11152/AB XXIV. GP

Eingelangt am 11.06.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0122-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 11336/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „milde Urteile für FrauenhändlerInnen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4:

Bei Staatsanwaltschaften und Gerichten gibt es keine Sonderzuständigkeit im Bereich des Frauen- und Menschenhandels oder des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels; daher ist der tatsächliche Arbeitseinsatz weder nach Stundenumfang noch nach eingesetzten Kapazitäten abschätzbar. Anzeigen wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 StGB oder wegen Menschenhandels nach § 104a StGB kommen nur höchst selten vor (siehe auch die Statistik zu den Fragepunkten 12 und 13).

Zu 5 bis 11:

Für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte werden im Rahmen der Aus- und Fortbildung regelmäßig Veranstaltungen zur Thematik des Menschenhandels angeboten, die zur Identifizierung mutmaßlicher Opfer von Menschenhandel beitragen. Bisher haben rund 20 Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an solchen Seminaren teilgenommen.

Zuletzt veranstaltete das Bundesministerium für Justiz in Zusammenarbeit mit dem Verein LEFÖ-Beratung, Bildung und Beratung für MigrantInnen, und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im Oktober 2011 das Seminar „Aktiv gegen Menschenhandel: internationale Vorgangsweisen und Möglichkeiten aus strafrechtlicher Perspektive“. Dabei wurden sowohl Ermittlungsmethoden und -möglichkeiten bei Menschenhandel als auch die Themen „Opferschutz“ und „Prozessbegleitung“ und die internationale Zusammenarbeit behandelt. Neben Vortragenden aus der Justiz waren zur Ermöglichung eines multidisziplinären Austausches auch die beiden mitveranstaltenden Beratungseinrichtungen (LEFÖ-IBF und IOM), das Bundeskriminalamt sowie Europol und Eurojust durch Vortragende vertreten.

Weiters kann auf folgende Veranstaltungen seit dem Jahr 2007 verwiesen werden:

-       Seminar im Rahmen der Österreichischen RichterInnenwoche 2007 zum Thema „Trafficking in Human Beings and its Impact on Court Proceedings“;

-       Seminar „Menschenhandel und Opferschutz“ des Oberlandesgerichtes (OLG) Wien;

-       Konferenz „Judicial Training on Human Trafficking and Domestic Violence“ in Kooperation mit dem Europarat;

-       Seminar „Menschenhandel – Neue Herausforderung für die Justiz bei der Bekämpfung eines globalen Problems“ des OLG Graz.

 

Zusätzlich zum justizinternen Fortbildungsangebot wird interessierten Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten die Möglichkeit eröffnet, an nationalen und internationalen Veranstaltungen zum Themenbereich Menschenhandel teilzunehmen.

Zu nennen sind insbesondere:

-       die dreiteilige Seminarreihe zum Thema „Menschenhandel“ im Rahmen des Projekts „Towards a European Approach to Judicial Training on Trafficking in Human Beings”, welches von der EK finanziert und von der niederländischen Justizschule „SSR“ (Februar 2012), der italienischen Justizschule „CSM“ (zweites Halbjahr 2012) und der polnischen Justizschule „KSSIP“(erstes Halbjahr 2013) durchgeführt wird.

-       Im Jahr 2009 wurde einer Staatsanwältin ein dreiwöchiger Aufenthalt in den USA ermöglicht, um am International Visitor Leadership Program des U.S. Departement of State zum Thema “Combating Trafficking in Persons” teilnehmen zu können.

-       Seminar der ERA in Trier „Die Bekämpfung des Menschenhandels durch internationale Zusammenarbeit in Strafsachen“ im Jahr 2008.

-       Fortbildungsveranstaltung der LEFÖ-Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels zum Thema „Arbeit – Migration – Rechte: Strategien gegen Frauenhandel“ im Oktober 2008 in Wien.


