10669/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.04.2012
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0043-I/A/15/2012

Wien, am 26. April 2012

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 10767/J des Abgeordneten Doppler und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zunächst darf ich zu den Ausführungen in der Präambel der Anfrage Folgendes anmerken: 

Ich kann nicht dem Gedanken folgen, dass sich der Erfolg des Patientenverfügungsgesetzes an der Zahl der errichteten Patientenverfügungen misst. Mit dem Patientenverfügungsgesetz sollte eine klare Grenze zu Euthanasie und Mitwirkung am Selbstmord gezogen werden (vgl. Aigner, Das Patientenverfügungs-Gesetz, Historie und Ausgangslage, in: Das österreichische Patientenverfügungsgesetz (Körtner, Kopetzki, Kletecka-Pulker [Hrsg]), Schriftenreihe Ethik und Recht in der Medizin, Band 1, Wien 2007). Sofern mit der durch das Patientenverfügungsgesetz geschaffenen Rechtslage Diskussionen über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Legalisierung von Euthanasie in Österreich hintangehalten werden, dann hat dieses Gesetz unabhängig von der Zahl mittlerweile errichteter Patientenverfügungen seinen Zweck erreicht. 

 

Frage 1:

Da beachtliche Patientenverfügungen ohne Formvorschrift und verbindliche Patientenverfügungen bei verschiedenen Institutionen (Notarinnen/Notare, Rechts-anwältinnen/‑anwälte, Patientenanwaltschaften) errichtet werden können, stehen mir Daten, die eine Beantwortung dieser Frage erlauben würden, nicht zur Verfügung.

 

Eine Erkundigung bei den Patientenanwaltschaften, der Österreichischen Rechtsanwaltskammer und der Österreichischen Notariatskammer hat folgende, allerdings lediglich als Teilmenge zu verstehende Angaben erbracht:

 

verbindliche Patientenverfügungen 2006:

Patientenanwaltschaften: 240

Notarinnen/Notare: da das „Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats“ erst seit dem Jahr 2007 besteht, liegen diesbezüglich keine Zahlen vor.

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 97

 

verbindliche Patientenverfügungen 2007:

Patientenanwaltschaften: 742

Notarinnen/Notare: 1030

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 701

 

verbindliche Patientenverfügungen 2008:

Patientenanwaltschaften: 494

Notarinnen/Notare: 934

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 379

 

verbindliche Patientenverfügungen 2009:

Patientenanwaltschaften: 546

Notarinnen/Notare: 1196

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 400

 

verbindliche Patientenverfügungen 2010:

Patientenanwaltschaften: 610

Notarinnen/Notare: 1221

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 461


verbindliche Patientenverfügungen 2011:

Patientenanwaltschaften: laut Auskunft der für die Führung der diesbezüglichen Statistik zuständigen NÖ Patientenanwaltschaft steht eine bundesweite Gesamtzahl erst ab Mitte 2012 zur Verfügung

Notarinnen/Notare (bis 10/11): 1265

Rechtsanwältinnen/-anwälte: 605

 

Anzumerken ist, dass die angeführten Daten der bei Notar/inn/en und Rechtsanwält/inn/en errichteten verbindlichen Patient/inn/enverfügungen die im „Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats“ bzw. im „Patientenverfügungsregister der österreichischen Rechtsanwälte“ registrierten Patientenverfügungen umfassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die tatsächliche Zahl der von Notar/inn/en und Rechtsanwält/inn/en errichteten Patientenverfügungen höher ist als die oben genannten Registrierungszahlen in den genannten Registern.

 

Frage 2:

Dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist es ein zentrales Anliegen, die Bevölkerung über die Möglichkeit der Erstellung einer Patientenverfügung aufzuklären, dieses Anliegen wird auf vielfache Weise verfolgt.

So finden sich auf der Homepage meines Ressorts (http://www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Medizin/Patientenverfuegung/) alle wesentlichen Informationen betreffend das Patientenverfügungsgesetz, insbesondere Erläuterungen über allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen sowie die Unterscheidung zwischen beachtlichen und verbindlichen Patientenverfügungen. Ebenfalls findet sich auf der Homepage des BMG ein „Ratgeber Patientenverfügung“, welcher nicht nur sämtliche für die Erstellung einer Patientenverfügung erforderlichen Informationen, sondern darüber hinaus auch die Kontaktdaten sämtlicher Patientenanwaltschaften und sonstiger in diesem Zusammenhang beteiligten Institutionen enthält. Darüber hinaus wird auch ein Onlineformular zur Erstellung einer Patientenverfügung angeboten.

 

Daneben bietet das BMG für Ärztinnen und Ärzte einen Leitfaden zur Erstellung und Anwendung einer Patientenverfügung, der über die interne Druckerei des BMG kostenlos bezogen werden kann.

