10947/AB XXIV. GP

Eingelangt am 22.05.2012
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

              

GZ: BMI-LR2220/0500-II/2/e/2012

Wien, am        . Mai 2012

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Hübner, Harald Vilimsky und weitere Abgeordnete haben am 22. März 2012 unter der Zahl 11095/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „geplanter Frühwarnmechanismus im Schengen-Raum & Missstände bei der Kontrolle der Schengen-Außengrenze durch Griechenland“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 bis 5:

Im Rahmen der EU-Ratsarbeitsgruppe „Schengen Angelegenheiten“ werden nach einem vorgegebenen Zeitplan alle Schengen-Mitgliedstaaten in regelmäßigem Abstand einer Vorort-Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes – darunter auch die Außengrenzkontrollen zu Land, zu Wasser und in der Luft – durch Experten aus der EU unterzogen. Diese Expertengruppen erstellen über jeden einzelnen durchgeführten Vorort-Prüfbesuch einen Bericht, der den Mitgliedstaaten und dem Rat der EU vorgelegt wird. Der Bericht zu den Außengrenzkontrollen Griechenlands wurde im Herbst 2010 bekannt. Die Schlussfolgerungen daraus wurden auch dem Europäischen Parlament zur Kenntnis gebracht.

 

Sollten in einem Mitgliedstaat Mängel festgestellt worden sein, ist dieser aufgerufen, einen Aktionsplan vorzulegen, in dem darzulegen ist, wie und innerhalb welcher Fristen er die festgestellten Mängel zu beheben gedenkt. Dies ist auch im Falle Griechenlands geschehen. Die Umsetzung dieser Abhilfemaßnahmen wird von den Experten der anderen Mitgliedstaaten ständig verfolgt und werden bei Bedarf weitere Verbesserungen eingemahnt. Weiters besteht die Möglichkeit, den Vorort-Überprüfungsbesuch zu wiederholen, um sich von den Fortschritten ein Bild machen zu können.

 

Bei den Evaluierungsberichten und den Aktionsplänen der Mitgliedstaaten handelt es sich jedoch um EU-Dokumente, welche der Klassifizierung unterliegen und es können daher keine Auskünfte über die bei einzelnen Mitgliedstaaten erfassten Mängel im Rahmen der Durchführung der Außengrenzkontrollen gegeben werden. Jedoch besteht jederzeit die Möglichkeit, dass dem Europäischen Parlament auf Antrag durch das Generalsekretariat des Rates der EU Einsicht in die einzelnen Berichte gewährt wird.

 

Zu den Fragen 6 bis 8:

Die Bekämpfung der illegalen Migration ist eine prioritäre Maßnahme, der sich Österreich als Mitgliedstaat der Europäischen Union besonders widmet.

 

Das Bundesministerium für Inneres hat gemeinsam mit Ungarn ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der illegalen Migration aus Griechenland über Serbien erarbeitet und umgesetzt. Dieses sieht die Unterstützung der ungarischen Polizei bei der Grenzüber-wachung an der ungarisch-serbischen Grenze, die Unterstützung durch österreichische Experten bei Kontrollen im Landesinneren Ungarns, einen regelmäßigen Informationsaus-tausch sowie ein gemeinsames Vorgehen in diesem Bereich auf EU-Ebene  vor.

 

Österreich beteiligt sich intensiv durch Beistellung von Personal und Technik an ge-meinsamen Operationen von FRONTEX, die schwerpunktmäßig zur Bekämpfung der illegalen Migration an der türkisch-griechischen Grenze durchgeführt werden. Zusätzlich unterstützt Österreich die vom EASO (European Asylum Support Office) in Griechenland gesetzten Maßnahmen durch die Entsendung von Experten.

 


Zu Frage 9:

Am JI-Rat vom 8. März 2012 nahmen die Innenminister Leitlinien für eine Verstärkung der politischen Steuerung der Schengen-Zusammenarbeit an. Die Schlussfolgerungen sehen vor, dass der Gemischte Ausschuss, in dem die Mitgliedstaaten der EU und die assoziierten Schengen-Länder vertreten sind, auf Ministerebene verstärkt die erforderlichen politischen Leitlinien für den Schengen-Raum festlegt.

Solche politischen und strategischen Debatten sollten unter jedem Vorsitz einmal stattfinden und gegebenenfalls auf Grundlage der von der Europäischen Kommission vorgelegten Berichte geführt werden. In diesem Zusammenhang beabsichtigt die Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat regelmäßig – mindestens jedoch einmal jährlich – Berichte über das Funktionieren der Schengen-Zusammenarbeit und die Anwendung des Schengen-Besitzstands vorzulegen.

 

Diese Berichte der Europäischen Kommission sollten kurz und präzise sein und einen Überblick über die wichtigsten Tendenzen und jüngsten Entwicklungen bei der Schengen-Zusammenarbeit – nebst einer Ursachenanalyse – liefern. Überdies sollte auf mögliche Schwachstellen, die das Funktionieren des Schengen-Raums in nächster Zeit beein-trächtigen könnten, hingewiesen werden, damit der Rat Präventivmaßnahmen in Erwägung ziehen kann.

