10657/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.04.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

Anfragebeantwortung

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 10802/J der Abgeordneten Ursula Haubner, Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen wie folgt:

Vorab weise ich darauf hin, dass Angelegenheiten betreffend Gesundheitsberufe und das Inverkehrbringen von Medizinprodukten in die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Gesundheit fallen.

Frage 1:

Gemäß Art. 155 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) haben die Sozialpartner auf Unionsebene das Recht, im so genannten sozialen Dialog Vereinbarungen abzuschließen, die zu EU-Richtlinien führen können.

Im Jahr 2006 hat das Europäische Parlament eine Entschließung angenommen, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wurde, einen Legislativvorschlag zum Schutz der Beschäftigten im Gesundheitswesen gegen hämatogene Infektionen infolge von Nadelstichverletzungen vorzulegen. Nach der zweistufigen Konsultation 2006 und 2007 gemäß Artikel 154 AEUV ließen die europäischen sektoralen Sozialpartnerorganisationen HOSPEEM (Europäische Arbeitgebervereinigung für Kliniken und Gesundheitswesen, ein Branchenverband der Arbeitgeber) und EGÖD (Europäischer Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst, eine europäische Gewerkschaftsorganisation) die Europäische Kommission mit Schreiben vom 17.11.2008 wissen, dass sie beabsichtigten, gemäß Artikel 154 Absatz 4 und Artikel 155 AEUV Verhandlungen aufzunehmen, um eine Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesund­heitssektor auszuhandeln.

Die Rahmenvereinbarung wurde am 17.07.2009 von den europäischen sektoralen Sozialpartnern unterzeichnet. Auf Antrag der europäischen Sozialpartner hat die Kommission dem Rat gemäß Artikel 155 Absatz 2 AEUV einen Vorschlag zur Umsetzung der Übereinkunft durch eine Richtlinie unterbreitet. Gemäß Artikel 155 Absatz 2 AEUV kann der Rat die Rahmenvereinbarung als Richtlinie nur in der Fassung annehmen, die ihm von den Sozialpartnern in Form des Kommissionsvorschlages vorgegeben wird.

Die Verhandlungen in der Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen unter Beteiligung des BMASK haben am 15.12.2009 begonnen. Das Europäische Parlament hat am 11.02.2010 eine positive Entschließung angenommen, mit der der Richtlinien-Vor­schlag begrüßt wird. Der Richtlinienvorschlag wurde vom Rat Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz am 08.03.2010 als politische Einigung angenommen sowie vom Rat Bildung, Jugend und Kultur am 10.5.2010 endgültig verabschiedet (Umsetzungsfrist: 11. Mai 2013) und als „Richtlinie 2010/32/EU zur Durchführung der von HOSPEEM und EGÖD geschlossenen Rahmenvereinbarung zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor“ verlautbart.

Frage 2:

Die Rahmenvereinbarung wurde von den europäischen Sozialpartnern HOSPEEM und EGÖD abgeschlossen. Von österreichischer Seite hat mein Ressort an den Verhandlungen in der Ratsarbeitsgruppe Sozialfragen teilgenommen. In der Ratsarbeitsgruppe wurde kein Lobbying betrieben.


Frage 3:

Im Rahmen des allgemeinen Begutachtungsverfahrens im November 2011 zum Entwurf einer Verordnung zur innerstaatlichen Umsetzung der Richtlinie gab AUSTROMED (Interessenvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen) eine Stellungnahme ab.

Frage 4:

Keine.

Frage 5:

Die Überprüfung, ob Patente vorliegen, fällt nicht in die Zuständigkeit meines Ressorts.

Frage 6:

Im Bereich der Zahnärzte/Zahnärztinnen ist es evident, dass die Auswahl von geeigneten medizinischen Instrumenten mit integrierten Sicherheits- und Schutzmechanismen („sichere Instrumente“) wesentlich ist, um einerseits eine adäquate Behandlung der Patientinnen und Patienten und andererseits den erforderlichen Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten. Nicht nur im Bereich der Zahnmedizin gibt es konkrete Tätigkeiten, die noch mit konventionellen Systemen durchgeführt werden müssen, weil für diese Tätigkeiten noch keine geeigneten „sicheren Instrumente“ zur Verfügung stehen.

