10699/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.04.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0078-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 10896/J-NR/2012

Die Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Rosa Lohfeyer und Genoss/-innen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Bezirksgericht Tamsweg“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die derzeitige Diskussion über Strukturoptimierungen in der österreichischen Gerichts­organisation spiegelt die immer stärker in den Vordergrund tretende Notwendigkeit wider, die beschränkten öffentlichen Mittel bestmöglich zu nutzen und im Interesse der rechtsuch­enden Bevölkerung und einer bürgernahen Justiz auf bestimmte Fachgebiete spezialisierte Richterinnen und Richter einzusetzen.

Die Gerichtsorganisation stammt in ihren Grundzügen noch aus dem Jahr 1849 und ist mit den damaligen Verhältnissen historisch begründet. Seither haben sich die allgemeinen Lebensumstände – etwa die Verkehrsverhältnisse – und vor allem das Rechtsleben grund­legend geändert. Es ist daher laufend ein ausgewogenes Verhältnis zwischen regionaler Nähe, fachlicher Kompetenz und den aufzuwendenden öffentlichen Mitteln zu schaffen.


Um für die Bürgerinnen und Bürger

-       ein größtmögliches Maß an Sicherheit in öffentlichen Einrichtungen zu gewährleisten,

-       die erforderliche Spezialisierung und laufende Fortbildung der Richterinnen und Richter sowie Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in den jeweiligen Fachmaterien wie insbesondere auch im Familienrecht zu ermöglichen,

-       dank der gleichzeitig in Aussicht genommenen Wertgrenzenanhebung von 10.000 Euro auf letztlich 25.000 Euro, welche die Bedeutung der Bezirksgerichte klar heben wird, leistungsfähigere Einheiten in Zivilsachen zur Stärkung der Wirtschafts­standorte zur Verfügung zu stellen,

-       mit verbesserter Erreichbarkeit der Rechtsprechungsorgane ein höheres Maß an Kundenfreundlichkeit und Service zu bieten und schließlich

-       infrastrukturelle Synergien und eine Optimierung der Kostenstruktur durch Leistungs­bündelung sowie eine effizientere Administration zu erzielen,

müssen, um die künftigen Herausforderungen in fachlicher, wirtschaftlicher und organisa­torischer Hinsicht bewältigen zu können, auch strukturelle Änderungen in die Wege geleitet werden.

Wie alle Untersuchungen zeigen und auch der Rechnungshof mehrfach empfohlen hat, können die beschränkt zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel an entsprechend ver­größerten Standorten und Einheiten besser und wirkungsvoller als bisher im Interesse einer bürgernahen Justiz eingesetzt werden.

Punktuell längere Anfahrtswege sind vor dem Hintergrund, dass jede Bürgerin und jeder Bürger in ihrem bzw. seinem Leben durchschnittlich nur ein- bis zweimal persönlich bei Gericht erscheinen muss, und im täglichen Leben wesentlich längere Anfahrtswege öfter in Kauf genommen werden, zu sehen.

Es ist mir jedenfalls ein Anliegen, weiterhin eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit Justiz­leistungen unter regionalen, aber auch ökonomischen Gesichtspunkten zu gewährleisten.

Welche Standorte von der geplanten Strukturoptimierung der Gerichtsorganisation in welcher Weise betroffen sein werden, steht derzeit noch nicht fest, da dies Gegenstand von laufenden Gesprächen mit den Landeshauptleuten ist. Dies gilt auch für das Bezirksgericht Tamsweg.