 

Zu Frage 10:

Die Europäische Kommission plant ihren ersten Bericht über das Funktionieren der Schengen-Zusammenarbeit im Mai 2012 vorzulegen. Dieser erste Bericht wird voraus-sichtlich Grundlage für eine politische und strategische Debatte im Rat sein, die im Juni 2012 im Gemischten Ausschuss auf Ministerebene stattfinden sollte.

 

Zu Frage 11:

Gemäß Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der  Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) besteht bereits derzeit im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit für einen Mitgliedstaat die Möglichkeit, ausnahmsweise - nach einem festgelegten Verfahren – für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 30 Tagen oder für die vorhersehbare Dauer der schwerwiegenden Bedrohung, wenn ihre Dauer den Zeitraum von 30 Tagen überschreitet, an seinen Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen einzuführen. Die Tragweite und Dauer der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen dürfen jedoch nicht über das Maß hinausgehen, das unbedingt erforderlich ist, um gegen die schwerwiegende Bedrohung vorzugehen.

 

Ein Rechtsakt zwecks Festlegung einer gemeinsamen Regelung für die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter außergewöhnlichen Umständen wird jedoch derzeit im Rat diskutiert. Der Europäische Rat vom 23./24. Juni 2011 regte die Einführung eines Mechanismus, der – ohne das Prinzip des freien Personenverkehrs zu beeinträchtigen – unter außergewöhnlichen Umständen greifen soll, in denen die Schengen-Zusammenarbeit insgesamt gefährdet ist, an. Dieser Mechanismus sollte eine Reihe von Maßnahmen umfassen, die schrittweise, differenziert und koordiniert angewandt werden, um einen Mitgliedstaat zu unterstützen, dessen Außengrenzen einem hohen Druck ausgesetzt sind. Als allerletzte Möglichkeit könnte im Rahmen dieses Mechanismus eine Schutzklausel eingeführt werden, die es ermöglicht, ausnahmsweise eine Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen in wahrhaft kritischen Situationen zuzulassen, in denen ein Mitgliedstaat nicht mehr in der Lage ist, seine Verpflichtungen gemäß den Schengen-Vorschriften zu erfüllen.

 

Zu Frage 12:

Als Bundesministerin für Inneres unterstütze ich grundsätzlich die Bestrebungen von Bulgarien und Rumänien, dem Schengen-Raum beizutreten, da ein solcher neue Möglichkeiten zur noch intensiveren grenzüberschreitenden, polizeilichen Zusammenarbeit mit diesen Staaten bietet. Wie von allen anderen Schengen-Beitrittskandidaten waren von Bulgarien und Rumänien zahlreiche Voraussetzungen zu erfüllen, die auch anlässlich von Evaluierungsbesuchen durch Experten überprüft wurden. Um Bulgarien bzw. Rumänien bei der Erreichung der „Schengen-Standards“ zu unterstützen, haben Experten des Bundesministeriums für Inneres in den vergangenen Jahren in verschiedensten Bereichen Hilfestellungen geleistet.

 

In diesem Zusammenhang darf darauf hingewiesen werden, dass eine endgültige Abstimmung zum Beitritt von Bulgarien und Rumänien auf EU-Ebene bislang noch nicht erfolgte.


Zu den Fragen 13 und 14:

Vons der Europäischen Kommission wurde bereits ein entsprechender Text betreffend ein Gemeinschaftsrückübernahmeabkommen mit der Türkei ausverhandelt. Leider bestehen jedoch derzeit von türkischer Seite noch Vorbehalte gegen die Unterzeichnung.

 

Aufgrund des Mandats der Europäischen Kommission dürfen vom Bundesministerium für Inneres  mit der türkischen Seite keine diesbezüglichen Verhandlungen geführt werden.

 

Zu Frage 15:

Die Europäische Kommission hat derzeit ein Mandat zur Verhandlungsführung betreffend ein Gemeinschaftsrückübernahmeabkommen mit Marokko, Algerien, China, Türkei, Belarus, Kap Verde, Armenien und Aserbaidschan. Im Bundesministerium für Inneres laufen derzeit Bemühungen um ein bilaterales Rückübernahmeabkommen mit Gambia und Nigeria.

 

Zu Frage 16:

Verhandlungen über die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsangehörige sind grundsätzlich auf EU-Ebene mit allen Mitgliedstaaten zu führen. Das Bundesministerium für Inneres spricht sich jedoch klar gegen voreilige Schritte im Visabereich aus und kann sich nur Visaerleichterungen im Rahmen des bestehenden Schengen-Besitzstandes vorstellen. Von vorrangiger Bedeutung ist jedenfalls eine detaillierte und abschließende Beurteilung der migrations- und sicherheitspolitischen Situation der Türkei inklusive einer Bewertung der Auswirkungen einer allfälligen Visumbefreiung auf die EU-Mitgliedstaaten.