Die Richtlinie 2010/32/EU zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe/spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor halte ich deshalb grundsätzlich für sehr sinnvoll, weil Verletzungen mit scharfen und spitzen Gegenständen die häufigste Unfallursache in diesem Sektor darstellen.

Auch wenn es noch bei weitem nicht für alle Anwendungsbereiche und Tätigkeiten mit scharfen und spitzen Gegenständen im Krankenhaus- und Gesundheitssektor „sichere Instrumente“ gibt, zeigt die Praxis, dass die Zahl der Stichverletzungen durch den Einsatz solcher Instrumente massiv minimiert werden kann.

Frage 7:

Wie bereits einleitend festgehalten, fallen Angelegenheiten der Gesundheitsberufe in die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Gesundheit. Zu dieser Frage verweise ich daher auf die Beantwortung der gleichlautend an diesen gerichtete parlamentarische Anfrage Nr. 10801/J.

Frage 8:

Generell stelle ich zu den Fragen 8 und 9 fest, dass die sachgerechte Verwendung von Arbeitsmitteln ein grundlegendes Gebot effizienter Prävention darstellt, weshalb die Arbeitgeber/innen nach den Arbeitnehmer/innenschutzvorschriften zu entsprechender Information und Unterweisung der Arbeitnehmer/innen verpflichtet sind. Auch die so genannte Evaluierung, zu der die Arbeitgeber/innen gleichfalls verpflichtet sind, dient dem Zweck, die an den Arbeitsplätzen bestehenden Gefahren zu ermitteln und geeignete Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten festzulegen.

Auch beim sachgerechten Hantieren mit Injektionsnadeln, welches zweifellos auch eine Frage der Ausbildung und Übung ist, besteht eine nicht vernachlässigbare Gefährdung, sich zu verletzen. Dem ist insbesondere deshalb entgegenzuwirken, weil es bei einer derartigen Verletzung z.B. zu Infektionen mit sehr schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Hepatitis C oder HIV kommen kann. Allein aus diesem Grund sollte die Sinnhaftigkeit der Vereinbarung von
HOSPEEM und EGÖD zur wichtigen Prävention von Nadelstichverletzungen im Krankenhaus- und Gesundheitssektor nicht in Zweifel gezogen werden.

Frage 9:

Steht den Beschäftigten zu wenig Zeit für einzelne Arbeitsvorgänge zur Verfügung und stehen die Arbeitnehmer/innen unter Zeitdruck, wird ein sachgerechtes Hantieren mit Arbeitsmitteln erschwert.

Frage 10:

Es besteht kein Spielraum für Österreich, eine EU-Richtlinie innerstaatlich nicht umzusetzen, weil dies eine Vertragsverletzung bedeuten und letztlich zu einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EUGH führen würde.

Die Umsetzung der Richtlinie erfolgt durch mein Ressort im Sinne der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Effizienz. Um die Frage der Kosten seriös zu diskutieren, dürfen aber nicht nur die Kosten isoliert betrachtet werden, die durch die Anschaffung von „sicheren Instrumenten“ entstehen. Es müssen diesen Aufwendungen vielmehr jene Kosten gegenübergestellt werden, die gesamtwirtschaftlich anfallen und entstehen, wenn sich Personen durch spitze/scharfe Instrumente verletzen und sich beispielsweise mit Hepatitis C infizieren. Dazu gehören Kosten, die verursacht werden durch erforderliche Arztkonsultationen, Blutuntersuchungen, die Durchführung einer Postexpositionsprophylaxe, therapeutische Maßnahmen (z.B. Lebertransplantation) und Rentenzahlungen im Falle von entstandenen Berufskrankheiten.

Frage 11:

Wie bereits erwähnt, fallen Angelegenheiten der Gesundheitsberufe in die Zuständigkeit des Herrn Bundesministers für Gesundheit. Zu dieser Frage verweise ich daher auf die Beantwortung der gleichlautend an diesen gerichtete parlamentarische Anfrage Nr. 10801/J.