11131/AB XXIV. GP

Eingelangt am 30.05.2012
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Frauen und öffentlichen Dienst

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Korun, Kolleginnen und Kollegen haben am 30. März 2012 unter der Nr. 11308/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend eklatante Fehlurteile der Disziplinaroberkommission gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Ø  Welche Personen saßen bei der Entscheidung der Disziplinaroberkommission zum Fall der vier Polizisten, die Bakary J. gefoltert hatten, im zuständigen Senat bzw. welche Senatsmitglieder trafen diese Entscheidung?

Die Disziplinaroberkommission entscheidet in Senaten. Die Senate bestehen aus dem Senatsvorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern. Ein Mitglied der Disziplinarkommission muss vom Zentralausschuss bestellt sein. Im angesprochenen Fall waren zwei von drei Senatsmitgliedern, nämlich der/die Senatsvorsitzende sowie das Ressortmitglied Beamtinnen/Beamte des Bundesministeriums für Inneres, die von diesem Ressort entsendet wurden, das weitere Mitglied war Beamtin/Beamter eines Fremdressorts“. Der Senat entscheidet mit Stimmenmehrheit.

Die Personen, die diese Entscheidung trafen, entnehmen Sie bitte der Anlage 1.

Zur vollständigen Beantwortung der Frage ist weiters darauf hinzuweisen, dass es im Fall BAKARY“ 4 Rechtsgänge gab. In keinem Rechtsgang wurde von der erstins- tanzlichen Disziplinarkommission eine Entlassung ausgesprochen, während die Dis- ziplinaroberkommission zweimal die Entlassung von drei Beschuldigten ausgespro- chen hat.


Zum 1. Rechtsgang:

Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 2. Jänner 2007 wurde über den Erst-, Zweit- und Drittbeschuldigten jeweils eine Geldstrafe von 5 Monatsbezügen und über den Viertbeschuldigten eine Geldstrafe von 4 Monatsbezügen verhängt. Mit Erkennt- nis der Disziplinaroberkommission vom 11. September 2007, GZ 22, 23, 24/43 - DOK/07 wurden folgende Geldstrafen ausgesprochen: Der Erstbeschuldigte erhielt 5 Monatsbezüge, der Zweit- und Drittbeschuldigte 4 Monatsbezüge und der Viertbe- schuldigte 3 Monatsbezüge. Der gegen dieses Disziplinarerkenntnis der Disziplinar- oberkommission erhobenen Beschwerde des Disziplinaranwaltes hat der Verwal- tungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. September 2008, Zl. 2007/09/0320, stattge- geben und das Disziplinarerkenntnis im Strafausspruch aufgehoben.

Zum 2. Rechtsgang:

Mit Erkenntnis der Disziplinaroberkommission vom 20. November 2009, GZ 22, 23, 24/72 - DOK/07 wurde über den Erstbeschuldigten und den Drittbeschuldigten die Entlassung ausgesprochen, über den mittlerweile in den Ruhestand versetzten Zweitbeschuldigten der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche ausgesprochen. Über den Viertbeschuldigten wurde eine Geldstrafe von 5 Monatsbezügen ausgesprochen. Hinsichtlich des Viertbeschuldigten ist das Diszi- plinarerkenntnis in Rechtskraft erwachsen. Der Verwaltungsgerichtshof und der Ver- fassungsgerichtshof hoben das Erkenntnis der Disziplinaroberkommission vom 20. November 2009 wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung der Geschäftsver- teilung der erstinstanzlichen Disziplinarkommission auf.

Zum 3. Rechtsgang:

In der Folge musste mit Erkenntnis der Disziplinaroberkommission vom 2. Februar 2011 und vom 27. Juni 2011 das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis (wegen ge- setzwidriger Geschäftsverteilung und daher Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Disziplinarkommission) aufgehoben und an die Disziplinarkommission zurückver- wiesen werden.