Zu 2:

Für die Strukturoptimierung der österreichischen Gerichtsorganisation sind nicht die Aus­lastungsgrade einzelner Bezirksgerichte bzw. Bedienstetengruppen entscheidend. Sie basiert vielmehr auf den Überlegungen und Zielen, die ich bei der Beantwortung der Frage 1 bereits dargestellt habe. Ein mit Hilfe der sogenannten Personalanforderungsrechnung errechneter Auslastungsgrad von Entscheidungsorganen stellt nur das Verhältnis zwischen Geschäftsanfall und Personalausstattung dar und eignet sich daher – im Gegensatz zu den bereits dargestellten Erwägungen – nicht als Entscheidungsgrundlage für die von mir angestrebte Strukturoptimierung. Bei der Personalanforderungsrechnung handelt es sich zudem um ein bundesweites Steuerungsinstrument mit Bundesdurchschnittswerten, welches insbesondere der Darstellung des Gesamtbedarfs nach außen (z.B. gegenüber dem Bundeskanzleramt oder dem Bundesministerium für Finanzen) dient. Daten und Detail­ergebnissen für einzelne – insbesondere kleinere – Standorte kommt  hingegen auf Grund statistischer Abweichungen und Streuungen keine Aussagekraft zu.

Zu 3:

Die Anzahl von Verhandlungen wird vom Bundesministerium für Justiz generell nicht ausgewertet. Es kann daher auch nicht angegeben werden, wie viele Verhandlungen vor Ort durchgeführt wurden.

Zu 4:

Die Frage nach der Verwertbarkeit zu schließender Standorte von Bezirksgerichten stellt sich erst, wenn feststeht, welche Standorte geschlossen werden und welche Standorte die Zuständigkeiten und die bisher an den zukünftig geschlossenen Standorten eingesetzten Bediensteten übernehmen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt können daher zu einer allfälligen anderen zukünftigen Nutzung des Standorts noch keine Angaben gemacht werden.

Zu 5:

Wie ich zu Fragepunkt 1 bereits ausgeführt habe, hat die von mir angestrebte Strukturoptimierung der österreichischen Gerichtsorganisation nicht vorrangig ganz kurzfristige Einsparungen zum Ziel. Vielmehr soll eine dauerhafte Verbesserung der Organisationsstruktur erreicht werden, die nach anfänglich allenfalls notwendigen Aufwendungen für die Adaptierung der weiter bestehenden Standorte zu spürbaren Einsparungen führt. Die Zusammenlegung von Bezirksgerichten wird daher nicht zu einem Verlust, sondern zu einer Steigerung der Effizienz führen. Die Angabe von Umzugskosten ist nicht möglich, solange nicht feststeht, welche Standorte geschlossen werden und von welchen weiter bestehenden Standorten diese jeweils aufgenommen werden.

Zu 6:

Die Anzahl der derzeit bei Bezirksgerichten tätigen Richterinnen und Richter ist für mich keineswegs die einzige Grundlage für die Entscheidung, welche Standorte bestehen bleiben. Auch wenn ihr im Hinblick auf die immer wichtiger werdende Spezialisierung von Richterinnen und Richtern und die Gewährleistung einer angemessenen Vertretung im Fall der Ab­wesenheit von Richterinnen oder Richtern einiges an Bedeutung zukommt, ist sie nur eine von mehreren Entscheidungsgrundlagen. Mein Ziel ist es, gemeinsam mit den Landes­hauptleuten einen möglichst optimalen Ausgleich zwischen ökonomischen und organisa­torischen Notwendigkeiten, der Erbringung der bestmöglichen Leistung durch die Justiz insgesamt und einer unter diesen Voraussetzungen möglichen maximalen Nähe zur Bevölkerung zu erreichen.

Zu 7:

Bei dieser Angabe handelt es sich um einen Durchschnittswert. Dies schließt selbst­verständlich keinesfalls aus, dass ein Teil der Menschen in ihrem Leben auch deutlich öfter die Leistungen der österreichischen Justiz in Anspruch nehmen. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch auch, dass nicht jede Leistung, welche die Justiz erbringt, die Anwesenheit im Gerichtsgebäude erfordert.

Zu 8:

Die Tatsache einer Zusammenlegung von Standorten ändert nichts daran, dass für jeden Ort in Österreich weiterhin ein zuständiges Bezirksgericht bestehen wird. Die von mir angestrebte Strukturoptimierung wird daher nichts an der Möglichkeit der Zusammenarbeit zwischen Bezirksgerichten und den in der Anfrage angeführten Institutionen ändern.

