10678/AB XXIV. GP
Eingelangt am 27.04.2012
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BM für Gesundheit
Anfragebeantwortung

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Frau Präsidentin des Nationalrates Mag.a Barbara Prammer Parlament 1017 Wien |
Alois Stöger Bundesminister
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GZ: BMG-11001/0053-I/A/15/2012
Wien, am 26. April 2012
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 10902/J der Abgeordneten Kurt Grünewald, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Frage 1:
Die Regelungen des Medizinproduktegesetzes - MPG, BGBl. Nr. 657/1996, idgF., dienen der Sicherstellung des Wohls der Patientinnen und Patienten, unabhängig von wirtschaftlichen Interessen. Der Schutzzweck des MPG besteht u.a. darin, die Sicherheit und Qualität der Medizinprodukte über ihren medizinisch relevanten Lebenszyklus - von der Produktentwicklung über die Zulassung bis zur sachgerechten Anwendung und Instandhaltung und effizienten Marktüberwachung - zu gewährleisten. Zusätzlich verweise ich hinsichtlich der operativen Umsetzung durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) und die AGES auf das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz - GESG, BGBl. I Nr. 63/2002, idgF.
Frage 2:
Die Ratifizierung der sogenannten „Oviedo-Konvention“ stieß in der Vergangenheit wiederholt auf großen Widerstand der Behindertenorganisationen, die bei einer Ratifizierung ein Absinken des in der derzeitigen österreichischen Rechtsordnung enthaltenen Schutzniveaus für Behinderte befürchten. Diese Sorge wird von Jurist/inn/en zwar nicht geteilt, da Konventionen des Europarats stets nur der kleinste gemeinsame Nenner aller Staaten sind und es jedem Staat freisteht, auf nationaler Ebene ein höheres Niveau vorzusehen. Überdies könnte erst recht, solange die Konvention nicht ratifiziert ist, eine Änderung der Rechtslage
vorgenommen werden. Versuche, auch seitens meines Ressorts, die Vertreter/innen der Behindertenorganisationen zu einem Überdenken ihres Standpunkts zu bewegen, haben allerdings zu keinem Erfolg geführt. Die Ratifizierung der Oviedo-Konvention sollte allerdings tatsächlich im Einvernehmen mit den Behindertenorganisationen erfolgen.
Frage 3:
Der im § 118 ÄrzteG 1998 vorgesehene Solidarfonds dient dem Zweck der Wiederherstellung verletzten Standesansehens (siehe z.B. Abg. z. NR Dr. Rasinger in der 160. Sitzung des Plenums des Nationalrats am 13. Juli 2006). Ein solches Standesansehen ist zwar bei bestimmten Berufsgruppen gegeben (was regelmäßig auch durch ein besonderes Disziplinarrecht zum Ausdruck kommt), bei Branchen und Industriezweigen kann ein derartiges „Standesansehen“ allerdings nicht angenommen werden. Der Zweck zur Errichtung eines Solidarfonds ist daher bei Branchen und Industriezweigen nicht gegeben. Für ein an sich erstrebenswertes, über § 27a Abs. 5 und 6 KAKuG hinausgehendes Modell einer verschuldens-unabhängigen Entschädigung nach Behandlungszwischenfällen konnte bisher keine ausreichende Finanzierung gefunden werden.
Frage 4:
Gemäß § 72a MPG besteht für Einrichtungen des Gesundheitswesens bei Vorliegen eines begründeten Verdachts, dass durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt eine Patientin/ein Patient einen Gesundheitsschaden erlitten hat, eine Verpflichtung, die Rechtsposition der Patientin/des Patienten im Hinblick auf die Bedeutung des Medizinprodukts für die Durchsetzung allfälliger Haftungsansprüche zu wahren.
Diese Regelung dient dem Schutz der durch ein möglicherweise fehlerhaftes Medizinprodukt geschädigten Patient/innen.
Ungeachtet dessen sind Fragen allfälliger Schadenersatzansprüche nach dem zivilrechtlichen Schadenersatzrecht zu beurteilen.
Frage 5:
Bereits vor Jahren wurde auf europäischer Ebene mit der Harmonisierung der Anforderungen für die Designierung und Überwachung der „Benannten Stellen“ im Rahmen europäischer Arbeitsgruppen (Notified Bodies Oversight Group NBOG, Compliance and Enforcement Group COEN) begonnen und mit der Einführung gemeinsamer Audits dieser Benannten Stellen („Joint Audits gemeinsam mit einem anderen Mitgliedstaat“) ein Instrument zur Erreichung eines einheitlichen Kontrollwesens für Benannte Stellen geschaffen. Im Zuge der derzeit laufenden Diskussionen über die geplante Revision der Medizinprodukterichtlinien vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse sollen die Bestimmungen über die Qualifizierung, Designierung und das Monitoring der Benannten Stellen nochmals verschärft werden. Mitarbeiter/innen meines Ressorts sind in den genannten Gruppen auf europäischer Ebene vertreten und unterstützen diese Initiativen aktiv.
Frage 6:
Die Markteinführung von Medizinprodukten obliegt dem Hersteller bzw. dem Vertreiber eines Medizinproduktes. Die Benannte Stelle ist, so wie in den europäischen Richtlinien für Medizinprodukte vorgesehen, für die Prüfung der Produkte (Baumuster-, Stückprüfung, statistische Prüfung) sowie für die Bewertung und Prüfung der Qualitätsmanagementsysteme der Hersteller zuständig.
Frage 7:
Die Verantwortlichkeit für das Inverkehrbringen von Produkten obliegt dem Hersteller, die Verantwortlichkeit für die Prüfung der Produkte (Baumuster-, Stückprüfung, statistische Prüfung) sowie für die Bewertung und Prüfung der Qualitätsmanagementsysteme der Hersteller obliegt der jeweils zuständigen Benannten Stelle. Gemäß Geschäftseinteilung der Europäischen Kommission ist der Bereich Medizinprodukte bereits seit Mitte des letzten Jahres in der DG SANCO angesiedelt. Derzeit wird auf europäischer Ebene über eine Änderung des „Medizinprodukte-Zulassungswesens“ unter stärkerer Einbeziehung europäischer Kompetenzzentren (EMA, Joint Research Centers, SCENIHR, Device Panels etc.) diskutiert. Bei Medizinprodukten mit einer Arzneimittelkomponente, Blutprodukten in unterstützender Funktion, mit tierischen Komponenten ist die EMA seit Jahren eingebunden, das gleiche gilt für die Einbindung der europäischen Joint Research Centers, von SCENIHR (z.B. für Fragestellungen zur Beurteilung neuer Technologien, z.B. Risiken der Nanotechnologie bei Medizinprodukten). Da es sich bei vielen Medizinprodukten oft ausschließlich oder zumindest auch um technische Produkte (z.B. Herzschrittmacher, Röntgen- und Ultraschallgeräte, sonstige elektromedi-zinische Geräte, Laborautomaten etc. ) handelt, wird auch in Zukunft die Expertise Benannter Stellen u.a. hinsichtlich technischer Sicherheit notwendig sein, die in der EMA nicht vorhanden ist.