Zum 4. Rechtsgang:

Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 6. Oktober 2011 wurden über den Erst-, Zweit- und Drittbeschuldigten Geldstrafen in der Höhe von jeweils 5.000,-- verhängt. Mit Erkenntnis der Disziplinaroberkommission vom 14. Februar 2012, GZ 97.98,99/13-DOK/11 wurde über den Erst- und Zweitbeschuldigten der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche (§ 134 Z 3 BDG) und über den Drittbeschuldigten die Entlassung ausgesprochen.

Zu Frage 2:

Ø  Welche Personen saßen bei der Entscheidung der Disziplinaroberkommission zum Fall des Waldviertler Polizisten (siehe Falter 12/12 S.11) der bei der Ope- ration Sledgehammer des Besitzes der pornographischen Darstellung Minder- jähriger überführt wurde, im zuständigen Senat bzw. welche Senatsmitglieder trafen diese Entscheidung?

Zur generellen Zusammensetzung der Disziplinarkommissionen verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

Die Personen, die diese Entscheidung trafen, entnehmen Sie bitte der Anlage 2.

Zu den angefragten Entscheidungen ist im Detail festzuhalten:

In einem vergleichbaren Fall hatte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16.10.2008, Zl. 2007/09/0136, die von der Disziplinaroberkommission gegen einen Polizisten ausgesprochene Entlassung mit der Begründung aufgehoben, dass nicht nachvollziehbar sei, warum im Hinblick auf die bereits erfolgte gerichtliche Strafe die Notwendigkeit der Entlassung erforderlich war, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die Disziplinaroberkommission habe im fortgesetzten Verfahren auch eine Zukunftsprognose anzustellen und die allfällige Möglichkeit einer Versetzung des Beamten zu beurteilen.

Im angesprochenen Fall ging dem Disziplinarverfahren ebenfalls eine strafgerichtli- che Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten voraus. Die erstinstanzliche Disziplinarkommission sprach am 16.2.2009 die Entlassung des Beamten aus. Die Disziplinaroberkommission sprach im Rechtszug - im Hinblick auf die oben genannte Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes - mit Erkenntnis vom 23.6.2009, GZ 17/8-DOK/09, eine Geldstrafe von 5 Monatsbezügen aus. Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Entscheidung mit Erkenntnis vom 15.12.2011, Zl. 2009/09/0188, wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung der Geschäftsverteilung der Disziplinarkommission auf. Der Ersatzbescheid der Disziplinaroberkommission ist noch ausständig.


Zu Frage 3:

Ø  Welche Personen saßen bei der Entscheidung der Disziplinaroberkommission zum Fall des Badener Polizisten (siehe Falter 12/12 S.11), der bei der Operation Sledgehammer des Besitzes der pornographischen Darstellung Minderjähriger überführt wurde, im zuständigen Senat bzw. welche Senatsmitglieder trafen diese Entscheidung?

Zur generellen Zusammensetzung der Disziplinarkommissionen verweise ich auf die Antwort zu Frage 1.

Die Personen, die diese Entscheidung trafen, entnehmen Sie bitte der Anlage 3.

Dem Disziplinarverfahren ging eine strafgerichtliche Verurteilung des Beamten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten voraus. Die Disziplinarkommission sprach mit Erkenntnis vom 1.12.2010 die Entlassung des Beamten aus. Die Disziplinaroberkommission verhängte - wieder im Hinblick auf die oben genannte Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes - mit Erkenntnis v. 26.7.2011, GZ 84/8-DOK/10 eine Geldstrafe von 5 Monatsbezügen. Der Beschwerde des Disziplinaranwaltes hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2011/09/0150 stattgegeben und die Entscheidung der Disziplinaroberkommission aufgehoben.

In diesem Zusammenhang weise ich auch auf die Entscheidung der Disziplinarober- kommission vom 19.1.2011, GZ 70/8-DOK/10, (betr. Kinderpornografie eines Polizis- ten) hin, mit der die Disziplinaroberkommission die Entlassung des Beamten bestä- tigt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile mit Erkenntnis vom 28.2.2012, Zl. 2011/09/0177, die Beschwerde des Beschuldigten gegen diese Entscheidung ab- gewiesen und die Entlassung bestätigt.