Zu 9:

Zu dieser Frage verweise ich zunächst auf meine Ausführungen zu den Fragepunkten 1 und 6. Größere Standorte können insbesondere im Hinblick auf ihre Personalausstattung, die mögliche Spezialisierung von Entscheidungsorganen und die verbesserten Sicherheitsvorkehrungen auch bessere Leistungen für die Bevölkerung in allen Regionen des Landes erbringen.

Zu 10:

Ein fixierter Schließungsplan liegt derzeit nicht vor. Da – wie ich zu Frage 1 schon ausgeführt habe – derzeit noch keine Ergebnisse der Gespräche mit der Landeshauptfrau von Salzburg vorliegen und dementsprechend auch noch nicht feststeht, welche Standorte in welcher Weise von der Strukturoptimierung betroffen sein werden, kann derzeit seriöserweise noch kein Sparpotential angegeben werden.

Zu 11:

Die vom für den derzeitigen Sprengel des Bezirksgerichts Tamsweg zukünftig zuständigen Bezirksgericht zu bewältigenden Arbeitsmengen (welche auch die Geschäftsbasis der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie der Notarinnen und Notare bilden) reduzieren sich durch eine allfällige Zusammenlegung nicht. An geschlossenen Standorten steigt sogar die Nachfrage nach Dienstleistungen der freien Rechtsberufe, die von diesen weiterhin an ehemaligen Bezirksgerichtsstandorten erbracht werden können (wie z.B. Grundbuch- oder Firmenbuch­auszüge oder Beglaubigungen). Ein allenfalls notwendiges „Auspendeln“ von Richterinnen und Richtern gleicht ein derzeit an vielen Standorten kleinerer Bezirksgerichte – wie beispielsweise Tamsweg – notwendiges „Einpendeln“ bzw. ein institutionalisiertes Pendeln zwischen zwei Dienststellen von Inhabern richterlicher Doppelplanstellen zumindest aus, sodass sich daraus jedenfalls keine nennenswerten umwelttechnischen oder finanziellen negativen Auswirkungen ergeben.

Zu 12:

Die von mir angestrebte Strukturoptimierung der Gerichtsorganisation hat keine Personal­reduktion zum Ziel. Dies gilt für alle an den Bezirksgerichten tätigen Bedienstetengruppen. Vielmehr ist es mein Ziel, einen effizienteren und wirkungsvolleren Einsatz des vorhandenen Personals an größeren Standorten zu ermöglichen. Wie ich zu Fragepunkt 11 bereits ausgeführt habe, erhöht sich an ehemaligen Standorten von Gerichten die Nachfrage nach Dienst­leistungen der freien Rechtsberufe, sodass in diesen Bereichen kein Verlust von Arbeits­plätzen zu befürchten ist.

Zu 13:

Zunächst weise ich darauf hin, dass diese Frage davon ausgeht, dass das Bezirksgericht Tamsweg geschlossen und vom Bezirksgericht St. Johann im Pongau „aufgenommen“ wird. Tatsächlich steht – wie ich bereits ausgeführt habe – derzeit noch nicht fest, welche Standorte geschlossen und mit welchen weiterhin bestehenden Standorten zusammengeführt werden. Im Übrigen kann ich nur darauf hinweisen, dass die Jugendwohlfahrt Landeskompetenz ist, weshalb die Beantwortung dieser Frage nicht in meinen Zuständigkeitsbereich fällt.

Zu 14:

Eine Berechnung allfälliger Auswirkungen auf die Bevölkerung ist auf Basis von Anfallszahlen nicht möglich; dies schon deshalb, weil bei weitem nicht jeder vom Gericht zu bearbeitende Geschäftsfall die persönliche Anwesenheit der jeweiligen Parteien erfordert.

Zu 15:

Wie ich bereits ausgeführt habe, steht derzeit noch nicht fest, welche Bezirksgerichte in welcher Weise von der angestrebten Strukturoptimierung betroffen sind. Dies ist Gegenstand von laufenden Gesprächen mit der Salzburger Landesregierung.

 

Wien,      . April 2012

 

 

Dr. Beatrix Karl