDG genannten Tatbestände für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige bzw. als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vorliegt, so hat das Gericht eine entsprechende Mitteilung an die für die Führung der Sachverständigenliste zuständigen Präsidentin bzw. an den Präsidenten des Landesgerichts zu machen. Ergibt sich in der Folge, dass eine der Eintragungsvoraussetzungen tatsächlich nicht gegeben gewesen oder später weggefallen ist, ist die Eigenschaft als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige bzw. als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger durch Bescheid zu entziehen. Statistisch gesondert erfasst werden solche Mitteilungen durch die Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht, sodass auch insoweit keine konkreten Zahlen hinsichtlich der Häufigkeit entsprechender Verständigungen bekanntgegeben werden können.
Wie bereits angemerkt gehört es in jenen Fällen, in denen entsprechend begründete Vorhalte im Hinblick auf die persönliche oder fachliche Eignung einer bzw. eines konkreten allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Gerichtssachverständigen dem Bundesministerium für Justiz zur Kenntnis gelangen, selbstverständlich zur üblichen Praxis meines Hauses, diesbezüglich den Präsidenten oder die Präsidentin des jeweils zuständigen Landesgerichts im Hinblick auf die Prüfung eines allfälligen Vorgehens nach § 10 SDG mit der betreffenden Angelegenheit zu befassen.
Wien, . April 2012
Dr. Beatrix Karl
Anmerkung der Parlamentsdirektion:
Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe
Anfragebeantwortung (gescanntes Original)
zur Verfügung.