Zu Frage 4:

Ø  Bei welchen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission gab es 2006-2012 (aufgeschlüsselt auf Jahre und Entscheidungen) eine Berufung des Innenministeriums an den Verwaltungsgerichtshof? Mit welchem Ergebnis?

Ich verweise auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 11309/J durch die Frau Bundesministerin für Inneres.


Zu den Fragen 5 und 9:

Ø  Welche Konsequenzen zog das Bundeskanzleramt aus den krassen Fehlurteilen der Disziplinaroberkommission im Falle der vier PolizistInnen, die Bakary J. gefoltert hatten bzw. der zwei Polizisten, die Besitzer von Kinderpornos waren gegenüber den Mitgliedern des entscheidenden Senats?

Ø  Sie machten am 21.3.2012 den Vorschlag, eine Liste von Straftaten zu erstellen, die automatisch in einem Disziplinarverfahren zur Entlassung führen sollen. Wird es eine solche Liste geben und falls ja bis wann? Welche Straftaten wären davon umfasst?

Die Mitglieder der Kommissionen entscheiden weisungsfrei und unabhängig. Dies schließt Maßnahmen eines obersten Organs gegen sie aufgrund von Entscheidun- gen in ihrer Funktion aus.

Derzeit wird an der Ausweitung der Tatbestände, die zur Beendigung des Dienstverhältnisses führen, gearbeitet.

Zu Frage 6:

Ø  Planen Sie Transparenz, wie sie seit 1.1.2012 im Beamten-Dienstrechtsgesetz für Entscheidungen der Disziplinaroberkommission vorgesehen ist (Veröffentlichung im Rechtsinformationssystem) auch für ältere Entscheidungen herzustellen? Falls ja, bis wann und wie? Falls nein, wie rechtfertigen Sie, dass gerade bei diesen fragwürdigen älteren Entscheidungen der Disziplinaroberkommission Transparenz verweigert wird?

Die Entscheidungen der Disziplinaroberkommission sind in Form von erweiterten Rechtssätzen bereits seit dem Jahr 1999 im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) veröffentlicht. Die Volltexte dazu wurden bisher auf Anfrage in anonymisierter Form weiter gegeben. Eine Rechtsgrundlage für eine generelle Veröffentlichung älte- rer Entscheidungen besteht derzeit nicht.

Zu Frage 7:

Ø  Wie setzten sich die für PolizistInnen zuständigen Senate der Disziplinaroberkom- mission 2006-2012 jeweils zusammen (aufgegliedert nach Jahren) - wie viele der Senatsmitglieder waren in der jeweiligen Zusammensetzung VertreterInnen der Personalvertretung, des Bundeskanzleramts und des Innenministeriums ?

Die Daten sind aus der Anlage 4 ersichtlich.

Die jeweils aktuelle Geschäftsverteilung ist auf der Homepage des Bundeskanzler- amts unter der Rubrik Fachinhalte/Dienstrechtliche Kommissionen veröffentlicht.


Zu Frage 8:

Ø  Wie wurde bisher die fachliche Eignung (ungeachtet der rechtskundigen“ Eig- nung) der Mitglieder der Disziplinaroberkommission sichergestellt? Sind bei der Auswahl nach fachlicher Eignung Änderungen zum bisherigen Verfahren geplant? Falls ja, welche und ab wann?

Die Ernennung der Mitglieder der Disziplinaroberkommission erfolgt auf Vorschlag der/des jeweiligen Bundesministerin/Bundesministers (§§ 100ff BDG). Welche Perso- nen entsendet werden, liegt ausschließlich in der Ingerenz des vorschlagenden Res- sorts. Es handelt sich dabei um Personen, die mit der einschlägigen Materie vertraut sind und die fachliche Eignung aufweisen.

Anlagen

 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image, siehe

Anfragebeantwortung (gescanntes Original)

zur Verfügung.