Zu 12 und 13:

Anlässlich der Anfrage habe ich eine Auswertung der elektronischen Register der Verfahrensautomation Justiz in Auftrag gegeben. Auf der Basis einer Sonderauswertung für den Sicherheitsbericht 2011 wurden zusätzlich die Urteilsarten ermittelt:

 

 

Zu 14, 18  und 19:

Was das Nebeneinander von § 104a StGB („Menschenhandel“) und § 217 StGB („Grenzüberschreitender Prostitutionshandel“) anlangt, möchte ich vorweg daran erinnern, dass § 217 StGB ursprünglich „Menschenhandel“ hieß und erst anlässlich der Neuschaffung des § 104a StGB im Zuge der Umsetzung internationaler Vorgaben in „Grenzüberschreitender Prostitutionshandel“ umbenannt wurde. Der Grund hiefür war, dass das, was die (jüngeren) internationalen Rechtsinstrumente unter „Menschenhandel“ verstanden und verstehen, und das, was § 217 StGB darunter verstand, nicht vollständig deckungsgleich war, wobei § 217 StGB zum Teil weiter, zum Teil enger als § 104a StGB (und die internationalen Vorgaben) ist. Der Tatbestand des § 217 StGB ist vor allem insofern weiter, als er – zumindest in seiner aktuellen Ausprägung durch die herrschende Judikatur – keine Ausbeutung des Opfers (bzw. keinen Nachweis der Ausbeutung im Einzelfall) verlangt, sondern die tendenzielle Ausbeutungsgeneigtheit des Nachgehens der Prostitution in einem für das Opfer fremden Land genügen lässt. Enger ist der Tatbestand hingegen insoweit, als er auf die Sexualsphäre beschränkt ist (während § 104a StGB und die internationalen Vorgaben auch auf die Ausbeutung der Arbeitskraft sowie auf die Ausbeutung durch Organentnahme abstellen) und insbesondere einen bestimmten grenzüberschreitenden Aspekt verlangt (indem das Opfer in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt oder in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, der Prostiuttion nachgehen muss bzw. nachgehen soll), während § 104a StGB auch den rein innerösterreichischen Menschenhandel erfasst. Da es seinerzeit bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben nicht um eine Ersetzung des bestehenden österreichischen Rechts durch neues Recht im Sinne der internationalen Vorgaben ging, sondern insgesamt um eine Ausweitung bzw. Verstärkung des Kampfes gegen den Menschenhandel, wurde § 217 StGB, der wie gesagt in seinem Schutzbereich zum Teil über die internationalen Vorgaben hinausgeht, inhaltlich beibehalten und gleichsam um die Bestimmung des § 104a StGB ergänzt.

Die Strafdrohung bei Menschenhandel im Rahmen der organisierten Kriminalität beträgt nach § 104a Abs. 4 zweiter Fall Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren. Beim Delikt des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels gibt es keine Qualifikation für Begehung im Rahmen organisierter Kriminalität; dort beträgt die qualifizierte Strafdrohung aber ohnehin bereits Freiheitsstrafe von einem bis zu 10 Jahren.

Ein Vergleich der verhängten Sanktionen zwischen Menschenhandel und grenzüberschreitendem Prostitutionshandel ist deswegen schwierig, weil nach der herrschenden Auffassung bei einem Zusammentreffen der beiden Bestimmungen § 217 StGB grundsätzlich vorgeht. Fälle des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung werden daher, sobald sie grenzüberschreitender Natur im Sinne des § 217 StGB sind, grundsätzlich nur als Fälle des § 217 StGB ausgewiesen, sodass als Vergleichsgruppe für § 104a StGB im Bereich der sexuellen Ausbeutung nur die reinen Inlandsfälle in Frage kommen.

Ganz allgemein bin ich der Auffassung, dass die Höhe der Strafdrohung kein Maß dafür ist oder sein sollte, wie energisch ein Delikt bzw. eine Deliktskategorie verfolgt wird. Die Höhe der Strafdrohung bringt vielmehr nicht zuletzt den sozialen Unwert zum Ausdruck, der einem besimmten deliktischen Verhalten generell-abstrakt beigemessen wird. In diesem Sinn beabsichtige ich – auch in Umsetzung der aktuellen EU-Richtlinie – im Herbst eine Erhöhung der Strafdrohung beim Menschenhandel vorzuschlagen (nach dem jetzigen Stand der Überlegungen: sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe in der Grundstrafdrohung statt derzeit drei Jahre; Anhebung bei jugendlichen Opfern [bis unter 18] auf 1 bis 10 Jahre Freiheitsstrafe wie derzeit nur bei unmündigen Opfern [bis unter 14]).

Zu 15 bis 17:

Zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung steht mir noch kein Material aus der Gerichtlichen Kriminalstatistik zur Verfügung. In der Verfahrensautomation Justiz ist für das Jahr 2011 keine Beschlagnahme von Vermögen im Sinn der Fragepunkte 15 bis 17 registriert.

 

Wien,       . Juni 2012

 

 

Dr. Beatrix Karl