10926/AB XXIV. GP

Eingelangt am 18.05.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

BMJ-Pr7000/0091-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 11080/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Besetzungspraxis im Bereich Staatsanwaltschaften“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Aufgrund der Schwerpunktsetzung in der Anfrageeinleitung gehe ich davon aus, dass sich die Fragen auf Neueinstellungen Externer bei den Staatsanwaltschaften beziehen.

Zu 1 bis 3:

Bekanntlich kam es in den vergangenen Jahren mangels ausreichender Bewerbungen und aufgrund steigender Anforderungen zu einer personellen Unterversorgung der staatsanwaltschaftlichen Behörden. So sieht sich etwa der Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien aktuell mit einer Unterbesetzung im Ausmaß von 14 staatsanwaltschaftlichen Planstellen konfrontiert. Dem wurde durch die Rekrutierung von Externen aus dem Bereich der Rechtsanwaltschaft zu begegnen versucht.


Die Oberstaatsanwaltschaft Wien informierte verstärkt über die Möglichkeit des „Quereinsteigens“ von der Rechtsanwaltschaft zur Staatsanwaltschaft im Internet (z.B. auf der Website der Rechtsanwaltskammern bzw. des ÖRAK), in diversen Printmedien und in Gesprächsrunden mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und sie stieß damit auf Gehör und Interesse. Die Vielzahl an (neuen) Bewerbungen verlangte nach einem hochwertigen Qualitätsfilter. Anfang 2011 wurde daher ein neues Vorauswahlverfahren entwickelt, das sich mittlerweile in der Praxis bewährt hat: Nach einem ersten Kontaktgespräch bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien werden die Interessierten zu einer Begutachtung durch ein Personalberatungsunternehmen eingeladen, das anhand standardisierter Verfahren und Gespräche eine individuelle Potentialanalyse erstellt.

Wird eine positive Empfehlung ausgesprochen, lädt die Oberstaatsanwaltschaft Wien zu einem Vorstellungsgespräch ein. Nach erfolgreicher Absolvierung der Richteramts-Ergänzungsprüfung werden die Kandidatinnen und Kandidaten eingeladen, sich auf ausgeschriebene Planstellen zu bewerben. Anlässlich der Sitzung der Personalkommission kommt es in der Regel zu einem weiteren Gespräch, um den Kommissionsmitgliedern einen persönlichen Eindruck zu ermöglichen.

Bislang haben sich im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien 30 Juristinnen und Juristen den Potentialanalysen unterzogen; davon wurden insgesamt 13 Personen für eine Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft empfohlen, neun Personen wurden letzten Endes ernannt. Bereits vor Entwicklung des neuen Vorauswahlverfahrens wurden fünf Personen aus der Rechtsanwaltschaft auf staatsanwaltliche Planstellen ernannt, wobei auch hier ein Auswahlverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 3 RStDG, insbesondere durch Einholung eines eignungspsychologischen Gutachtens, durchgeführt wurde. Im Zeitraum 1. Jänner 2010 bis zum Stichtag 1. März 2012 wurden somit 14 Externe direkt auf staatsanwaltschaftliche Planstellen ernannt. In vier weiteren Fällen erfolgte die Ernennung erst nach einer Phase der Richteramtsanwartschaft, bis alle Ernennungsvoraussetzungen gegeben waren.

Aufgrund der 14 nach wie vor unbesetzten Planstellen im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Wien werden auch weiterhin Auswahlverfahren durchgeführt. Demnächst werden zwei Richteramtsergänzungsprüfungen abgehalten. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien erwartet aktuell drei Ergebnisberichte aus Potentialanalysen. Wie viele Ernennungen es in den kommenden Jahren geben wird, kann aber aufgrund der variablen Personalsituation (Pensionierungen, Austritte, Karenzierungen, Bewerbungen bei Gericht) nicht prognostiziert werden.

Personelle Engpässe erforderten auch in den Sprengeln der Oberstaatsanwaltschaften Graz und Innsbruck Neuaufnahmen Externer. Im Zeitraum 1. Jänner 2010 bis 1. März 2012 wurden im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Graz insgesamt fünf und im Sprengel der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck insgesamt vier Bewerberinnen bzw. Bewerber aus der Rechtsanwaltschaft ernannt.

Für die Zeit vor dem 1. Jänner 2010 stehen keine statistischen Daten speziell zu Ernennungen Externer auf staatsanwaltschaftliche Planstellen zur Verfügung. Die Durchforstung aller staatsanwaltschaftlichen Ernennungsakten von 2006 bis 2010 würde bundesweit einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand auslösen, weshalb ich davon abgesehen habe.

Zu 4 bis 6:

Zwei Staatsanwältinnen haben vor ihrer Ernennung – unter anderem – bei der genannten Anwaltskanzlei gearbeitet. Datenschutzrechtliche Restriktionen verwehren mir weitergehende Auskünfte. Gezielte Anwerbungen von Personen gab es meines Wissens jedenfalls nicht. Die Oberstaatsanwaltschaften legen großen Wert darauf, bei der Rekrutierung von staatsanwaltschaftlichem Personal ein möglichst bereites Fachpublikum anzusprechen und die Bestgeeigneten aus dem Interessentenkreis zu rekrutieren. Da die Ernennung auf eine staatsanwaltschaftliche Planstelle eine vierjährige einschlägige Rechtspraxis und die Absolvierung der Richteramtsprüfung voraussetzt, kommen primär nur Personen aus dem Bereich der Rechtsanwaltschaft in Betracht, zumal diese über die erforderliche Rechtspraxis verfügen und die Rechtsanwaltsprüfung bereits abgelegt haben. Sie stehen durch die Absolvierung der Richteramtsergänzungsprüfung nach dem Berufsprüfungs-Anrechnungsgesetz (BARG) somit relativ kurzfristig zur Verfügung.

Gerade Dank der außerordentlichen Anstrengungen des Bundesministeriums für Justiz, auch Personen aus der Rechtsanwaltschaft für eine Tätigkeit in der Staatsanwaltschaft zu gewinnen, konnte erreicht werden, dass seit dem Jahr 2008 mit dem Inkrafttreten das Strafprozessreformgesetzes kontinuierlich um rund 60% mehr Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (mit neuem erweiterten Aufgaben- und Tätigkeitsbild) im Interesse der Rechtssicherheit und zur Korruptionsbekämpfung im Einsatz stehen als noch in den Jahren vor 2008.

 

Wien,      . Mai 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe

Anfragebeantwortung (gescanntes Original)

zur Verfügung.