 

Weiters habe ich Ende 2011 gemeinsam mit der „Plattform Patientensicherheit“ im Rahmen einer Pressekonferenz ein (ebenfalls auf der Homepage des BMG abrufbares) Patientenhandbuch präsentiert, welches auch einen eigenen Abschnitt betreffend Patientenverfügungen enthält und diese als wichtiges Instrument zur rechtlichen Vorsorge darstellt.

 

Darüber hinaus kann (in Zusammenarbeit mit dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin) auf zahlreiche publizierte Artikel verwiesen werden, welche ebenfalls die Patientenverfügung einer breiten Öffentlichkeit näherbringen sollen.


Frage 3:

Mangels Formvorschriften ist davon auszugehen, dass die Errichtung einer beachtlichen Patientenverfügung nicht mit Kosten verbunden ist.

 

Die Kosten für die Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung bei Rechtsanwält/inn/en oder Notar/inn/en ergeben sich - wie sämtliche Honoraransprüche dieser Berufsgruppen - in erster Linie aus den diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen den Klient/inn/en und den Rechtsanwält/inn/en bzw. den Notar/inn/en.

 

Während laut Auskunft der Österreichischen Notariatskammer von dieser keine Honorarempfehlung betreffend die Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung besteht, bieten nach dem meinem Ressort vorliegenden Informationen ausgewählte Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Rahmen einer Sonderpauschale von € 120,- ein spezifisches Beratungspaket zum Thema Patientenverfügung an, welches (bei bereits erfolgter ärztlicher Aufklärung) auch die Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung umfasst.

 

Hinsichtlich der bei den Patientenanwaltschaften errichteten Patientenverfügungen muss ich einerseits darauf hinweisen, dass diese in die ausschließliche Kompetenz der Länder fallen, ich andererseits aber doch davon ausgehe, dass bei der Errichtung einer verbindlichen Patientenverfügung bei einer Patientenanwaltschaft für die Patient/inn/en keine Kosten entstehen.

 

Frage 4:

Die beachtliche Patientenverfügung dient dem Zweck, den mutmaßlichen Willen der Patientin/des Patienten zu ermitteln. Dies ergibt sich bereits aus dem Tatbestand des Verbots der eigenmächtigen Heilbehandlung gemäß § 110 StGB. Der in dieser Frage erwähnte Interpretationsspielraum ergibt sich aus der Genauigkeit der in einer beachtlichen Patientenverfügung getroffenen Aussagen.

Ergibt sich aus einer - mangels Vorliegens der für eine verbindliche Patientenver-fügung geforderten formalen Kriterien - beachtlichen Patientenverfügung ein eindeutiger und klarer Wille, bestimmte und eindeutig definierte Behandlungsmaß-nahmen abzulehnen, dann ist diese beachtliche Patientenverfügung im Ergebnis gleich einer verbindlichen Patientenverfügung. Der Wille der Patientin/des Patienten ist zu respektieren, andernfalls läge eine eigenmächtige Heilbehandlung vor. Beispielhaft wäre etwa an die Patientenverfügung einer/eines medizinischen Expertin/Experten (Ärztin/Arzt u.a.m.) in eigener Sache zu denken, die/der in Kenntnis irreversibler Krankheitsabläufe für bestimmte Phasen bestimmte Behandlungsschritte ablehnt, allerdings aufgrund eigener Expertise nicht die formalen Kriterien für die Erfüllung einer verbindlichen Patientenverfügung einhält. Andererseits sind vage Äußerungen, z.B. bei Bewusstlosigkeit oder Koma apparative Intensivmedizin abzulehnen, sofern keine Aussicht besteht, ein selbstbestimmtes Leben wieder zu erlangen, eine bloße Richtschnur für die Ärztinnen und Ärzte, ohne daran tatsächlich gebunden zu sein.


Frage 5:

Der Entwurf des ELGA-Gesetzes definiert Patientenverfügungen als ELGA-Gesund-heitsdaten, wodurch sie den für den Zugriff auf solche Daten berechtigten Gesundheitsdiensteanbietern zugänglich gemacht werden können. Technisch ist es dazu erforderlich, die von verschiedenen Stellen (z.B. von der Rechtsanwaltskammer oder von der Notariatskammer) bereits aufgebauten Patientenverfügungsregister in die ELGA-Infrastruktur einzubinden. Dies bedeutet, dass die Patientenverfügungs-register mit entsprechenden technischen Schnittstellen ausgestattet werden müssen, aber auch die für ELGA geltenden Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen erfüllen müssen. Bei konkreten Abfragen sind die für ELGA normierten Anforderungen für die qualitätsvolle Authentifizierung der/des Betroffenen und des anfragenden Gesundheitsdiensteanbieters einzuhalten und alle Zugriffe zu protokollieren. Die geplante Einbindung hätte nicht nur zur Folge, dass Patientenverfügungen zeit- und ortsunabhängig den Berechtigten zur Verfügung stehen, sondern auch dass bisherige Mittlerdienste zwischen abfragender und registerführender Stelle und/oder das Mitführen von Mittlermedien (Hinweiskarten u. dgl.) entfallen könnten.